Well, puh!

Die absolut schönsten Momente beim Taxifahren sind für mich die letzten paar Kilometer einer Schicht. Wenn ich meine Ziele so Pi mal Daumen erreicht habe (oder aber abzusehen ist, dass ich sie ohnehin nicht mehr schaffe…), dann reinige ich das Auto und tanke schon mal, um dann auf dem Weg zum Abstellplatz noch einzusammeln, wer mir vors Auto läuft. Gerade am Wochenende – wenn viel los ist – kann auch die Fahrt zur Tanke schon mal durch mehrere Winker unterbrochen werden und es ist immer wieder spannend, wie weit man es schafft. An einem ganz guten Tag vor einer Weile hat mich jemand direkt an der Einfahrt zur Tanke abgewunken – da fängt man plötzlich an, ans Schicksal zu glauben 🙂

Als ich vergangenes Wochenende morgens bereits alles hinter mir hatte, alle Umsatzziele erreicht, das Auto sauber und vollgetankt, war ich also mal wieder auf dem Weg gen Heimat. Auf einem eher ungewöhnlichen Weg, denn ich hatte bereits einen Winker nach der Tanke. Am S-Bahnhof Frankfurter Allee wurde ich abermals herangewunken. Na prima! Super Tag!

Nun watschelte ein Mann Mitte dreissig um mein Auto und ließ sich erleichtert auf den Beifahrersitz fallen. Mit ihm schwappte eine Fahne ins Auto, die derart gehaltvoll war, dass ich keinen Zweifel daran hatte, mein Auto würde fahren können, wenn er einmal in den Tank pustet.

„Wo darf’s hingehen?“

„Well, puh!“

Aha. Engländer.

„OK Guy, where to go?“

„See, I need to go to my hostel.“

„Great. Which one?“

„This is the problem. I don’t know!“

„Well, puh!“

Man muss ihm mal zugute halten, dass ihm das auch unangenehm war. Er hat panisch in seinen Taschen nach seinem Kärtchen gesucht und dabei nicht nur erstaunliche Mengen Bargeld, sondern auch einen in etwa 32 Einzelteile zerfallenen Berlin-Stadtplan zu Tage gefördert. Auf diesem hat er dann auch versucht, das Hostel zu lokalisieren, allerdings fanden sich dort wie auch auf dem ebenfalls stark fragmentierten U-Bahn-Plan ausschließlich Vermerke zu Clubs und Sehenswürdigkeiten.

Ich habe darüber nachgedacht, wie lange ich wohl schon Feierabend gehabt hätte, hätte ich ihn nicht eingeladen, traute mich aber auch nicht, die Uhr anzumachen. Aus genau diesem Grund. Denn wenn er es nicht geschafft hätte, mir irgendeine halbwegs plausible Richtung oder ein Zielgebiet von unter 3 km² Fläche zu nennen, dann hätte ich ihn schlicht und ergreifend stehen lassen müssen. Das Geld in seiner Tasche hätte zwar ohne weiteres für eine fünfstündige Stadtrundfahrt gereicht – aber das hätte ich beim besten Willen schon arbeitszeitmäßig nicht mehr bringen können.

Und es dauerte ungelogen knapp 10 Minuten, bis er sein Kärtchen endlich hatte. Das Oyssee-Hostel in der Grünberger! Also gefühlt hätte mir die Wartezeit definitiv mehr Geld gebracht als die Tour anschließend. Nachdem er passend gezahlt hat und ausgestiegen war, hab ich gründlicher als sonst nach verlorenem Geld gesucht. Vergeblich. Aber immerhin hatte ich dann wirklich Feierabend! 🙂

Rätselerweiterung

Mischa hat mir am heutigen Mittag eine Ergänzung zu meinem Rätselfoto geschickt. Ich habe das Bild ein wenig beschnitten, damit man das Auto hier noch erkennt. Wie man sieht, ist der LDS-Kollege nicht der mit der längsten Tour gewesen heute 🙂

Fern der Heimat. Quelle: Mischa Heintze

Rätsel

Ein kleines Rätsel, das die Berliner Kollegen schnell lösen werden. Vielleicht schafft es ja aber auch der ein oder andere „unbedarfte“ Leser vorher…

Was stimmt an diesem Bild nicht?

