Erbärmlichkeit in Reinkultur

Eigentlich habe ich es mir abgewöhnt, von Erbärmlichkeit zu reden, wenn es um die Lebensentwürfe anderer Menschen geht. Wir sind nunmal alle irgendwie verschieden, haben verschiedene Bedürfnisse und verschiedene Vorstellungen von Glück. Ich könnte auch keinem Extremsportler klarmachen, weswegen ich als unsportlicher Mensch glücklich bin; und keinem Weltreisenden vermitteln, warum ich es toll finde, meine direkten Erfahrungen meist nur aus der Stadt zu beziehen, in der ich lebe. Andererseits kann ich mir nur schwer vorstellen, wie Menschen Lesen als Zeitverschwendung empfinden können oder Politik uninteressant finden. Im Grunde ist es schon gut, dass es verschiedene Interessen gibt, denn während ich mir auch mal gerne tolle Parcours- oder Skatevideos ansehe, lesen manche Sportler gerne Blogs.

Aber die Typen, die mir ins Auto stiegen, waren wirklich erbärmlich. Zu einem Puff wollten sie. Das im Übrigen finde ich keineswegs irgendwie schlimm. Ich selbst bin vielleicht eher der Typ, der Sex gerne in einer Beziehung oder zumindest einer sympathiebegründeten Freundschaft hat, aber da Sexualität ein Grundbedürfnis ist und nicht alle zum richtigen Zeitpunkt den richtigen Partner finden, ist Sexarbeit ein Geschäft, dem immer noch eher zu wenig als zuviel Anerkennung zuteil wird.

Aber die Typen, ey!

Landsmänner von mir, also Stuttgarter, altersmäßig kurz hinter dem Höhepunkt männlicher Sexualaktivität. Gutaussehend, partylaunig, erst einmal keine schlechten Kandidaten für schnellen und guten Sex. Und zunächst fand ich es fast schon gut, dass sie lieber in einen Puff gehen wollten, anstatt im Club minderjährigen Mädels was von der großen Liebe zu erzählen, um sie flachzulegen. Aber da hatte ich mich getäuscht.
Denn eigentlich war das wohl der Plan A gewesen. Zumindest ließen sie keine Gelegenheit aus, bei unseren Stopps Frauen auf der Straße anzusprechen.

Nun aber ein Bordell, ok. Zunächst einmal sollte es „billig“ sein. Was immer das heißen mag. Der erste Laden war mit „bis zu 200 €“ offenbar weit außerhalb jeder Toleranz. Sie hätten sich da eher was um die 30 bis 40 € fürs Ficken versprochen. Das gibt es natürlich auch in Berlin, also bin ich zum nächstbesten Laden gefahren, bei dem ich wusste, dass er ungefähr in der Preisklasse liegt. War aber auch nicht ok, denn da sollten es dann doch 50 € sein.
Beim wirklich günstigsten mir bekannten Laden war dann aber leider die Empfangsdame „schon so’n bisschen dick, geht gar nicht, Alter!“
Außerdem sollte ich natürlich nur Etablissements anfahren, bei denen ich mir sicher wäre, dass man sich nicht „alle Krankheiten auf einmal“ holt.

Mal abgesehen davon, dass das so langsam wirklich meine Kompetenz als Taxifahrer überschritten hat, mussten sie nun auch nochmal klarstellen, dass sie das alles ja nicht wirklich nötig hätten. Da wäre diese „Ische“ und jene „Schnecke“ vorher im Club gewesen. Außerdem ist es natürlich nicht so gewesen, dass sie das Geld nicht hätten, aber mehr als 30 oder 40 € wollten sie halt nicht ausgeben. Ja, schon klar … zumal man das schon auch für eine äußerst sportliche Wertschätzung der Dienstleisterinnen halten kann.

Am Ende hab ich sie ins Hotel gefahren. Die teuren Läden waren ihnen zu teuer, die billigen zu billig. Ach!

„Das macht dann 23,20 €.“

„Also sind 20 ok, oder Digger?“

„Äh, nein!? Ich muss 23 bei Cheffe abliefern.“

Also wurden mir 23,00 € gereicht.

