Verkorkster Schichtstart

Es gibt ja so Tage, wo man sich schon zu Beginn denkt, dass sie furchtbar werden. So bei mir der vergangene Samstag. Ich hab mich kränklich gefühlt und entsprechend kaum Bock aufs Arbeiten. Aber mit etwas Verspätung bin ich dann trotzdem losgekommen.

Und wie bereits an den zwei vorherigen Tagen winkte es auch bereits in der Wühlischstraße, bevor ich mich das erste Mal an einen Stand gestellt habe. Touris.

„Äh, could you take five persons?“

„Yes, I can do that.“

Es war das übliche: Alle sind rein, dann mussten sie wieder raus, damit ich den Sitz hinten zugänglich machen konnten. Chaos, Kauderwelsch und lautstarkes Rumwuseln. Aber gut, gehört dazu.

Als sie dann endlich eingeladen waren, wurde mir ein Handy vor die Nase gehalten und neben mir hat es gehupt. Ich hab rausgesehen und da stand ein leicht verärgerter Kollege mit einem Bus – woraufhin ich die Leute gefragt hab, ob sie etwa ein Taxi bestellt hatten. Hatten sie natürlich …

Ich hab dem Kollegen kurz erklärt, dass ich das nicht wusste und da war er wenigstens verständig. Ich hab meinem lustigen Fünfertrupp dann nahegelegt, doch bitte beim Kollegen einzusteigen, er sei schließlich extra ihretwegen hergefahren. Sie waren ebenfalls keine Spielverderber und sind flott rübergewuselt. Und dabei hab ich dann auch erfahren, dass die Tour bis zur Kopernikusstraße gehen sollte. Da tat mir der Kollege ja fast schon wieder leid …

(Die Kopernikusstraße ist die Fortsetzung der Wühlischstraße, die Tour ging also nur irgendwas zwischen 500 und 1200 Meter weit)

Aber gut, nicht mehr mein Ding! Ich bekam gleich an der Warschauer einen weiteren Winker, der mit folgender Ansage einstieg:

„Ersma zur Warschauer!“

Aber gut, es sollte zur S-Bahn-Station gehen, dort sollte jemand zusteigen und dann ginge es weiter. Soweit die Theorie. In der Praxis ging die Person nicht ans Telefon und mein Kunde sollte die Fahrt nach wenigen Metern bei 4,70 € auf der Uhr wieder beenden. Weniger als Kurzstrecke! Nicht, dass das schlimm wäre, aber der Typ fand die Fahrt inzwischen selbst völlig unnötig, was vielleicht erklärt, weswegen er trotz hundertfacher Entschuldigung nur ein Wahnsinnstrinkgeld von 30 Cent gegeben hat.

Als ich danach an den Ostbahnhof gerollt bin, war mir das eigentlich schon zu viel Stress für zu wenig Umsatz.

Aber, ich will ehrlich sein: So ging es glücklicherweise nicht weiter. Ich bekam mal eben flott als Fünfter am Stand eine 30€-Tour. Wie sich eben immer alles ausgleicht. 🙂

Notfall-Umwege

Es gibt so Momente, da überlegt man nicht lange. Ich hatte dieses Wochenende zum Beispiel eine Fahrt mit Jo, aber als ich auf halbem Wege zu ihm war, meldete die Zentrale plötzlich, dass in etwa einem Kilometer Entfernung ein Kollege von einem Fahrgast angegriffen wird. Da wird auch eine Zusage unter Freunden erstmal zweitrangig.

Und es ist schön zu sehen, dass ich da nicht alleine bin. Obwohl ich keine zwei Minuten nach der Meldung vor Ort war, war die Straße bereits restlos mit Taxen zugestellt. Sicher zehn Autos, vielleicht auch mehr.

