Dann halt so

Ich war bereits ein paar Stunden auf der Straße und hatte nur einen semiguten Umsatz zusammengefahren. Dass die Schicht noch nicht verloren war, wusste ich auch – aber so langsam drängte sich mir doch die Frage auf, wie ich mein Ziel noch würde erreichen können; ich lag einfach wirklich etwas arg unter Soll. Und dann ein Winker, in Mitte:

„Kurze Frage: Potsdam?“

Hat sich fast ein bisschen wie Cheaten angefühlt. 😀

Ganz wie erwartet …

Ich hatte meine Stunden runtergerissen, fast sogar mein Umsatzziel erreicht, es war also alles gut und ich war auf dem Weg nach Hause. Also zumindest war ich gerade gestartet, aber an einer Stelle noch so weit in Mitte, dass sich Hotels dort den Beinamen „Alexanderplatz“ geben dürfen, wurde ich rangewunken. Ein junges vietnamesisches Pärchen. Und mein erster Gedanke war:

„Yes! Die wollen in meine Richtung, das wird eine super Abschlusstour!“

Ich hab oft genug geschrieben, dass ich solche Verallgemeinerungen doof finde und ich weiß auch, dass man nach so einem Gedanken meist umgehend eine Fahrt in die völlig falsche Richtung an der Backe hat. Aber viele Klischees haben halt auch eine Entsprechung in der Wirklichkeit und historisch bedingt leben ja nun eben wirklich viele der Vietnamesen in Berlin irgendwo zwischen Lichtenberg und Marzahn und genau in die Richtung wollte ich. Und die beiden?

„Ga’au! Seigdi!“

Ja gut, da war die Sache mit der Sprachbarriere, aber das ist bisher auch immer gut gegangen. Und dass er eben „Geradeaus, zeig ich Dir!“ gesagt hatte, war für mich ohnehin offensichtlich.

Die Landsberger also. Richtig, genau richtig!

Wir haben’s unterwegs ein wenig versucht miteinander, aber egal ob ich ihm wenigstens einen Stadtteil zu entlocken versuchte oder er mich fragte, ob bei mir alles gut sei – am Ende blieb doch jedes Mal ein Fragezeichen zwischen unseren Blicken hängen. Aber egal: Wir hatten alle gute Laune, insbesondere ich so kurz vor Feierabend und der Typ neben mir, der sichtlich froh war, sich, und sei’s mit Händen und Füßen, verständigen zu können. Seine Freundin hat indes auf der Rückbank irgendwas in ihr Handy getippt.

Ich mag so Fahrten ins Ungewisse nicht, aber es gibt Umstände, da passt das schon. Natürlich hätte ich gerne eine Straße ins Navi eingetippt, aber nachdem mir mein Kunde mehrfach bestätigte, dass es immer noch geradeaus gehen würde und dabei völlig locker war und auch den Preis auf dem Taxameter im Blick hatte, machte ich mir keine Sorgen. Er hatte irgendwas mit „M8“ gesagt, deren Verlauf wir eher parallel folgten, aber als wir dann sogar an der Rhinstraße geradeaus weiterfuhren, war mir klar, dass es wirklich bis irgendwo vor meine Haustüre oder noch weiter in Richtung Stadtgrenze gehen würde.

Und so war es. Der mir gezeigte Weg entsprach nicht ganz meinen persönlichen Ansprüchen an die kürzeste Strecke, aber wer will da meckern? Am Ende stoppten wir nur ungefähr zwei Kilometer Luftlinie von meiner Haustüre entfernt. Also vier Kilometer Straßenweg durch Marzahner Plattenbausiedlungen.

Ich dachte schon über meine letzte Fahrt mit vietnamesischer Besetzung neulich nach, da kam dann nach all den „Hiecks“ und „Hilins“ tatsächlich noch die Frage, ob ich „deiminud waad“ könnte.

Na, aber hallo!

Mal abgesehen davon, dass es auf die unerwarteten 23,50 € Umsatz immerhin auch nochmal 1,50 € extra gegeben hatte.

Im Gegensatz zum letzten Kunden wusste ich dieses Mal allerdings noch nicht einmal, wo es danach hingehen sollte. In diesem Fall hätte ich mir die Rücktour in die Stadt gar nicht wirklich gewünscht, aber ja: Mitgenommen hätte ich sie. Meine Hoffnung indes war, dass es nur noch etwas weiter ins Wohngebiet rein geht.

