Die andere Karte

Wir sind am Zielort angekommen. Die Kundin war schon die ganze Fahrt über noch „etwas“ aufgedreht, obwohl die Sonne bereits durch den Wald hindurchzublinzeln versuchte.

„Also, ich mach mit Karte. Was willste: EC-Karte, Visa-Karte, Arschkarte?“

„Ist mir relativ egal. Fangen wir doch mal mit der EC-Karte an …“

„Wie Du willst. Hättest auch meinen Arsch … also EC?“

Entweder war das der bisher verunglückteste Witz 2017 oder die verstörendste Anmache ever. 0.o

Retter im Bettlerdress

Es passiert oft genug, dass Leute anders drauf sind, als man aufgrund ihres Erscheinungsbildes zu wissen meint. Binsenweisheit, aber immer wieder überraschend, wenn’s mal soweit ist.

Und dann war da letzte Woche der Tag, an dem das mit dem Trinkgeld einfach nichts werden wollte. Satte 50% der Leute haben exakt nichts gegeben, der Rest waren dann so 30Ct-Beträge bei 25€-Fahrten. Als ich einen Hunni auf der Uhr hatte, waren gerade mal 2,10€ Tip aufgelaufen. So konzentriert kommt das auch nur alle paar Jahre mal vor. Oder wenn man wirklich nur zwei Lange Fahrten hat und dort nichts extra anfällt.

Und dann stand ich am Bahnhof als einziges Taxi. Zwei verwegen aussehende Typen in ihren Fünfzigern diskutierten gerade auf der Beifahrerseite  auf Russisch, ob sie ein Taxi wollen. Dann trat links eine nette Frau mit ihrer Tochter heran und  fragte, ob ich noch frei sei. Ich hätte sie zweifelsohne lieber mitgenommen, so rein sympathiemäßig, aber ich steh zu dem Glücksspiel Taxifahren und hab ernsthaft erwidert, dass ich es noch nicht wisse, die beiden aber zuerst da waren.

Und ja, der eine wollte tatsächlich fahren. Also konnte ich nur der Tochter fix die Nummer der Zentrale diktieren.

Mein Fahrgast indes hat gerade so noch seine Adresse rausbekommen, glücklicherweise inklusive des Stadtteils, denn natürlich war’s keine Straße, die es nur einmal in Berlin gab. Dank der Sprachkenntnisse (seine deutschen und meine russischen) verlief das Gespräch etwa so:

„Und? Fahren Sie jetzt nach Hause? Heim? Home?“

„Fahren? Du fahren bitte! Einfach fahren.“

Danach Schweigen.

Und wie immer, wenn’s eh schon kompliziert ist, waren er und mein Navi auch noch uneins, wie man seine Hausnummer am Besten anfährt, so dass ich an gleich drei Kreuzungen von ihm berichtigt wurde, wie ich fahren sollte. Den Umständen entsprechend nett, aber halt doch nur so lala. Am Ende der Fahrt standen 19,10€ auf der Uhr.

„Machen swansig.“

Hat also gut in den Tag gepasst. Dann reichte er mir allerdings einen Zwanziger und einen Zehner, woraufhin ich natürlich nur den Zwanni genommen habe. Da hat er mir nach einem weiteren Blick auf die Uhr den Zehner noch rübergeschoben und gemeint:

„Machen dreizig. Du Arbeit nicht viele Geld.“

Manchmal braucht’s solche Typen, um auf die 10% zu kommen. 😀

Scheiß Bärte!

Zugegeben: Im Vergleich zu Frauen werde ich selten beleidigt, wenn es um meinen Körper oder mein sonstiges Erscheinungsbild geht. Aber natürlich ist kein Nischenfeld zu belanglos, um nicht doch noch Gegner zu finden.

In diesem Fall ging es um meinen Bart.

Die Fahrt mit dem Pärchen war an und für sich so mittelmäßig und uninteressant wie sie nur sein konnte. Von Kreuzberg nach Treptow, eine Alltagsgeschichte.

Aber dass ich einen Bart hätte! Schlimm! Ich Mode-Hipster! Mal abgesehen davon, dass mich das angeblich beim Essen stört: Es ist ja nun auch per sei ein bisschen krank.

Gut, dieses Mal wurde immerhin nicht der IS bemüht, aber mir ist nach wie vor fremd, wie man ein paar Haare so zum Feindbild hochstilisieren kann.

