Am Ende war alles umsonst

Mit dem Kunden hatte ich einen echten Glücksgriff gelandet. Er hatte zwar schon einen im Tee, war aber von der seichten alkoholschwangeren Euphorie abgesehen total umgänglich und zurechnungsfähig. Ein netter Fahrgast, der mir freundlich sagte, ich müsse wegen seiner kleinen Straße in einem Außenbezirk nicht das Navi anschmeißen, er würde mir das gerne zeigen, wenn ich wisse, wie ich bis zum nächstgrößeren Platz kommen würde – was nun wirklich kein Problem war. Eine vergleichsweise lange Fahrt über 25 €, mit absehbar gutem Trinkgeld und ohne Stress. Nur eines noch:

„Wenn wir dann am Bahnhof sind, lässt mich kurz noch Bier holen. Hab zwar’n Späti ums Eck, aber der ist viel teurer …“

Wie bei dem Auftakt nicht anders zu erwarten verlief auch der Zwischenstopp problemlos. Er ließ mir Jacke und Ausweis als Pfand da und kam nach kaum zwei Minuten wieder, anbei eine Tüte mit fünf Bier. Ach, wie schade es sei, dass er mir keines anbieten könne, da vorne geht’s übrigens links ab! Nachdem wir angekommen waren, gab es amtliche drei Euro Trinkgeld für mich, eine bessere Tour hatte ich weder davor noch danach.

Und dann stand er da an der Ecke und winkte mir noch zu. In dem Moment riss seine Tüte und keine einzige Flasche überlebte den Aufprall auf dem Asphalt. Während ich ihn noch bedauere, zuckt er mit den Schultern und stapfte los zum ach so teuren Späti, während mir schon der nächste Kunde ins Auto sprang. Als ich den Späti passierte und sah, dass er bereits zu hatte, hätte ich am liebsten umgedreht. Aber erklär das mal zahlender Kundschaft, die nur wortkarg einen Straßennamen eingeworfen und sich fortan dem Handy gewidmet hat …

Wer Taxi sagt, muss auch Schlange sagen!

Natürlich war die Taxischlange vor dem Berghain wie jedes Wochenende eindrucksvoll. Sie mag vielleicht harmlos gegen die an so manchen Flughäfen sein, aber für einen Club …

Meine Fahrgäste sahen das auch so und beschlossen, dass das absolut die richtige Location für sie sein müsse, wenn das hier, also wow, look at all the cabs, we’ll love that!

„Well, the problem for you is …“

orakelte ich auf den letzten Metern:

„this is short compared to your queue!“

Und es tat sich das Vorplatz-Panorama des „besten Clubs der Welt“ auf, inklusive einer ungefähr Ein- bis Anderthalbstundenschlange an Menschen. Prompt verstummten die Freudenrufe, einer hat sogar angefangen zu weinen. Obwohl ich verstehen kann, dass man ungerne so lange ansteht: Dass die Enttäuschung beim Umschwenken von Taxi- auf Menschenschlange so groß werden würde, hatte ich nicht erahnt. Dabei sind Taxis doch auch nur Menschen.

Für mein Taxi waren beide Schlangen nix. Das durfte mit mir und den Fahgästen dann schnell mal noch eine Runde zum Tresor fahren. 🙂

Doppeltrinkgelder

Doppeltrinkgelder – ich nenne sie jetzt mal so, weil ich glaube, dass es bisher keinen Namen dafür gibt – sind etwas, bei dem ich mich immer frage, wie Kollegen damit umgehen.

Was meine ich überhaupt?

Ich meine Fahrten mit mehr als einer Person, die an unterschiedlichen Punkten aussteigen und mehr oder weniger getrennt zahlen – und dabei die zuerst zahlende Person Trinkgeld gibt. Man fährt also zu Person A, sie zahlt für die bisher aufgelaufenen 9 € mit einem Zehner und sagt: „Stimmt so.“ Wenn dann an ihrem Ziel Person B den Rest zahlen muss: Ziehen da alle immer das Trinkgeld von vorhin ab, oder machen sich’s da manche ähnlich leicht wie ich?

Wenn mir nämlich der erste 8,80 € mit einem Zehner bezahlt und die Uhr dann beim zweiten bei 16,40 € stehen bleibt, rechne ich in der Regel nicht groß rum, sage dass noch 6,40 € offen sind und hoffe einfach drauf, dass der zweite auch spendabel ist und vielleicht sogar mitbekommen hat, dass ich das unter den Tisch fallen lassen hab. Meist ist der Grund, dass ich zu faul zum Rechnen bin. Ich hab echt kein Geld zum Verschenken, aber so eine Fahrt passiert mir im Schnitt vielleicht alle ein bis zwei Wochen – da denke ich auch nicht unbedingt groß drüber nach, ob mir in der Zeit ein Euro flöten geht. Da verschlucken Hosentaschen und Waschmaschinen vermutlich mehr Geld.

