Karma-Rückzahlung

Ich war nach der Tour fast in Ahrensfelde gelandet und hab auf dem Rückweg in die City meine Lieblingsroute durch Marzahn gewählt. Kleiner Umweg, aber oft Winker. Zumindest nachts am Wochenende. Und siehe da: Es winkte. Ein junges Paar an einem Bahnhof. Was es nach Schöneweide kosten würde.

Ich hab all meine Erfahrung und Ehrlichkeit zusammengeworfen und gesagt, dass das mit einem Zwanni vermutlich nicht ganz reichen würde, 25€ aber ausreichend sein sollten.

„Hmm, könntste uns auch pauschal mitnehmen?“

Bis jetzt weiß ich nicht, wie viel sie zu bezahlen bereit waren. Ich hab trotzdem einfach nur nett gesagt, dass das nicht geht und um Verständnis gebeten. In Anbetracht der offenbar verpassten Bahn hab ich sogar angeboten, sie für einen Fünfer Kurzstrecke zu einer anderen Bahnlinie zu bringen. Wollten sie auch nicht. Wir haben uns freundlich getrennt, nachfragen darf man bei mir ja durchaus mal, ich verstehe das mit der knappen Kasse durchaus. Am Ende war ihnen das Warten das Geld wert, das ist auch für mich ok.

Aber natürlich hätte mir die Tour gut gepasst und rein finanziell wär’s mir auf zwei Euro mehr oder weniger eigentlich nicht angekommen. Dementsprechend hab ich dann doch beim Weiterfahren gezweifelt, ob’s nicht besser gewesen wäre …
Sie waren ja nicht unverschämt, vielleicht wäre es immerhin ein Zwanni gewesen …

Und dann stand 800 Meter weiter eine Winkerin, die bis nach Neukölln musste. Ja, eher Kreuzkölln, es sind auch „nur“ 24€ zusammengekommen. Aber problemlos, nett, mit passendem Trinkgeld und ohne das schlechte Gewissen, das ich Idiot mir halt immer noch machen würde, wenn ich mehr oder minder schwarz durch die Gegend fahre.

So eine Bestätigung dürfte es gerne öfter geben. 🙂

Die andere Karte

Wir sind am Zielort angekommen. Die Kundin war schon die ganze Fahrt über noch „etwas“ aufgedreht, obwohl die Sonne bereits durch den Wald hindurchzublinzeln versuchte.

„Also, ich mach mit Karte. Was willste: EC-Karte, Visa-Karte, Arschkarte?“

„Ist mir relativ egal. Fangen wir doch mal mit der EC-Karte an …“

„Wie Du willst. Hättest auch meinen Arsch … also EC?“

Entweder war das der bisher verunglückteste Witz 2017 oder die verstörendste Anmache ever. 0.o

Retter im Bettlerdress

Es passiert oft genug, dass Leute anders drauf sind, als man aufgrund ihres Erscheinungsbildes zu wissen meint. Binsenweisheit, aber immer wieder überraschend, wenn’s mal soweit ist.

Und dann war da letzte Woche der Tag, an dem das mit dem Trinkgeld einfach nichts werden wollte. Satte 50% der Leute haben exakt nichts gegeben, der Rest waren dann so 30Ct-Beträge bei 25€-Fahrten. Als ich einen Hunni auf der Uhr hatte, waren gerade mal 2,10€ Tip aufgelaufen. So konzentriert kommt das auch nur alle paar Jahre mal vor. Oder wenn man wirklich nur zwei Lange Fahrten hat und dort nichts extra anfällt.

Und dann stand ich am Bahnhof als einziges Taxi. Zwei verwegen aussehende Typen in ihren Fünfzigern diskutierten gerade auf der Beifahrerseite  auf Russisch, ob sie ein Taxi wollen. Dann trat links eine nette Frau mit ihrer Tochter heran und  fragte, ob ich noch frei sei. Ich hätte sie zweifelsohne lieber mitgenommen, so rein sympathiemäßig, aber ich steh zu dem Glücksspiel Taxifahren und hab ernsthaft erwidert, dass ich es noch nicht wisse, die beiden aber zuerst da waren.

Und ja, der eine wollte tatsächlich fahren. Also konnte ich nur der Tochter fix die Nummer der Zentrale diktieren.

Mein Fahrgast indes hat gerade so noch seine Adresse rausbekommen, glücklicherweise inklusive des Stadtteils, denn natürlich war’s keine Straße, die es nur einmal in Berlin gab. Dank der Sprachkenntnisse (seine deutschen und meine russischen) verlief das Gespräch etwa so:

„Und? Fahren Sie jetzt nach Hause? Heim? Home?“

„Fahren? Du fahren bitte! Einfach fahren.“

Danach Schweigen.

