Vorbildlicher Nicht-Räuber

Auch nach bald 10 Jahren tue ich mich schwer damit, was ich Kunden antworten soll, die mich hart bemitleiden, weil mein Job ja so gefährlich ist. Denn das ist so ein klassisches Feld, wo Gefühle und Meinungen auf Statistiken und Fakten treffen und eindeutig ist dann nicht einmal letzteres. Natürlich haben wir Fahrer ein zusätzliches Risiko durch Raubüberfälle und es gibt keinen Grund, das kleinzureden. Andererseits liegt aber die Hochzeit der Taximorde vier bis sechs Jahrzehnte (!) zurück und wer wirklich dauernd Panik schiebt, vielleicht mal eine Tageskasse zu verlieren, hat echt noch zu wenig gerafft, wie wenig Geld das eigentlich jeweils ist.

Nun hatte ich einen Winker im Auto, der mich behutsam versuchte darauf vorzubereiten, dass er am Zielort das Geld aus der Wohnung holen würde. Was ich mit einem „Kein Problem!“ abgetan hab. Er versprach mir, sein Handy dazulassen, „auch anjeschaltet, keine Sorge!“, wo ich mich dann trotz der überwiegend korrekten Kollegen wieder frage, wie wenig vorsichtig unsere Kundschaft eigentlich ist.

Aber es ging weiter:

„Ich muss Dich warnen: Ich komme gleich wieder runter und ich hab dann meinen Hund dabei. Keine Panik, ich mach den auch gleich am Geländer fest, ich will das dann nur nutzen, um noch eine Runde mit ihm zu drehen.“

„OK.“

Auf die Idee, dass jemand seinen Hund mitbringt, um mich zu bedrohen, bin ich in 10 Jahren noch nicht einmal im Ansatz gekommen. Zumal das grenzwertig blöd wäre, da so ein handelsübliches Taxi ziemlich hundesicher ist, wenn man sich darin verschanzt.

Aber er erwähnte auch gleich, dass er das nur sage, weil er von Taxifahrern ja schon üble Stories gehört hätte. Und eine davon wäre eben, dass z.B. mal ein Kunde statt mit Geld mit einem Messer wieder am Taxi stand, obwohl er das Taxi mit seinem Namen bestellt und zu seiner Haustüre hat fahren lassen.

Der Idiotie-Faktor dieser Aktion bewegt sich vermutlich auf mittlerem Berliner Niveau, aber ich stutzte doch etwas, denn ich hab so eine Geschichte nicht zum ersten Mal gehört, sondern erstmalig um das Jahr 2004 herum. Ja genau, lange bevor ich im Taxi gelandet bin. Es war in meiner WG in Stuttgart, als ich anlässlich einer Party den Bruder einer späteren Mitbewohnerin kennengelernt habe, der dann im weiteren Verlauf des sehr feucht-fröhlichen Abends gebeichtet hat, dass die dümmste Aktion seines Lebens war, zugedröhnt einen Taxifahrer mit einem Messer bedroht zu haben, nachdem er zuhause die Kohle, die er eigentlich dort erwartet hat, nicht mehr auffinden konnte.

Sicher, das wird auf der Welt schon ein paar Mal passiert sein, aber ratet mal, woher er kam … genau: Berlin.

Mit meinem Fahrgast hat dann natürlich alles gut geklappt. Und er hat den Hund tatsächlich angeleint, obwohl ich ihm gesagt habe, dass er ihn ruhig mit zum Auto bringen kann.

Die unter einem

Ich hab dieses Wochenende übergangsweise ein Auto von der Firma abholen müssen. Noch hat man mich nach der Elternzeit nicht in ein festes Team einsortieren können, das sich ein Auto teilt, weil das vorherige aufgrund der Krankheit eines Kollegen nicht mehr existiert. Wie immer war es die Hölle, nach der Sonntagsschicht einen Parkplatz zu finden, ansonsten war es ok. Ich hab am Übergangsauto mal wieder ein paar lustige Geräusche neu kennenlernen dürfen, die Zafiras jenseits der 300.000 km machen und ansonsten war die Arbeit mittelprächtig bis gut.

Was das Nehmen von Autos an der Firma speziell macht, ist die Rückfahrt. Dank klug gewählter Wohn- und Firmenadresse komme ich auch nachts  mit der Straßenbahn gut heim, es dauert halt nur eine Stunde. Plus ggf. 25 Minuten Wartezeit. Und es ist wirklich nicht selten, dass während dieser Heimfahrt irgendwas passiert. Also Menschen.