„Da fehlen noch 20 Cent!“

„Ach, so pingelig biste, Digger?“

„Pingelig!? Mal im Ernst, Jungs: Jeder zahlt hier mindestens den Fahrpreis und 90% der Leute geben noch Trinkgeld!“

„Ja, ok, haste Recht, Digger!“

Sprach’s und schüttete mir 34 Cent in Rotgeld auf die Hand.

Nix gegen wenig Trinkgeld, aber im Nachhinein bin ich vor allem froh drum, dass die zwei nicht doch in irgendeinem Bordell gelandet sind. Die armen Frauen …

Aber, kleines Schmankerl zum Schluss:

„Schönen Abend noch, Jungs!“

„Danke, aber wie Digger, so ohne Puff?“

„Erbärmlich“ mag ein hartes Wort sein, ich finde es hier trotzdem angebracht.

Wer von Euch war das?

Ich weiß nicht, ob es wirklich ein Versuch war, in den Blog zu kommen – aber der junge Mann in der Weserstraße hat mich in der vergangenen Sonntagnacht doch etwas irritiert zurückgelassen. Ich bin’s ja gewohnt, dass Menschen auch auf besetzte Taxis zurennen. Dass das Dachschild nachts leuchtet, wenn wir frei sind, ist auch nach all den Jahren noch zu unbekannt. Dementsprechend bin ich auch ein wenig aufmerksam und nehme es durchaus wahr, wenn – wie in dem Fall – auf dem Bürgersteig jemand Anstalten macht, in Richtung Fahrbahn zu rennen.

Wenn ich es aber richtig gesehen habe, wollte besagter Mensch gar kein Taxi, denn im dann doch recht flotten Vorbeifahren sah es so aus, als hielte er einfach beide Daumen nach oben, während er mich angrinste. Könnte so gesehen aber auch ein leicht missglückter Tramping-Versuch sein. Da ich den GPS-Tracker wie fast jede Arbeitsnacht anhatte, kann ich aber auch nicht ausschließen, dass einer von Euch da auf mich gewartet hat.

Also raus mit der Sprache: Wer von Euch war der Spaßvogel? 😀

Die Irrfahrt der Woche

Der Freitag war ein Scheißtag. Ich war unausgeschlafen und früh in die Schicht gestartet, die Umsätze sollten später auch noch mies werden, aber mit Abstand am meisten hat mich die erste Tour geärgert. Ich hoffe, Ihr habt ein wenig Zeit mitgebracht an diesem Montagmorgen, denn die Fahrt war ziemlich lang …

Eingestiegen sind sie mir am Ostbahnhof noch auf der letzten Rücke. Bemerkt hatte ich das etwas ungleiche Paar genau in dem Moment, in dem der Mann mir versehentlich gegens Auto lief. Amtlicher Zustand für 20.30 Uhr, dachte ich mir. Er war jetzt allerdings keineswegs, wie die meisten vermuten werden, irgendein Spätpubertierender, der sich mit dem Alkohol maßlos verschätzt hatte, sondern ein Rentner, der die 70 auf der Lebensuhr ganz sicher schon voll hatte. Angetrunken war er zwar auch, aber man merkte auch deutlich, dass er insgesamt nicht mehr so fit war. Er wirkte in seiner fleckigen Hose etwas heruntergekommen, aber auch ganz nett, wie er sich da hinten auf der Rückbank zurechttüddelte.
Neben mir stieg eine Frau Mitte 50 ein. Breite Statur, kurzrasierte graue Haare, eher der rustikale Typ Mensch. Berliner Schnauze durch und durch und scheinbar auch ein wenig genervt von ihm. Naja, wo die Liebe halt so hinfällt.