Ich will ehrlich sein. Ich hab meinen späten Bartwuchs als willkommene Möglichkeit betrachtet, mein Doppelkinn verschwinden zu lassen. Ich trage ihn mehr oder weniger auffällig seit der Zeit, in der Bärte noch eher unüblich waren und meiner mich schon immer als Metaller vorverurteilt hat. Und dann dieser Kunde:

„Na, hörst wohl Hip-Hop, oder?“

Fuck you, Bushido!

Nun könnte ich das natürlich ignorieren. Aber dann gab der Typ freiwillig zu, dass … nun ja:

„Ich meine, wir haben damals ja auch ganz selbstverständlich Rotzbremsen getragen …“

Mir hat also ein Typ meinen (derzeitigen) Vollbart schlechtzureden versucht, der dereinst einen Schnauzer getragen hat? Ehrlich!? Ich werd‘ zu alt für den Scheiß. 😉

„Ich bin so fertig mit der Scheiße!“

Kurze Wartezeit am Sisyphos, eine Truppe abgelehnter Touris. Aus Bayern.

„Ich schnall‘ das nicht! Wir? WIR? Die hätten die Vollpfosten vor uns ablehnen sollen!“

Vielleicht hatten sie recht. Die „Vollpfosten vor uns“ hatte ich nicht im Auto; wie die so drauf waren, kann ich schlecht bewerten. Aber das Mädel hinten links brach in Tränen aus, der in der Mitte schwieg und der neben mir lebte in seinen Gedanken Tötungsfantasien aus, die glücklicherweise  nur hier und da artikuliert wurden. Und zudem natürlich, dass er fertig sei „mit der Scheiße“.

Ich will ehrlich sein: Abgesehen von der für mich nur mittelmäßigen Musik war das immer mein größter Hinderungsgrund, je Clubgänger zu werden: Türsteher. Ich war mit meinen paar Pfund zuviel auf den Rippen und meiner damit verbundenen Klamottenwahl nie irgendwo per se willkommen und ich hatte dementsprechend auch nie das Bedürfnis, einer Szene anzugehören, die mich allenfalls dulden würde. Wenn z.B. das Wetter gut ist oder die Auslastung des Clubs gerade genehm.

Aber gut, wir Menschen sind ja alle verschieden. Das Sisyphos soll gut sein und ich gönne auch den Menschen Spaß, die jetzt vielleicht nicht zu 100% auf meiner Linie liegen. Aber dass in den angesagtesten Clubs in Berlin willkürlich Leute abgelehnt werden, ist ja nunmehr auch weniger ein Geheimnis. Seit Anbeginn meiner Präsenz auf der Straße als Taxifahrer lege ich den Leuten ans Herz, wenigstens einen Plan B zu haben und das nicht persönlich zu nehmen. Das macht eine Ablehnung natürlich nicht unbedingt gut, aber seit spätestens dieser Tour weiß ich auch, dass Rumjammern nicht unbedingt glücklicher macht.

Aber klar: Extra von Augsburg nach Berlin fahren, um in einen besseren Club zu kommen, ist anscheinend nur ein Teil der Experience. Ohne reingekommen zu sein den Club als „dümmste Party von Welt“ zu beschimpfen, macht es natürlich besser.

Auf dem Weg zu ihrem Hostel hätten wir ungelogen an mindestens fünf Locations anhalten können. Und ich will hier nur die gezählt sehen, die elektronische Musik spielen. Aber wenn der Name des Clubs mehr zählt als die Party dort, dann ist das eben so und ich schätze, dass es auch f+ür alle Betreiber der potenziellen Kandidaten eher gut war, dass ich die Kundschaft – genervt wie sie war – „nach Hause“ gebracht habe.

Sven, sein Handy und die Polizei

Obwohl ich eigentlich schon wieder grünes Licht seitens der Ampel hatte, hielt ich an. Ein Winker. Quasi. Denn es war ein Polizist in voller Ausrüstung und als er mir erklärte, was sein Anliegen war, war klar, dass es nur so mittel normal war:

„Hey, wir haben hier auf der Mittelinsel einen Typen, der ziemlich betrunken ist. Der ist sauber, hat Geld dabei, die Sanitäter wollten ihn nicht mitnehmen. Der muss nach Reinickendorf. Würdest Du den mitnehmen?“

Nach den üblichen 0,25 Sekunden Bedenkzeit hab ich zugestimmt. Zweifelsohne war das jetzt nicht das, was mir gerade gut gepasst hätte, denn die Stadt war voll mit Kundschaft. Aber ich stehe nunmal dazu, auch gerade die schwierigen Touren wegzurocken.