Die fragen nach lustigen Routen und Orten oder es entwickelt sich einfach so ein Gespräch – und wenn ich als Taxifahrer was gut kann, dann Gespräche zu führen, während ich ohnehin anwesend sein muss.

Dieses Mal fragte mich ein Mittvierziger, ob ich ihm sagen könne, wie er nach Friedrichshain komme und da das erst im späten Verlauf der Fahrt passierte, blieb für mich nur, ihm zu sagen, er solle mal mit mir aussteigen und dann in die Bahn steigen, in die ich nicht steigen würde.

Als ich sah, dass er Flaschen sammelte, hab ich ihm meine Eistee-Flasche vermacht und wir hatten dann ungefähr 10 Minuten, uns ein bisschen zu unterhalten. Er war ein Obdachloser aus Prag, der versuchte, sich seine Fahrt zurück zu verdienen. Er sagte, dass er Berlin möge, dass es aber eben bei weitem nicht das sei, was ihm Freunde erzählt hätten: Wie leicht man hier an Geld kommen könnte, dass Berlin eine Art Schlaraffenland sei. Er hat das auch echt sehr liebenswert leicht selbstironisch erzählt, wie doof es eigentlich gewesen sei, dass er sowas geglaubt hätte:

„Is – wie sagen? – bescheuert, zu glauben, hier plöötzlich alles ok!“

Er fragte mich, wie es sei, hier Taxi zu fahren, wir bemängelten gemeinsam die Wohnsituation hier; es war ein zwar notgedrungen eher mit negativen Aspekten gespicktes Gespräch mit dafür wenigstens sehr positiver Atmosphäre.

Ich hab ihm kurz bevor meine Bahn kam, dann einfach etwas mehr als mein heutiges Trinkgeld gegeben. War irgendwie doof, weil ich’s mir hart verdient habe und jetzt mit Kind auch eher mal darauf achten muss, ein bisschen mehr Taler auf die hohe Kante zu schaufeln – andererseits haben ja auch mich hier schon so viele Leute freiwillig unterstützt und ich hab’s auch noch nie erlebt, dass es mir am Ende falsch vorgekommen ist, jemandem irgendwie zu helfen, dem es offensichtlich noch deutlich schlechter geht als mir. Auch ohne das zu schreiben (und ja, dann auch nettes Feedback zu kriegen) ist es immer schön, jemandem helfen zu können, dem der Zehner mehr gutes tut als es mir schadet. Ich hab schon mal irgendwo geschrieben, dass da bei mir wohl was falsch verdrahtet ist und dass ich mich da wirklich freue.

Aber ist auch egal. Unsere Wege haben sich wieder getrennt, wir werden uns wohl nie wieder sehen und das hat meine Heimfahrt angenehm kurzweilig gemacht.

Und weil diese „kritischen“ Stimmen sicher auch kommen werden: Es ist mir völlig egal, ob der Kerl sich davon einen halben Kasten Bier kauft oder auf die Fahrkarte nach Prag spart! Mich hat es gefreut, dass er so überrascht und glücklich war. 🙂

Was „kurzes“ zwischenrein

Ich hab gerade stressige zwei Wochen ohne freien Tag – auch wenn ich den Knirps nicht mitzähle und nur am Wochenende Taxi fahre. Das früher übliche After-Work-Blogging muss gerade früheren Bettzeiten weichen und ich weiß auch noch nicht so recht, wann ich das nachholen kann. Kommt aber. Hier nun aber noch schnell die Impression einer Kundenroute, ein Träumchen. Insbesondere, weil’s Arschlöcher waren:

„Fährste uns Harmonie? Kennste kürzesten Weg?“

„Ich bin noch am Überlegen, aber ich glaube ja.“

„Egal, zeig ick Dir!“

„We took the scenic route.“ Quelle: maps.google.com

Meine Strecke wäre 8,5 km lang gewesen.

Geldsorgen

Funkauftrag an einen Imbiss. Ich halte an der Hauptstraße, der Kunde aber war bereits auf den Nebenarm gelaufen. Der lag näher und er lief an Krücken. Ich hab den Nebenarm der Straße nicht angesteuert, weil es von dort aus in die Hauptrichtungen immer 300 bis 400 Meter Umweg sind. Plattenbauviertel, so schön.