Nach etwas mehr als 3 Minuten (ich hatte noch sehr gemütlich eine geraucht) kam mein Fahrgast auch wieder und entschuldigte sich doppelt und dreifach für die anderthalb Minuten Verspätung. Ach Gottchen! Zumal ich wie bei der oben verlinkten Tour mit seinem Landsmann auch dieses Mal die Uhr gestoppt hatte und auf satte 3,90 € Startgebühr für diese lächerliche Pause hoffen konnte.

Nach dem Einstieg manövrierte er mich weiter durch die Siedlung, allerdings mit noch schlechterer Ortskenntnis als zuvor. Obwohl das insgesamt nur eine kurze Fahrt bleiben sollte, war ich erstaunt, wie locker er es hingenommen hat, dass wir zum Einsparen von 20 Meter Fußweg 200 Meter mit dem Auto außenrum fahren mussten oder dass wir am Ende so falsch landeten, dass ich sogar wieder wenden musste.

Klar: Ich hatte da auch kein schlechtes Gewissen, denn mit einer Zieladresse hätte ich halt kurz das Navi angeschmissen, aber das konnte ich unter den gegebenen Umständen ja so nicht. Aber ja, bei vielen gehört da der bange Blick auf die Uhr dazu und am Ende ist ja doch der Taxifahrer schuld, dass es heute so teuer ist. Nicht so hier: Mein Fahrgast strahlte mich jedes Mal an, wenn ich ihn verstanden hab und wenn wir, teils nach langem Verharren auf einer Kreuzung, damit der sich umsehen konnte, den richtigen Weg einschlugen. Es sind solche eigentlich belanglosen Kleinigkeiten, die es am Ende ausmachen, dass man sich als Dienstleister wertgeschätzt fühlt.

Trotz allen Hickhacks sind am Ende gerade mal 7,50 € für die zweite Fahrt zusammen gekommen. Mein Fahrgast war überglücklich, ich war meiner Wohnung inzwischen sogar wieder 500 Meter näher gekommen und außerdem wurde die Fahrt nach einem argwöhnischen Blick aufs Taxameter mit folgenden Worten beendet:

„Sensokee!“

Ja, zehn ist ok. Sowas von ok. Eigentlich war sogar die ganze Fahrt sehr ok. Genau wie erwartet, aber sehr ok. 🙂

Die schweren Tage

Die kurzzeitige Hitzewelle hat jetzt auch Berlin voll erwischt. Noch dazu kurz nach den längsten Tagen des Jahres, die ich als Vollzeit-Vampir ja ohnehin nur so mittel mag. Natürlich albere ich diesbezüglich auch gerne ein wenig rum, aber 35°C mittags um 14 Uhr heißt halt auch, dass ich um 14 Uhr durchgeschwitzt aufwache anstatt mit dem Wecker um 17 Uhr. Aber die Nächte werden jetzt wieder länger und bezüglich der Hitze sind die Gewitter ja auch für die Hauptstadt schon angesagt. Und der Rest passt schon. So hat mir gestern gleich die erste Kundin sehr nette 2,50 € Trinkgeld gegeben mit dem Verweis darauf, ich solle mir „was erfrischendes“ holen.

Hab jetzt eisgekühlte Cola im Kühlschrank. Denke, das zählt. 🙂

Glücksgriffe

Ich bin dieses Wochenende (mal wieder) kaum zum Taxifahren gekommen. Das ist ok, der Monat lief bis dato ganz gut – und mit Flurrenovierung (ja, noch immer!), Wohnungsentschmandung und Familienbesuch hatte ich gleich drei triftige Gründe dafür. Umso schöner ist es dann, wenn man noch für zwei Stunden rausfährt, dabei einfach mal auf Verdacht eine Hauptstraße im Berliner Osten langgurkt, tatsächlich Winker findet und sie reichlich unemotional erst einen Zielpunkt in 30 € Entfernung angeben, dann aber gleich nachschieben, dass es danach noch weitergehen wird.

