Zweitarbeitsplatz

Keine Sorge: was das Taxifahren angeht, bleibe ich meiner Firma treu! Und auch sonst gibt es nichts neues. Ich hab bloß ausnahmsweise mal ein aufgeräumtes Zimmer und hatte deswegen mal wieder die Chance, ein Foto bei mir zu machen. Glaubt mir, es ist sehr schwer, solche Zeitpunkte abzupassen …

Meinen ersten Arbeitsplatz, den mit Airbag und gesetzlicher Krankenversicherung, kennt ihr ja: die 1925. Von dort aus schreibe ich ja aber nicht. Falls es also jemanden interessiert, wo man mich normalerweise vorfindet, sollte man zum auserwählten Personenkreis gehören, der meine Wohnung betreten darf:

Beispielhafter Lebensraum eines gemeinen Sashs, Quelle: ebendieser

Alles unspektakulär, ich hab immer noch nicht zu einem einheitlichen Style gefunden. Für Tipps von Innenarchitekten bin ich dementsprechen natürlich immer dankbar … 😉

Zweiundsechzig

Ja, zugegeben, das ist mein Alter mal zwei. Viel schlimmer aber: Es kann in Cent auch mal ein Stundenlohn sein. Und das nicht in Sri Lanka, sondern hier in Deutschland.

Wie bereits vor kurzem angekündigt, bloggt Busfahrer Michael jetzt auch übergangsweise aus dem Taxi. Und dort hat er eben jene Erfahrung gemacht, die bei all uns Taxifahrern zum Horrorszenario gehören: ewiges Warten.
Und zwar so extrem, dass selbst meine miesesten Abende weit übertroffen werden. Leider, füge ich als chronisch unterfinanzierter Kollege gerne an.

Ein bisschen Aufmunterung tut ihm sicher gut, also los:

FiF24 – Die zweite Nachtschicht im Taxi (Teil 1)

Weniger mit Zahlen, dafür mehr mit Farben hatte es da Aro, der einen sehr schönen Text über die Landjugend geschrieben hat. Definitiv auch einen Besuch wert:

berlinstreet – Grüne Jungs

Kein Geld verdienen …

Ich hatte gerade recht erfolglos eine Runde durch Mitte und Prenzl’berg gedreht, da signalisierte mir ein Arm, dass ich – nun ja: nicht arm bleiben würde in dieser Schicht. Hier an der Danziger war noch recht viel los, ein Döner-Spätkauf-Sonstwas-Laden hatte geöffnet, entsprechendes Publikum anbei.

Mein Winker war ein Kerl knapp über meinem Alter und er hatte zunächst eine Frage:

„Was machsn zun Bahnhof Warschauer?“

„Hmm, schätze mal, das ist so etwa ein Zehner. Vielleicht auch 12.“

„Nee, nee, nee! Nich ungefähr! Was machs DU mir für’n Angebot?“

„Das Angebot, für ca. 10 bis 12 € nach Uhr dahin zu fahren.“

Innerliches Grinsen. 🙂

„Was sachs’n zu acht?“

„Bis Bersarinplatz wär’s ok.“

„Ich willaber Warschauer!“

„Hab ich verstanden. Aber das kostet sicher zehn.“

„WILLS MA HIER VERARSCHEN? ZEHN EURO? BLEIB MAL LOCKER, DU GNOM! WILLSTE KEIN GELD VERDIENEN ODER WAS?“

In meinen Gedanken war das Fenster längst oben. Dann halt nicht. Da kam aber ein anderer Typ an und ging den potenziellen Fahrgast erst einmal recht rüde an:

„Was’n mit Dir Phase? Machste hier Taxifahrer dumm an?“

„Vapiss da! Geht Dir nüscht an!“

„Doch, doch. Ich glaube schon.“

Dann wandte er sich an mich und meinte:

„Guten Abend, Herr Taxifahrer. Würden Sie mich eventuell zum Berghain bringen?“

Ich warf einen Blick auf den entgeisterten anderen Typen und antwortete mit einem freundlichen Ja. Im Auto, nachdem wir losgefahren waren, meinte er dann:

„Ich wollte mir ja schon ein anderes Taxi ranwinken, aber dann hat der Depp mich so aufgeregt. Wissense, mein Bruder fährt auch Taxi, ich weiß, dass das nicht leicht ist. Und der Typ war ja mal unterste Kategorie. Ich hoffe, Sie können damit leben, dass ich Sie kurzerhand entführt habe.“

Das Ende vom Lied war, dass ich mit dieser Tour fast das Gleiche verdient hatte. Nur viel lockerer. Das Trinkgeld war zwar nicht viel, irgendwie bin ich dann aber doch dankbar … 😀

Sind wir hier richtig?