Hier stimmt doch was nicht... Quelle: Sash

Einmal im Hemd

Der Anfang war noch ganz klassisch:

„Hey, bringste mich ins Hilton? Gibt doch nur eines, oder?“

„Soweit ich weiss: Ja. Wir reden von dem am Gendarmenmarkt, nehme ich an.“

„Ja, genau. Da muss ich hin.“

Kurz darauf war ihm das aber ziemlich peinlich:

„Oh Mann, da trage ich einmal ein Hemd… und dann fahr ich zum Hilton. Auch noch mit’m Taxi! Nicht, dass du mich für so’n Yuppie hälst. Haste da schon’n Yuppie-Aufschlag reingedrückt?“

„Nee, das gibt die Tarifordnung nicht her…“

„Ach, fänd ich schon gut. Also jetzt nicht bei mir, aber sonst…“

Kleider machen Leute. Oder Sorgen 🙂

 

 

Welches Taxi? Egal.

Es gibt ja ein paar Kleinigkeiten, die mir nicht so gefallen am Taxigewerbe. Zum einen wäre da natürlich die eine Stelle vor dem Komma bei der Gehaltsabrechnung, die irgendwie immer fälschlicherweise leer ist, zum anderen der schwierige Spagat zwischen „dem großen Taxigewerbe“, das für alle Kunden überall und immer perfekt funktioniert auf der einen und dem einzelnen Fahrer oder Unternehmer mit einer eigenen Abrechnung und Arbeitseinstellung auf der anderen Seite.

Das klingt jetzt etwas arg theoretisch, aber was ich meine, kennen viele Kollegen die nach Funk fahren zur Genüge.Man hat als Fahrer eine Stunde lang die Position am Stand verteidigt, sich gelangweilt und geärgert, kein Geld verdient. Dann bekommt man einen Auftrag 2 Blocks weiter und kaum, dass man da ist, kommt von der Zentrale die Nachricht, dass die Fahrt storniert wurde, weil die Kunden ein anderes Taxi herangewunken haben.

Aus Kundensicht ist das irgendwie verständlich, denn schließlich sollen Taxen ja überall möglichst schnell da sein und immer verfügbar. Welches Taxi das jetzt genau ist, spielt im Grunde erst einmal keine Rolle, in der S-Bahn fragt ja auch niemand nach dem Namen des Fahrers. Für uns Taxifahrer ist das natürlich ein Problem. Wir kriegen nur unsere Fahrten bezahlt und es ist für uns im Grunde immer ärgerlich, wenn ein Kollege eine Tour wegschnappt.

Als stummer Fahrer bin ich da ja nur selten von betroffen. Ich bemühe mich, keine Fahrten zu klauen und den Kunden zu erklären, dass es für den Kollegen jetzt wirklich ärgerlich ist, wenn ich sie mitnehmen würde – was entweder für Verständnis oder aber für ziemlich böse Beschimpfungen sorgt. Und das ist immer eine blöde Situation, denn je lieber der Fahrgast bei mir einsteigen will, desto egaler ist ihm das Ganze letzten Endes. Da steckt man schonmal in einer moralischen Zwickmühle.

Aber vereinzelt hat man solche Situationen auch ohne Funk.

Letztes Wochenende bin ich in den frühen Morgenstunden am Breitscheidtplatz vorbeigefahren und dann in die Tauentzienstraße. Dort wird fleißig gebaut, damit die Touristen die Gedächtniskirche nicht selbst fotografieren, sondern Ansichtskarten ohne Baustellenhintergrund kaufen, deswegen ist die Straße dort auf eine Spur in der Breite begrenzt. Nun kam es wie es kommen musste. Ein junger Mann winkte mich heran und fragte mich, ob ich auch 5 Leute mitnehmen würde. Mache ich ja sehr gerne, nur dummerweise waren die anderen noch nicht zu sehen. Hinter mir reihten sich inzwischen etwa so viele Autos auf, wie normalerweise in einem ganzen Quartal um diese Uhrzeit dort auftauchen und so bemühte ich mich um eine Lösung:

„Klar, kann ich machen. Hier halten ist jetzt aber ein wenig blöd. Ich halte da vorne am Eck.“

und deutete auf die nächste Querstraße, etwa 40 Meter entfernt. Dort positionierte ich mich dann höchst illegal, aber wenigstens ohne den Verkehr auf Rush-Hour-Niveau anzustauen. Binnen der nächsten zwei Minuten krochen, taumelten und torkelten langsam aber sicher erst zwei, dann drei und letztlich fünf Gestalten aus einem Fastfood-Laden auf den Gehsteig. Nur keine Eile…

Und dann passierte das nächst Naheliegende. Die fünf nun alle direkt an der Straße befindlichen Typen guckten etwas doof in der Gegend herum, winkten sich dann ein zufällig auftauchendes Großraumtaxi heran und stiegen ein. Ich kann es wohl als freundliche Geste sehen, dass sie mir nebenbei eine „Zisch-ab“-Handbewegung zukommen ließen.
So sehr ich dem Kollegen die Fahrt gönne: In so einem Moment werde ich innerlich zum Höhlengnarf! Natürlich haben mich die zwei Minuten Wartezeit nicht umgebracht, aber es nervt echt ziemlich.

Mal abgesehen davon, dass das prinzipiell Arbeitszeit ist und wir sicher eine ziemlich lustige rechtliche Lage hätten, wenn ich das Taxameter in so einem Fall schon anschalte und dann auf die Bezahlung bestehe: Denkt als Kunden doch auch mal dran, ob ihr das mit einem Kumpel machen würdet.

Anrufen, bzw. sagen:

„Wart mal kurz!“

Und dann einfach mit einem anderen Freund abhauen. Das wären meine 2 Cents zum Thema.

Andererseits ist es natürlich gerade beim Bestellen scheiße, wenn das Taxi in 5 Minuten versprochen wird und dann nach 10 Minuten immer noch nicht da ist. Da sieht es natürlich anders aus, keine Frage.

Der lange Arm der Taxi-Innung

Wenn man derzeit aus westlicher Richtung nach Stralau möchte, hat man ein kleines Problem: Die Durchfahrt von der Stralauer Allee auf Alt-Stralau ist gesperrt. Das ist seit etlichen Monaten so und wird noch ein Jahr andauern. Wenn man eher aus südwestlicher Richtung kommt, bleibt einem nur der Umweg übers Ostkreuz. Wenn man das mit dem Taxi macht, klettert die Rechnung ziemlich exakt 2 € höher als man es von eventuellen früheren Fahrten gewöhnt war.

Vom Ostbahnhof hingegen kann man noch ein paar Cent sparen, wenn man die inzwischen neu eröffnete Kynaststraße nutzt und durch den Boxhagener Kiez tingelt. Aber erstens ist das keine große Ersparnis und das will auch keiner. Zumindest Nachts nicht, wo man die Stralauer Allee zügig durchfahren kann.

Bei allen Touren ist die Sperrung irgendwann Thema. Schließlich wissen nicht einmal die Bewohner der ansonsten so idyllischen Halbinsel in Berlins Osten, weswegen diese Unterführung eigentlich genau gesperrt ist.  Ob die Brücke dort abgerissen, restauriert, neugebaut oder lustig bemalt wird: Eine Sperrung von knapp 2 Jahren scheint für jedes eventuelle Vorhaben ein bisschen überzogen zu sein.