Wie handhaben das die mitlesenden Kollegen?

Und was macht Ihr, wenn Ihr Kunden seid und wisst, Euer Kumpel hat vorher schon ein hohes Trinkgeld gegeben?

Dass ich jetzt drüber schreibe – bzw. überhaupt darüber nachgedacht hab – hat seinen Grund natürlich in einer aktuellen Fahrt. Und da schien der Eigenbetrug zunächst recht hoch auszufallen. Der erste von zwei ziemlich angetrunkenen und trotzdem furchtbar lieben Kerlen gab mir einen glatten Zehner für nur 7,20 € auf der Uhr. Der andere wollte noch ein ganzes Stück weiter, hatte aber nur noch einen weiteren Zehner einstecken, was am Ende sehr knapp nur gepasst hat: Es standen 16,80 € auf der Uhr. Wenn ich dann mein Trinkgeld abgezogen hätte, hätte ich 9,60 € verlangen können. Aber ich hab’s einfach gar nicht durchgerechnet und war mir nicht einmal mehr sicher, ob der Kumpel jetzt bei 7,20 € oder 7,80 € ausgestiegen war. Also hab ich nur 6,80 € als Fehlbetrag genannt und wurde dann gebeten, doch bitte 8 € zu machen. Da kommen einem 1,20 € Trinkgeld plötzlich mies vor, wenn man gerade eben eigentlich noch 2,80 € hatte. Und während ich mir dachte, dass ich in dem Fall vielleicht doch was sagen sollte, hatte der – wie gesagt sehr nette – Typ schon längst selbst die Entscheidung getroffen, mir die restlichen zwei Euro auch noch zu schenken. Na also.

Andererseits: Rumrechnen musste ich jetzt ja schon für den Blogeintrag … 🙂

Unzufrieden mit der Gesamtsituation

Selbst hier im Blog kommt gelegentlich zu kurz, dass Taxifahren mehr ist als Kundenerlebnisse + Umsatz + Trinkgeld. Wie überall sonst gilt auch hinterm Lenkrad, dass man sich an seinem Arbeitsplatz wohlfühlen sollte. Das tue ich normalerweise ja im Wesentlichen. Trotz Opel, trotz kalter Nacht, trotz Kopfsteinpflaster.

Aber es gibt eben solche Tage und solche. Und gestern war SOLCH ein Tag!

Angefangen hat alles mit Schlafmangel. Seit dem Buch-Countdown schlafe ich irgendwie in ziemlich ungesunden Häppchen und tendenziell eher etwas zu wenig. Müdigkeit bei der Arbeit ist mies und im Zweifelsfall nicht ungefährlich. Dann haben sich noch vor der Bahnfahrt zum Auto mein Handy und sein Ladekabel gestritten und ich konnte es während der Fahrt nur angeleint nutzen, was zumindest mal für die beiden Kiddies neben mir mit ihren 700€-Smartphones reichlich bekloppt ausgesehen hat.

Habe überlegt zu knurren, aber ich vermute, dann wären sie durch die geschlossenen Fenster gesprungen.

Am Auto hat mich dann eine mit Fingerabdrücken übersähte Scheibe empfangen. Ich mag da pingeliger sein als manch Kollege, aber als ich dann zusätzlich ein von Kunden vergessenes Zugticket gefunden hab, das mir sagte, dass jene am 22.2. am Ostbahnhof angekommen waren, hat mich mehr über die letzte Reinigung des Autos nachdenken lassen, als ich eigentlich wollte.

Während ich nebenbei bemerkt hab, dass ich ausgerechnet die dringend nötigen Coffees vergessen hatte, zickte das Navi. Das tut es bis jetzt. Es lässt mich nicht ins Navigationsmenü. Stattdessen könnte ich darauf Bilder anschauen oder Sudokus lösen …
Wie. Praktisch.

Nach der Fahrt in die Innenstadt ist mir am Stand dann auch aufgefallen, warum meine CD im Player heute so rumgesprungen ist: Weil ich sonst hätte ignorieren können, dass dem Auto die Radio-Antenne gefehlt hat …

Und dann … dann kam eine Kunde angejoggt und fragt:

„Ey, Du hast doch’n Navi!?“

Manchmal verliert man den Glauben an die Welt.

Um fair zu bleiben: Das mit dem Kunden war super. Ich kannte seine Zieladresse auch so. 🙂

Wie ich Bekannte wiedererkenne

Die Fahrgäste schienen nett zu sein. Ein älteres Ehepaar, das mir am Ostbahnhof ins Auto stieg. Nach einer freundlichen Begrüßung sagten sie mir, in welche Straße sie wollen. Ich kenne die Straße, obwohl ich mir ihren Namen lange nicht merken konnte. Ich hatte bisher nur zweimal Fahrgäste dorthin gebracht und eine Durchfahrtstraße ist es eben auch nicht.