Und wie immer, wenn’s eh schon kompliziert ist, waren er und mein Navi auch noch uneins, wie man seine Hausnummer am Besten anfährt, so dass ich an gleich drei Kreuzungen von ihm berichtigt wurde, wie ich fahren sollte. Den Umständen entsprechend nett, aber halt doch nur so lala. Am Ende der Fahrt standen 19,10€ auf der Uhr.

„Machen swansig.“

Hat also gut in den Tag gepasst. Dann reichte er mir allerdings einen Zwanziger und einen Zehner, woraufhin ich natürlich nur den Zwanni genommen habe. Da hat er mir nach einem weiteren Blick auf die Uhr den Zehner noch rübergeschoben und gemeint:

„Machen dreizig. Du Arbeit nicht viele Geld.“

Manchmal braucht’s solche Typen, um auf die 10% zu kommen. 😀

Sven, sein Handy und die Polizei

Obwohl ich eigentlich schon wieder grünes Licht seitens der Ampel hatte, hielt ich an. Ein Winker. Quasi. Denn es war ein Polizist in voller Ausrüstung und als er mir erklärte, was sein Anliegen war, war klar, dass es nur so mittel normal war:

„Hey, wir haben hier auf der Mittelinsel einen Typen, der ziemlich betrunken ist. Der ist sauber, hat Geld dabei, die Sanitäter wollten ihn nicht mitnehmen. Der muss nach Reinickendorf. Würdest Du den mitnehmen?“

Nach den üblichen 0,25 Sekunden Bedenkzeit hab ich zugestimmt. Zweifelsohne war das jetzt nicht das, was mir gerade gut gepasst hätte, denn die Stadt war voll mit Kundschaft. Aber ich stehe nunmal dazu, auch gerade die schwierigen Touren wegzurocken.

„Na gut, krieg ich hin.“

„Dann fahr‘ mal hinter unseren Wagen.“

Ich wurde trotz nun roter Ampel eingewiesen, Spezialauftrag für Geheimagenten quasi. Ich hab mich gefühlt wichtig auf der Kreuzung positioniert, weit ordnungswidriger als Tempo 80 in einer 30er-Zone. Aber ich war halt wichtig. Der Kunde, auch von den Beamten nur beim Vornamen genannt, erwies sich als eigentlich harmlos. Völlig besoffen, natürlich, aber in sich selbst ruhend. Zunächst.

Einer der Beamten hatte seinen Geldbeutel in der Hand, reichte mir einen Fuffi daraus und fügte hinzu, dass ich ihm den Rest zurückgeben sollte.

„Keine Sorge, ich wollte hier kein krummes Ding abziehen!“

„Ach ja, hier …“

Der Polizist zeigte mir den Personalausweis:

„Der muss in die XYZ-Straße, quasi beim Rathaus.“

„Danke, aber das kläre ich gleich mit ihm!“

„Ach, der wird Dir nicht mehr viel sagen …“

Ich verstehe den Einwand, aber Polizei hin oder her: Wenn da wer in meinem Taxi sitzt, dann gilt für mich das Wort des Kunden. Für Entführungen sind andere Leute zuständig. Ich will nicht anzweifeln, dass es gut wäre, einen volltrunkenen Sven heimzubringen, aber mir fehlt jegliche Handhabe, ihn dazu zu zwingen.

Nichtsdestotrotz hatte ich den Fuffi von Sven nun und der hatte halt ganz andere Pläne, als ins Taxi zu steigen. Er wollte sein Handy.

Ich glaubte den Cops, dass sie es nicht hatten, nicht finden konnten und dass es vermutlich zuhause war, aber ich war weiter denn je entfernt davon, hier die Ansagen zu machen. Sven wehrte sich dagegen, in mein Auto eingeladen zu werden, schrie nach seinem Handy und am Ende kam halt heraus, dass das doch keine Tour für mich werden würde. Einfach weil er nicht wahrhaben wollte, dass die Beamten im sagten, dass sie sein Telefon nicht genommen hätten oder auch nur hätten finden können.

„Na gut, wenn er nicht einsteigen will …“,

meinte eine Polizistin.

„Also nehmt Ihr ihn mit?“,

fragte ich ebenso duzend in die Runde.

„Ja, geht wohl nicht anders …“

wurde mir mitgeteilt.

