Horrorfahrt!

… oder vielleicht doch nicht?

Wie oft ich von Kollegen Beschwerden höre, wie laut und unangenehm Kunden sein können …

Ich muss ja zugeben: Ich bin auch ein wenig spießig geworden im Laufe der Jahre und finde es nicht einfach grundlos toll, wenn die Leute bei mir im Auto rumbrüllen. Andererseits überwiegt dann doch noch immer die Frage: Wayne?

Ich bin (die letzte Fahrt hatte ich in Mariendorf beendet) frohen Mutes den Tempelhofer Damm hochgeschossen, um in Richtung Kreuzberg/Mitte zu gelangen, wo vielleicht noch Kundschaft warten könnte. Dann aber Winker am Platz der Luftbrücke. Drei Oberprolls im Hiphopper-Outfit, die sofort nach dem Einstieg einerseits um „coole Mucke“ bettelten, andererseits selbst anfingen, wie die Bekloppten völlig sinnlosen Scheiß zu rappen. Der Tenor war ungefähr „Wir sind die Geilsten, so viel Party war noch nie!“.

Nun ja, ich mag Rap ja, aber die dargebotene „Kunst“ war ein extra Grund, sie doof zu finden. Für Hiphop-Hasser wären sie nur ungefähr gleich scheiße wie andere Hopper gewesen, mir hat das entsprechend mehr wehgetan. Wobei sie in ihrer „Wir dissen den Rest der Welt“-Blase durchaus auch lustig waren.

Der auf dem Beifahrersitz (wie eigentlich immer der Vernünftigste) hat gleich gesagt, ich solle doch besser das Radio einschalten, dann wären die Spinner ruhig. Das hat anfangs nur so semi geklappt, aber inmitte der eher kurzen Fahrt (zur Boddinstraße) hab ich im Radio Hiphop gefunden, den sie cool fanden, dann aber irgendwie leise wurden, weil plötzlich Lyrics dazu kamen, die französisch waren – und damit konnte nun keiner der Obergangster was anfangen. Aber klar: Es wäre auch zu peinlich gewesen, den Taxifahrer bei den (auch ordentlich auf laut gedrehten) fetten Beats zu bitten, den Sender zu wechseln …

Ich fand’s lustig, die „Open-Mindness“ der Oberchecker ungeplant auf die Probe zu stellen. 😀

Zwischendrin wurde mir noch erklärt, dass ich eigentlich Kurzstrecke hätte eingeben sollen, was aber schon reichlich an Aktualität verloren hatte, weil ich die 2km-Marke bereits überschritten hatte und sie das auch verstanden.

Ich will nicht lügen: Die Jungs waren superstressig! Alle zwei Sekunden ein neuer Lautstärkerekord oder eine neue Bitte, was ich denn jetzt zu tun oder zu lassen hätte. Sicher nichts, was man um Mitternacht unbedingt haben muss. Aber es waren höchstens fünf fucking Minuten! Ein bisschen mittelprächtige Musik, ein bisschen zu viel Lautstärke. Ich will das nicht für total cool erklären oder mir herbeiwünschen. Aber es hat meinen Arbeitstag 5 Minuten von insgesamt 10 Stunden beeinflusst und mir im Gegenzug rund 4% der Einnahmen beschert. Darüber hinaus gab es für 9 € Fahrpreis recht saftige 3 € Trinkgeld. Weil ich „so cool“ war.

Ich will echt nicht behaupten, dass man sich als Taxifahrer alles gefallen lassen muss. Wirklich nicht, liebe Kollegen! Aber so kleinlicher Bullshit wie ein paar rappende Prolls sollten einen echt nicht an die Grenze der Belastbarkeit bringen.

PS: Einen ähnlichen Tenor habe ich in meiner (bald erscheinenden) Kolumne bei der Taxi Times angeschlagen, da ging es allerdings um eine Tour, die gleich um die 50 € gebracht hat. Ich füge dieses Beispiel gerne an, weil es eben nicht darum geht, dass eine solche Fahrt auch Geld bringt. Das tut jede Tour – und trotzdem kann sie unangemessen verlaufen.