Ein paar Leute haben aufgebracht diskutiert, es ging scheinbar darum, dass Kotzer keine Notwendigkeit zum Bezahlen des Schadens gesehen haben – weil’s ja „nicht so schlimm“ war. Wie schlimm genau es aussah, hab ich dann aber gar nicht erst in Augenschein genommen. Alle Beteiligten waren vor Ort und mit der Polizei war in Kürze dann ohnehin zu rechnen. Und es sah auch nicht so aus, als ob es entgegen der eigentlichen Erwartung Kunden gegen Taxifahrer zu verteidigen galt – obwohl die sichtbar aufgebracht waren, dass der Fahrer plötzlich nicht mehr in der Außenseiterposition war. Was mich im Übrigen durchaus zu einem solidarischen Schmunzeln ermuntert hat, denn selbst wenn sich mein bisheriger Stress mit Kunden in engen Grenzen hält:

Es gab da auch schon Kandidaten, bei denen ich mir gewünscht hätte, dass die Drei-gegen-einen-Situation sich spontan in eine Neun-gegen-drei verwandelt … denn natürlich gibt es Leute, die das – mal so und mal so – versuchen auszunutzen, dass man als Taxifahrer alleine ist.

Da ich schnell weiter zu Jo bin, weiß ich nicht, wie das am Ende ausgegangen ist. Meine Theorie: Für den Kollegen ziemlich gut. 😉

Im Ernst: Es gibt immer noch eine Menge Überfälle auf Taxifahrer – und da das nun ein Thema ist, das im Gewerbe seit Jahrzehnten aktuell ist, gibt es entsprechend auch schon lange eine Menge Gegenstrategien. Und im Gegensatz zu manch anderen Punkten klappt dort auch die Solidarität unter den Kollegen noch (weitgehend) sehr gut. Falls Ihr böses im Schilde führt: Ich hab Euch gewarnt!

Zuständigkeitserfreunisse

Ja, liebe Dudenredaktion: Nehmt „Zuständigkeitserfreunisse“ ruhig in die nächste Ausgabe mit auf. Denn es gibt sie!

Ich bin an Silvester irgendwann quer durch Buckow in Richtung Osten gefahren. Ich würde das in jeder anderen Schicht eher vermeiden, weil ich zwischen Lichtenrade und Kreuzberg auf dem Damm mehr Kundschaft erwarten würde … aber hey, Silvester! Irgendwo winkt sicher wer. Und 5 Minuten Pause wären auch kein Weltuntergang …

Aber, siehe da, da winkte es. Ich hab angehalten und es doch gleich ein wenig bereut. Silvester ist bekannt dafür, dass alle betrunken sind, und so war es bei mir in der Schicht bisher natürlich auch. Dann aber kamen von der linken Straßenseite zwei Frührentnerinnen angewatschelt und schleiften dabei einen Typen in ihrem Alter mit sich mit. Ja: schleiften.

Während meine Gedanken nur darum kreisten, ob mit dem Kerl jemand mitfahren würde und ob das medizinisch gesehen schon grenzwertig sein könnte, trällerte die eine Helferin nur:

„Na, dann sind sie wohl das bestellte Taxi!“

Puh.

„Nee, leider nicht, ich war nur zufällig hier.“

„Ach? Hmm, na was machen wir denn nun?“

„Naja, ich fahre gerne, aber der Kollege ist sicher schon unterwe … ach, sehen Sie mal: Da vorne kommt er ja schon!“

Und ja, ein suchender Kollege mit ausgeschalteter Fackel tastete sich langsam heran. Als er mich ansah, hab ich auf die inzwischen hinter mir stehenden Kunden verwiesen und zugesehen, dass ich Land gewinne.

