Vorurteile und so…

„Was kostet von hier bis Rewewalstr.?“

Unspektakuläre Frage von einer unspektakulären Frau.

„Sie meinen die Revaler Str.?“

„Ja, wie viel? 10 €! Komm!“

„10 €? Nee, weniger…“

„OK, wir fahren hier mit!“

Und sofort sprangen sie und ihre zwei Begleiterinnen ins Auto. Es war auch alles in allem eine gute und stressfreie Tour. Wenn ich nicht unterwegs etwas hätte hören müsste, was echt einfach weh getan hat:

„Weisst du, ich bin nicht so. Ich handel nie! Aber immer wenn ich im Taxi bin, dann fang ich an zu handeln, weil ich sowieso weiss, der bescheisst mich ja eh!“

Also mal ganz abgesehen von der maßlosen Blödheit einiger Kunden, von vielleicht einmaligen Erlebnissen auf tausende Angehörige einer Berufsgruppe zu schließen: Schon schön, dass Generationen von Taxifahrern im Hoffen auf eine schnelle Mark den Ruf so zurechtgeritten haben, dass wir uns heute nicht nur über mangelnde Kunden, sondern auch noch deren mangelnde Einsicht bezüglich der Preise beschweren können.

Aber was würden wir Fahrer eigentlich machen, wenn wir uns nicht beschweren könnten? Nur, um mal noch so ein Klischee aufzugreifen…

Herkunft geklärt

Ein Kunde verliert beim Ausstieg etwas Kupfergeld auf dem Gehsteig.

„Ach, das lass ich gleich mal liegen. Glückscent!“

Daher kommen die also! 🙂

Das unheimliche Navi

Boah, was war ich begeistert. Da fahre ich extra an einem Club vorbei, um vielleicht noch Winker zu finden. Dann standen da tatsächlich drei Damen und hielten mich an. Ob es in die xy-Straße noch Kurzstrecke wäre. Die Straße sagte mir erst einmal nichts, aber wozu gibt es das Navi. Das zeigte mir folgendes an:

4,3 km

Da blieb mir nichts anderes übrig als zu sagen:

„Nee, sorry! Das reicht nicht mal ansatzweise. Der Preis läge so bei 10 € Vielleicht auch 11, sag ich jetzt mal vorsichtshalber.“

Sie wirft einen Blick aufs Navi, und meint dann:

„Und wenn du Umweg nischt mitfährst?“

War eine sehr kurze Unterhaltung im Endeffekt…

Das Übliche…

Ich hab es schon oft geschrieben – aber ich kann es gar nicht oft genug betonen: Was ich hier schreibe, sind ausgewählte Einzelgeschichten. Rund 80 bis 90% der Fahrten sind völlig unspektakulär und damit meistens ganz nett.

In den letzten Tagen hab ich hier wieder mal ein Sammelsurium an mehr oder minder unschönen Dingen gebloggt, und irgendwie finde ich es gerade ein wenig schade, wie das rüberkommt. Keine Sorge, es kommen auch wieder nette Geschichten. Ich hatte ein an und für sich großartiges Wochenende im Taxi, nur leider sind die unangenehmen Fahrgäste manchmal die, die am lautesten nach Erwähnung schreien 🙂

Im wahren Leben…

Nicht jede Tour ist angenehm. Ebenso wenig wie jede unangenehm ist. Und bei einigen, die zwischen beidem liegen, lassen sich noch genügend Punkte in beide Richtungen finden. Wie bei der mit den beiden Winkern an der Mühlenstr.

Sie wollten zur Fischerinsel. Meine Nachfrage nach der Hausnummer brachte mir die durchaus akzeptable Antwort

„Zeig ich ihnen“

und der Frau auf der Rückbank ein Gespräch darüber, weswegen Sie jetzt den Taxifahrer so aggressiv angehen würde. War nicht aggressiv, war schnell geklärt, alles kein Thema. Wie ich denn fahren wolle?