Nervbacken

Dass es zur wilden Renate etwa neun Euro plus in dem Fall den Großraumzuschlag von einem Fünfer kosten würde, war schnell geklärt. Also für sechs der sieben Beteiligten, inklusive mir. Dann der siebte:

„Also für’n Zehner hätten wir einen Deal …“

„Sind aber 14.“

„Dann mach doch für uns einen Zehner!“

„Lass mich überlegen … nö.“

„Na dann mach‘ uns doch mal’n Preis!“

„Ich mach hier keine Preise.“

„Nee, im Ernst: Sag mal!“

„14 €. Was die Uhr anzeigt.“

„Alter, verarsch mich nicht! Mach uns ’n guten Preis!“

„OK Junge, ich arbeite in einer der wenigen Branchen, in denen das sogar illegal wäre. Auch deshalb und überhaupt: Nein!“

„Na, Du wirst uns doch wohl einen Preis machen können!?“

„Nein.“

„Na komm …“

„Nein.“

„Kannst die Uhr ja auch ganz auslassen.“

„Nein.“

„Ey, dann haste wenigstens eine Fahrt. Besser als rumstehen!“

„Ähm, ich bin zweiter.“

„Trotzdem: Besser als hier stehen isses nicht.“

„Mag sein. Vielleicht krieg ich statt Euch aber auch eine wesentlich lohnendere Tour …“

„Das kannst Du aber nicht wissen!“

„Na und? Ich riskier’s.“

„Mach uns doch einfach einen guten Preis! 12?“

„Nein.“

„Warum nicht?“

„Ach komm: Schlag die 14 € doch mal auf 6 Leute um. Selbst mit der BVG würdet Ihr mehr bezahlen.“

„Tja, BVG kostet uns aber gar nix.“

„Dann wäre das doch eine Alternative, oder?“

„Ach komm‘! Zehner?“

„Nein!“

Man muss anerkennen: Der Typ hat fast alles rausgeholt, was Festpreisler so rauszuholen versuchen. Und am Ende? Sind sie eigentlich sehr zufrieden zum gültigen Tarif (14,10 €) gefahren. DAS hätten wir auch schneller hingekriegt …

Und noch eine Tour …

Die Vermutung, man bekomme als netter Taxifahrer auch mal ein paar Touren mehr, ist strittig. Leider. Zu zufallsbasiert ist das Gewerbe, zu egal ist es manchen Kunden, wenn es mal eilt.

Aber nun, auf Position vier, standen sie vor mir: zwei junge Damen, aus Polen, wie ich noch erfahren sollte, und freuten sich:

„Wow, sehr schön, dass Du noch hier! Wir fahren mit Dir!“

Ihre S-Bahn war wohl ewig nicht gekommen, jetzt also doch das Taxi. Obwohl es 15 Minuten vorher noch zu teuer war. Wie hab ich mir diese Sonderstellung, mal eben eine sehr nette Tour bevorzugt zu bekommen, verdient?

Eine Viertelstunde zuvor:

„Wir wollte fragen, was kosten bis Fiensehnvagochstrase? Nöscheniuha … Schienöheuha … äh …“

„Vincent-van-Gogh-Straße, Neuhohenschönhausen, ja?“

„Ja genau. Kollege sagt 30 €.“

„Na, so viel wird es nicht. Aber 20 bis 25 € werden es auf jeden Fall sein.“

„Sooo viel? Aber wir bezahle von Reinickendorf nur 25!“

„Das kann sein. Aber auch wenn wir deutlich östlich von Reinickendorf sind, sind wir hier doch auch deutlich weiter im Süden. Und deswegen ist es nicht arg viel näher dran, sorry.“

Nennt mich schleimig, aber ich finde das eine absolute 08/15-Aussage, eine einfache Erklärung des Preises, den ich für meine Arbeit verlange. Wir haben uns nach diesem kurzen Gespräch kurz nett verabschiedet, obwohl da klar war, dass sie Bahn fahren würden. Auch da würde ich sagen, sehen große verbale Heldentaten anders aus. Aber ja: Deswegen sind sie dann bei mir eingestiegen:

„Warst Du einzige, der hat korrekt gesprochen mit uns. Andere nur so: ’30 Euro!‘. Und nicht mal angeguckt!“

Tja, damit waren die 23 € dann mein. Und eine nette Fahrt war’s obendrein.