Er hat mir schon leid getan, ganz ehrlich. Da nimmt der arme Kerl tatsächlich Bestellungen an Silvester an – und dann sowas! Aber, um das mal in Perspektive zu rücken:

Ja, auch das ist ein guter Grund, an Silvester nur Winker mitzunehmen, denn die kann man sich vorher anschauen! Darüber hinaus: Die Kollegen, die Bestellungen annehmen, finden nix mieser, als wenn irgendwer sie vor ihnen einsackt – und das mache ich nach wie vor nicht. Dass da auch mal eine Niete hängenbleibt, passiert halt. Und zu guter Letzt: Wie ich von vielen meiner Fahrten mit total zerstörten Leuten ja auch weiß: Es kann ja trotzdem eine gute Tour geworden sein! Vielleicht ist der Typ gleich eingepennt, hatte eine 50€-Tour und hat am Ende mit einem Hunderter und „schdimmso“ gezahlt, weil er’s nicht mehr gerafft hat. Und ablehnen können hat der Kollege auch noch. Man sollte meine Schadenfreude, so man sie denn aus diesem Text herauslesen könnte, wirklich nicht überbewerten.

Aber ja: In einer Schicht mit 50€-Stundenschnitt war ich heilfroh, dass dieser Kelch Kerl an mir vorüberging!

OK, dann geht das in Ordnung …

Frohes Neues erstmal! \o/

Bevor ich mich hier über die Silvesterschicht auslasse, muss ich nochmal einen Kollegen aus dem letzten Jahr loben. Dabei war mir anfänglich gar nicht danach. Er hat eine Ampel genutzt, um auf einer weniger befahrenen Spur an mir vorbeizuziehen. Mit angeschalteter Fackel natürlich – also genauso frei wie ich.

Wie ich schon öfter erwähnt habe: Das ist scheiße! Wenn man frei ist, überholt man freie Kollegen nicht. Da gibt es kein Gesetz für, es ist einfach eine stille Übereinkunft aller Taxifahrer mit einem Rest von Berufsethos. Natürlich hätten wir alle gerne die nächsten Winker, aber es gibt auch wenig Sinn, wenn immer die sie kriegen, die sich trauen, am schnellsten zu fahren …

Besagter Kollege blieb auch vor mir, denn da er ca. 65 km/h bei 50 erlaubten fuhr, schien mir ein Überholen nicht wirklich sinnvoll zu sein. Ein Arschloch eben.

Und es kam, wie es kommen musste: An der nächsten roten Ampel war er erster, und just dort standen zwei Winker, die dann auch prompt auf ihn zuliefen und einzusteigen gedachten. In meiner Fantasie ramme ich solche Kollegen ja gerne mal und gebe mich danach höchst bestürzt darüber, dass sie nun doch keine Fahrt hätten, sondern mit mir auf die Polizei warten müssten. In Wirklichkeit wünsche ich ihnen einfach eine Massenkarambolage mit 12 Gefahrenguttransportern und allem, was man sich als fantasiereicher Mensch an Folgen gerade noch so vorstellen kann. Oder kurz gesagt: Ich hab wirklich ein kleines Problem mit unfairem und unkollegialem Verhalten.

Und nun hatte die Drecksau meine Fahrgäste!

Aber nee: Der Kollege verschloss die Türen und gestikulierte winkenderweise – und am Ende kamen die Kunden, immerhin nur leicht irritiert, zu mir gewatschelt.

Offenbar wollte der Kollege doch einfach nur schnell heim, zu seiner Halte oder zu einer Bestellung und hat vergessen, die Fackel auszumachen. Oder es für unnötig erachtet oder tatsächlich nur meinetwegen aufgegeben und die Kunden weitergereicht. Ist mir von der Sache her dann sogar wieder vergleichsweise egal. Immerhin war er insofern ein fairer Mitspieler, als dass er wusste, dass er mich überholt hatte, obwohl er das eigentlich nicht hätte sollen. Dann will ich mal nix gesagt haben.