So gerne ich die Fahrt gemacht hätte und so sehr ich glaube, dass Sven sich damit einen Gefallen getan hätte: Ich war froh bis geradezu überrascht, wie nett die Beamten waren, obwohl er sich wie das letzte Arschloch aufgeführt hat und oft bedenklich nahe an der Grenze zum gewalttätigen Widerstand gekratzt hat. Hätte ich als Demonstrant einmal soviel Nettigkeit von der Staatsgewalt erfahren, würde ich sie wohl emotional mehr würdigen können.

Nachdem klar war, dass die Tour ausfällt, hab ich den Beamten, der gerade am wenigsten mit der Inschachhaltung von Sven beschäftigt war, noch kurz darauf hingewiesen, dass da noch eine Kleinigkeit offen wäre:

„DER ist dann wohl auch nicht meiner …“

Und hab den Fuffi weitergereicht.

„Oh ja, stimmt ja!“

Ich hoffe jetzt einfach mal, dass Sven gut heimgekommen ist, dort sein Handy wiedergefunden hat und zudem noch im Besitz seines Fünfzigers ist. Falls nicht, kann ich nur anmerken, dass ich als Taxifahrer wirklich alles dafür getan habe, dass dem so ist.

Guter Auftakt

Es gibt so Tage, da trudelt man durch die Zeit nach dem Aufstehen, erledigt noch dies und das, macht und tut und am Ende stellt man fest, dass man eigentlich weit früher bei der Arbeit sein wollte. Zumindest passiert mir sowas manchmal und gestern Abend war es auch so.

Letztendlich war es schon fast 22 Uhr, als ich ins Auto gestiegen bin und ich habe es nicht bereut. Denn zumindest das späte Loskommen war nach der ersten Kundin gerettet. Dass ich schon in Marzahn rangewunken werde, ist selten genug. Weitaus seltener (um nicht zu sagen einmal pro Jahrzehnt) ist es eine gut gelaunte Kundin, die als bescheidenes Ziel eine Straße in Tempelhof angibt.

Das wäre ein sehr guter Start gewesen. Hervorragend wurde es dann, als wir just von den letzten Ausläufern des Zuges der Liebe überrascht wurden, den ich schon für beendet hielt, woraufhin wir gleich zweier Sperrungen wegen einen grotesken 5€-Umweg fahren mussten. Geradezu abenteuerlich wurde es bei einem Zwischenstopp bereits in Tempelhof, bei der uns der „etwas“ betrunkene Freund einen weiteren Fünfer auf dem Taxameter bescherte, weil er uns vor seiner Haustüre nicht gefunden hat. So stand ich nach der ersten Fahrt mit 48€ auf der Uhr mitten in der Stadt.

Perfekt wurde es dann, als ich von der Kneipe, wo ich die beiden abgeladen hatte, eine Runde drehte, um Richtung Mitte wegzukommen. Denn kaum hatte ich meinen einminütigen Schlenker durch zwei Kopfsteinpflastergassen beendet, winkten mich vor der Kneipe die beiden von eben wieder ran und ließen sich dann doch nach Hause kutschieren. Nach Lankwitz, nochmal ein Zehner. So dürfte das ruhig immer anfangen, wenn ich mal spät dran bin. 🙂

Verhandlungen mit dem Zukunfts-Ich

Sparsamkeit ist eine Tugend, heißt es. Und ich erkenne das in gewisser Weise an. Es ist hilfreich, einen Notgroschen zu haben und wenn es in der eigenen Macht liegt, den anzusparen, dann ist das Erlernen von Sparsamkeit eine gute Sache. Aber ich will ehrlich sein: Ich war immer ein Kritiker der Theorie, dass Sparsamkeit an sich einen Wert hat. Geld ist Mittel zum Zweck und es gibt Situationen, in denen ich Sparsamkeit hinderlich finde. Zum Beispiel wenn man eigentlich nicht weiß, wozu man Geld hortet, während es anderen schlecht geht. Oder das Szenario, an das ich mich aus meiner Jugend erinnere und mir in irgendeiner Gossip-Reportage präsentiert wurde. Es ging um ein Rentnerpaar, das trotz mittlerem Verdienst ein Millionenvermögen angehäuft hatte. DER Tipp, den sie allen Zuschauern mitgaben, war:

„Zwei Blatt Klopapier reichen immer!“

Und jedes einzelne Mal seit ca. 1996 denke ich bei außerplanmäßiger Verdauungstätigkeit, dass die beiden Idioten waren. Vermutlich sind sie inzwischen tot und ihre Enkel verprassen die Kohle ohne Sinn und Verstand. Und dafür haben sie sich ihr ganzes Leben lang bei jeder Magenverstimmung die eigene Scheiße von den Händen gepuhlt.

