Lustige Gesellen hatte ich mir da ins Auto geladen: Ein Vierertrupp, vermutlich Belgier. Ihr Deutsch war gut, man hat halt einen sehr starken Akzent bemerkt. Der Altersschnitt dürfte irgendwas um die 45 betragen haben, der Promillepegel lag glücklicherweise darunter. Ausgelassene Stimmung unter erfahrenen Berlin-Besuchern, eine feine Sache.
Sie wollten zu einem der Hotels an der U-Bahn-Station Güntzelstraße. Hmm, ja, da war was. Schon eine Weile her, dass ich in der Ecke bewusst war, vor allem aber hab ich die U-Bahnen noch weniger im Gedächtnis wie die Straßen. Aber dann fiel mir wieder ein, dass das an der Bundesallee liegen müsste.
Der ein oder andere erwartet vielleicht Wunderdinge von uns, tatsächlich hat man auch mal Lücken im Stadtplan, erschreckend große – selbst wenn das Ziel wie hier nicht weit draußen liegt. Ein schlechtes Gewissen hab ich da nicht, mich quatschen am Ostbahnhof auch regelmäßig Kollegen an und fragen nach dem Berghain oder dem Fritz-Club. Man weiß noch etwa, wo das war, aber bei den letzten 500 Metern guckt man lieber nochmal …
Ich bin das Risiko eingegangen und hab mal grob in die Richtung gezielt. Hab kurz vor dem Ziel dann Güntzelstraße/Bundesallee als Ecke ins Navi eingegeben. Denn irgendwo konnte man da doch … es meldeten sich Erinnerungsfetzen aus der Ortskundeprüfung:
„Krrz … Prager Platz … krrrrz … Prinz…krrrz“
Winzige, an sich unbedeutende Abkürzung, aber wenn schon, dann richtig! Ich folgte meinem Navi, als ein Räuspern vom Beifahrersitz kam. Der weiße Schnauzbart unter den tiefen Augenringen meines Fahrgastes schmatzte irgendwas.
„Alles ok?“
„Ja, ist der falsche Weg, aber ok.“
Für derartige Gelassenheit bin ich eigentlich ja dankbar, aber ich war in dem Moment selbst verdammt unsicher. Ich hatte die zwei Minuten davor schon überlegt, ob die Güntzel- nicht doch bis zur Martin-Luther durchgeht und dort die Haltestelle ist …
Das ist natürlich Blödsinn und mit etwas mehr Ahnung vom U-Bahn-Netz hätte ich das auch gewusst. Aber ich fahr ungefähr zweimal im Jahr U-Bahn, und meist nur mit der U1. In dem Kiez dort hab ich vor Ewigkeiten das letzte Mal Leute abgesetz, vielleicht war es sogar mein Ausflug mit Jo damals (das Foto ist am Bayerischen Platz aufgenommen, Jo hat aber seinen Artikel leider nicht mehr online), bei dem ich letztmals dort im Viertel war. Also WTF?
Ich hab mich irgendwie überreden lassen, umzukehren. Was Unsinn war. Am Ende der Barbarossastraße stand ich auf der Martin-Luther und wusste, dass ich falsch bin. Falsch. Falsch, falsch, falsch!
Die Uhr hatte ich peinlichkeitshalber schon ausgemacht und ich hab mir meine gute Laune bewahrt. Obwohl ich mich geärgert habe. Furchtbar. Zum einen darüber, dass ich mir unsicher war. Sonst hole ich bei so viel Unsicherheit immer gleich noch mehr Infos ein. Zum anderen aber darüber, dass meine Fahrgäste es total witzig fanden, dass ich mich verfahren habe – ohne ihre Bitte, umzukehren, wäre ich auf dem kürzesten Weg an ihrem Ziel gelandet.
Im Nachhinein war es spitze: Die Kundschaft war ausgelassen, hab großzügiges Trinkgeld und es wird allenfalls irgendwo in Belgien oder so eine kleine Anekdote über einen verpeilten Taxifahrer geben. Viel besser als miese Laune, kein Trinkgeld und die herkömmlichen Arschlochlegenden. Wenn ich jetzt bloß noch wüsste, wie ich verhindern kann, mich so beeinflussen und dann vom Ergebnis runterziehen zu lassen …
Hier noch eine Karte vom letzten Wegabschnitt für die Nicht-Kollegen unter Euch:
tja, gibts in der provinz im steirischen süden auch; nur hält sich der schaden/nutzen/ärger bei etwa 300 adressen und 21k menschen doch deutlicher in grenzen. solche, die gegenüber dem vermeintlichen low_budget_taxi_proleten die sau rauslassen wollen, weil sie just das für ihr sogenanntes ego brauchen, gibts wohl überall…….
lg,
werner
Na, beim als/wie-Fehler kam wohl der Schwabe in dir durch 😉
@mathematikos:
Da hilft nur ruhig bleiben. Und vielleicht bloggen. 🙂
@Ingmar:
Es ist zu früh. Ich hab jetzt zweimal den Text nochmal durchgelesen und die Stelle nicht gefunden, auf die Du anspielst …
Teamarbeit: 2. Absatz:
…, vor allem aber hab ich die U-Bahnen noch weniger im Gedächtnis wie die Straßen.
@mm.:
Danke. Jetzt hab ich’s auch! 🙂
… da war die Uhr dann also nach nichtmal einem Drittel der Strecke aus. Wie verhält man sich da? Das war ja im Grunde ein gewünschter Umweg.
@Ana:
Nee, das ist ja nur ein Teil der Strecke. Davor lagen noch gut 7 Kilometer Fahrt oder so. Ich wollte nur sichergehen, dass Google das mit der Anzeige peilt.
Ich checks nich… Deine Route über den Prager Platz wäre kürzer gewesen als über die Nachodstraße, was deine Fahrgäste aber nicht wussten und dich daher überredet haben die Barbarossastraße zu nehmen… oder wie?
@Paul:
Sie haben mich (fälschlicherweise) dazu überredet, über die Barbarossastraße zurückzufahren, weil sie glaubten, der U-Bahnhof läge eigentlich an der Martin-Luther, statt an der Bundesallee. Also gewissermaßen: ja. 🙂