Die Truppe war todmüde, aber nicht betrunken oder sonstwie bedenklich, außerdem wollte sie keine Musik, keine Unterhaltung und hat nebenbei völlig selbstverständlich am Ende Zielansagen im Umland gemacht, so dass ich nicht einmal das Navi bemühen musste. Es fing unspektakulär an, ging unspektakulär weiter und endete ebenso unspektakulär. Abgesehen davon, dass der Umsatz am Ende über 50 € betragen hat und das trotz aller Leserfahrten und sonstiger Ausnahmetouren immer noch locker unter die Top-2% fallen dürfte.

Es bleibt allenfalls die Befürchtung, dass ich insgesamt ein sehr lukratives Wochenende verpasst habe. Aber irgendwas ist ja immer.

Erfreuliches aus dem Chefbüro

Das Telefon klingelte und vermeldete „Cheffe“ auf dem Display. Das kann am letzten Tag meines Wochenendes alles bedeuten. Hoffentlich nix mit dem Auto!

„Moin Sascha, Du hast noch einen Schlüssel von der 2925  bei Dir zuhause, stimmt’s?“

„Nein, hab ich nicht. Aber ich hab letztes Wochenende gesehen, dass nur einer da war. Umso artiger hab ich ihn danach aber wieder zurückgehängt.“

„Oh.“

„Tut mir leid, ich hätte gerne ja gesagt.“

„Naja, gut, dann muss ich halt mal gucken, wer da jetzt …“

„Also irgendwer ist zwischen meinen Schichten gefahren.“

„Ja ja, gut. Find ich raus. Aber was ich eigentlich sagen wollte: Ihr fahrt ab jetzt die 2223. Der Kollege fährt den heute schon und Du ab morgen dann bitte auch!“

Ui. Da die 2925 noch nicht so alt ist, dass sie ausgemustert werden könnte, und die 2223 aber doch deutlich jünger und besser in Schuss ist, hat entweder einer meiner regelmäßigen Mitfahrer was arrangiert oder irgendwer anders ist in Ungnade gefallen und muss jetzt als Strafe eines der ältesten Autos fahren. So lange ich die Kiste weiter so nutzen kann wie die bisherige, soll mir das mal ausdrücklich gefallen. Die 2925 ist zwar ausgesprochen problemfrei gewesen im letzten Jahr, aber so Kleinigkeiten wie z.B. das eingebaute Navi in der 2223 sorgen dann doch dafür, dass ich mich über den Wechsel sehr freue.

Könnte auch gut sein, dass das der letzte B-Zafira ist, den ich als Taxi fahre, weil die auch bei uns in der Firma immer seltener werden. Aber das ist dann wirklich Zukunftsmusik, denn bei der 2223 sind sicher noch gut 200.000 bis 250.000 km bis zum Ruhestand zu absolvieren.

PS:
Und wo wir gerade bei Konzessionsnummern sind: Mischa hat mir mit dem Vermerk, er hätte das Ende des Regenbogens gefunden, ein Foto des Berliner Taxis mit der Konzessionsnummer 1 zugeschickt:

Auch Konzessionsnummern fangen mal klein an. Quelle: Mischa Heintze

Auch Konzessionsnummern fangen mal klein an. Quelle: Mischa Heintze

PPS: Mischa kenne ich von der in bester Erinnerung gehaltenen Rubicon-Tour.

Das mit dem Schlafen (ca.Teil 197)

Keine Sorge, mit Taxigeschichten geht es bald weiter. Sehr bald. Morgen oder so. Denn ich steige heute Abend wieder ins Auto.

So weit, so gut. Und da wir es jetzt, wo ich das schreibe, schon 5.00 Uhr haben, sehe ich da keine Probleme. Aber hey, abgesehen vom Mittagsschlaf um die nullte Stunde bin ich gestern um 10 Uhr aufgestanden, was sich nicht so sonderlich gut mit einer Nachtschicht verträgt.