„Na gut, krieg ich hin.“

„Dann fahr‘ mal hinter unseren Wagen.“

Ich wurde trotz nun roter Ampel eingewiesen, Spezialauftrag für Geheimagenten quasi. Ich hab mich gefühlt wichtig auf der Kreuzung positioniert, weit ordnungswidriger als Tempo 80 in einer 30er-Zone. Aber ich war halt wichtig. Der Kunde, auch von den Beamten nur beim Vornamen genannt, erwies sich als eigentlich harmlos. Völlig besoffen, natürlich, aber in sich selbst ruhend. Zunächst.

Einer der Beamten hatte seinen Geldbeutel in der Hand, reichte mir einen Fuffi daraus und fügte hinzu, dass ich ihm den Rest zurückgeben sollte.

„Keine Sorge, ich wollte hier kein krummes Ding abziehen!“

„Ach ja, hier …“

Der Polizist zeigte mir den Personalausweis:

„Der muss in die XYZ-Straße, quasi beim Rathaus.“

„Danke, aber das kläre ich gleich mit ihm!“

„Ach, der wird Dir nicht mehr viel sagen …“

Ich verstehe den Einwand, aber Polizei hin oder her: Wenn da wer in meinem Taxi sitzt, dann gilt für mich das Wort des Kunden. Für Entführungen sind andere Leute zuständig. Ich will nicht anzweifeln, dass es gut wäre, einen volltrunkenen Sven heimzubringen, aber mir fehlt jegliche Handhabe, ihn dazu zu zwingen.

Nichtsdestotrotz hatte ich den Fuffi von Sven nun und der hatte halt ganz andere Pläne, als ins Taxi zu steigen. Er wollte sein Handy.

Ich glaubte den Cops, dass sie es nicht hatten, nicht finden konnten und dass es vermutlich zuhause war, aber ich war weiter denn je entfernt davon, hier die Ansagen zu machen. Sven wehrte sich dagegen, in mein Auto eingeladen zu werden, schrie nach seinem Handy und am Ende kam halt heraus, dass das doch keine Tour für mich werden würde. Einfach weil er nicht wahrhaben wollte, dass die Beamten im sagten, dass sie sein Telefon nicht genommen hätten oder auch nur hätten finden können.

„Na gut, wenn er nicht einsteigen will …“,

meinte eine Polizistin.

„Also nehmt Ihr ihn mit?“,

fragte ich ebenso duzend in die Runde.

„Ja, geht wohl nicht anders …“

wurde mir mitgeteilt.

So gerne ich die Fahrt gemacht hätte und so sehr ich glaube, dass Sven sich damit einen Gefallen getan hätte: Ich war froh bis geradezu überrascht, wie nett die Beamten waren, obwohl er sich wie das letzte Arschloch aufgeführt hat und oft bedenklich nahe an der Grenze zum gewalttätigen Widerstand gekratzt hat. Hätte ich als Demonstrant einmal soviel Nettigkeit von der Staatsgewalt erfahren, würde ich sie wohl emotional mehr würdigen können.

Nachdem klar war, dass die Tour ausfällt, hab ich den Beamten, der gerade am wenigsten mit der Inschachhaltung von Sven beschäftigt war, noch kurz darauf hingewiesen, dass da noch eine Kleinigkeit offen wäre:

„DER ist dann wohl auch nicht meiner …“

Und hab den Fuffi weitergereicht.

„Oh ja, stimmt ja!“

Ich hoffe jetzt einfach mal, dass Sven gut heimgekommen ist, dort sein Handy wiedergefunden hat und zudem noch im Besitz seines Fünfzigers ist. Falls nicht, kann ich nur anmerken, dass ich als Taxifahrer wirklich alles dafür getan habe, dass dem so ist.

