Mit anderen teilen …

„Ist der Bus gerade raus?“

„Bus?“

„Dachte nur. Von hier zum Bahnhof fährt ja auch ein Bus, da fahren die Leute selten mit dem Taxi.“

„Ach, keine Ahnung. Ich fahr nicht so oft mit Bus und sowas. Ich fahr lieber Taxi.“

„Hey, mich als Taxifahrer freut’s! Wollte nur mal nachfragen.“

„Ja, weisste: mein Geld reicht mir. Und was ich übrig hab, das geb ich dann halt an andere. So Taxi, Kellner und so. Immer teilen.“

Wow. Ein Mensch, der genug Geld hat. Ist mir lang nicht mehr begegnet. Ich mustere den Typen. Vielleicht 25 Jahre alt, von Stil her eher HipHop als Business. Also entweder Musik, Internet oder Drogen: anders konnte ich es mir nicht wirklich erklären.

(Ach kommt! Jeder hat so seine Vorurteile. Und nach Pornos sah er halt auch nicht aus. 😉 )

Und er war wirklich nett. Die Fahrt war genau genommen kürzer als eine Kurzstrecke, eine solche hatte er ohnehin nicht verlangt.

„Dann wären wir bei 6,40 €.“

„Ja, dann, hier, ne? Denke, 10 ist ok.“

Mein Danke hat er kaum mitbekommen. Er ist umgehend reingesprintet. Sah aus, als hätte er es eilig gehabt, sein Geld weiter unter die Leute zu bringen.

9 Dinge, die ich im Taxi nicht mehr hören kann

Manche Sätze hört man im Taxi ständig, regelmäßig oder zumindest oft. Eine kleine, nicht ganz ernst zu nehmende Auswahl derer, auf die ich gut verzichten könnte:

1. „Folgen Sie diesem Taxi!“
Ja, gut, verstehe: Du hast auch schon mal einen Krimi gesehen. Dummerweise bist Du da im Heimatland von Tatort nicht alleine mit dem Witz. Außerem ist ein Taxi verfolgen doof: die fahren wie die Irren und noch dazu auf riesen Umwegen!

2. „Sind Sie das Quiztaxi?“
Das ist etwa so innovativ und sinnvoll, als würde ich kleine asiatische Frauen ständig zur Begrüßung fragen, ob sie Thomas Gottschalk sind – nur weil ich den auch auch mal auf Youporn Youtube gesehen hab.

3. „Was, wie fahren Sie denn?“
Nach Möglichkeit auf öffentlichen Straßen! Streckenwünsche können auch ohne Vorwurf vorgebracht werden und müssen nicht aus Prinzip so klingen, als hätte Else Kling gerade irgendwelche Bootcamp-Halluzinationen.

4. „Könn‘ wa da nich’n Zehner machen, Digger?“
Klar. -.-
Bis dahin, wo die Uhr 8,00 € anzeigt.

5. „So genau weiß ich das auch nicht …“
Das is’n bisschen schade. Ich hab auf die Ortskundeprüfung ziemlich viel gelernt, aber leider nicht, neben welchem Aldi dein Cousin Rudolf jetzt genau wohnt.

6. Studieren Sie nebenher?
Natürlich. Psychologie. Sie sind Teil meiner Feldstudie. Keine Fragen dazu bitte, das würde die Ergebnisse verfälschen.

7. „Kann ich auch mit Hund?“
Gerne, aber sprich den Satz verdammt nochmal zu Ende, damit ich nicht die ganze Fahrt über kichern muss!

8. „Mir geht’s nicht so gut …“
Würde es mir nach 8 Bier, 7 Wodka und zwei Flaschen Sekt auch nicht. Gekotzt wird trotzdem entweder außerhalb des Fahrzeugs oder innerhalb des eigenen T-Shirts, klar!?

9. „Wenn Sie nachts Taxi fahren, was machen Sie tagsüber?“
Vormittags eine Schnellrestaurantkette führen und nachmittags bin ich nebenberuflich Hufschmied. Und kommen Sie bloß nicht auf die Idee, ich würde irgendwann schlafen. Taxifahrer schlafen alle in ihren Autos während der Arbeit!