Ich will ehrlich sein: Ich hab’s beileibe nicht so hart wie so viele „Schichtarbeiter“ da draußen. Denn dieses absurde Wort (Arbeiten nicht die meisten in irgendeiner „Schicht“?) bedeutet meist einen Wechsel der Schichtzeiten, und den habe ich einfach nicht. Im Normalfall. Ich hab mich mit der Nachtschicht arrangiert und lebe auch an freien Tagen (überwiegend) nachts, die krassen Umstellungen passieren bei mir eigentlich nur, wenn mal was besonderes ist: Ein Familien-Kaffeetreffen um 12 Uhr mittags, ein Arzttermin um 14 Uhr, sowas halt. Und um ehrlich zu sein: Auch wenn diese Tage dann meist doof sind: Das kriegt man mit einem Mittagsschlaf, einer Coffee und ein bisschen Planerei schon irgendwie hin.
Und wenn nicht, dann habe ich immer noch einen Job, bei dem ich im Zweifelsfall einfach früher Feierabend machen kann. Das kostet zwar Geld, aber selbst daran, ggf. mal eine schlechte Schicht einzuplanen, gewöhnt man sich.

Mein Flur bei Tag

Mein Flur bei Tag

Nun habe ich die drei Tage meines Wochenendes damit verbracht, beim Renovieren meines Flurs so mittel voranzukommen. Wegen Lärmbelästigung der Nachbarn und gemeinsamer Arbeitszeit mit meiner besseren Hälfte hab ich meinen Rhythmus also für gleich drei Tage umgestellt. In gewisser Weise hat das gut geklappt: Ich war stets so früh wie nötig wach und den Tag über auch. „Früh“ schlafen zu gehen (also so um 1.00 Uhr nachts) ist mir aber nicht leichtgefallen, ein leichtes Defizit gab es also immer.

Ich bin immer noch jung genug, um trotz anstrengender Arbeit 3 Tage mit wenig Schlaf irgendwie wegzustecken. Aber ich muss auch zugeben, dass mir die 7 Jahre im Taxi trotzdem so langsam aufzeigen, in welcher Art das alles auch schwierig sein kann.

Ich mache das alles immer noch freiwillig, genieße gerade während der Arbeit die nicht wenigen Vorteile der dunklen Schicht und arrangiere mich hier und da. Dennoch würde ich mich jederzeit dafür aussprechen, dass Arbeitgeber oder die Arbeitsagentur Nachtschicht nicht einfach unter „ferner liefen“ einordnen sollen. Denn ja, das verändert einen. Über kurz oder lang.

Für mich und für heute scheint das alles ok zu sein. Es ist früh am Morgen, ich bin noch wach, aber langsam müde. Und wenn ich mich dann bald hinlege und den Tag über schlafe, werde ich normal arbeiten und hier auch wieder was schreiben können. Aber ja, das hätte anders aussehen können, hätte ich nicht nach einem harten Tag und einer Stunde Mittagsschlaf zur eigentlichen Bettzeit auf mich selbst gehört und mich überredet, jetzt dann doch wieder aufzustehen. Weil: Muss ja.

Ich  beneide Euch  (noch) nicht um Eure 9-5-Jobs, aber bei dem aktuellen Anlass wollte ich trotzdem einmal mehr anmerken, dass es nicht alle so einfach haben. Und wie gesagt: Andere haben es wesentlich härter (Ich sag nur: Gesundheitswesen!).

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

Abonniert doch den RSS-Feed von GNIT. Mehr von Sash gibt es außerdem bei Facebook und bei Twitter.

Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Das Leben, der (An-)Strich, die Rechnung.

Und schon wieder ein Wochenende, an dem ich weniger gearbeitet hab als geplant. Und gewollt sowieso. Ich würde das hier jetzt nicht schreiben, wäre die verbliebene Kundschaft nicht so unsagbar unblogbar gewesen. Meist kurze Fahrten, vom Bahnhof oder Club nach Hause, ein bisschen Ja-war-ein-nettes-Wochenende-Smalltalk und  fertig.

Und fertig war ich leider auch noch. Überraschenderweise. Denn obwohl ich mich nicht nochmal hab krankschreiben lassen: Nach ein paar Stunden im Auto sitzen war stets die Luft raus. Und zwar so richtig mit nicht mehr voneinander entfernbaren Augenlidern und so. Obwohl ich mein Kurzschläfertum lange ad acta gelegt habe: Dass ich jeden Tag 12 Stunden brauche, ist einfach nicht normal.

Und als ob das nicht reichen würde, sind gerade ein paar private Dinge angesagt, die Zeit fressen. Über das ein oder andere berichte ich gerne, aber in Ermangelung aufzählbarer Taxis natürlich nicht hier. Seht’s mir bitte nach, selbst ich hab noch ein Leben neben GNIT …