Er machte reichlich ungelenk und in nur mäßig zusammenhängenden Sätzen klar, dass es erst einmal in die Köpenicker Straße gehen sollte, unweit des schlesischen Tores. Dort aber solle ich kurz warten. Er wolle was holen, dann zur Bank und zurück zum Bahnhof. Da wären sie gerade so nett am Trinken. Na gut. Als wir ankamen, konnte er kaum aussteigen, seine Begleiterin half ihm. Sie steckte mir ihren Ausweis zu, in zwei, drei Minuten wären sie wieder da. Ich wartete also. Eine Hausnummer weiter war ein Polizeieinsatz, ich stand also immerhin nicht alleine blöd in zweiter Reihe. Und ich stand eine ganze Weile da. Zwischenzeitlich hatte ich schon Sorge, dass sie nicht wiederkommen würden, aber in der Ausweishülle der Frau steckten auch noch ein aktuelles Monatsticket der BVG und ein paar weitere Sachen, die definitiv wert waren, wiederzukommen. Außerdem war die Polizei ja vor Ort …

Auf der Uhr waren zu den rund 6 € Fahrtkosten inzwischen weitere 6 € Wartezeittarif aufgelaufen, ein bisschen mehr als zwei, drei Minuten so kosten – aber dann kamen sie. Sie mit verdrehten Augen, er mit einer Gemütlichkeit, die ihresgleichen sucht. Den Arsch halb aus der Hose hängend zwängte er sich wieder ins Auto und verlangte, dass ich sie beide zum Kotti bringe, Berliner Sparkasse. Na jut.

Dort wurde es dann etwas seltsam. Er gab ihr eine Bankkarte nebst PIN und blieb selbst im Auto. Aber ok, er war halt nicht mehr so fit zu Fuß. Im Auto fing er an rumzuzetern, was sie denn so lange brauche, wobei ich ihn ein wenig beruhigen konnte. Mein Gott, Automaten nerven halt manchmal. In dem Fall aber kam sie zurück und sagte, die PIN wäre falsch. Und sie zitierte exakt die Nummer, die er ihr gegeben hat. Inzwischen erfuhr ich auch, dass es gar nicht seine Bankkarte war, sondern die seiner Frau. Aber OK, ist ja nicht mein Leben.

Er schimpfte ein bisschen vor sich hin, dass er dann ja auch gleich die 150 € aus der Wohnung hätte mitnehmen können. Sie verdrehte wieder nur die Augen und die Fahrt – inzwischen waren wir bei über 20 € – sollte wieder in seine Wohnung gehen. Natürlich hab ich mir zu dem Zeitpunkt so langsam Sorgen um meine Kohle gemacht, aber wenn man mal ehrlich ist, hab ich schon seltsamere Fahrten gehabt. Zurück in der Köpenicker hielt ich abermals ziemlich blöd, dieses mal als Einziger auf weiter Flur. Die nächsten 10 Minuten bekam ich folglich ein Best-of an Beleidigungen von Rad- und Autofahrern zu hören. Aber was willste machen, wenn die Kundschaft gehbehindert ist? Mal kurz ums Eck fahren?

Irgendwann kam die Begleiterin wieder raus und meinte:

„Er sucht noch seinen Ausweis.“

„Wozu?“

„Weeß ick do’nüscht!“

Ich kam mit ihr ein bisschen ins Gespräch, so langsam wollte ich auch wissen, was hier eigentlich abging. Er ließ sich kreuz und quer durch Kreuzberg fahren, sie beklagt, dass sie schon wieder nüchtern werden würde … und sie war nicht einmal seine Frau. Hä?

Von ihr hab ich dann erfahren, dass sie den Herrn nur flüchtig kennt, ein paarmal beim Trinken getroffen, so wie an dem Abend eben. Beim Trinken hätte sich der Kerl dann in die Hose gemacht („Gut, dass Sie Ledersitze haben!“)* und außerdem noch mehr Geld holen wollen. Seine Frau gab ihm dann die Bankkarte mit. Er hatte in die illustere Runde gefragt, wer ihn begleiten wolle – aber bis auf sie hätten alle abgelehnt. Sie wisse nun auch warum, meinte sie. So eine Odyssee wolle sie sich auch kein zweites Mal mehr antun. Sie war offenbar auch davon ausgegangen, dass es einfach kurz eine fünfminütige Fahrt ums Eck sein würde – und dann, zack: nächstes Bier!