Drei auf einen Streich (3)

Wie gesagt: die Zeit reichte eigentlich dicke, aber zu guter Letzt bin ich doch recht flott durch den nahezu ausgestorbenen Boxhagener Kiez gerauscht. Am Ende lief es so, dass ich den Wagen abstellte (parken wäre in Anbetracht der zahlreichen StVO-Verstöße beim Wenden und Platzieren ein wenig euphemistisch), ausstieg und dann schon sah, wie mein Fahrgast sich um die Hausecke schob. Wie bereits versprochen war er nicht mehr lotterlich und ungeduscht unterwegs, sondern in seine Vereinsklamotten geschmissen, etliche Trikots und Schals über- und vor allem durcheinander.

Er freute sich, dass es so gut geklappt hat (was ich nur erwidern konnte) und fing an zu erzählen, wie er im Auftrag des Fußballs durch die Weltgeschichte reiste. Für welchen Verein hab ich nicht geblickt, er hatte da wohl ohnehin mehrere, dieses Mal ging es wohl zu irgendeinem Dritt- oder Kreisliga-Match in Hessen, mir war bis dato unbekannt, dass um diese Jahreszeit überhaupt irgendwo gespielt wird. Ebenso hätte mich interessiert, wie man sich sowas eigentlich finanziert, denn für eine reguläre Rente schien der Mann zu jung. Und es war wohl wirklich so, dass er nur eine mickrige Erwerbsunfähigkeits-Entschädigung bekam, sich aber durchs Leben schlawinerte, indem er in großem Stil illegal Kippen für die ganze Verwandt- und Bekanntschaft aus den östlichen Nachbarländern einschmuggelt – dank kostenloser Fahrmöglichkeit mit der Bahn mit brauchbarer Gewinnspanne. Kein Wunder, dass er mir seine genaue Adresse nicht genannt hatte 😉
Über die moralische Verwerflichkeit kann man sich sicher vortrefflich streiten, bei mir blieb zugegeben ein wohliges Gefühl bei dem Wissen, dass dieser Typ irgendwie über die Runden kommt und nicht zuhause versauert, nur weil er nicht mehr der Fitteste ist.

Am Ende stoppten wir vor einem Haufen gleichgesinnter Mitstreiter, die ebenso auf den noch nicht eingetroffenen Bus warteten. Der Kerl hatte damit noch rund 8 Stunden Fahrt vor sich, ich etwa das selbe hinter mir. Und mir persönlich hat es gereicht. Ganz ohne Fußball, darauffolgendes Besäufnis usw. usf.

Ja, ich hab danach Feierabend gemacht. Glücklich wäre nicht das Wort der Wahl, dazu drückten die Finanzen die Laune zu sehr. Irgendwie zufrieden war ich dann aber eben doch. Immerhin.

Drei auf einen Streich (2)

Der restliche Abend verlief desaströs. Insbesondere, wenn man bedachte, dass es Wochenende war. Nach der Tour mit dem komischen Krücken-Kauz kehrte ich um etwa 22 Uhr an den Ostbahnhof zurück. Mein schlaues Büchlein vermeldete in den nächsten Stunden folgende Fahrten:

22.15 Uhr – wieder für 6,60 € in den Friedrichshain, 7 € gekriegt.
23.20 Uhr – wieder für 6,60 €, dieses Mal nach Kreuzberg, wieder nur 40 Cent obenauf.
00.00 Uhr – ganze 6,80 € Richtung Mitte, dieses Mal wenigstens wieder auf 8 € aufgerundet.
00.35 Uhr – vom Ostbahnhof zum Berghain, kein Trinkgeld. Ein Klassiker.
Um 0.50 Uhr hatte ich immerhin eine Tour für mehr als 7 €, danach sogar Winker. Ironischerweise wieder für 6,60 € …

Wie eingangs erwähnt: desaströs.

Tatsächlich hatte ich bis 3.30 Uhr nur 80 € eingefahren, diese Schicht sollte meinen Stundenlohn leider nicht über die 4,38 € diesen Monat heben – im Gegenteil. 🙁
Um kurz vor vier hab ich dann zugunsten meiner Vorbestellung den Halteplatz nach einer Dreiviertelstunde anstehen ohne Kundschaft wieder verlassen. Wie hoch wäre wohl die Wahrscheinlichkeit gewesen, um 4.05 Uhr eine Tour zu kriegen, mit der ich meinen Rucksackträger um 4.15 Uhr am Boxi hätte einsammeln können?

