Wow!

Vom Mehringdamm zum Berghain. Es gibt ein paar irgendwie noch akzeptable Routen – die meisten (z.B. über Moritzplatz) nutze ich zumindest umgekehrt, da die Adalbertstraße immer noch einseitig am Kottbusser Tor gesperrt ist. Ob an dieser Baustelle irgendwas essentielles gebaut wird oder ob das nur ein Übergangsparkplatz für ausrangierte Maschinen ist, weiß keiner, aber es kann mir als Taxifahrer ja auch egal sein. Erzwungene Umwege bringen ja immerhin Geld – manchmal allerdings auch böse Worte.

Ich hab den auf seinem Smartphone herumtippenden Menschen gefragt, welchen Weg er bevorzugen würde. Übers Kotti oder doch lieber um den ganzen Baustellenhorror dort herum? Ihm war es völlig egal, er hatte keine Präferenzen. Also folgte ich dem kürzesten Weg. Am Kotti staute es sich tatsächlich ein wenig und für die Strecke hab ich niemals nach der nullten Stunde länger gebraucht als an diesem Abend. Aber der Fahrgast hatte es auch nicht eilig und so ein bisschen Ehrgeiz hab ich dann ja manchmal schon. Am Ende, nach ein paar halblebigen Scherzen meinerseits über den Verkehr erntete ich ein fast schon erschrockenes

„Wow!“

„Wieso wow?“

„Naja, bisher hab ich immer so 14 bis 15 € gezahlt.“

Auf der Uhr standen 12,20 €, ein ganz normaler und angemessener Preis.

„Aber ich bin auch noch nie übers Kotti gefahren.“

Nie? Ehrlich, liebe Kollegen?

Reflexe (3)

Den am wenigsten beneidenswerten Reflex hat dieses Wochenende allerdings ein Fahrer gehabt, den ich nie zu Gesicht bekommen habe. Seine Kunden auch nicht – und genau das war das Problem. Der Trupp aus drei Männern an der Trabrennbahn Karlshorst sah schon nicht mehr so gut gelaunt aus und der Kerl mit dem Schnauzbart, der sich auf den Beifahrersitz setzte, äffte gleich:

„Die 6XXX in 3 Minuten. Jaja, sicher! Der ist jetzt schon 13 Minuten nicht gekommen!“

So schwer es einem auch fallen mag, der Zentrale eine richtige Zeiteinschätzung zu geben, wann man da ist – ab einem gewissen Punkt wird es dann dreist, lässt es doch vermuten, dass die Zeit genannt wird, um sich einen Auftrag zu erschleichen, den eigentlich ein anderer bekommen würde. Und gerade 3 Minuten werden dabei gerne genannt, weil die Zentrale (also zumindest meine) danach kein Unterbieten mehr erlaubt und dem Fahrer direkt den Auftrag erteilt.

Ich bin ja grundsätzlich skeptisch bei solchen Ansagen. Gerade in kühleren Nächten behaupten die potenziellen Kunden ja gerne mal Wartezeiten, die bei genauerem Nachfragen eben doch nicht kurz nach dem Krieg, sondern eher erst vor 39 Sekunden begonnen haben. Einen kleinen Glaubwürdigkeitsbonus hatte dieser Kunde allerdings (mal abgesehen von der ungewöhnlich präzisen Zeitangabe):

Er war ein Kollege.

Und selber beim besagten Funk.

Und ein netter Kerl, dem erkennbar wenig daran lag, andere Kollegen über den Tisch zu ziehen.

Traurig für den Fahrer, der die Fahrt nicht bekommen hat, denn:

„Erstmal gradeaus.“

„Und wie lange etwa?“

„Ziemlich lange. Also vielleicht 10 Kilometer oder so – bis Hohenschönhausen.“

„Oh, ok. Das ist gut.“

„Nette Fahrt, oder? Da ist aber nicht Schluss. Er hier muss nach Weißensee und Endstation ist Neu-Lindenberg.“

„Na damit ist meine Schicht gerettet!“

„Ach, sind auch nur 40 €.“

Genau genommen nur 35 € – aber was soll ich sagen: Gelogen hat er halt auch nicht. 🙂

Pech für Peppi …

Was ich gerne mal wissen würde …

Nämlich: Wie hoch ist wohl die Wahrscheinlichkeit dass das LDS-Taxi auf der Warschauer Brücke mit 7,20 € auf dem Taxameter gerade dabei war eine legale Tour zu absolvieren?

Ich weiß, es kann sein. Aber mich würde einfach mal interessieren, ob die Wahrscheinlichkeit dafür bei 2% liegt oder bei 0,02% …

N‘ Juter mit Pommes

„Ick bin’n Juter! Nimmste mich mit?“

„Kommt drauf an: was hattet ihr denn für ein Problem?“

Es ist nicht oft so, dass ich potenzielle Kundschaft über irgendwelchen Stress per se ausfrage. Dass der Kollege vor mir z.B. den Kunden abgelehnt hatte, wäre mir egal gewesen. Dass der „Jute“ allerdings kurz zuvor den Fahrer davor als Taxi-Lutscher beschimpft und bereits als ich ankam ein kleines Stelldichein mit Polizeibeamten hatte, hat mich skeptisch gestimmt.

