„Ach, das ist ja mal nett!“
„Was denn?“
„Na, mal einen deutschen Fahrer zu haben!“
„Ach? Mein Kollege Muhammed, mir dem ich mich gerade unterhalten habe als sie angekommen sind, fände das sicher nicht sehr nett.“
„Oh! Der fährt auch Taxi?“
„Länger als ich. Der hätte sicher kein Navi gebraucht.“
„Machen die Türken das nicht immer?“
Ich hab’s nicht fertig gebracht, sie rauszuschmeißen, weil sie zu alt war. Mit viel Glück erlebt sie die nächste Wahl noch. Das war es dann aber auch. Hoffentlich!
Ich hatte diesen Konflikt auch schon und bin damit ähnlich umgegangen wie du. Trotzdem bleibt das eine interessante Frage, die wahrscheinlich nie abschließend beantwortet werden kann: Darf man jemanden allein lassen, dessen Ansichten vom Grundsatz her nicht mit dem eigenen Gewissen zu vereinbaren sind, der aber hilfsbedürftig ist? Ich habe es bisher so gehandhabt, dass ich die Leute nicht rausschmeiße, so lange sie mich nicht persönlich angreifen. Ob das eine gute Methode ist, sei dahingestellt.
Sicherlich kennst du die Gegenargumentation:
Mit einem deutschen Muttersprachler ist die Wahrscheinlichkeit von Sprachbarrieren um ein vielfaches geringer; und im Regelfall erfolgt der gesamte Kundenkontakt verbal.
Für mich ist es wie mit der freien Wahl der Taxe am Taxistand. Einige steigen nur vorne ein, einige wollen unbedingt Benz fahren und wieder andere wollen was ganz anderes. Hier meine ich zu wissen, dass du die freie Wahl legitim findest. Da die erfolgreiche Wahl der Muttersprache des Fahrers nicht wirklich kurzfristig und und bewusst erfolgen kann, ist die Freude über das zufällige Treffen der Präferenz mEn legitim.
Gegenbeispiel: Ich habe vor zwei Jahren mit dem Rauchen aufgehört und meide seit dem Orte, Personen und Gelegenheiten an denen geraucht wird. Bei einem Taxifahrer – sofern ich Ihn nicht gerade habe Rauchen sehen – weiß ich nicht, ob er Raucher oder Nicht-Raucher ist. Wenn ich ins Taxi einsteige und der Taxifahrer hat gerade geraucht, bin ich unglücklich. Der gesellschaftliche Konsens verbietet es aber, direkt Kritik zu äußern – auch wenn die Kritik an einem die Umgebung belästigenden Suchtverhalten verständlicher als die Freude über die Muttersprache ist. Oder?
@Paul:
Ich würde sagen, das ist immer situationsabhängig. Ich hab mir da kein fixes Verhaltensmuster zugelegt. Vielleicht sollte ich „leider“ sagen.
@buxe2000:
Das „Gegenargument“ hakt an der Stelle, wo man am Taxi vorbeigeht, bloß weil der Fahrer eine dunklere Hautfarbe oder whatever hat. Ich kenn ein paar Kollegen aus dem arabischen Raum, die sprechen besser deutsch als die meisten Dialektsprecher hierzulande. Aber wozu das rausfinden, die Wahrscheinlichkeit ist ja so viel geringer!
Sorry, das ist Bullshit!
Sash, ich verstehe deinen Eintrag als Anprangerung des alltäglichen, latenten Rassismus – und unterstütze ihn. Ich muss allerdings auch gestehen, dass ich es aufgegeben habe, mich selbst auf bestehende Klischees und Vorurteile hin stets aufs neue zu untersuchen. Früher habe ich krampfhaft versucht, alle Dinge, die man über „die Türken“, „die Russen“ etc. denkt zu vergessen – Mit dem Ergebnis, dass ich im Dönerladen hinter einem älteren Türken stand, der – wie im „schönsten“ Kaya-Yanar-Sketch – „Mit alles – und VIEL scharf“ bestellt hat …
@SaltyCat:
Ach, natürlich. 🙂
Irgendwoher kommen die Vorurteile ja auch. Es ist halt die Frage, wie man damit umgeht.