Guter Auftakt

Es gibt so Tage, da trudelt man durch die Zeit nach dem Aufstehen, erledigt noch dies und das, macht und tut und am Ende stellt man fest, dass man eigentlich weit früher bei der Arbeit sein wollte. Zumindest passiert mir sowas manchmal und gestern Abend war es auch so.

Letztendlich war es schon fast 22 Uhr, als ich ins Auto gestiegen bin und ich habe es nicht bereut. Denn zumindest das späte Loskommen war nach der ersten Kundin gerettet. Dass ich schon in Marzahn rangewunken werde, ist selten genug. Weitaus seltener (um nicht zu sagen einmal pro Jahrzehnt) ist es eine gut gelaunte Kundin, die als bescheidenes Ziel eine Straße in Tempelhof angibt.

Das wäre ein sehr guter Start gewesen. Hervorragend wurde es dann, als wir just von den letzten Ausläufern des Zuges der Liebe überrascht wurden, den ich schon für beendet hielt, woraufhin wir gleich zweier Sperrungen wegen einen grotesken 5€-Umweg fahren mussten. Geradezu abenteuerlich wurde es bei einem Zwischenstopp bereits in Tempelhof, bei der uns der „etwas“ betrunkene Freund einen weiteren Fünfer auf dem Taxameter bescherte, weil er uns vor seiner Haustüre nicht gefunden hat. So stand ich nach der ersten Fahrt mit 48€ auf der Uhr mitten in der Stadt.

Perfekt wurde es dann, als ich von der Kneipe, wo ich die beiden abgeladen hatte, eine Runde drehte, um Richtung Mitte wegzukommen. Denn kaum hatte ich meinen einminütigen Schlenker durch zwei Kopfsteinpflastergassen beendet, winkten mich vor der Kneipe die beiden von eben wieder ran und ließen sich dann doch nach Hause kutschieren. Nach Lankwitz, nochmal ein Zehner. So dürfte das ruhig immer anfangen, wenn ich mal spät dran bin. 🙂

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Verhandlungen mit dem Zukunfts-Ich

Sparsamkeit ist eine Tugend, heißt es. Und ich erkenne das in gewisser Weise an. Es ist hilfreich, einen Notgroschen zu haben und wenn es in der eigenen Macht liegt, den anzusparen, dann ist das Erlernen von Sparsamkeit eine gute Sache. Aber ich will ehrlich sein: Ich war immer ein Kritiker der Theorie, dass Sparsamkeit an sich einen Wert hat. Geld ist Mittel zum Zweck und es gibt Situationen, in denen ich Sparsamkeit hinderlich finde. Zum Beispiel wenn man eigentlich nicht weiß, wozu man Geld hortet, während es anderen schlecht geht. Oder das Szenario, an das ich mich aus meiner Jugend erinnere und mir in irgendeiner Gossip-Reportage präsentiert wurde. Es ging um ein Rentnerpaar, das trotz mittlerem Verdienst ein Millionenvermögen angehäuft hatte. DER Tipp, den sie allen Zuschauern mitgaben, war:

„Zwei Blatt Klopapier reichen immer!“

Und jedes einzelne Mal seit ca. 1996 denke ich bei außerplanmäßiger Verdauungstätigkeit, dass die beiden Idioten waren. Vermutlich sind sie inzwischen tot und ihre Enkel verprassen die Kohle ohne Sinn und Verstand. Und dafür haben sie sich ihr ganzes Leben lang bei jeder Magenverstimmung die eigene Scheiße von den Händen gepuhlt.

Ich will nicht pro Verschwendungssucht argumentieren und es gibt Gründe, warum ich kein Finanzberater bin. Aber wenn es um einzelne bestimmte Dinge geht, die mir das Leben erheblich erleichtern, Leid abwenden oder vielleicht sogar dem Wohl anderer dienen, habe ich mir einen anderen Gedanken zurechtgelegt. Und der ist:

„Dieser Zehner kann nie und nimmer ein existenzbedrohendes Problem sein!“

Und ja, auch ich kenne Situationen, in denen mir ein Zehner gefehlt hat. Aber da ging’s  halt um Probleme, die höchstens einen Zehner wert waren. Club-Eintritt, drei Extra-Bier, zwei Schachteln Kippen. Ärgerlich im Moment, aber nicht der Grund für einen Gerichtsvollzieherbesuch oder eine Wohnungskündigung. Wenn sonst alles ok ist, ist dieser Zehner egal*.