Ich fuhr mit ausgeschalteter Fackel zum Treffpunkt an einer normalerweise belebten Ecke und registrierte mit Frustration, dass das Mädel auf der anderen Straßenseite eigentlich so aussah, als könne sie ein Taxi gebrauchen. Ist ja klar: wenn man einmal „besetzt“ ist …

Ich schob erst einmal den Beifahrersitz wieder auf Anschlag nach hinten, wischte etwas Dreck aus dem Auto, öffnete den Kofferraum. Da schallte um 4.02 Uhr dann doch die Stimme von gegenüber durch den Kiez:

„Sorry, biste frei?“

Das Mädel war nicht mehr alleine, es starrten mich vier erwartungsvolle Augenpaare an.

„Nee, eigentlich nicht. Wobei, wenn es eine kurze Fahrt ist … ich muss halt in 10 bis 15 Minuten wieder hier sein.“

„Weiß nicht. Mühsamstraße?“

„Wenn Ihr euch beeilt, dann reicht das locker!“

Hat erstklassig gereicht! Ich hab die vier eingesackt und eine weitere schnelle kurze Tour für knapp über ’nem Fünfer zuzüglich 80 Cent Trinkgeld gehabt. Dieses Mal immerhin ohne Warten.

(um 11 Uhr dann der letzte Teil)

Drei auf einen Streich (1)

Ich hatte zweifelsohne schon vertrauenserweckendere Kundschaft im Auto gehabt. Immerhin brauchte ich keine Sorgen zu haben, dass er irgendwelchen größeren Ärger macht: er schien nüchtern genug, um seine Fluchtmöglichkeiten einschätzen zu können. Und er ging an Krücken. Ich bin gleich aus dem Auto raus, ich hatte ohnehin viel zu viel Zeit mit Rumstehen vergeudet, sicher eine gute Stunde!

Auf dem Gehsteig am Taxistand bemerkte ich dann, dass ich den leicht angeschlagenen Zausel um locker zwei Köpfe, wenn nicht mehr, überragte. Ich bot ihm Hilfe an, sofern er sie benötigen würde und er drehte mir den Rücken zu:

„Na, erstmal muss dat Dingens ab. Vorsicht, is richtich schwer.“

Er rollte die R’s leicht, seine Sprache hatte einen norddeutschen, hamburgerischen Einschlag – ohne allerdings gleich einen kompletten Dialekt zu imitieren. Ich griff nach dem ausgebeulten lilafarbenen Adidas-Rucksack, der bereits zu klimpern anfing, als mein Fahrgast sich noch aus den Trägern herauswand. Ich musste an meinen grünen Schulrucksack denken, der hatte 2002 nach der letzten schriftlichen Abiprüfung ein ähnliches Verhalten an den Tag gelegt, damals befanden sich etwa 15 Flaschen Bier darin. So ähnlich war es jetzt wohl auch, der ungefähr 50-jährige Mann grinste verschmitzt, er hätte noch eingekauft, „zu essen und trinken“.

Ich wuselte zu meinem Sitz, um ihm seinen nach hinten zu stellen. Er packte die Krücken und sein steifes Bein in den Fußraum und meinte unmittelbar nach dem Einstieg:

„Biste heut noch lang unterwegs?“

„Wahrscheinlich. Schätze mal, so bis um 6 Uhr  etwa.“

Ich dachte mit Schrecken daran. Die Schicht verlief unterirdisch, aber ein paar Kröten wollen dann ja eben doch verdient sein. Eines jedenfalls war klar: in dieser Nacht würde ich alles annehmen!

„Dat klingt gut, gut. Ich müsste um 4 Uhr, oder vielleicht 4.15 Uhr noch nach Lichtenberg zum Bus.“

Für einen Moment habe ich meine Zusage bereut. Seine jetztige Fahrt ging schon einmal in die Richtung – zum Boxhagener Platz – was jede einzelne Fahrt auf sicher unter einen Zehner schrumpfen ließ. Außerdem roch er etwas unangenehm. Aber wie gesagt: Januar, hauptsache Kohle! Außerdem schien er nett zu sein und er schien mich zu mögen …

Mit nur 6,60 € auf der Uhr ließ ich ihn am Boxi raus, für diesen Tag recht feierliche 1,40 € Tringeld hat er noch obenauf gepackt. Er erklärte, duschen, essen und etwas schlafen zu wollen und wollte dann am frühen Morgen zum Fußball. Na denn.

(Fortsetzungen kommen noch diesen Vormittag!)