„Ich stehe da drüben, soll ich rüberfahren? Ich wusste nicht, dass sie eingeschränkt sind, sorry.“

„Ja bitte, dit wär nett. Fragst Dich sicher: WAT, WIESO GEHT WER MIT KRÜCKEN INNE KNEIPE?“

„Ähm, nö. Wieso sollten Sie bitte nicht mit Krücken in eine Kneipe gehen?“

Anderthalb Minuten später sitzt er im Auto.

„Ick wohn da hier drüben inna, Mensch wie heißt die … in dit Wohnheim, kennste?“

„Ja. Und mir fällt der Straßenname gerade auch nicht ein. Über die Brücke, am Mac links.“

„Ja, ja, ditte!“

Der Weg war alles andere als weit. Mit Anfangsumweg kamen nur 7,70 € zusammen. Obwohl er die 50 Meter zum Taxi nicht laufen konnte, erwähnte er immer wieder, dass er ja „andersrum, durch den Tunnel“ hätte gehen können, aber das wäre ihm „nüscht jewesen mit meene Kohle“. Denn deswegen hatte ich die Fahrt überhaupt nur. Er hatte seinen einen Tag im Monat  an dem er zum nächstgelegenen Kneipenersatz humpelt, um „bisschen zu trinken, zocken und mit anderen Leuten Blödsinn quatschen“. Um „nich immer in mein Zimma zu versauern, verstehste?“. Und heute hatte er gewonnen und sein Reichtum war ihm dann doch etwas unheimlich. Alleine mit Krücken durch den Tunnel, nee!

„Wat krichste jetze?“

„Sieben Euro und siebzig Cent.“

„Du has‘ ja wohl’n Aasch offen! Is dit ok, wenn ick Dir dit so jebe?“

Ein Zehner.

„Sicher.“

„Na denn nimm ma‘! Rest is‘ deins!“

Und er zog den Zehner aus einem „Haufen“ Geld, der – ich hab ja auch gelegentlich mit Bargeldsummen zu tun – vielleicht so 150 bis 200 Euro umfasste. Für uns beide jetzt nicht wirklich wenig Geld, für ihn sicher noch einmal mehr als für mich, aber wenn er am Automaten spielt, wird er auch schon mal mehr verloren als heute gewonnen haben, seien wir mal ganz ehrlich. Und dass er dann einen Zehner in seine Security investiert … ich habe mich artig bedankt.

„Ick wünsch da noch’n schön’n Ahmd!“

„Danke, gleichfalls.“

„Abba bitte: Sei zu den andern auch so nett, wie de bei mir warst, ok?“

Uff. Immer diese Hürden. 😉

Der erste Fahrgast

*Trommelwirbel*

SCHBIN WIEDER DA!

So. Zurück aus der Elternzeit. Oder besser gesagt so halb, denn seit drei Tagen bin ich offiziell nur in Teilzeit beschäftigt wegen Elterngeld+. Aber das ist hier jetzt ja auch egal. Da die Fragen kommen werden: Es geht der ganzen Familie gut und dem kleinen Spatz fehlen keine 130 cm mehr, bis er größer ist als ich. Guter Start.

Gut war der Start auch gestern Abend, zumindest wenn man etwas Vorgeplänkel mit vergessenem Portemonnaie und so abzieht. Ja, ich weiß – aber man kommt halt echt nicht oft erst nach vier Monaten wieder zurück zur Arbeit und ich bin ehrlich gesagt schon ein bisschen stolz, dass ich keine Anleitung fürs Taxameter gebraucht habe.

Ja, gleich der erste Fahrgast vom Bahnhof Friedrichsfelde Ost zur Metro war in gewisser Weise etwas speziell:

Ein „Fahrgast“. Quelle: Sash

Jepp. Ein Schlüsselbund.

Und der Typ, der mich gebeten hat, den Schlüssel zu transportieren, war sich seiner Sache deutlich unsicherer als ich. Für mich war klar, dass ich selten so eine stressfreie Fahrt haben werde. Aber ich wurde später nochmal angerufen, mein Nummernschild wurde fotografiert, das ganze Programm. Und am Ende wurde mir versprochen, dass das nächste Mal gleich ich angerufen werde. 🙂

Da der Schlüssel zu einem Lieferwagen gehörte, war das halt wohl schon alles recht wichtig, aber mal im Ernst: Das sind Menschen ja auch immer. Für mich war’s wirklich nur ein „OK, dem kann ich wohl nix von meiner Elternzeit erzählen“. Das Geld gab’s im Voraus und das mit dem Trinkgeld hat dann der glückliche Schlüsselempfänger übernommen. Und natürlich war’s schneller und günstiger als wenn der Typ mitgefahren wäre und dann wieder zurück.

