Wiedergeburt im Hamsterreich

„Reicht da eine Kurzstrecke? Und könnten wir bitte ganz schnell? Ich muss so dringend Pipi! In meinem nächsten Leben hab ich nicht so eine Hamsterblase!“

Der Sitz blieb trocken. Der nächste Hamster bitte!

Klischeebestätiger

Es gibt sie, diese Momente der Wut beim Taxifahren. Ich hab desöfteren angedeutet, dass sie bei mir insbesondere dann auftritt, wenn besonders hartnäckige Intelligenzverweigerer am Werk sind. Ich bin viel zu gutmütig, ja konfliktscheu sogar, und ich weiss noch nicht, ob das heute Nacht richtig war.

Nicht richtig war jedenfalls, dass ich die Typen mitgenommen habe. Das weiss ich sicher, aber hinterher ist man ja immer klüger. Ich stand so am…

(hier darf die Masse „OSTBAHNHOF!!!!“ brüllen)

und verfolgte seit etwa zwei Minuten die Rauchschwaden meiner Zigarette. Da kamen ein paar Honks angetippelt, wie man sie in der Nacht nicht allzu selten sieht: Seit Jahren in einer Muckibude eingesperrt, und sämtlichen intellektuellen Input aus Gesprächen beim zwanghaften Gruppenonanieren bekommen. Die Fähigkeit, wenigstens zählen zu können, später durch einen eineinhalbjährigen Solariumaufenthalt weggebrutzelt bekommen. So in etwa, nur ein bisschen schlimmer.

Aber ich stand gerade so rum und rauchte eine, und so fragten sie mich, ob das ein Raucher-Taxi sei. Es folgte das übliche Blabla hin und her von wegen Ausnahmen und ungerechte Welt, aber trotz Uneinsichtigkeit waren sie friedlich. Die nächsten 2 Minuten waren sie in Gespräche vertieft, die aufgrund ihrer Vielzahl an Fachausdrücken für weibliche Genitalien ihre volle Aufmerksamkeit verschlang, und ich hoffte auf irgendwas, was man im Mittelalter (oder in Rom) göttliche Gnade nennen würde.

Aber obwohl ich inzwischen wieder desinteressiert im Auto saß, hatte ich offenbar mit meinen Widerworten sowas wie Sympathie geweckt, was irgendwie schon wieder eklig ist, wenn man es genau betrachtet.

Aber mit den Worten:

„Mach jetz hinne du Sack, ick zahl den Taxi ja och!“

wurden die Türen aufgerissen und der durchschnittliche IQ sank dank dreier Insassen kurz unter den von Knäckebrot. Knäckebrot ohne ganze Körner!

Ins „Flirt“ nach Hellersdorf wollten sie.

Flirt? Nie gehört!

Aber – die soziale Komponente sei erwähnt – sie hätten kein Problem damit, mir zu zeigen, wo ich langfahren soll. OK, meinetwegen. Immerhin eine gute Tour. Für meinen Geschmack aufgrund der Anwesenden zwar rund 10 Kilometer zu lang, aber besser als in die hohle Hand geschissen. Dachte ich da zumindest noch.

Die ersten Fahrtrichtungsempfehlungen beinhalteten sowohl die Landsberger als auch die Frankfurter Allee, was irgendwie wenig Sinn ergibt, und mir war recht bald klar, dass das alles andere als angenehm wird. Aber gut, wenn man es sachlich betrachtet: Jeder Umweg nutzt mir und was die sich gegenseitig an den Kopf werfen, kann mir ja egal sein.

Es hat aber keine hundert Meter gedauert, bis die erste Frage lautete:

„Machste 15 €, ok?“

„Nein, das werde ich nicht machen!“

„Na dann 20!“

Dann kam schon von hinten rechts:

„Bist du blöd, ich hab gesagt 15!“

Eine Zeit lang war das kein Thema mehr, sonst hätte ich schon früher angehalten. Der hinten links klärte seine Kumpels auf, dass Taxifahrer ja kein „Idiotenjob“ sei, sondern – Trommelwirbel: Ein Job!