„Na auf jeden Fall nachher links!“

pfiff der sportive Begleiter der Dame in den Raum, bevor ich eine Chance zum Antworten erhielt. Ich bestätigte in Ermangelung wirklicher Alternativen. Auch wenn das nichts aussagte, da ich je nach gewünschter Länge der Fahrt alleine 4 Möglichkeiten sehen würde, über den Fluß zu kommen. Na gut, als seriöser Fahrer 3!

Vor der Schillingbrücke ordnete ich mich links ein, setzte artig den Blinker und kassierte (nicht ganz wortwörtlich) den Satz:

„Jetzt kiek dir det Schlitzohr an.“

Was ist jetzt kaputt?

„Da stellt der sich hier bei de Ampel, weil er Jeld verdienen will.“

Erstaunlicherweise war das nicht wirklich bösartig gemeint, er erklärte seiner Begleiterin nun aber eloquent, dass er die Jannowitzbrücke nehmen würde wegen der grünen Welle bis dahin. Das ist gar keine allzu dumme Idee, schenkt sich aber sonst nix gegenüber der Schillingbrücke. Als er mir dann auch noch einreden wollte, ich hätte jetzt aber wenigstens hinten ums ver.di-Haus fahren müssen wegen der teuren Ampeln, hab ich die beiden mit der größten mir eigenen Gutmütigkeit darüber aufgeklärt, dass sie nicht etwa einem ominösen Augenfehler anheimfallen, sondern sich das Taxameter an der Ampel tatsächlich nicht bewegt. Und zwar durchaus berechenbar, weil nach wie vor eine Minute Wartezeit umsonst ist.

Aber da sie mir das Geld (welches, bitte?) ja auch durchaus gönnten, war mein Leben schnell das Gesprächsthema Nummer eins. Was ich denn im wirklichen Leben sei…

Ich hab das Spielchen mitgespielt und etwas geheimnisvoll getan, als ich geantwortet habe:

„Ob sie es glauben oder nicht: Ich bin Taxifahrer…“

Aber das konnte ich derart klugen Passagieren natürlich nicht weismachen. Meine Statur, mein Bartwuchs… also eigentlich spricht alles dagegen, dass ich Taxifahrer bin. Meine Meinung, dass ich mit mangelnder Lust zum Rasieren und Wohlstandsplauze dank Arbeit im Sitzen ja wohl der Vorzeige-Fahrer bin, habe ich ihnen gar nicht mehr zu erklären versucht.

Insbesondere er begann nun das wenig angenehme Spielchen, Aussagen in meinem Beisein über mich zu machen.

„Nee, also der kann mir erzählen, was er will: Die Arbeit ist aufgezwungen!“

Dass er selber nicht Taxifahrer werden würde, weil er ja schließlich 1800 € verdient, wusste er auch noch gekonnt in den lautstarken Gesprächen mit seiner Partnerin unterzubringen und sah das wohl als einen weiteren Beweis an, dass man die Arbeit ja kaum ernsthaft mögen könne.

Auch wenn ich es nicht so rübergebracht hab, es war einfach der pure Trotz, als ich kurz vor dem Ziel gemeint hab:

„Das ist einfach ein Trugschluss. Gehen sie auf gestern-nacht-im-taxi.de, lesen sie die 600 von mir selbst geschriebenen Texte und dann reden wir nochmal drüber, ob ich den Job mag oder nicht!“

Es war wahrscheinlich Angst ob der Wahrheit, die sich Bahn brach, als er antwortete:

„Oh je, wer will denn sowas?“

Ich hab die beiden entlassen in dem Glauben, sie hätten mich gerade auf äußerst witzige Art unterhalten. Immerhin gab es Trinkgeld und einen Eintrag im Blog. Das war es wert 🙂

Zufriedenheit

Dass die 5 Jungs nicht ganz zufrieden mit den Preisverhandlungen waren, ist mir nicht entgangen. Die Strecke vom Club zu ihrem Hostel kostet entweder 10 € bis direkt vor die Tür, oder aber etwa 9,40 € bis gegenüber – was einmal um den Block fahren gegen einmal über die Straße laufen bedeutet.

Plus die 1,50 € Zuschlag für die 5. Person.