Und ich finde es auch ok, wenn Leute bei so Randbereichen der Taxidienstleistung etwas unsicher sind. Ich glaube, ich bin gar nicht so schlecht darin, Dinge zu erklären. Manchmal mache ich das ja sogar schriftlich. 😉

Vorübergehend raus

Ich hatte diesen Artikel hier eigentlich anders geplant. Als groß vorhergeplanten, Monate im Voraus geschriebenen mit netten passenden Bildchen und vielleicht genau am richtigen Tag geschrieben. Außerdem natürlich erst dann, wenn ich wirklich alle kleinen Geschichtchen der letzten Wochen noch fein säuberlich runtergeschrieben habe.

Jetzt sitze ich dann doch mit halbvollem Büchlein drei Tage nach dem letzten Arbeitstag, aber noch vor Beendigung des ersten Kaffees zur Unzeit morgens um 9.30 Uhr am Rechner und schreib das, damit ich wenigstens dazu komme, überhaupt was zu schreiben.

Ich bin jetzt erst einmal ein paar Monate raus aus dem Taxi!

Wie die meisten nebenher mitbekommen haben dürfen, ist der Grund einfach: Ich werde irgendwann in den nächsten Tagen das erste Mal Vater, ich nehme selbstverständlich eine Weile Elternzeit und da ist das dann etwas schwer mit einem Jobblog wie GNIT. Da ich noch ein zwei Sachen im Büchlein stehen hab, will ich aber nicht vorschnell ein Aus bis zu einem bestimmten Termin verkünden, vielleicht schreibe ich ja aber doch noch einen Artikel, um in der Übung zu bleiben.

Ach ja, Übung …

Natürlich hatte ich zu Beginn auch geplant, wenn es soweit ist, einen Elternblog zu machen, aber wie so vieles ist das jetzt neben Wohnungsrenovierung und Schwangerschaft irgendwo hinten auf der To-do-Liste gelandet. Deswegen kann ich Euch noch keine tolle neue Website präsentieren, sondern muss Euch vorerst mit meinem privaten Blog vertrösten, der jetzt bald wieder etwas mehr befüllt wird. Und vermutlich werde ich Neuigkeiten auch dort verkünden.

Hier werde ich mich dann melden, wenn es wieder Taxigeschichten gibt. GNIT ist nicht tot, aber ausnahmsweise hab ich mal WIRKLICH was besseres vor. 🙂

Bis dann,

Sash

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

Abonniert doch den RSS-Feed von GNIT. Mehr von Sash gibt es außerdem bei Facebook und bei Twitter.

Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Ajehoa!

Ich bin mir sicher, dass ich mich nicht grundlos damit rühme, die meisten Sprachbarrieren im Taxi auch ohne die moderne Technik aus dem Weg räumen zu können. Die hilft manchmal, natürlich – aber im Eifer des Gefechts verlässt man sich dann doch schnell mal aufs Gefühl und es ist schön zu sehen, wenn das immer wieder gut geht.

Isses in diesem Fall nicht. Oder nicht wirklich zumindest.

Ich hatte einen Auftrag in Lichtenberg, aber ein Ziel war nicht angegeben. Wie in 75% aller Fälle, das war also nix besonderes. Die Kunden rannten mir auf der Straße schon entgegen, junge Vietnamesen, ausgelassene Stimmung, alles super. Und nun? Wohin?

„Ajehoa-ahe!“

Na klar. 🙁

„Ajehoa-ahe Osöaus.“

Na bitte, geht doch. 🙂

Eine Nummer hatten sie auch noch parat und weit war es auch nicht, also hab ich sie in die Altenhofer Straße in Hohenschönhausen gebracht. Kinderspiel!

Denkste. In Hohenschönhausen gibt’s leider auch noch die Ahrenshooper Straße. Und in die wollten sie eigentlich.

Kleiner Vorteil: Dank der Sprachbarriere hab ich auch nicht mitkriegen müssen, für wie doof sie mich hielten. Am Ende lag der Umweg im 2€-Bereich und die Kunden kannten trotz alledem auch diese nette (und für mich eigentlich unnötige) Tradition mit dem Trinkgeld, das man gibt, obwohl man unzufrieden ist. So will ich mich am Ende mal nicht beschweren, ich hatte schon schlimmere Fahrten. 😉