Nun, dafür gibt es zumindest in diesem Fall die biologische Lösung.
Die ist wahrscheinlich auch die einzig noch verfügbare, ab einem gewissen Alter.
Stimmt schon. Ich sass auch schon häufiger im taxi als Gast bei einem Fahrer ohne Migrationshintergrund der so über seine Kollegen mit einem solchen gesprochen hat, das ich auch hätte aussteigen sollen. Habe ich leider auch noch nie aus Faulheit gemacht. Das ist das Dumme am Alltagsrassismus: etwas gegen ihn zu machen bringt meistens wenig, ist aber sehr unangenehm…
@Max:
Ich betone dann immer gerne, dass ich einen schwedischen Migrationshintergrund habe und es absolut daneben finde, wie derjenige sich darüber äußert. Das ist denen meist unendlich peinlich.
Ich habe nur norddeutsche Vorfahren und bin nichtmal vorurteilig blond. Trotzdem hat mir das bisher jeder geglaubt(man muss es halt überzeugend vortragen). Wenn das optisch so gar nicht glaubwürdig hinkommt, kann man auch England nehmen oder Frankreich oder zur Not die USA. Irgendwas in Stammtischaugen zivilisiertes halt. Schweiz kommt auch gut.
Lügen ist kacke, hilft in dem Fall aber erstaunlich gut. Und wenn es nur für den Rest der Fahrt(oder der Situation, wenn außerhalb des Taxis in einem anderen Gespräch oder so) beschämtes Schweigen ist. Damit Alltagsrassismus weggeht, muss man ihn unangenehm für den machen, der ihn anwendet, nicht für denjenigen, der es bloß mitkriegt.
Das hilft leider nur gegen diese spezielle Form des Alltagsrassismus, das aber dafür sehr nachhaltig. Wenn derjenige nicht völlig von seinem Rückenmark gesteuert wird, wird er sich in Zukunft hüten seine Parolen unter Leute zu bringen…
@Saltycat
So bestell ich beim Dönermann(muahaha, bei meinem Lieblingsdönermann arbeiten fast nur Frauen, sogar deutsche ohne Migrationshintergrund… Ich bin so böse und genderrassistisch ;p ) auch immer(aber nicht mit viel scharf, sondern ohne). Es ist einfach sehr effizient und ein geflügeltes Wort. Natürlich könnte ich auch „mit allem, aber bitte ohne scharfe Sauce“ antworten auf die Frage „Mit alles?!?“, die sich ebenfalls so eingebürgert hat. Würde aber den Ablauf stören und nichts ändern. Wenn ich an der Pommesbude „’ne Pommes“ bestell, ist das auch grammatikalisch falsch, aber ich hab trotzdem immer bekommen, was ich wollte. Ohne Nachfrage, ohne Verzögerung. Und da ist kein Migrationsvorder-, -mittel- oder -hintergrund mit drin. Pommesbude ist ja tendenziell was Deutsches.
Vorurteile sind wichtig. Man muss aufgrund von Erfahrungen kategorisieren. Ansonsten müsste man an jedem Baum erneut rauskriegen, ob der einen fressen will oder nicht und wenn wir ohne Vorurteile alles erstmal probieren würden, ob es essbar ist… Nun… Wir wären schon in der Steinzeit ausgestorben… Man kann nicht ohne Vorurteile überleben. Man muss nur eine sinnvolle Grenze ziehen für sich selber.
Ich lasse mir vor dem Einsteigen ins Taxi auch jedes Mal den Ausweis zeigen. Zusätzlich sollte der Fahrer einen Familienstammbaum bis zur dritten Generation ohne Zuwanderung, sowie 1en oder 2en in Deutsch von der 6ten bis zur 9ten Klasse oder Wahlweise ein Abiturzeugnis vorweisen können.
Bei Fahrten mit Navi ziehe ich generell 30% vom Fahrpreis ab.