„Sind wir hier richtig?“

„Ja, keine Ahnung!“

„Wie, keine Ahnung? Ich dachte, Sie wohnen hier.“

„Ja schon, aber nachs sieht das ja alles anders aus!“

So geht es mir manchmal tagsüber …

Glücklich Single

„Verpiss Dich!“

habe ich es noch durch den kleinen Spalt der Scheibe reinschwappen hören. Und das trotz Musik. Einen Moment später schnellte ein Arm hoch, ein junger Mann, ein bisschen Hipster-Style – ohne jedoch völlig abgespaced zu wirken. Weiter in Fahrtrichtung, immer weiter von uns weg, stapft sichtbar wütend eine Frau, außer dass sie recht groß und blond ist, kann ich nichts erkennen. Der Rückschluss, dass der traurig durch seine Hornbrille guckende Typ an meiner Tür der Adressat des unschönen Spruches war, schien irgendwie naheliegend.

Der Schnee knirschte ein-, zweimal bevor sich das Häufchen Elend auf die Rückbank schwang. Arg viel war nicht mehr los am Boxhagener Platz um halb vier.

„Wo darf’s hingehen?“

„Ach, is im Grunde egal …“

Ich wollte schon einen Einwand bringen, da fügte er schnell an:

„Sorry! Du musst natürlich wissen, wo wir hinfahren! Tut mir leid, ich wollte jetzt auch nicht meine schlechte Laune hier …, fahren wir doch einfach mal nach Mitte. Ich überleg noch, ob ich heimfahre, oder noch was trinken gehe.“

„Alles klar. Stress gehabt?“

„Und wie …“

Während er erzählt, wird er merklich kleiner, sein Allerweltsdrama nimmt ihn schwer mit. Wenn man ihm Glauben schenken darf, dann war er mehr oder weniger gegen den Willen seiner Freundin mit ein paar Kumpels was trinken. Nichts wildes, ein paar Stunden gepflegter Spaß in einer kleinen Bar hier ums Eck. Ein paar Cocktails, ein paar Bier und dazu etwas altmodisch Kartenspiele. Später seien sie zum Billard gewechselt, lässt er mich wissen, die Laune gut, der beste Abend seit langem. Er käme mit seiner Freundin nicht oft dazu, auszugehen. Selbige, offenbar leicht reizbar und eifersüchtig bis zur Grenze der Paranoia, hatte da offenbar schon lange beschlossen, mal nachzusehen, ob er nichts unredliches treiben würde. Er hatte brav via Foursquare bei der Bar eingecheckt, ihn zu finden, war so schwer also nicht. Ganz dem schlechten Drehbuch des Lebens folgend, hat sie die Bar wohl betreten, als er gerade im alkohollastigen freundschaftlichen Überschwang seine Mitspielerin beim Billard umarmte, da sie die letzte Kugel stilvoll ins passende Loch versenkt hatte. Was seine Freundin darin gesehen hätte, könne ich mir ja vorstellen …

Sie hätten noch eine Weile miteinander geredet, eigentlich auf Versöhnung aus. An irgendeiner ungünstigen Stelle will er dann – „mehr oder weniger, so genau weiß ich das nicht mehr“ – angemerkt haben, dass sie nunmal einzusehen habe, dass er auch mal eine gute Freundin in den Arm nimmt, die er – „nur mal nebenbei, Schatz!“ – auch schon viel länger kennen würde.

Autsch.

Das Ergebnis verteilte sich nun auf mein Taxi und die nächtliche Ruhe Friedrichhains.

Wir waren inzwischen in Mitte, da bat er mich um einen Richtungswechsel nach Norden.

„Is‘ noch Prenzl’berg, sieht aber schon aus wie Pankow!“

sagte er über seine kleine Nebenstraße. Nach Hause also.

„Mal im Ernst, warum ist das immer so schwierig?“

„Kann ich nicht sagen, sorry. Ich kenne weder deine Freundin, noch die Problematik an sich …“

„Haha, schon klar: glücklicher Single! Ich ab heute auch wieder, mein Freund! Ich auch wieder!“

Ich hab überlegt, ob ich ihm die Wahrheit sagen sollte: dass ich verheiratet bin und deswegen trotzdem nie so einen Stress bezüglich Eifersucht hatte. Dass ich das Ganze für ziemlich dämlich halten würde und er seine Freundin mit gutem Recht ziehen lässt. Aber das war sicher nicht das, was er gerade hören wollte. Also schluckte ich es runter und schwieg.

„Musste noch lange?“

wechselte er aprupt das Thema.