Ergo: Es wird viel geflucht. Je nach Laune der Kundschaft hab ich rausgefunden, dass ausgerechnet das Salz-in-die-Wunde-Streuen hier für gute Laune sorgen kann. Wenn das Unverständnis seinen Höhepunkt erreicht hat, werfe ich manchmal einfach dreist ein:

„Tja, ich als Taxifahrer kann mich ja eigentlich gar nicht darüber beschweren…“

Es ist seltsam. Im Normalfall sollte man es ja eher vermeiden, den Kunden aufs Auge zu drücken, dass man sie gerade über Gebühr schröpft. Die Stralauer quittierten mir das bisher immer mit Verbesserung ihrer Laune, einem Lachen und einem guten Trinkgeld. Ein Kunde kam neulich allerdings selbst auf die Idee.
Er war gerade dabei, sich und mich zu fragen, was das denn alles soll und warum da durchgehend gesperrt sein muss und bla Rhabarber Keks! Plötzlich hielt er inne, sah mich an und meinte:

„Vielleicht ist das ja auch eine Initiative der Taxi-Innung…“

Ich würde sagen, der Preis für die bekloppteste Verschwörungstheorie des Jahres geht an meine Kundschaft! 🙂

Was sollte ich darauf antworten. Ich hab folgendes gewählt:

„Mag schon sein. Dann war es aber eine ganz geheime Kommandosache. Schließlich weiss ich auch nix davon.“

Lächeln, Trinkgeld, das Übliche. Der nächste bitte! 🙂

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Kreuzberg ist wie…

Eingesammelt hab ich sie vor einer Party. Dort gelandet bin ich auch nur, weil ich Leute dorthingebracht hatte, die sich darüber lustig machten, dass andere bereits wieder gingen. Diese Typen sollten meine nächsten Fahrgäste sein.

Aber enttäuschte Gesichter suchte man vergebens. Drei Männer zwischen 35 und 40, allesamt beanzugt und kravattiert, enterten die gute alte 1925. Sie wollten zu ihrem Hotel und wie die vorangegangenen Fahrgäste waren sie eigentlich der Messe wegen in der Stadt. Ihre Rückreise jedoch war recht früh, sodass sie weit vor Mitternacht genötigt waren, ihren Ausstieg aus dem Nachtleben mit wohlwollenden Worten vor sich selbst zu rechtfertigen:

„Wir haben’s geschafft!“

„Gott sei Dank!“

„Jawoll! Nur ein Bier!“

So breit streut das Berliner Nachtleben. Noch 7 Stunden später hatte ich Leute im Auto, die erst auf dem Hinweg zu ihrer Party waren…

Die drei waren alle nicht das erste Mal in Berlin, aber offensichtlich hatten sie einiges an Parties und Nachtleben hinter sich, denn sie zeigten sich mehr als begeistert. Als wir die Oberbaumbrücke überquerten und durch Kreuzberg fuhren, waren sie angetan von all den vielen Kneipen und Restaurants, die noch offen hatten.

Wie der Zufall so wollte, führte der Weg zu ihrem Hotel durch die Oranienstraße. Hier war dann endgültig Ende. Sie überboten sich gegenseitig mit Liebesbekundungen zu diesem Stadtteil, obwohl es ja einige Menschen gibt, die den Spitznamen „Little Istambul“ für die Ecke rund ums Kottbusser Tor mit einer zynischen Fremdenfeindlichkeit zu verbinden wissen.

Hier muss ich kurz einwerfen, dass ich an der Adalbertstraße einen Tag später drei junge Türken im Auto hatte, die mit glänzenden Augen bestätigt haben, dass es hier wie in Istambul sei – sie kämen schließlich von dort – und es aufrichtig bedauerten, dass sie ihre kurze Anwesenheit hauptsächlich den Geschäften gewidmet haben und weniger damit, das faszinierende Berlin kennenzulernen.

Aber zurück zu den Anzugträgern. Als ich mit ihnen die Adalbertstraße passierte, fand einer von ihnen die Szenerie so überwältigend, dass er einen Vergleich aussprach, der… nun ja… seinesgleichen sucht:

„Also Wahnsinn! Kreuzberg ist ja schon irgendwie wie, wie, wie Eppendorf! OK, es sind nicht alle Häuser so schön, aber Wahnsinn!!!“

Ich muss gestehen, dass ich vom Nightlife in Eppendorf jetzt nicht so viel weiss – aber ich wage zu bezweifeln, dass diese Kategorisierung mehr Anhänger hat als Eppendorf Einwohner – ganz gleich, welches sie gemeint haben 😉

Im Übrigen: Auch negative Vergleiche zu Berlin sind irgendwie immer witzig