Und dann war da dieser Kunde. Nach einem Kneipenbesuch in der Prärie gestrandet hat er mich gefragt, wie viel es bis zu ihm nach Hause kosten würde. War keine kurze Fahrt, es standen gute 30€ zur Debatte. Er hat sich ein Herz gefasst und mir gesagt:

„Ganz ehrlich: Mein Zukunfts-Ich wird mich hassen. Das ist immer pleite. Aber ich glaube, ich muss das jetzt machen. Ich komm‘ ja sonst nicht heim.“

Und das war erst der Auftakt. Bei ihm herrschte der Respekt vor meiner Arbeit vor und er hat nicht einmal versucht, den Preis zu drücken und zu verhandeln. Ich hab das natürlich dankend angenommen, aber auch sichergestellt, den kürzesten Weg zu fahren und mich bemüht, ihn ernstzunehmen. Ein Azubi kurz vor der Gesellenprüfung, ein Handwerker aus Überzeugung und ein sehr angenehmer Gesprächspartner. Das Geld mussten wir erst holen und zudem musste sein Fuffi zuhause am Ende aber „bitte bitte noch für einen Döner“ reichen.

Wir kamen auf oben gesagtes zu sprechen und waren einer Meinung. Natürlich waren die 30€ (am Ende mit Fahrt zum Döner sogar 35) für ihn happig, aber am nächsten Tag unausgeschlafen im Betrieb aufzutauchen ging halt auch gar nicht. Das war ihm die 30€ halt eben doch wert.

Dass der Kunde sich tags drauf oder in der nächsten Woche doch geärgert hat, kann ich nicht ausschließen. Am Ende war ich halt trotzdem nur der Taxifahrer. Aber zwischendrin waren wir halt an diesem Punkt:

„Alter, ehrlich! Mein Zukunfts-Ich, das wird mich für einen Idioten halten!“

„Glaub‘ ich Dir, ehrlich. Und sorry, dass ich da keinen Spielraum habe.“

„Nee nee, alles cool. Ist ja nur, weil …“

„Hey, nur als Aufmunterung: Du bist heute das Zukunfts-Ich von dem Typen, der sich den Partyabend angespart hat, obwohl’s ein fucking Verzicht war, oder?“

„Das … ey, da hast Du auch recht, Alter.“

„Und jetzt schnell heimkommen ist Dir das wert, oder? Überleg’s Dir! Nächste S-Bahn-Station? Für mich kein Ding.“

„NEIN, Alter! Ich bin froh, dass ich Dich getroffen hab. Is’n echt guter Ausklang heute …“

„Na dann vergiss halt nicht, das auch deinem Zukunfts-Ich mitzugeben!“

„Werd‘ ich machen, Alter, werd‘ ich machen!“

Wie jeder Dienstleister komme auch ich mal an den Punkt, Geld nehmen zu müssen von Leuten, die es augenscheinlich eher weniger haben. Ich persönlich bin auch für eine weit solidarischere Welt zu haben, aber ich muss meine Miete zahlen und meinen Chefs Geld bringen, damit die ihrerseits Kreditgeber bezahlen, die mein Taxi finanziert haben und die wiederum ihren Aktionären Gewinne schulden. Ich kann da in Ausübung meines Jobs wenig tun.
Und genau deswegen kann ich kaum beschreiben, wie schön es ist, ausgerechnet von solchen Kunden fast nie Beschwerden zu hören. Die, denen eine Taxifahrt finanziell am meisten wehtut, sind oft die, die mir meinen Lohn am meisten gönnen. Das lässt mich bezüglich der erwähnten solidarischeren Welt am meisten hoffen.

*Ich bin nicht dumm. Ich weiß auch, dass 200 Zehner erschreckende 2.000€ sind. Aber ich habe ja explizit nicht gesagt, dass man jeden Zehner leichtfertig ausgeben sollte, sondern dass ein wohlbegründeter Zehner für sich nie alleine ein Problem ist. Bei ohnehin vorhandener Überschuldung gilt das selbstverständlich nicht und es liegt mir fremd, jemanden anzugreifen, bei dem das wirklich so dramatisch ist. Im Gegenteil, ich kenne das und ich würde bei Bedarf auch einen oder zwei Zehner weggeben, um das zu unterstreichen (kurze Mail …).