Unter den Bkloppten ist der Gehirnamputierte Professor. 🙂

Pech gehabt …

Da stehste an einer Ampel und 50 Meter vor dir winkt’s …

Yeah! \o/

Und dann kommt ein Kumpel des Besoffenen an und zerrt ihn von der Straße. Ich hoffe jetzt einfach mal, der kannte ihn besser als ich und es gab einen Grund dafür. 😉

„Und gerade die – ich sag jetzt mal …“

Ich hab sie schon ein paar Meter weiter weg heranhumpeln sehen. Sie hat allerdings kein Zeichen gegeben, obwohl ich darauf gewartet hab. Auch wenn ich vorsichtigt damit bin, die erste Position am Stand zu verlassen – nachher will jemand doch wieder nur wissen, wie er zu Fuß zum Berghain kommt! – bin ich da echt nicht so, wenn Leute es schwer haben mit dem Laufen. Als sie auf 50 Meter Entfernung meine Bereitschaft dann auch erkennen konnte und ein „Ja“ signalisiert hat, bin ich gleich vorgefahren.

„Ach, junger Mann, das ist ja mal nett!“

„Ist doch selbstverständlich.“

Beim Einsteigen brauchte sie nicht wirklich viel Hilfe, ich sollte nur ihre Tasche halten und entschuldigen, dass es etwas dauert. Mit andern Worten: Business as usual, wirklich kein Grund, schlechte Laune zu kriegen.

Während der Fahrt war ihre relativ frisch (aufgrund einer Operation) erworbene Behinderung weiterhin Thema. Das Leben ist scheiße, sowas passiert halt. Aber sie warf gleich ein:

„Aber ich will mich nicht beschweren. Da sind SOO viele nette Leute bei mir in der Gegend – und alle helfen sie mir!“

„Das ist schön, das freut mich für Sie!“

„Ja, und jetzt Sie ja auch …“

„Ist wirklich kein Ding. Als ob mich Freundlichkeit was kostet …“

„Naja, aber trotzdem. Und bei mir zuhause. Sie glauben’s nicht, wie oft mir da geholfen wird. Hier mal die Tasche tragen, da mal die Hand reichen … unglaublich!“

„Wie gesagt: Sehr schön! Freut mich für Sie!“

„Und glauben Sie’s oder glauben Sie’s nicht: Auch gerade die – ich sag jetzt mal – jungen Ausländer, die sind ja sowas von nett …“

Ich mag Rassisten und Xenophobe nicht. Aber ich mag es, wenn ihre Vorurteile bröckeln. 🙂

Diverse Studien zeigen: Die Ausländerfeindlichkeit ist dort am höchsten, wo die wenigsten Fremden wohnen. Begegnungen helfen ungemein. Ich selbst bin jetzt nur wenig überrascht, dass sich Leute, die einer alten Frau mit Krücken die Treppe hochhelfen, nicht vorher nochmal versichern, ob sie nicht eigentlich böse Ausländer sind und das nicht tun sollten. Aber wie man sieht: Hier und da scheint etwas Menschlichkeit ja dann doch an Weltbildern zu rütteln.

Sicher: Genau wie die Verbrechen in Köln an Silvester nicht heißen, dass alle Fremden kriminell sind, bedeutet auch die Erfahrung meiner Kundin nicht, dass alle Menschen aus anderen Ländern liebe Schnuckelhasen sind. Die Arschlocheritis hat sich seit jeher nicht an Grenzkontrollen aufspüren und ausweisen lassen, nein, die verbreitet sich gerne via Facebook und fordert utopisch dichte Grenzen.