Insofern lagen sie mit ihrem Wunsch, einen Zehner bis zum Ziel zu zahlen, nicht arg daneben. Ich denke aber, dass 5 Partygänger die 20 bis 30 Cent pro Person für eine Heimfahrt durchaus eher entbehren können, als ich auf meiner Lohnabrechnung. Und für den Zuschlag klappe ich ja immerhin auch die Sitze um, akzeptiere dass alles, was im Kofferraum liegt, für 5 Minuten zum Spielzeug wird, riskiere, dass einer kotzen muss, der nicht schnell aus dem Auto kommt und verbrauche mehr Sprit.

Um mal die Gründe zu nennen, die mir auf Anhieb einfallen.

Naja, gänzlich zufrieden waren sie also nicht, aber in Ermangelung an Alternativen, bzw. an Lust, diese zu suchen, haben sie dann doch beschlossen, dass 11 € auch noch ok wären.

Unterhalten haben sie sich teilweise auf Englisch, teilweise in einer mir unbekannten Sprache – obwohl es auch Englisch gewesen sein könnte. Wie dem auch sei: Es fielen einige unschöne Worte, die sicher nicht alle mit mir zu tun hatten, aber da sie sich weiterhin darüber aufregten, dass sie am Vortag (wahrscheinlich zu viert) nur 10 € bezahlt haben, gehe ich stark davon aus, dass es immer noch Stein des Anstoßes war.

Irgendwann zwischendrin fiel dann ausgerechnet dem Lautesten von allen noch auf, dass er sein Portemonnaie verloren hat, bzw. es ihm sicher geklaut wurde. Eine panische Suche im Taxi entbrannte, und seine Wut auf dieses beschissene Land mit den Schlampen, die ihm den Geldbeutel klauen und den nervigen Taxifahrern wuchs permanent an.

Als wir am Ziel waren, zahlte bis auf ihn jeder seinen Obolus, und insgesamt kamen die 10,90 € dann auch zusammen. Kein Cent Trinkgeld natürlich, aber das war zu erwarten. Der Meister tobte und schimpfte wie ein Rohrspatz, als seine Freunde sich über ihn lustig machten, weil er so blöd sei, im Ausland sein Portemonnaie zu verlieren.

Ich hab noch gewartet, bis er gerade dabei war, sich loszureissen und wutentbrannt Richtung Hostel zu verschwinden, bis ich relativ siegessicher in die Seitentasche der rechten Tür gegriffen, seinen Geldbeutel rausgezogen und ihn ihm hingehalten hab.

Die letzten paar Meter verliefen um einiges ruhiger. Hatte wahrscheinlich damit zu tun, dass ich ihm mit auf den Weg gegeben habe, er solle sich nochmal Gedanken über meinen Service und die Schlampen in der Disco machen…

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

Abonniert doch den RSS-Feed von GNIT. Mehr von Sash gibt es außerdem bei Facebook und bei Twitter.

Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Für sie dat selbe!

„Nein, einmal Nummer 63 extra scharf und eine große Cola bitte.“

Das wäre sicher die beste Antwort gewesen, die ich hätte geben können. Wahrscheinlich würde ich dann aber jetzt nicht so gut gelaunt bloggen.

„Für sie dat selbe!“

hat leider nicht mein geschätzter Freund beim Stammdöner oder der Kellner bei der letzten Betriebsweihnachtsfeier zu mir gesagt, sondern ein offensichtlich im Dienst befindlicher Teil der Staatsgewalt.

„Für sie dat selbe!“

war also offensichtlich eine Belehrung, eine Feststellung, eine Frage oder irgendwas, was ich scheinbar ernst nehmen sollte, denn ein freundlicher Plausch unter Nachtschichtlern war es nicht. Die einzige nähere Information zum Sachverhalt lautete wortwörtlich:

„Mann, mich kotzt das hier langsam an!“

Danach sind sie weitergefahren.

OK, es ist natürlich nicht so, dass ich nicht wüsste, worum es geht. Wenngleich die oben stehenden Aussagen tatsächlich alles war, was ich von der Polizei heute Nacht gesagt bekommen habe. Es geht um das Problem mit dem Halten der Taxen vor dem Matrix.