Bei 10,40 € kam dann:

„Komm, machste zehn!“

Darauf erwiderte der Kumpel, dass sie schon über zehn sind, dann sollten es 15 sein, und da ich das auch nicht machen wollte, „baten“ sie mich darum, bei 15 die Uhr auszumachen, sie würden mir dann 20 € geben. Ich hab darauf beharrt, dass ich das nicht machen würde und um Lösungsvorschläge gebeten. Da keine kamen, habe ich das Auto bei 14,80 € an den Straßenrand gefahren und – insbesondere weil einer inzwischen behauptete, mehr als 15 hätten sie nicht – angehalten.

Ich hab klargestellt, dass das gezahlt wird, was auf der Uhr steht – ich es ihnen aber gerne freistelle, einen Kollegen nach einem Festpreis zu fragen. Das wollten sie natürlich auch nicht, und der Chef neben mir meinte dann genervt, er zahle mir ja das, was auf der Uhr steht. Gut is, weiter geht’s!

Ich hatte es vorher mit Ozie darüber: Natürlich war spätestens das der Punkt, an dem ich einen Vorschuss hätte verlangen sollen.

Inzwischen waren wir in Biesdorf, und insbesondere der unsympathische Typ hinten rechts fiel so langsam durch stressiges Verhalten auf.

„Alle Taxifahrer machen das, alle! Warum du nicht?“

Meine Erklärungen halfen natürlich nichts. Irgendwann hab ich dann einfach gemeint:

„Das ist nunmal der Preis für die Fahrt! Und nicht 15 oder 20!“

Das war nun offenbar Wasser auf die Mühlen eines langsam im Gehirn verödenden Individuums:

„Aber deine Bremsen quietschen!“

(Ja, die Bremsen machen gerade leise Geräusche, die man zwangsläufig wahrnimmt, wenn man bei 2,5°C das Fenster aufmacht um Passanten zu beleidigen)

„Äh! Wie bitte?“

„Ja, wenn das der Normalpreis ist, wieso muss ich den dann zahlen, wenn ich hier in einem Auto sitze, in dem ich mich nicht sicher fühlen kann?“

„Dieses Auto ist zu hundert Prozent verkehrssicher. Und ich möchte mal ganz klar darauf hinweisen, dass ich niemanden gezwungen habe, hier einzusteigen!“

„Aber du kannst doch nicht…“

Also bin ich abermals rechts rangefahren und hab gemeint:

„Hey Jungs, wir können jetzt meinetwegen noch eine Weile über die Geschichte diskutieren, aber ich sag klipp und klar: Es wird das gezahlt, was auf der Uhr steht. Ich lass euch gerne ein Stück früher raus – aber mehr ist nicht drin!“

„Gut, dann hauen wir eben hier ab!“

…und draussen waren sie.

Von wem ich jetzt mein Geld bekomme, hab ich mal völlig gelassen gefragt, während ich mein Handy rausgeholt habe.

„Na, von mir nicht!“

war die Antwort des eigentlich noch normalsten Typen. Meinetwegen…

Nicht falsch verstehen: Es ist nun wirklich nicht so, dass mir das egal war – aber mich mit 3 Bodybuildern anlegen? Wegen 10 € brutto? Also bitte…

Bei meinen Chefs kann ich das ohne weiteres als Fehlfahrt verbuchen und ich hab mir schon oft genug selbst mit komischen Beschäftigungen eine halbe Stunde meines Lebens geklaut. Aber aus reiner Boshaftigkeit hab ich dennoch die Cops angerufen. Ich mach mir keine großen Hoffnungen, dass die ernstlich jemanden erwischen, ich wollte nur sichergehen, dass die Chance besteht, dass einer dieser Spaßvögel wegen 7 lächerlichen Euro (Gesamtpreis bis dato 21,00 €) Ärger bekommt. Wegen 7 Euro…

Ganz ehrlich: Um nichts anderes geht es mir bei solchen Geschichten! Diesen Idioten mal klarmachen, welcher Lächerlichkeit sie sich eigentlich damit preisgeben! Hey, ich bin Taxifahrer! Niedriglohn olé! Aber ich scheiss auf 7 Euro! Als Flatrate gegen Polizeischnüffeleien würde ich das monatlich, meinetwegen wöchentlich überweisen. Noch vor der Miete! Und Leute, die zum Ficken in den Puff gehen, handeln sich eine Anzeige wegen 7 Euro ein? Sorry, und wenn sie erst beim 500sten Mal erwischt werden, war es das wert…