Wir haben seit letztem Jahr ein Problem in diesem Land, das anwächst. Politik und Polizei kriegen es nur teilweise unter Kontrolle und die Zustände sind, kurz gesagt, unhaltbar: Immer mehr Menschen, die sich einen Scheißdreck um die wenigstens hierzulande geltenden Menschenrechte, unsere Gesetze und Normen scheren, finden Platz inmitten der Gesellschaft – und fühlen sich auch noch willkommen geheißen. Nazis. Das kann nicht sein!

Deswegen möchte auch ich als „Nur“-Taxiblogger unmissverständlich klarmachen, dass ich mich deutlich dagegen ausspreche, dass rechte Hetze und Nazi-Gewalttaten einen Platz im Netz und in der Gesellschaft bekommen! Ob man die Täter jetzt gleich „abschieben“ muss, oder ob ihnen nur „die ganze Härte des Rechtsstaates“ entgegengebracht werden sollte … da darf man meinetwegen drüber streiten.

PS: Nazispam wird kommentarlos gelöscht. Auch wenn’s ein Weilchen dauern kann: Gar nicht erst antworten!

Wie Fußball-Schauen

Es war etwa Mitternacht.

„Und, Sie sind auf dem Weg nach Hause?“

„Na, aber sicher doch!“

„Ich frag ja nur. Viele fangen auch jetzt erst an zu feiern.“

„Oh, das ist wahr! Kenne ich ja. Aber jetzt – ich lebe seit 10 Jahren hier – hab ich mich etwas beruhigt …“

„Man kann eh nicht alles mitnehmen in der Stadt hier …“

„Ja, stimmt. Für mich aber ist inzwischen das Tröstliche: Wenn ich schlafe, feiert jemand anders für mich. Und das ist ok! Ist wie Fußball-Schauen: Während ich gemütlich auf der Couch liege, werden die Jungs Weltmeister! Und das finde ich gut. Es ist ja nicht so, dass ich unbedingt die Party schmeißen muss. Das machen jetzt halt andere. Das ist ok. So lange es Parties gibt …“

Ich muss ehrlich sein: So abstrakt übers Feiern reden, wäre selbst mir nicht eingefallen. Und ich bin schon der Typ, der nüchtern durch die Stadt kurvt, während alle anderen voll drauf sind …

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Goldige Bloggerfans 2015

Gestern Abend sind hier in Berlin die „Goldenen Blogger“ verliehen worden. Und ohne dass ich das von alleine mitbekommen hätte, wurde GNIT von irgendwem vorgeschlagen und landete letzten Endes unter den besten vier „Tagebuch-Blogs“. Warum auch immer da, und nicht in der Berlin-Kategorie … aber wie gesagt: So genau hab ich’s mir nicht angeschaut.

(Hier eine Liste aller Nominierten aller Kategorien mit Links)

Während mir das „Hurra-Blog“ nichts sagte, hab ich mir gegen „Kaiserinnenreich“ oder Maximilian Buddenbohms Familienblog „Herzdamengeschichten“ nicht wirklich eine Chance ausgerechnet. Hier gar nicht erst erwähnt hatte ich es indes, weil in dieser Kategorie kein Online-, sondern ein Jury-Voting vorgesehen war.

Ich selbst hab im Laufe des Abends aber trotzdem mal in den Livestream reingeschaltet, denn auch nach all den Jahren und den großen Presseberichten ist es natürlich bei jeder Preisverleihung toll, wenn mal eben die eigene Page auf der Bühne gezeigt und ein paar nette Worte verloren werden. Tut gut, ganz unabhängig vom Preis.

Was dann aber wirklich großartig war, war der kleine, aber doch immerhin die Moderatoren aus dem Takt bringende Applaus, der aufkam, als GNIT erwähnt wurde. Es wurde eiligst von der Bühne gefragt, ob ich etwa anwesend sei – um nur kurz danach mit einem „Ach, Fans …“ fortzufahren.

„Ach, Fans …“ 😀

Manchmal sind die kleinsten Momente die größten.

Wer immer Ihr wart, gestern abend im Basecamp: Danke, Ihr habt mir echt den Abend versüßt!

PS: Wie erwartet habe nicht ich den nackten Engel abgestaubt, der Sieg geht verdientermaßen an kaiserinnenreich.de. Glückwunsch von meiner Seite aus!