So für den Moment wirkte der Kerl wirklich nett wie sonstnochwas und stand mir auch höflich Rede und Antwort. Der erste Fahrer hätte ihn nicht mitgenommen, weil er sich Pommes geholt hätte …

Aha. Das ist vielleicht nicht notwendig, aber hey – ich hatte auch schon Pommes im Auto verteilt und akzeptiere es, wenn Kollegen da nein sagen.

„Und dann war ich sauer und hab ihm Pommes auf die Scheibe geschmiert …“

Ach so, nee ist klar.

„Und dann hat der die Bullen gerufen! Echt jetzt Mann, die Bullen!“

„Ähm, dein Beitrag war jetzt aber auch nicht die feine englische, oder?“

„Naja, aber …“

Eine knappe Minute hat er sich damit zu rechtfertigen versucht, dass es auch schlimme Taxifahrer gibt. Tut ja auch voll was zur Sache in dem Moment. Wenn er jetzt irgendwas gegen den Kollegen hätte vorbringen können – aber nein: der Hinweis, dass er ihn mit Pommes nicht mitnehmen würde, war wohl wirklich alles. Als hab ich ihn weiter eher fragend und vorwurfsvoll angesehen. Und er so:

„Hey, ich bin nicht mehr ganz nüchtern – ok. Aber ich bin’n Juter. Ehrlich. Ich bezahl Dich, ist eine Fahrt mehr. Ich weiß, wo ich wohn, alles easy. Ist deine Entscheidung, ich lauf auch. Ehrlich, kein Problem. Wäre eine gute Tour für dich, aber wenn Du nicht willst … echt, ich will nur nach Hause, ich lauf auch, so ist es nicht, ich bin da nicht so, SCHEISSE, DANN LAUF ICH HALT!“

Sprach’s und knallte seine frisch erworbenen Pommes vor dem Taxistand auf den Boden. Ich hab wirklich nix gemacht bis dahin, war aber froh, dass sich die Geschichte so erledigt hat. So wie der drauf war, hätte der mir wahrscheinlich vor Hass auf eine rote Ampel demonstrativ ins Auto gekotzt oder sowas. Echt, Leute gibt es …

Wochenendlaune!

Die hab ich wirklich gerade. Im Arbeitssinne. Ich freu mich auf die Schicht, hoffe allerdings auch, dass es halbwegs gut läuft. Gestern war dank meines versäumten Schlafes leider nicht wirklich ein Staat mit mir zu machen, gerade mal die mir am Wochenende irgendwie minimal erscheinenden 150 € hab ich zusammengekriegt.

Heute soll es mal wieder richtig rocken, hab mir die 10 Stunden von 19 bis 5 Uhr als Minimum gesetzt. Mal sehen, was der Umsatz währenddessen so macht 😉

Weniger in Wochenendlaune wird wohl ein anderer Taxifahrer aus Berlin sein, der gestern einen seiner Fahrgäste an den Rettungsdienst weitergeben musste, da dieser aufgrund einer noch vor der Fahrt stattfindenden Messerstecherei ein bisschen zu viel saftete, um als Durchschnittskunde durchzugehen. Die Story hab ich allerdings bislang bloß bei Springer gefunden – einmal mit dem Verweis darauf, dass der Fahrer dem Fahrgast das Leben rettete, einmal mit der Angabe, dass keine Lebensgefahr bestand unter dem Symbolbild eines Rettungswagens aus Dortmund. Links dazu gibt es wie immer keine, als Dank fürs herzliche Bemühen des Verlags ums Leistungsschutzrecht und für all den anderen Unfug.

So, und für mich geht es gleich wieder auf die Piste!

Wer will, kann mir wie immer ein bisschen nachspionieren, vielleicht setzt aber irgendwann zwischen 4 und 6 Uhr der Akku dann aus. Das packt mein kleines Handychen nämlich selbst mit Zusatzpower nur sehr sehr schwer …

 

Tippeditipp …

Fahrgäste haben alles in allem ein ziemlich komisches Bild von unserem Job. Besonders mag ich als Raucher z.B. die Leute, die ganz überraschend auftauchen und mich dann bitten, doch noch zu Ende zu rauchen. Wenn sie nicht selber eine Kippe in der Hand haben, quittiere ich das immer mit einem Lächeln und sage:

„Nein, steigen Sie bitte ein. Ich rauche ja nur, weil ich keine Kundschaft habe.“

Je nach Taxistand und Zeitpunkt warten wir einfach relativ lange. Viel zu lange. Vor allem viel zu lange, um uns permanent bereitzuhalten. Also nein, wir müssen uns natürlich bereithalten – schon der Taxiordnung wegen – aber natürlich sitzen wir nicht mal eben 45 Minuten in permanenter Alarmbereitschaft da, immer die Finger am Zündschlüssel.