Traurig ist allerdings, dass bei vielen deutschen Taxifahrern genau die gleichen Vorurteile vorherrschen, deshalb findet ein „Ach, endlich mal ein Deutscher“ vermutlich in vielen Taxis beim Fahrer gehör.
Dass Muhammed, Ali und Olukayode meist auch deutsche sind lässt sich dann nur schwer in relative enge Gehirne pressen.
Und auch wenn sie es nicht sind, kann man sich auf Fahrten mit ihnen oft besser unterhalten, als mit alt-eingesessenen Deutschen.
Die Fahrt von SXF nach Spandau war nicht zuletzt so entspannt, weil der türkische Kollege aus meinem Heimatbezirk kam und seine Schwester auf die gleiche Schule wie ich gegangen ist.
Oder der türkische Kollege, der direkt mich nach der Bestellung über myTaxi angerufen hat, um mir zu sagen, wann er genau da ist.
Aber die Generation der Vorurteile wird hoffentlich zum grössten Teil aussterben, denn, wenn in der Schule Orhan schon einer deiner besten Kumpels war und du mit Krzysztof gerne mal einen trinken gegangen bist, fällt „ein guter Deutscher zu sein“ schon unglaublich schwer.
Sorry, dass ich die anderen (vorerst) übergehe:
@Nick: Danke für den Kommentar!
Schöner kann man wohl nicht ausdrücken, wie das so ist, wenn man sich nicht rassistisch durch die Welt bewegt!
Das, was all die Leute, die uns „Gutmenschentum“ vorwerfen verpassen. Herrlich!
Solange der Fahrer gut genug Deutsch spricht um sich über Fahrtziel zu verständigen (leider war es einmal fast unmöglich – das hat mich genervt) ist es mir egal, wo er/sie oder die Eltern herkommen. Überall gibt es Idioten und sehr nette, zum Glück hatte ich bis jetzt nur sehr selten Taxifahrer, die eher der Kategorie Idioten entsprachen. Verständigen kann auch bei einigen Dialekten schwierig werden, wenn der Fahrer nur Dialekt kann und keine Annäherung an Hochdeutsch.
Weder die (vielen) positiven noch die (recht wenigen) negativen Taxifahrten lassen sich bei mir irgendwie auf (angenommene) Nationalität bzw. Herkunft des Fahrers verteilen – ein paar Idioten gibt’s überall, und letztendlich ist es für mich die Hauptsache, dass der Fahrer mich sicher und zügig zu meinem Ziel bringt. Meinetwegen auch mit Nachfrage nach der genauen Lage meiner sehr kleinen Seitenstraße oder mit Navi, völlig wurscht. Wenn dann noch ein nettes Gespräch dazukommt, ist das natürlich umso besser, wobei es mir egal ist, ob das nun in reinstem Hochdeutsch über die letzte Literaturnobelpreisträgerin oder eher geradebrecht über das Lieblingsreiseziel oder die Familie des Taxifahrers ist. Nicht einmal meine 85-jährige Oma vom Dorf macht da einen Unterschied, und wie Nick glaube/hoffe ich, dass der Alltagsrassismus deutlich nachlassen wird in den jüngeren Generationen, für die kulturelle und ethnische Vielfalt immer mehr zum Normalfall und irgendwie gar nicht weiter erwähnenswert wird.
Ich bin doch recht häufig mit dem Taxi unterwegs, und hab mich dabei auch nie von Aussehen, Herkunft oder sonst was vom Fahrer abhalten lassen einzusteigen, aber ich kann schon verstehen, dass sich die beiden über einen deutschen Fahrer freuen.
Ich bin bislang zwar noch immer überall hingekommen, aber es kommt halt doch nicht sooo selten vor, dass ein Nichtmuttersprachler ordentliche Probleme damit haben das Fahrziel zu verstehen (nein, ich nuschel nicht, und ja, mancher deutsche Fahrer versteht auch nur Bahnhof).
Ohne jetzt zu wissen was die beiden schon so alles im Taxi erlebt haben, ist es schwierig das korrekt einzuordnen.