Als sie das mit dem Ausweis nochmal anspricht, sage ich ihr, dass sie ihm das besser ausredet. Die Uhr laufe schließlich und wirklich brauchen sollte er den Ausweis bei ihrem Stammkiosk ja wohl nicht ernsthaft. Daraufhin hat sie zum einen entgegnet, dass sie ohnehin vermutet, er hätte den Ausweis dort gelassen, zum anderen bemängelte sie, dass ich die Uhr ja auch ausmachen könnte, weil: Da sitzt ja keener drin!

Ich hab sie noch kurz darüber aufgeklärt, was es mit dem Wartezeittarif auf sich hat und dass ich mir auch besseres vorstellen könnte, als darauf zu warten, dass jemand mal kurz seine Wohnung auf den Kopf stellt. Und, das sei positiv angemerkt: Das hat sie verstanden und dann beschlossen, den Typen rauszuholen. Die Uhr stand nun bei 30 €, mehr als eine Stunde war seit Beginn der Fahrt verstrichen – und wir waren keinen Kilometer Luftlinie vom Start- und Zielpunkt entfernt.

Natürlich machte ich mir inzwischen Sorgen, aber wenigstens sie schien mir trotz Alkoholisierung zurechnungsfähig und auf eine ihr ganz eigene Art auch sympathisch zu sein. Meine Begeisterung hielt sich trotzdem in Grenzen, als sie nach ein paar Minuten wieder alleine rauskam und sagte:

„Dit wird nüscht mehr!“

„Wie jetzt?“

„Na, der will ohne seen Ausweis nich‘ weg hier!“

„Das ist ja meinetwegen ok. Aber wer bezahlt mir jetzt bitte die Fahrt?“

„Na, ick sicher nich‘!“

Na dann ist ja alles geklärt! -.-

Sie drückte mir noch einen Zettel von ihm in die Hand, der – so mutmaße ich mal – irgendwie ein Versprechen für eine Rechnungsbegleichung sein sollte. Allerdings war das Dokument mit vier Zeilen „Text“ sowas von komplett unleserlich, da hätten sich Ärzte noch eine Scheibe von abschneiden können. Ehrlich: Ein Wort habe ich gefühlt als „Taxi“ entziffern können, der Rest war eine Aneinanderreihung von Kringeln. Hätte auch Steno oder Arabisch sein können. Bei allem Optimismus und gutem Willen war das Ding so wertvoll wie eine Kinderzeichnung.

Da sie aber selbst noch zum Ostbahnhof zurückwollte, hab ich sie kurzerhand eingeladen und ihr gesagt, dass wir dann eben zur Polizei fahren. Sie fand das nicht unbedingt toll, hat sich aber auch nur so mittelprächtig gewehrt. Ich hab ihr (der Wahrheit entsprechend) auch nochmal gesagt, dass das jetzt nichts persönliches ist und ich von ihr auch gar nicht erwarten würde, dass sie das Geld zahlt (obwohl sie gerne dürfe!) und ich sie nur als Zeugin bräuchte, weil sie den Typen kennt. Es war eine schmale Gratwanderung, denn gepasst hat ihr der Mist natürlich überhaupt nicht. Aber ich hab sie bei ihrem Unmut über den Typen gepackt und zudem einfach auf ihr Gerechtigkeitsempfinden gesetzt:

„Ist für Sie scheiße, ist für mich scheiße, schon klar. Aber ich hab jetzt anderthalb Stunden Zeit für sie geopfert, da nehmen Sie sich bitte jetzt auch die Zeit für mich!“

Und so saßen wir dann 5 Minuten später auf dem Polizeirevier und haben uns gemeinsam ein bisschen über den Abendverlauf geärgert. Und so ewig es uns auch vorkam: Eigentlich war die Wartezeit kurz. Im Büro der Beamtin erläuterte ich kurz, wie das alles verlaufen war, die Version meiner Begleiterin war genau gleich, nur angereichert durch Wiederholungen und Unwichtigkeiten. Ein kleines Problem war dann doch die Identität des Missetäters, denn sie kannte ihn nur als „Herbert“. Die Wohnadresse, zu der wir gefahren waren, war auch nicht seine, sondern die seiner „Frau“, die aber in Wirklichkeit nur sein Freundin war.

