Ich erinnere mich daran, dass in einer der Toiletten in der früheren Wohnung meiner Mutter ein Comic an der Wand hing. Er zeigte einen Geistlichen mit gefalteten Händen, die Augen himmelwärts zum Gebet gerichtet. Daneben lehnte sich ein Taxifahrer aus seinem Mercedes und schimpfte:
„Was heißt hier Gottes Segen? Achtzehnfuffzich, aber zack zack!“
Auch wenn ich eher auf eine sachliche Verhandlungsweise mit den Kunden stehe, amüsiert hat mich der schon immer. Vielleicht auch, weil ich mit der Kirche nicht viel anfangen kann 😉
Inzwischen bin ich um einige Erfahrungen im Taxi reicher und nach einer Anfrage derletzt habe ich großes Verständnis für den fauchenden Fahrzeuglenker. Am Ostbahnhof sind zwei Frauen fast die komplette Taxi-Schlange entlanggetingelt, um irgendeinen Fahrer zu überreden, sie mit einer Kurzsstrecke zur Zossener Straße zur Heilig-Kreuz-Kirche zu bringen. Es hat sie nicht gestört, dass wir ihnen gesagt haben, Kurzstrecke sei vom Stand aus kein legitimer Tarif, sie ignorierten auch meinen Einwand, dass es sich um eine Route von 4 Kilometern Länge (Google Maps) handelt.
„Aber wir sind doch von der Kirche und wir müssen doch…“
Ich bin fair im Umgang mit allen (auch potenziellen) Fahrgästen. Aber ich hasse das, wenn sich Leute Privilegien rausnehmen wollen, bloß weil einen bestimmten Job haben, viel Geld – oder eben weil sie sich aus Überforderung einen virtuellen Freund zulegen müssen. Eine Taxifahrt kann lustig sein, ein wirklich ergreifendes Erlebnis, interessant, auch mal traurig oder bestürzend. Letztlich ist es aber auch einfach eine Geschäftsbeziehung: Der Fahrgast will ans Ziel kommen, der Taxifahrer Geld verdienen. Um das Ganze erfolgreich abzuwickeln, müssen beide Seiten mitspielen.
An dem Abend hat Gott seine Schäfchen wohl ganz schön im Regen stehen lassen. Angeblich ist der Alte ja allwissend. Dementsprechend muss ich wohl die Pfarrer dieses Landes bitten, künftig ein bisschen mehr über den Taxitarif zu predigen. Und dann preiset seine Herrlichkeit, aber zack zack! 😉
virtueller Freund? ist imaginär nicht der eher korrekte Ausdruck? 😀
Kann ich voll verstehen, diese Haltung. Selbst wenn ich in meinem Beruf nicht auf den Obolus von Kunden angewiesen bin, kann ich es auf den Tod nicht ausstehen, wenn Leute so auftreten. Dabei spielt es keine große Rolle, ob sie sich im Schatten der Kirche ungerechtfertigte Vermögensvorteile verschaffen wollen – oder wie sonst.
Besonders verhaßt sind mir auch immer die „Studenten“, die alles möglichst mit Hinweis auf ihren SONDERSTATUS für naß abgreifen wollen. Mittlerweile hätte ich wohl auch keine Hemmung mehr, solchen Leuten wenigstens verbal eins in die Fresse anzubieten, natürlich „gratis“. So sehr ärgert mich diese Mitnahmementalität. Unsozial und dumm!
Was hast du gegen meinen virtuellen/imaginären Freund?
Eifersüchtig?
tja, die Zeiten, da Ablässe, ein, durchaus gern gesehenes, Zahlungsmittel der Geistlichkeit waren, sind GsD lange vorbei.
Dieser Bog ist ein fürchterlicher Zeitfresser, ich lese mich hier schon seit Tagen immer wieder fest :-))
Und freue mich schon auf wietere Geschichten.
@Wolfy:
Ihr seid zur Zeit aber auch hinter meinen Fehlern her, verdammt! 🙂
@anonym:
Ach, bei Studenten kann ich immer kontern, dass ich selbst arm bin…
@Aro:
Nicht wirklich. Imaginäre Freunde sind ohnehin Schlampen 😉
@Antara:
Ja, glücklicherweise!
Was den Blog angeht: Ich entschuldige mich jetzt nicht, einen gewissen Vorsatz kann ich als Autor ja schlecht verleugnen 😉
@Sash:
😛
Mir wäre es wahrscheinlich nicht aufgefallen, wenn ich nicht an den „Glaubenskriege sind auch nur Streitereien darum, wer den besseren imaginären Freund hat“-Spruch hatte denken müssen. 😀
> Besonders verhaßt sind mir auch immer die “Studenten”
Hey, hör ma‘, ich war auch lange Student! Ist mir aber nie eingefallen, etwas unter Berufung auf diesen Status abgreifen zu wollen, was nicht sowieso angeboten wurde. (Okay, Photoshop 7 für fuffzich Westmark von Adobe, das war’n Wort!) — Und mich haben sogar andere Studenten genervt, die wirklich reiche Eltern und genügend Kohle hatten, die aber das Abgreifen zum Lebensmotto hochstilisiert haben, weil „in Berlin macht man das so“. Nee, macht man nicht. Nirgendwo. Du kannst das Bafögamt bescheißen; du kannst dem Wohnungsamt erzählen dass du keine WG mit deiner Freundin hast weil du eigentlich schwul bist; du kannst den Bullen sagen „Nein, das ist kein Marihuana“; du kannst es sagen, wenn du wirklich kein Geld hast; aber versuch niemals etwas rauszuschinden, nur weil du es möglicherweise kannst. Ich habe auch niemals für Studenten billiger tapeziert als für andere Leute, und für andere Leute nicht teurer als für Studenten. Es kostet halt, was es kostet, und wem der Tarif nicht passt muss mich ja nicht nehmen.
