Großeinkauf

Der Abend am Ostbahnhof zog sich noch nicht so lange wie manch anderes Mal. Bald sollte ich mal meine erste Tour haben. Nette Kollegen waren nicht in Sichtweite, es war noch früh am Abend und die ganzen desorientierten Touristen, die ganzen eiligen Arbeiter und die aufgeputschten Partygänger umflossen die Taxihalte und die Nachrückstände ohne nennenswert daran hängenzubleiben. Hier und da ging alle paar Minuten ein Auto weg, ich war letzten Endes Dritter in der Schlange.

Zwei Typen, ziemlich abgeratzt und mit einem schwer beladenen Einkaufswagen zogen an meinem Taxi vorbei. Wahrscheinlich Flaschensammler. Der eine raunzte mir in einer mir unbekannten Sprache etwas zu und ich ignorierte ihn, da ich es für eine unfreundliche Anfrage nach einer Zigarette hielt.

Ich hab seit ich Taxi fahre sicher eine halbe Stange Zigaretten am Ostbahnhof verschenkt. Mal an einen Kollegen, mal an nette oder lustige Zeitgenossen mit den unterschiedlichsten Hintergründen, aber nicht an „Gib ma Kippe“-Typen.

Etwas irritiert hab ich festgestellt, dass die beiden aber gar nicht am Auto vorbeigegangen sind, sondern dahinter stehen blieben und in gebrochenem Deutsch um Einlass baten. Oh! OK! Tatsächlich Kunden!
Der Einkaufswagen war unter den ganzen Lidl-Tüten auch nicht mit leeren Flaschen gefüllt, sondern mit einem Einkauf, wie ich ihn noch aus WG-Zeiten kenne. OK, nicht von der Zusammensetzung, aber immerhin!

Kurz entstand noch Verwirrung, weil die Personenanzahl auf 5 anstieg, und ich trotz großzügig dimensioniertem Kofferraum keine Chance sah, einen der Zusatzsitze parallel zu diesem Einkauf auszuklappen, aber es zeigte sich schnell, dass nur 3 Leute mitfahren würden.

Ein zahnloser, grinsender Mann, der nach einem Zigarettenkongress roch, wuchtete mit mir zusammen den Einkauf ins Taxi. Eine Palette Milch, ein Sixer Limonade. Eine Tüte Lebensmittel, zwei Tüten, drei, vier, fünf. Noch zwei Sixer Limo, einen Karton Zucker, noch eine Tüte, noch eine und noch eine. Zu guter Letzt war der Kofferraum meines Zafira bis zur Ladekante voll mit dem halben Abendumsatz des Lidls am Bahnhof und wir sind ins Auto gekrochen.

Die Fahrt war kurz, nur mal eben übers Wasser nach Kreuzberg rein, aber nett. Trotz vielleicht nicht sehr vertrauenserweckendem Aussehen entpuppten sich die drei als angenehme Kunden, die meine Hilfe beim Ein- und Ausladen sogar mit einem netten Trinkgeld bedachten. Klar, nicht unbedingt die Tour, die man nach etwas Wartezeit haben möchte, aber andererseits bin ich doch froh darüber, dass es Leute gibt, denen klar ist, dass 7 € fürs Taxi fürs Transportieren eines wirklich nicht zu Fuß transportablen Einkaufs bei weitem nicht so teuer ist, wie sich selbst ein Auto dafür anzuschaffen.

Bleibt nur noch die Frage: Wozu braucht man einen ganzen Karton Zucker? 🙂

11 Kommentare bis “Großeinkauf”

  1. David sagt:

    Es könnte ein Zusammenhang mit seinen nicht vorhandenen Zähnen bestehen…

  2. nadar sagt:

    Zum Zucker: Schnaps brennen. Würde die nicht vorhandenen Alkoholika erklären.
    Oder ganz banal: zum Backen. Einige sind der Meinung, jetzt kommt langsam die richtige Jahreszeit dafür.

  3. Nick sagt:

    Für Zuckerschorle.

  4. Taxi 123 sagt:

    Habe heute auch gerade 10 kg Süßwaren erworben. Ich habe allerdings zu Hause eine adäquate Menge Quitten, die auf ihre Verarbeitung warten. Hatte Deine Kundschaft vielleicht einen Garten in der Nähe?

  5. Snuff sagt:

    Wenn man unglaublich teure 7 Euro für’s Taxi zahlen muss, sitzt der Großeinkauf eben nur alle 2-3 Monate drin. Der Zucker muss also lange reichen 😉

  6. Der Maskierte sagt:

    Zucker ist doch die neue In-Droge. 😉

  7. Sash sagt:

    @all:
    OK. Backen, Alk selbst brauen und die Taxi-Ausgaben ausgleichen…
    Zucker kann schon vielfältig sein 😀

  8. Daniel sagt:

    Diese Quartals-Einkäufe kenne ich auch, wir haben zwei oder drei Strasbourger Familien, die ähliches treiben. Mit dem Bus nach Kehl, dann wird Sankt Aldi gefeiert, danach ein Großraumnwagen bestellt – ein Vito wird meistens voll – und während der Zieleinfahrt an das jeweilige Wohnhaus kommen dann schon wie die Ameisen zahlreiche eigene und benachbarte Kinder und Jugendliche und tragen das Zeug rein. Und wieso nicht? Lebensmittel sind in D etwas preiswerter als in F und die knapp 20 Euro Großraumwagen haben die Leute bei der jeweiligen Einkaufsmenge locker eingespart – und daheim müssten sie ja ohne Auto auch ein Stück laufen / Bus fahren und schleppen.

  9. Sash sagt:

    @Daniel:
    Ich finde das auch gar keine allzu absurde Idee. Wenn man wie in dem von dir beschriebenen Fall auch noch ordentlich dabei spart, ist es umso weniger verwunderlich. Aber es ist ja trotzdem nett, es mal niederzuschreiben.

  10. Daniel sagt:

    Bitte weiterschreiben – ich lese Dein Blog wirklich gernstens 🙂 – auch ich habe vollstes Verständnis für derartige Spar-Berechnungen, und wenn mein Chef (und damit letztenendes auch ich) auch noch davon profitiert, ist das doch super 😉

    Das krasseste Beispiel für „Sparen durch Taxi“ waren mal zwei etwa zwölfjährige Jungs, die sich von mir zu einem 1-Euro-Laden chauffieren ließen, um dort billigste Nikolauskostüme zu erstehen, mit denen sie dann kostenlos in den Europa-Park kamen (irgendeine Sonderaktion) – die haben sich auch ganz genau laut während der Fahrt darüber unterhalten, dass trotz Taxi, Kostüm und Regionalbahn zum Park am Ende einige Euro Ersparnis übrig bleiben – ich fand die beiden Jungs wirklich witzig…

  11. […] diesen Inhalt gedachten die drei Leute, in mein Taxi zu schaufeln. Warum nicht? Ich hatte von dort schon einmal eine Einkaufstour, und auch wenn der Weg wieder nicht lang zu werden versprach, finde ich es […]

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