Ach ja, Schicksal, diesen „Blitz beim Scheißen“-Wunsch kannste auch ad acta legen …

Äh, bitte, Kollege …

Ich stand am Bahnhof in der Schlange. Von hinter mir kam dann ein Kollege angelaufen, den ich vom Sehen her kenne. Er meinte zu mir kurz:

„Nicht vorrücken!“

und lief weiter zu einem weiter vorne in der Schlange, mit dem er sich dann ein wenig unterhalten hat. Ich überlegte ein wenig, was er gemeint haben könnte. Die einzig vergleichsweise logische Erklärung war, dass er als irgendwo hinter mir stehender keine Lücke vorne aufreissen lassen wollte, damit keiner von noch weiter hinten ihn überholt. Was aber zum einen moralisch fragwürdig ist, zum anderen auch völlig unnötig, wenn man weiter vorne in der Schlange durch ein Gespräch potenzielles Aufrücken ohnehin unterdrückt. Ich stand da, vor und hinter mir ein Auto – ich hatte gar keine Chance, irgendwohin zu rücken.

Und während ich noch so am Wundern war, kam der Kollege schon wieder auf dem Rückweg vorbei, klopfte mir kurz zweimal auf’s Auto und meinte:

„Danke, Kollege!“

Manchmal ist hilfsbereit sein also gar nicht so schwer.

WTF, Kollegin?

Da hält ein Taxi am Ostbahnhof. Die Fahrerin steigt aus, lädt das Gepäck der beiden Kundinnen aus und die nehmen gleich mich ins Visier. OK, das ist seltsam. Dass man als Taxifahrer mal einen von mehreren Kunden mit unterschiedlichen Richtungen an einem Taxistand absetzt … passiert. Aber alle?

Da das alles friedlich passierte und ich mit den Koffern der beiden Seniorinnen zu tun hatte, sparte ich mir meine Gedanken vorerst und fragte erst, als sie im Auto saßen.

Nun, die Kollegin wollte oder konnte die beiden nicht ans Ziel bringen und hat sie deshalb lieber bei mir abgeliefert. Hä?

Man muss vor allem mal sagen, dass die beiden Kundinnen sich ausreichend artikulieren konnten und die beiden Fahrtziele in ungefähr 7 Kilometer Entfernung weder eine ablehnbare Umlandfahrt bedeuteten, noch eine kurze und nicht lohnende Strecke – und die Straßen waren jetzt auch nicht die allerkleinsten, die man auf keinen Fall kennen kann. Die beiden Damen haben sogar naheliegende U-Bahnhöfe mit angeben können. Und die Kollegin hatte die beiden offenbar an einer der Bushaltestellen des Ostbahnhofs aufgegabelt, ist ein paar Minuten mit ihnen umhergefahren, hat nicht zum eigentlichen Ziel passende Straßennamen gemurmelt und die beiden Damen am Ende ohne Geld zu verlangen bei mir abgesetzt.

Für mich waren das leicht verdiente 19 € und 2 € Trinkgeld. Trotzdem nochmal ganz klar und deutlich: What the Fuck?

PS: Das hat mich an diesen Kollegen erinnert, der „im Geld schwimmt“.

PS 2: Natürlich kann es sein, dass die Kundinnen ihr gegenüber unangenehm waren, die Kollegin nur nicht so gut darin war, ihre Beweggründe zu erklären. Und immerhin hat sie ja auch kein Geld genommen und war nicht unfreundlich. Das WTF von meiner Seite aus bleibt dennoch bestehen …

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Was nicht alles schiefgehen kann …

Kommt ein mir unbekannter Kollege an die Halte gefahren. Mit angeschalteter Fackel. Geht die Fackel plötzlich aus. Und wieder an. Nicht jetzt schnell blinkend wie bei einem stillen Alarm, sondern nach anderthalb Sekunden oder so. Dann brennt sie wieder ein paar Sekunden und geht erneut aus.

Ich sehe den Kollegen skeptisch an und er steigt auch gleich aus und meint:

„Weiß ich, Kollege, weiß ich! Ich war heute in der Werkstatt und seitdem ist das so. Keine Ahnung, was die da verbockt haben!“

Öfter mal was neues. 0.o