„Hilde Schuhmann, so stand’s ja auch auf der Karte vonner Bank!“

Ein nachnamenloser Herbert also. Na klasse.

Aber was wäre die Welt ohne herzerweichend bescheuerte Zufälle!

Während die Beamtin mit hochgezogenen Augenbrauen die Anzeige aufnahm, kam einer ihrer Kollegen rein und meinte, sie solle unbedingt mal auf Wache XY anrufen, das hätte vielleicht „mit der Geschichte hier“ zu tun. Während ich mit mir selbst Wetten abschloss, ob es dabei auch wirklich um „meine Geschichte“ gehen könnte, verschwand die Polizistin zum Telefonieren. Und siehe da: Ein gewisser Herbert hatte wohl seinen Ausweis an einem Bahnhofsimbiss liegen lassen und die Cops haben da aus zwei Halbsätzen mal eben flugs einen Zusammenhang erschlossen. Fast wie bei Tatort. Ja, scheiß doch die Wand an! 😀

Natürlich: Das kann trotzdem alles im Sand verlaufen. Von Hans Baecker hab ich auch nie wieder was gehört. Vielleicht ist der Kerl ja dement und mittellos, was weiß ich schon. Seine Bekannte wusste da jedenfalls auch nix. Aber mal davon ausgehend, dass er zahlen wollte und es irgendwie auch kann … vielleicht wird das ja noch was. Dann wären zwei Stunden Zeitaufwand für am Ende 37,40 € ja eigentlich doch ganz in Ordnung.

*Das war schon lange getrocknet und gerochen hat auch nix. Diesbezüglich hat mir die Fahrt genau null Ärger gemacht. Einmal abgewischt hab ich hinterher vorsichtshalber aber doch.

Von der besten aller Möglichkeiten

Steht da ein zerzauster Typ mit einer Aldi-Tüte voller Bierflaschen am Straßenrand zwischen Stralau und Rummelsburg und winkt ein Taxi heran. In meinen Gedanken spulten sich die möglichen Anfragen ab:

a) „Bringst mir für’n Fünfer nach Friedrichshain?“

b) „Ich hab mich verlaufen. In welche Richtung geht’s Richtung Ostkreuz?“

c) „Haste mal’n Euro?“

d) „Du, die Aliens verfolgen mir, fahr mit mir inne Spree, das verwirrt die!“

e) „Warum halten Sie?“

Trotz geringer Wahrscheinlichkeit handelte es sich aber um einen Superwinker der Extraklasse, und der stellte dann Anfrage f):

„Reicht ein Hunni bis nach Bad Saarow?“

Hat gereicht. 🙂

Am Ende hat er mich zwar am Bahnhof dort einmal im Kreis fahren lassen, bevor er dann wirklich wieder aufgewacht ist – aber sonst war’s eine absolut grandiose Fahrt.

Unbeabsichtigte Funktionsüberprüfung

Die Alarmanlage der 2925 funktioniert. Aber natürlich habe ich diese Erkenntnis nicht freiwillig erlangt, sondern versehentlich beim Abstellen des Autos. Der Alarmknopf ist bei der 2925 genau dort angebracht, wo er auch in der 1925 seinen Platz hatte. Und das bedeutet eben: So gut erreichbar wie nur irgend möglich. Da kommt man auch mal versehentlich dagegen. Und obwohl mir eben dies lange nicht mehr passiert war, wusste ich glücklicherweise noch so gut, wo der Ausknopf liegt, dass ich ihn binnen weniger Sekunden blind gefunden hatte. In einem stillen Viertel wie meinem ist das Ding dann doch höllisch laut.

Dass wir die Dinger nicht umsonst spazieren fahren, bewies aber erst vorgestern wieder mal eine aktuelle Pressemeldung der Polizei. An dieser Stelle wünsche ich dem Kollegen schnelle Genesung!