In dem Fall würde ich aber – trotz aller Bekenntnisse zur StVO in den letzten Tagen – lieber von einem Problem der Gesetzeslage oder einem Problem mit missgelaunten Polizisten reden. Denn eigentlich gibt es kein Problem.

Wie vor fast jeder Veranstaltung in dieser von mehr als 3 Millionen Menschen bevölkerten Stadt stehen vor dem Matrix nachts Taxen. Mal mehr, mal weniger, mal in der Rotherstr., mal am Warschauer Platz. Immer jedoch in zweiter Reihe. Das ist zweifelsohne nicht legal, im Grunde aber völlig egal. Im Gegensatz zu vielen anderen Plätzen in der Stadt ist diese Ecke, die Oberbaum City, eigentlich kein Nachtschwärmerviertel. Ja, das Matrix liegt dort, ansonsten findet sich auf dieser Seite der Warschauer Str. kaum eine geöffnete Lokalität, die großes Publikum anzieht. Das Haus B, eine Schwulendisco und das Billard-House kann man noch dazu zählen, aber unter der Woche ist das ein Geschäftsviertel, das mit nur wenigen Anwohnern nachts nahezu entvölkert ist. Bis auf die Clubgäste und die Taxifahrer.

Die Straßen, von denen wir reden, sind recht breite Tempo-30-Zonen mit Kopfsteinpflaster, an ruhigen Tagen stehen nur vereinzelt Autos am Straßenrand. Um es für Unbedarfte mal ganz deutlich zu sagen: Was in dem Eck Berlins auf der Straße los ist, interessiert kein Schwein!

Und im Normalfall auch nicht die Berufsgruppe, deren Angehörige von manchen gerne mal als solche bezeichnet werden.

In anderthalb Jahren regelmäßiger Matrixbesuche ist bisher noch in jeder Nacht mindestens ein Streifenwagen oder eine Wanne an mir vorbeigefahren. Mal stand ich alleine da, mal im Kreise von 20 Kollegen. Und in 90% der Fälle nicht gesetzeskonform. Bisher bin ich dreimal angesprochen, bzw. weggeschickt worden. Heute schon inklusive!

Mir ist natürlich klar, dass die Polizei durchaus wichtigere Aufgaben hat, ich glaube dennoch auch, dass es kein Zufall ist. Ich behaupte nämlich weiterhin, dass wir der Polizei vor Ort eine Menge Arbeit ersparen, indem wir massenhaft alkoholisierte Jugendliche direkt vor dem Club einsammeln, und sie dadurch gar nicht erst auf die Idee kommen, bei einem spontanen Ausflug ihre Umgebung auf verschiedenste Art umzugestalten.

Dazu kommt, dass die Verkehrsbehinderung zumindest unter der Woche nicht existent ist. Am Wochenende wird es durchaus mal eng um den Club selbst, aber als Taxifahrer sind wir ja doch sehr zuverlässig an unseren Fahrzeugen anzutreffen, sodass sowohl für ein- und ausparkende Clubgänger, als auch für Rettungs- und sonstige Einsatzfahrzeuge stets umgehend der Platz, so er denn benötigt wird, freigemacht wird. Irgendwelche unschönen Einzelfälle mag es sicher schon gegeben haben, ich habe aber jedenfalls noch keinen mitbekommen.

Nur gelegentlich kommt eine (wahrscheinlich ist es immer die gleiche) Streifenwagenbesatzung vorbei und beschwört Weltuntergang und Sittenverfall ob der anarchistischen Zustände.

Ich bin natürlich im Unrecht, werde aber sicher noch das ein oder andere Mal dort zu finden sein. Auch in der zweiten Reihe. Bis es dazu irgendwelche Änderungen gibt (Man könnte ja beispielsweise eine Taxihalte dort einrichten) muss ich wohl weiterhin mal kurz wegfahren oder einfach „Jo, alles klar!“ antworten, wenn mal wieder ein Auto neben meinem Fenster hält, und der Fahrer zu mir sagt:

„Für sie dat selbe!“