Rezension: Idiotentest

„Ich war ein Idiot, das mußte nicht mehr ertestet werden. Fehlte nur noch ein entsprechendes Tattoo auf der Stirn.“

– Henry

Idiotentest, soso. Ich hab ja im Nachhinein schon grinsen müssen, weil mir mein Chef im Büro noch sagte, ich solle den Titel des Buches nicht zu ernst nehmen. Das Buch war das diesjährige Geburtstagsgeschenk von meiner Firma und ich muss sagen, sie haben damit einen echten Volltreffer gelandet.

Sollte ich jemals eine komplett fiktive Geschichte schreiben, dann würde ich mir wünschen, sie würde genau so werden.

Und es ist auch kein Zufall, dass ich die Rezension hier bei GNIT blogge. Es ist zwar kein explizites Taxi-Buch, der Held der Geschichte, ein ziemlich heruntergekommener Bursche namens Henry, ist aber Taxifahrer. Man erfährt nichts wirklich aus dem Taxi, aber der Autor Tom Liehr hat mit Henry tatsächlich den Prototypen des kaputten freakigen und von seinem Chef abgezockten Taxlers erschaffen:

Henry wohnt in einer WG mit seinen Kumpels Gonzo und Walter, die wie er ganz besonders charmant dödelige Charaktere sind. Abgesehen davon, dass sie alle drei ziemlich ziellos und ständig blau durchs Leben treiben und sich hauptsächlich von Buchstabensuppe ernähren, haben sie auch sonst nicht viel Ahnung von allem. Henry selbst ist nach seiner schweren Kindheit mehr oder weniger beziehungsunfähig; Walter ist ein stets in Musik vertiefter, wenig erfolgreicher Fachjournalist, der einen heimlichen Traum hegt und Gonzo ein Nerd, der so nerdig ist, dass er nicht einmal blickt, dass die Mädels alle auf ihn stehen. Leben kommt in die Bude, als Henry eines morgens verkatert erwacht und feststellt, dass er was mit Andrea hatte – der Wirtin ihrer Stammkneipe, von der so ziemlich jeder im Buch was will. Da selbst das noch nicht reicht, um Henrys Leben eine andere Richtung zu verleihen, setzt er sich nach einem schweren Verlust auch noch besoffen hinters Steuer seines Taxis. Was natürlich nicht folgenlos bleibt …

Die Geschichte des Romans ist nicht kompliziert, sie ließe sich in maximal 3 Sätzen erzählen. Liehrs Begabung liegt darin, die Personen in Kürze und Prägnanz zu schildern, absurd komische Situationen und Gegebenheiten in Bilder zu packen, ohne dabei platt zu wirken. Wer gerne einen Ausflug ins kuriose Leben Neuköllns machen möchte, wer gerne auf flache Witze verzichtet, um im Gegenzug liebevoll komische Soziogramme zu finden, der ist bei diesem Buch aber sowas von richtig! Ohne mich mit Liehr vergleichen zu wollen, würde ich sogar sagen, dass alle, die hier bei GNIT gerne lesen, dieses Buch lieben müssten.

Ich empfehle es wirklich von ganzem Herzen, es ist seine läppischen 7,95 € zweifelsohne wert!

Erschienen ist es schon 2005 im Aufbau Taschenbuch Verlag und man kriegt es natürlich auch über Amazon:

Tom Liehr – Idiotentest

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

Abonniert doch den RSS-Feed von GNIT. Mehr von Sash gibt es außerdem bei Facebook und bei Twitter.

Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Fehler

Fehler passieren. Mir natürlich auch. So beispielsweise neulich, als ich einen Kunden in die Danziger Straße 191 bringen sollte. Ich kannte die Nummer nicht, hielt mich an einer Stelle für schlauer als mein Navi und am Ende verhinderte eine Baustelle auch noch die Schadensbegrenzung. Eine Fahrt, bei der ich niemals auf den vollen Fahrpreis bestanden hätte – und jeden Kollegen anzeigen würde, der das täte. Alles detailliert aufzuschreiben, wäre unnötig. Und ein Bild sagt mehr als tausend Worte, deswegen:


View Larger Map

Und der Kunde?

„Lass mal. Ist mir schon klar, dass sowas mal passieren kann. Ich würd schon merken, wenn Du mich wirklich abzocken wolltest!“

Fazit: Statt Fahrpreisminderung auch noch über 2 € Trinkgeld.

Bis ich die Fahrt mal wieder mit solchen Einnahmen hinkriege, müssen aber einige Tariferhöhungen ins Land ziehen …