Betrunkene Frauen, Mercedessterne und Kartenzahlung

Ich hatte die beiden Frauen bereits gesehen, als sie am Ostbahnhof vor mir ein anderes Taxi verlassen haben. Schließlich war es schon spät, es fuhren keine Bahnen mehr von dort und selbst der 24h-McDonald’s hatte seine einstündige Putzpause eingelegt. Entsprechend enttäuscht kamen die beiden auch aus der Bahnhofshalle wieder raus, nachdem der Kollege schon abgedampft war. Und ich war erster in der Schlange. Eine der beiden steuerte zielstrebig auf mich zu, die andere wollte weiterlaufen.

„Kann ich hier mit Karte zahlen?“

„Sicher.“

„Oh, super! Schatz, steig ein!“

„Schatz“ aber hatte andere Pläne:

„Komm doch mit ins Q-Dorf!“

„Schatz, wir sind am Ostbahnhof!“

„Nee, gleich hier ums Eck, glaub mir doch!“

„Schatz, wir sind am Ostbahnhof!“

„Ja, Schatz, aber gleich hier das Q-Dorf …“

„Ostbahnhof!“

„Ist doch egal, ich seh doch den Mercedesstern!“

„Schatz, das ist der Ostbahnhof!“

„Weiß ich doch, vertrau mir doch einmal. Lass uns ins Q-Dorf feiern gehen!“

(Das ist eine Zusammenfassung eines fünfminütigen Austausches …)

Man sollte anmerken, dass wir – hatte ich ja schon geschrieben – tatsächlich am Ostbahnhof waren. Und dass die Dame, die ins Q-Dorf wollte, rund 1 Promille mehr intus hatte als die andere, die mir nebenbei gesagt hat, ich solle sie zum Hauptbahnhof bringen. Entsprechend habe ich entschärfend eingegriffen und der sehr betrunkenen Freundin erklärt, dass Berlin schon lange nicht mehr nur über einen rotierenden Mercedesstern verfügt und dieser hier nicht der des Europacenters sei, den sie sicher im Kopf hätte.

Mit einem Satz, der ungefähr „Ihr Ficker, macht doch was ihr wollt!“ lautete, stieg sie dann letztlich ein.

„Nur ums Eck. Zum Q-Dorf!“

„Das ist gut und gerne 8 Kilometer weit weg!“,

wusste ich nun einzuwerfen.

„Egal, dann halt da kurz an!“

„Das ist aber wesentlich weiter als zum Hauptbahnhof, das ergibt keinen Sinn!“

Die nüchternere der beiden  sagte mir, ich solle einfach zum Bahnhof fahren, ich solle nicht auf die andere hören. Dass sie wusste, was sie tat, hat mich gefreut, dass „Schatz“ indes so lautstark groteske Ideen hatte, war allerdings eher unschön. Bei voller Fahrt rief sie z.B. plötzlich laut, dass ich sofort anhalten solle. Ich hatte ohnehin Sorge, dass ihr eventuell schlecht werden könnte, aber stattdessen war es nur so, dass ihr plötzlich bewusst geworden war, dass sie kein Geld mehr hatte. Was eigentlich keine Rolle spielte, da ihre Freundin ja mit Karte zahlen wollte. Argh!

Kurz gesagt: Es war eine anstrengende Fahrt. Obwohl die Begleiterin (oder eher: meine eigentliche Kundin?) sehr nett war. Am Bahnhof angekommen passierte dann das, was passieren musste: Die Karte funktionierte nicht. Was irgendwie klar war. Denn natürlich hatte ich den Zuschlag für die bargeldlose Zahlung bereits eingegeben – insgesamt war aber nur noch Bargeld für den eigentlichen Betrag übrig. Da hab ich als Neuling* aber auch ein Glück gerade. Aber gut: Wenn ich ehrlich bin, war ich am Ende vor allem froh, die Tour hinter mir zu haben. Spätestens seit meine Kundin ihrem „Schatz“ das Geld aus der Tasche pfrimelte und jene mir in dem Moment eloquent mitteilte:

„Was wills’n Du hier überhaupt mit deinem Scheißbart? Bist Du dumm oder so?“

Manche Kunden sieht man vermutlich in jedem Job irgendwann eher als Patienten.