„Nummer 10, das ist direkt an der Haltestelle.“

Hmm, ich hätte wetten können, dass ich genau dort schon mal …

„Hatten Sie denn eine längere Reise?“

„Ach iwo! Wir kommen aus dem Yorckschlößchen, kennen Sie das?“

BÄM! Der Jatzer!

„Ähm, kann es sein, dass ich Sie schon mal gefahren habe?“

„Ja selbstverständlich!“

Es scheint tatsächlich ein bisschen einfacher zu sein für Leute, die sich Gesichter merken können und entfernte Bekannte nicht wie ich anhand ihrer Adresse und Ausgehgewohnheiten identifizieren müssen. Aber gut, so lange die „Wiederholungstäter“ nicht nervig sind und ich das mit den Adressen im beschaulichen Berlin noch auf die Reihe kriege … 😉

Endlich! Das Buch ist da!

Was lange währt, wird endlich gut. Und in dem Fall hoffentlich auch ein Bestseller. 😉

Dass ich an einem Buch übers Taxifahren geschrieben habe, haben einige vielleicht noch in Erinnerung. Jetzt aber ist es nicht nur fertig geschrieben, korrigiert, gesetzt, designt, gedruckt und mir als Ansichtsexemplar zugeschickt worden – sondern veröffentlicht.

gnit-cover200Das Buch, dem der Emons-Verlag netterweise den gleichen Namen wie ich diesem Blog hier gegeben hat, ist ab heute überall im Buchhandel zu haben!

Sascha Bors
Gestern Nacht im Taxi – skurrile Geschichten eines Taxifahrers
Emons-Verlag
Preis: 12,95 € (eBook: 9,49 €)
ISBN: 978-3-95451-497-7

Es steckt viel Arbeit drin, nicht nur von mir, und es ist wirklich gut geworden. Eingefleischte Leser werden sicher die ein oder andere Geschichte wiedererkennen, aber ich verspreche: Es ist nicht einfach ein Best-of an Blogartikeln.

Aber, wie Ihr’s gewohnt seid, ist es ein unterhaltsamer Mix an Infos und Episoden, an Lustigem und Nachdenklichem.

Wer GNIT mag, wird GNIT lieben! 😉

Das Buch ist wie eingangs erwähnt ab heute überall im Buchhandel zu haben, zumindest aber bestellbar. Selbstverständlich ist es auch online zu erwerben, der Link zu Amazon sei hier nur beispielhaft gesetzt.

Was Ihr natürlich auch machen könnt, ist direkt bei mir signierte Exemplare zu bestellen. Schickt mir einfach eine Mail an buch@gestern-nacht-im-taxi.de., Ihr könnt dabei auch gerne mein eBook „Papa, ich geh zum Zirkus!“ mitbestellen, wenn es noch nicht euer Eigen ist. Das Zusenden wird aber auf jeden Fall ein bisschen dauern. Buchstaben von Hand malen, verpacken und versenden … kostet alles Zeit. Außerdem kann ich dieses Mal erst nach Zahlungseingang versenden und muss ggf. selbst gelegentlich meine Buchvorräte aufstocken. Ist also nicht die erste Wahl für Eilige.

Ich hoffe sehr, dass allen Käufern das Buch gefällt und würde mich über Bewertungen und Rezensionen freuen, wo immer sie möglich sind.

Für mich ist heute jedenfalls erst einmal wie Weihnachten und Geburtstag zusammen und ich hoffe, dass auch die weniger Interessierten sich zumindest ein bisschen mit mir freuen können. Wie gut das alles bisher gelaufen ist, könnt Ihr auch gerne nochmal drüben bei Sashs Blog nachlesen.

Abgesehen vom kleinen niedlichen Banner oben im Header geht’s dann morgen hier weiter wie normal. Da das mit dem Bestseller nach dem ersten Tag wohl noch ein klitzekleines Bisschen unsicher sein wird, werde ich morgen Abend wieder im Taxi sitzen und Geschichten sammeln.

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

Abonniert doch den RSS-Feed von GNIT. Mehr von Sash gibt es außerdem bei Facebook und bei Twitter.

Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

„Was holen“

Es war eine wirklich tolle Winkertour und der Fahrgast war sogar so nett, dass ich ihn ohne Pfand mal eben „schnell was holen“ hab lassen.

Ich hab die Zeit genutzt und eine Kippe geraucht. Und der Fahrgast kam genau dann zurück, als ich wieder ins Auto gestiegen war und an meiner Apfelsaftschorle nuckelte, um beim Sprechen nicht wie ein Aschenbecher zu riechen. Und dann stelle ich fest, dass das Auto plötzlich riecht, als hätte irgendwer 10 Pfund Gras unzureichend verpackt unter den Sitz gesteckt.

„Was“ holen … ich verstehe. 😉