Dass wir im Falle spontanen Kundenbesuchs nicht mal eben 5 Minuten brauchen sollten, weil wir uns noch anziehen müssen, das ist klar und da bin ich auch dafür. Aber dass wir während der Zeit lesen, fernsehen, telefonieren, essen, online gehen, rauchen etc. – das sehe ich irgendwie als selbstverständlich an. Selbst mal kurz die Augen schließen ist kein Weltuntergang – so lange man nicht in Tiefschlaf verfällt, weil man übermüdet ist. Und sicher, man sollte die Umwelt vielleicht nicht ganz aus den Augen verlieren, aber ein Taxifahrer, der sich am Taxistand entspannt, ist mit Sicherheit kein schlechter oder unvernünftiger Kollege. Im Gegenteil, es ist auch eine prima Taktik, um auch lange Schichten fit und motiviert rumzubringen.

Und so saß ich dieses Mal da, hab gelangweilt aus dem Fenster gesehen, als Kundschaft am ersten Wagen vorbeiging und dann zu mir kam. Sie stiegen ein und nannten ein recht lukratives Fahrtziel. Ohne die Kunden jetzt wieder loswerden zu wollen, musste ich nach dem Losfahren aus reiner Neugier trotzdem fragen:

„Was ist mit dem Kollegen? Wollte der nicht?“

„Ach der, der hat da auf seinem Handy getippt.“

Ich war dankbar für die lange Fahrt, aber mal im Ernst: ist es nicht echt ein bisschen zu viel verlangt, dass wir uns kein bisschen ablenken dürfen, um ja keine Fahrt zu verpassen? Und hey, auch an erster Position steht man manchmal eine halbe Stunde – hier in Berlin sogar unbezahlt. Nach einem Klopfen an die Scheibe oder dergleichen sind wir aber in der Regel alle sofort da und arbeitsbereit, also traut euch. 🙂

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Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

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Weite Fahrt

Nein, ich nicht schon wieder. Aber Ben hat mir folgende Mail geschrieben:

Hey Sascha…
hast Du eine logische Erklärung was ein Taxi mit Berliner Kennzeichen in KONSTANZ so vorhaben könnte…Was mich noch mehr irritierte war, dass auch noch die Fackel an war, und er zudem so schien als sei er auf der Suche nach Winkern….War leider nicht so geistesgegenwaertig ihn anzuhalten und nachzufragen, hab nur das Nummernschild^^…. Ich dachte ihr dürft unbestellt nur in eurem Pflichtfahrgebiet aufnehmen…. Konstanz duerfte ja aus Berliner Sicht knapp nimmer dazugehören… Hat da jemand sein Auto noch nicht umgemeldet? (Ginge das, dass er dann schon hier arbeitet, mit Berliner Nummer?)…oder war das nur ein Berliner Glueckspilz der irgendwenn mal quer durch die Republik fahren wollte?. Bin gespannt auf Deine Erklaerung.

Lieben Gruss
Ben
(P.S. Wenn Du in B ein Taxi mit B-XXXXXX* siehst kannst du ja mal nachfragen… 😉

Ja, ich denke, die Lösung ist recht unspektakulär: Vergessen. Also Ausnahmen bestätigen zwar die Regel, aber dass ein Fahrer jetzt wirklich geschäftlich so weit weg ist und dann nach so einer Tour noch rumgeiert anstatt Pause zu machen oder auf dem Weg nach Hause zu sein, halte ich für extrem unwahrscheinlich.

Heutzutage muss man die Fackeln allerdings nur noch selten ausmachen, denn wenn das Taxameter läuft, schalten sie sich selbst ab. Also klar – wenn man einen Funkauftrag angeneommen hat, dann auch. Allerdings nehmen das einige Kollegen auch nicht so genau. Und wenn man nach einer langen Tour (oder vielleicht auch privat als Selbständiger) eine Weile unterwegs ist, kann man das schon mal vergessen. Das mit dem noch nicht umgemeldeten Auto kann eigentlich auch nicht sein, zumindest wäre mir da keine Ausnahmeregelung bekannt.

Wie gesagt: Wahrscheinlich hat der Kollege es einfach vergessen. In die Hose gehen kann das allerdings trotzdem. Ein Kollege von mir musste mal Ordnungsgeld zahlen, weil er die Fackel bereits kurz vor dem Stadtgebiet Berlin wieder eingeschaltet hatte und dann in einen Blitzer gefahren ist, wo das auf dem Bild offenbar zu erkennen war. Allzu viel Rücksicht scheint man da nicht zu haben, der Blitzer soll kurz vor dem Ortsschild gestanden haben.

Update:

Miettaxi. Klar. Auf die Idee bin ich natürlich auch nicht gekommen. Den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen und so. Danke an all euch findige Kommentatoren! 🙂

*Nummernschild von mir unkenntlich gemacht.