Der Rest ging schnell und war gar nicht so unlustig. Weil ich gerade nicht daran gedacht habe, im Roberta nach den Polizeidienststellen zu schauen, hab ich den Polizeinotruf angerufen. Wohlwissend, dass ich dort eher falsch bin. Statt eines gestressten Beamten hatte ich einen äußerst vergnügten Gesetzeshüter am Telefon, der sich ein bisschen über mich / mit mir darüber amüsieren konnte, dass ich als Taxifahrer in dem Moment nicht genau wusste, wo ich bin. Er wies mich darauf hin, dass es eine Weile dauern könne, bis die Kollegen da seien, „weil Hellersdorf um die Zeit sicher brennt“. Letztlich kamen sie nach 3 Minuten, nahmen kurz alles nötige auf und haben prompt sowas ähnliches versucht, wie auch noch die Verfolgung aufzunehmen.

Mal sehen…

Aber gut, etwas persönliches will ich ja dennoch schreiben. Ein wenig in der Hoffnung, keiner der Schwachmaten schafft es im Internet über youporn raus:

Es ist ein ekliges Gefühl. Zum einen natürlich das „überlistet werden“, was sicher irgendwelche archaischen Reflexe anspricht. Aber es existiert eben auch diese Wut. Diese Wut darüber, dass man zu Unrecht geschlagen wurde. Ich bin tatsächlich ein schlechter Verlierer, das muss ich zugeben. Ich bemühe mich stets darum, dies nicht auszuleben, aber ich kann schlecht damit umgehen, zu verlieren. Es ärgert mich. Maßlos.

Aber von Idioten übertölpelt zu werden ist besonders perfide. Natürlich hab ich eigentlich ein gesundes Selbstwertgefühl, das nicht gleich zusammenbricht, weil mal jemand behauptet, ich bin dumm. Aber die Vorstellung, dass da drei Idioten durch meinen Bezirk rennen und sich auf ihre Fähigkeiten, die sich im Wesentlichen aus Im-Takt-Furzen und Beim-Sex-das-Kommen-nicht-Vergessen beschränken dürfte, was einbilden, weil sie die famose Heldentat begangen haben, sich als Flucht vor einer Diskussion aus einem Taxi zu werfen… die ist hart!

Zudem ist es natürlich hart, weil sie nicht einmal erahnen wollen, was eine Dienstleistung wert ist. Und das mal unabhängig vom Geld als solchem. Wie kann es jemand für eine Heldentat halten, mit durchgetretener Kupplung an der Ampel aufs Gas zu treten, nicht aber am Wochenende – wenn alle feiern – jemanden nach Hause zu bringen und dabei guter Laune zu bleiben, obwohl der Gegenüber es ihm nicht leicht macht?

Aber so sind wir ja alle in Marzahn-Hellersdorf, nicht wahr?

Bisschen mulmig…

Man macht sich ja so oder so mal Gedanken über Taxiüberfälle. Nicht allzu oft, gebe ich zu. Aber wenn jemand dann mal wirklich keine 300 Meter von der Stelle, wo ich mein Auto jede Nacht abstelle, überfallen wird

Sagen wir es so: Freuen tut es einen nicht!

Fehlt da nicht irgendwas?

„…ach und könnten sie mir eine Quittung schreiben?“

„Selbstverständlich! Reicht ihnen Stadtfahrt oder brauchen sie Start- und Zielpunkt?“

„Das ist eigentlich egal. Stadtfahrt reicht!“

„OK, dann… [kritzel kritzel unterschreib] bitteschön!“

„Danke, ciao!“

Soweit war das ja ganz in Ordnung. Bis auf eine Kleinigkeit:

„Äh, Entschuldigung?“

„Ja?“

„Das Geld hätte ich gerne noch!“

„Hab ich ihnen das nicht gegeben?“

Hatte er nicht. War schnell geklärt und definitiv keine Absicht. Lag ein bisschen mit daran, dass ich die Quittung gleich rausgegeben hab. Das mach ich ehrlich gesagt öfter, und es hängt lediglich davon ab, was ich schneller in der Hand habe: Quittungsblock oder Portemonnaie. Der ein oder andere Kollege hat mir dann heute klug zu verstehen gegeben, dass das natürlich nicht in Ordnung ist…

…was nicht alles nicht in Ordnung ist.