So, und jetzt zu einer anderen elitären Gruppe: Schwangere Frauen. — Sorry, Lady, nur weil du ein kleines Bäuchlein hast lasse ich dich mit deinem vollen Superheavy-40-Tonner-Einkaufswagen in der Kassenschlange noch lange nicht vor! Da hilft es auch nicht, wenn du allen Dahinterstehenden erzählst, dass du schwanger bist und dass es wahrscheinlich ein Mädchen wird. Am liebsten hätte ich ja gesagt, „Pic, or it didn’t happen.“
Wenn Dir noch mal eine bibelfeste Person mit dem Wunsch einsteigt, sie günstiger befördern zu wollen, kontere doch einfach mit dem Satz: „So gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist!“
Weiter geht Deine Antwort dann mit „Zitat aus der Bibel: Johannes, Vers 18, Satz 36“.
Ich selbst bin halbwegs gläubig, aber so etwas muss ja nicht sein. Aber die Bibel hat schon auch ein paar geile Stellen, bei dieser geht es genau um diese Situation. 🙂
Richtig cool kommt natürlich: „Der Pfad der Gerechten ist zu beiden Seiten gesäumt mit Freveleien der Selbstsüchtigen und der Tyrannei böser Männer. Gesegnet sei der, der im Namen der Barmherzigkeit und des guten Willens die Schwachen durch das Tal der Dunkelheit geleitet. Denn er ist der wahre Hüter seines Bruders und der Retter der verlorenen Kinder. Und da steht weiter: Ich will große Rachetaten an denen vollführen, die da versuchen, meine Brüder zu vergiften und zu vernichten, und mit Grimm werde ich sie strafen, daß sie erfahren sollen: Ich sei der Herr, wenn ich meine Rache an ihnen vollstreckt habe.“ (falsches Bibelzitat aus „Pulp Fiction“) 🙂
@Bibelzitierer:
Im Grunde keine schlechte Idee 🙂
Ich ziehe es allerdings vor, mich mit uneinsichtigen Leuten nicht auf einem Terrain zu messen, dem ich die Existenzgrundlage abspreche.
Lieber Bibelzitierer, wenn du den Zitatnachweis so gibst, bist du eh schon durch, weil der einfach falsch ist. Denn die Bibel zitiert man „Buch, Kapitel, Vers“, Sätze gibts vielleicht im Koran, aber davon versteh ich nix.
Joh.18,36 steht außerdem (ich gebe mal sehr frei wieder) „mein Reich ist nicht von dieser Welt; wenn es von dieser Welt wäre, hätten meine Anhänger hier schon alles aufgemischt, damit die Tempelleute mich nicht kriegen, aber mein Reich ist nun mal nicht von hier unten“, und dein Zitat steht ganz woanders. Ich geb nur mal den Tip „synoptisch“. 😛
Die Einstellung „wir sind doch von der Kirche“ oder von welcher Glaubensgemeinschaft auch immer „tut uns deshalb mal was Gutes“ mag ich schon mal eh nicht. Ich geh ja auch nicht hin und sag, ich bin der Pfarrer und nun gebt mir mal ein Mittagessen. Die Damen hätten den Bus nehmen können oder zu Fuß gehen. Oder halt den Preis bezahlen. Oder „Daumentaxi“ fahren, das soll ja auch manchmal gehen.
Den Bibelspruch vom Bibelzitierer find ich da unpassend, mir fällt da eher ein, „dem Ochsen, der die Mühle dreht, sollst du nicht das Maul verbinden“ oder „jede Arbeit ist ihres Lohnes wert“.
Kirchenleute werden von mir mit dem besonderen Kirchgeld* bedacht. Aus Prinzip.
*50% Preisaufschlag
Maskierter, damit machst du ja genau, was die zwei Damen wollten: Sonderpreise für Kirchenleute.
Ist übrigens verboten, wegen Diskriminationsverbot. Niemand darf wegen … seines Glaubens … benachteiligt oder bevorzugt werden.
@Wolfram:
Ha, sich auf’s Grundgesetzt zurückziehen ist natürlich auch ne Variante!
Wenn man die Mädels nur schnell loswerden will, kann man ja immer noch sagen „Oh, da werden Sie wahrscheinlich mit mir nicht fahren wollen, ich bin überzeugter Satanist.“
@Wolfram: „Diskriminationsverbot“ ist gut aber leider (noch) nicht dudenkompatibel.
Sash sagte:
Ach Leute, ihr nehmt es aber heute auch mal wieder genau 🙂