„Nee, ich mach bald Feierabend.“

„Willste auf’n Bier mit hochkommen?“

„Nee, sorry. Bald ist nicht sofort. Und im Taxi gilt nullnull, logischerweise.“

„Schon klar, Du hasses auch nicht leicht, was?“

„Ach …“

„Halt, hier! Was macht das?“

„Fünfzehnachzich.“

„Dann, dann … mach einfach 25 draus! Ich hab eh nur’n Fuffi!“

„Boah, wow!“

„Is‘ schon ok, wenn sonst schon alles Scheiße ist!“

Ich hab von dem Geld am Ende noch eine Schachtel Kippen für Ozie gekauft, damit sie nicht morgens gleich wieder raus muss. Die kleinen Nettigkeiten. Im Gegenzug konnte ich – nach ewiger Wartezeit – am Ende der Schicht ein paar ziemlich betrunkene Mädels fahren, wobei eine es auch nicht lassen konnte, mich im Anschluss an die Tour zu umarmen. Ganz ohne jetzt irgendwelche Konsequenzen fürchten zu müssen. Sieht so aus, als hätte ich dieses Trinkgeld nicht wirklich verdient.

Die Kollegen Dunning und Kruger

Der Dunning-Kruger-Effekt ist für mich eine sehr gute Erklärung, warum man mit Idioten so viele Probleme hat. Idiotie alleine wäre oftmals allenfalls eine niedliche Macke und im privaten Bereich vielleicht sogar recht unterhaltsam. O.g. Effekt beschreibt das, was uns dann aber allen auf den Keks geht:

Eben durch ihre Inkompetenz fehlt den Leuten die Einsicht, dass sie inkompetent sind. In der Folge fehlt – flapsig ausgedrückt – just den größten Idioten die Ahnung, dass sie keine Ahnung haben, Sie werden ihre Meinung selbstsicher vertreten, sich überschätzen und erst Recht schlecht blicken, wenn jemand anders cleverer ist. (Wikipedia zum Dunning-Kruger-Effekt)

Das Schöne daran ist: so lange man der selben Meinung ist, passiert auch nix. Im Dienstleistungsbereich gerät man aber immer mal wieder in Situationen, in denen die Meinung von Kunde und Dienstleister aufeinander treffen. Da die beiden Parteien von den Umständen des Gegenüber oft recht wenig wissen, begibt man sich somit leicht auf’s Glatteis eines Kompetenzgefälles – und nicht immer kommt man dabei vorwärts, ohne auf die Nase zu fliegen.

Ich stand letztes Wochenende in Hohenschönhausen und war eigentlich schon vorab ein wenig verärgert, weil ich wegen einer unglücklichen Infopanne umsonst dorthin gefahren war. Scheinbar war das Glück mir jedoch hold und sandte mir ein paar Fahrgäste. Na prima?

Denkste!

„Na endlich sind Sie da!“

„Oh! Hatten Sie etwa ein Taxi bestellt?“

„Na sicher – sie sind doch Suleyman!“

„Ähm, nein. Leider nicht! Aber ich bin sicher, der Kollege kommt gleich.“

„Können Sie uns nicht einfach kurz mit dem Kind hier durch die Gegend fahren?“

Ich hab mich überwinden müssen, sie nicht einfach einzuladen. Aber es wäre unfair dem Kollegen gegenüber gewesen und zudem hätte ich für das Kind wirklich keine passende Sicherung gehabt. Dafür war es schlicht zu klein. Ich habe also freundlich, dennoch bestimmt, verneint und sie gebeten, doch kurz zu warten.
Für den ersten Moment schienen sie das auch zu akzeptieren. Ich hatte noch kurz was im Auto rumzuräumen, stand also noch etwa fünf Sekunden da. Dann riss der Typ, Marke Möchtegern-Irgendwas mit Karohemd und Brille, abermals die Beifahrertür auf und schnauzte mich an:

„So ein Scheiß! Erst schicken Sie uns mit dem Kind hier durch die Gegend und dann wollen Sie uns nicht mitnehmen! Eine Frechheit!“

Keine Ahnung, wie es euch so geht, aber ich lass mich ungern anschreien. Schon gar nicht, wenn ich nichts für den Ärger kann. Am liebsten wäre ich natürlich rübergegangen, hätte den Kerl gefechtsunfähig gemacht und ihm vorgeworfen, der Blödheit der Menschheit Vortrieb zu leisten, indem er sich auch noch vermehrt. Wäre sicher befriedigend gewesen, aber ich halte es da dann doch mit Fettes Brot:

N‘ dummer Bauer
mit blaugehau’nen Augen
wär keine Nummer schlauer
das wäre blauäugig zu glauben …