*Neuling bezieht sich auf die Kartenzahlung. Seit dem 8. Mai 2015 müssen alle Berliner Taxifahrer Kartenzahlung akzeptieren. Ich hab das bisher nicht thematisiert, weil ich selbst ein wenig spät überlegt habe, wie ich das mache. Ich hatte mit einem Gerät fürs Handy geliebäugelt, aber das wollen meine Chefs nicht zahlen. Denn grundsätzlich hatte ich schon lange einen Kartenleser an Bord, der aber nur in Kombination mit dem Datenfunkgerät funktioniert. Und das Teil ist – das sage ich auch jetzt, nach ein paar Wochen Benutzung, eine Ausgeburt der Hölle. Wäre das Ding eine Software zum Bloggen, dann müsstet ihr mit unformatiertem Text leben und ich das Veröffentlichen im vierten Untermenü des Punktes „Lustige Nebenaspekte“ suchen. Aber ja, ich nutze es inzwischen, zu genau dem Zweck: die inzwischen vorgeschriebene Kartenzahlung zu bieten. Und dabei habe ich inzwischen eine tolle Quote: Immer (!) wenn alles funktioniert hat, hatte ich vergessen den Zuschlag zu drücken – und immer (!) wenn die Kartenzahlung wegen kaputter Karten oder wählerischem Leser fehlschlug, hatte ich ihn bereits eingetippt. Was für ein praktisches Werkzeug …

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Überraschendes Trinkgeld

Sicher: Wirklich verlässliche Regeln gibt’s beim Trinkgeld nicht. Man kriegt gutes Trinkgeld von Menschen jeder Gehaltsklasse und schlechtes, egal ob die Fahrt gut lief oder nicht. Ebenso wird einem manchmal erzählt, man werde gutes Trinkgeld bekommen – was dann nicht stimmt (und sei es nur, weil die Leute keine Ahnung von der durchschnittlichen Trinkgeldhöhe haben) – und zu guter Letzt gibt es eben auch Tips, die man einfach nicht erwartet hat. Und auf letzteres hofft man natürlich immer, wenn man besonders nett zu den Leuten ist. Man hat oft genug das Gefühl, dass es am Trinkgeld gar nichts ändert, wie man sich verhält; da weiß man als netter Dienstleister eben zu schätzen, wenn Kunden mit Begründung mehr geben.

In dem Fall waren es drei Jungs aus England. Sie hatten schon leicht einen im Tee, waren nicht ins Sisyphos reingekommen und wollten nun ihr Glück am Berghain versuchen. Dass die sich überhaupt für mich interessiert haben, wundert schon. Aber ja, ich hab auf ihre Anfrage hin kurz nach einem Radiosender mit elektronischer Musik gesucht und die Lautstärke hochgedreht. Wie ich immer sage: Für fünf Minuten könnte mir nichts egaler sein. Die abgesehen vom Musikgeschmack eigentlich recht sympathischen Briten aber hatten nicht einmal damit gerechnet, dass man auch im Taxi ernsthaft Musik hören könnte und waren Feuer und Flamme für diese Sonderbehandlung, die eigentlich (mit Einschränkungen) in der Berliner Taxiordnung schriftlich festgehalten ist. Und so wurde mir die Fahrt von 9 € (wir sind nicht am Sisyphos gestartet, sie haben mich rangewunken) mit amtlichen 15 € beglichen. Da streift einen dann doch das Gefühl, das Richtige zu tun.

Naja, trotzdem wird irgendwann mal wieder jemand Trinkgeld geben, der mich gleichzeitig beschuldigt, einen Umweg gefahren zu sein. Oder ich bekomme keines, obwohl ich in höchsten Tönen gelobt wurde. Ganz so einfach ist das halt nicht …