Fahrgäste, die nicht nerven…

Ich bin – zumindest was den Dienstleistungsgedanken angeht – sicher sowas ähnliches wie vorbildlich. Eigenlob stinkt zwar, aber bei meiner aktuellen Verdauung macht das auch nichts mehr aus. Naja, ich sehe also in jedem Kunden eigentlich wirklich einen Menschen, der mit Respekt behandelt werden will und sollte, und meine Hilfestellungen einem Fahrgast gegenüber richten sich nicht nach dem, was er mir zahlt, sondern danach, welche Hilfe er möchte oder braucht.

Dennoch ist es einigen nicht auszureden, dass sie den Tagesablauf eines Taxifahrers durch ihre Anwesenheit stören. Ich weiss noch nicht so recht, wie ich mich zu diesem Verhalten stellen soll.

Denn einerseits ist es ja eine verdammt nette Geschichte, wenn Leute auch in Taxifahrern – die ja nun wirklich eine mehr als flüchtige Dienstleistung anbieten – gegenüber respekt- und verständnisvoll sind.

Andererseits…
Mir persönlich ist es schon auch manchmal unangenehm, wenn mich Menschen grundlos bedauern oder mir ständig versichern, wie wichtig ihnen das jetzt ist, und und und.

So ist bei mir also ein Typ am Ostbahnhof vors Fenster getreten und fragte in fast weinerlichem Tonfall, ob ich ihn nicht mitnehmen könne, er würde ungern – Finger aufs Auto des Kollegen vor mir – „mit diesem versifften Taxi“ fahren. Das Auto sah wirklich von außen nicht super aus – über die Innenausstattung kann ich nix sagen. Aber der Kunde hat die Wahl, und das hab ich ihm natürlich auch gesagt, und so hat er sich dann entschieden, bei mir mitzufahren.

Seine Penibilität wunderte mich zwar etwas, da er selbst nicht im besten Zustand war, aber ich bin ja nicht der Kunde. Und Lob tut immer gut 😉

Ach so, außerdem wollte er nach Rahnsdorf, bzw. eher nach Schöneiche. Das könnte zu meiner Freude auch beigetragen haben…

Bis dorthin sollte es noch viele Bekundungen geben, eigentlich ein stressfreier Kunde zu sein und Einladungen zu Döner, Bier und nicht zuletzt noch das offensichtlich ernste Bedauern darüber, dass nach allen Stopps doch nur noch ein Euro für Trinkgeld übrig geblieben ist. Gott sei Dank habe ich Döner und Bier abgelehnt, sonst wäre das am Ende echt noch ein Riesen-Drama geworden. Wahrscheinlich mit Umkehr, um in Friedrichshagen ein zweites Mal Geld abzuheben…

Und zu seinen Kumpels hätte ich natürlich auch gerne noch mit reinkommen können, Getränke natürlich auch hier frei.

Hey, warum muss sich ein Kunde entschuldigen, der sich während einer 39,00€-Tour bestens benimmt und sich alle Mühe gibt, kein stressiger Fahrgast zu sein? Ich blick’s echt nicht. Aber nett war es ja irgendwie doch. Außerdem: Hey, mal eben 40 € gemacht! 🙂

Nicht die Hellste…

Fahrgäste stehen ja ein wenig auf Rätselspielchen. Adressen sind für manche wenige eine unbedeutende Nebensächlichkeit. Jetzt hatte ich mal wieder ein hervorragendes Beispiel:

Das Ziel hat sich kurz vor dem Ankommen nochmal geändert und wir fahren nun durch die Eldenaer Str. Meint der Kunde allen Ernstes zu mir:

„Und jetzt hälste einfach an der hellsten Lampe!“

Ich warte noch auf die Fahrten zum hässlichsten Haus, zum dunkelsten Hinterhof und zum schönsten Klingelschild.

Unnötig zu erwähnen, dass ich eine andere Lampe für die hellste gehalten habe…

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

Abonniert doch den RSS-Feed von GNIT. Mehr von Sash gibt es außerdem bei Facebook und bei Twitter.

Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Eilig…

Gerade einen Fahrgast abgesetzt, da plötzlich:

„Ey, bist du frei?“

„Ja, jetzt schon!“

„Kannst du mich zum Alex bringen!“

„Logisch! Hört sich an, als wäre es eilig.“

„Ja, ich muss dem Typen auf’s Maul hauen, mit dem meine Freundin gerade unterwegs ist!“

Wenigstens hatte ich das Gefühl, ihn ein wenig runtergebracht zu haben, bis ich ihn ausgeladen hab… Leute gibt’s!