(witzigerweise ein Text, der auf einen Taxifahrer bezogen ist)

Aber hey: ich hatte überhaupt niemanden irgendwohin geschickt und ich hätte sie eigentlich sehr gerne mitgenommen. Außerem wusste ich, dass ich nicht bestellt war, dass noch ein Taxi unterwegs ist und dass ich die Fahrt wegen fehlendem Kindersitz gar nicht hätte machen dürfen. Für mein Gegenüber, immerhin erwachsen genug um ein Kind zu tragen, stand ganz offensichtlich die Gleichung fest:

„Ich hab ein Taxi bestellt + da steht ein Taxi = mein bestelltes Taxi ist da“

Für mich war das etwas unbefriedigend, denn nach kurzer Selbsteinschätzung war ich immer noch Sash, nicht Suleyman – und meiner 1925 war auch noch kein passender Kindersitz und eine neue Konzessionsnummer gewachsen. Also bin ich zumindest oberflächlich ruhig geblieben, ausgestiegen und hab einfach darauf hingewiesen, dass ich doch nicht einmal wüsste, welches Taxi sie wo bestellt hätten und mich deswegen ein bisschen zu Unrecht angegangen fühlen würde. Aber klar – an einer inhaltlichen Diskussion lag den Intelligenzverweigerern wenig Sie hatten ja Recht, soll dieser Depp von Suleyman doch sagen, was er will!
Ihre „logische“ Konsequenz auf meine Nachfrage war, sich ein freies Taxi heranzuwinken. Klar: Man kann ja ruhig mal drei Taxifahrer in einer Viertelstunde beschäftigen!

Ich hab natürlich auf eine große Szene verzichtet. Schlimm genug, dass ein egoistischer Schwachmat mir meine Laune versaut, was sollte ein Streit um eine Tour, die ich jetzt ganz sicher nicht mehr fahren wollte, bewirken? Und wenn er so weiter macht, vermöbelt ihn schon mal jemand anders für mich mit, das ist ok.

Ich sollte da nicht so emotional sein. Schon klar. Ich freue mich trotzdem immer, wenn man nach ein paar gewechselten Sätzen den Erkenntsnisstand angeglichen hat – dann kommen die Kollegen Dunning und Kruger gar nicht erst zum Zug. 😉

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Große Scheiße!

Mein treuer Kommentator Wahlberliner hat mich darauf aufmerksam gemacht:

Süddeutsche Zeitung – Grapscher stehen gelassen, Job verloren

Laut dieser Pressemeldung wurde eine Kollegin im bayrischen Deggendorf sexuell belästigt, hat dennoch die Fahrt bis zum Ende durchgezogen (!) und dann Anzeige erstattet. An dieser Stelle gehen schon einmal Props an die Kollegin raus. Sie hätte das nicht tun sollen oder müssen, aber alleine ihr Pragmatismus und ihre Rationalität nötigen mir Respekt ab. Die Contenance haben wenige und ich gehöre definitiv zu den Leuten, die ihr einen beherzten Tritt in die Weichteile des Fahrgastes gegönnt hätten. Danach ist sie zur Polizei und hat den Typen angezeigt.

Nun wurde ihr scheinbar gekündigt, weil sie zufällig abermals auf jenen Kunden traf und ihn dann stehen ließ.

WTF?

Noch besser: selbst die Polizei sieht das offenbar nicht als Verletzung der Beförderungspflicht.

Was für eine Arschgranate ist bitte eine Chefin, die diese Umstände nicht anerkennt und der noch in der Probezeit fahrenden Kollegin kündigt, anstatt ihr Unterstützung zukommen zu lassen?
Im Ernst: Wer glaubt, irgendwer müsse bei einem beschissenen einstelligen Stundenlohn auch noch immun gegen sexuelle Belästigung sein, hat doch wohl nicht alle Tassen im Schrank und sollte besser überhaupt keine Menschen beschäftigen.

Natürlich braucht man zum Taxifahren – wie in jedem anderen Job auch – gewisse Qualifikationen und/oder Fähigkeiten. Die so gerne geforderte „Härte“, die „Coolness“ und das „Taffsein“, was man jetzt von o.g. Chefin hört, sind indes meist nichts als billige Ausreden dafür, dass irgendwelche Zustände untragbar und widerlich sind. Hier, in Form eines strafbaren Übergriffs glücklicherweise wenigstens nachvollziehbar nicht rechtens.

Meiner Meinung nach hat besagter Chefin zwar schon wer ins Hirn geschissen, einen weiteren Shitstorm muss sie jetzt trotzdem aushalten. Soll ja aber auch ’ne ganz Harte sein …