Ich will nicht pro Verschwendungssucht argumentieren und es gibt Gründe, warum ich kein Finanzberater bin. Aber wenn es um einzelne bestimmte Dinge geht, die mir das Leben erheblich erleichtern, Leid abwenden oder vielleicht sogar dem Wohl anderer dienen, habe ich mir einen anderen Gedanken zurechtgelegt. Und der ist:

„Dieser Zehner kann nie und nimmer ein existenzbedrohendes Problem sein!“

Und ja, auch ich kenne Situationen, in denen mir ein Zehner gefehlt hat. Aber da ging’s  halt um Probleme, die höchstens einen Zehner wert waren. Club-Eintritt, drei Extra-Bier, zwei Schachteln Kippen. Ärgerlich im Moment, aber nicht der Grund für einen Gerichtsvollzieherbesuch oder eine Wohnungskündigung. Wenn sonst alles ok ist, ist dieser Zehner egal*.

Und dann war da dieser Kunde. Nach einem Kneipenbesuch in der Prärie gestrandet hat er mich gefragt, wie viel es bis zu ihm nach Hause kosten würde. War keine kurze Fahrt, es standen gute 30€ zur Debatte. Er hat sich ein Herz gefasst und mir gesagt:

„Ganz ehrlich: Mein Zukunfts-Ich wird mich hassen. Das ist immer pleite. Aber ich glaube, ich muss das jetzt machen. Ich komm‘ ja sonst nicht heim.“

Und das war erst der Auftakt. Bei ihm herrschte der Respekt vor meiner Arbeit vor und er hat nicht einmal versucht, den Preis zu drücken und zu verhandeln. Ich hab das natürlich dankend angenommen, aber auch sichergestellt, den kürzesten Weg zu fahren und mich bemüht, ihn ernstzunehmen. Ein Azubi kurz vor der Gesellenprüfung, ein Handwerker aus Überzeugung und ein sehr angenehmer Gesprächspartner. Das Geld mussten wir erst holen und zudem musste sein Fuffi zuhause am Ende aber „bitte bitte noch für einen Döner“ reichen.

Wir kamen auf oben gesagtes zu sprechen und waren einer Meinung. Natürlich waren die 30€ (am Ende mit Fahrt zum Döner sogar 35) für ihn happig, aber am nächsten Tag unausgeschlafen im Betrieb aufzutauchen ging halt auch gar nicht. Das war ihm die 30€ halt eben doch wert.

Dass der Kunde sich tags drauf oder in der nächsten Woche doch geärgert hat, kann ich nicht ausschließen. Am Ende war ich halt trotzdem nur der Taxifahrer. Aber zwischendrin waren wir halt an diesem Punkt:

„Alter, ehrlich! Mein Zukunfts-Ich, das wird mich für einen Idioten halten!“

„Glaub‘ ich Dir, ehrlich. Und sorry, dass ich da keinen Spielraum habe.“

„Nee nee, alles cool. Ist ja nur, weil …“

„Hey, nur als Aufmunterung: Du bist heute das Zukunfts-Ich von dem Typen, der sich den Partyabend angespart hat, obwohl’s ein fucking Verzicht war, oder?“

„Das … ey, da hast Du auch recht, Alter.“

„Und jetzt schnell heimkommen ist Dir das wert, oder? Überleg’s Dir! Nächste S-Bahn-Station? Für mich kein Ding.“

„NEIN, Alter! Ich bin froh, dass ich Dich getroffen hab. Is’n echt guter Ausklang heute …“

„Na dann vergiss halt nicht, das auch deinem Zukunfts-Ich mitzugeben!“

„Werd‘ ich machen, Alter, werd‘ ich machen!“

Wie jeder Dienstleister komme auch ich mal an den Punkt, Geld nehmen zu müssen von Leuten, die es augenscheinlich eher weniger haben. Ich persönlich bin auch für eine weit solidarischere Welt zu haben, aber ich muss meine Miete zahlen und meinen Chefs Geld bringen, damit die ihrerseits Kreditgeber bezahlen, die mein Taxi finanziert haben und die wiederum ihren Aktionären Gewinne schulden. Ich kann da in Ausübung meines Jobs wenig tun.
Und genau deswegen kann ich kaum beschreiben, wie schön es ist, ausgerechnet von solchen Kunden fast nie Beschwerden zu hören. Die, denen eine Taxifahrt finanziell am meisten wehtut, sind oft die, die mir meinen Lohn am meisten gönnen. Das lässt mich bezüglich der erwähnten solidarischeren Welt am meisten hoffen.

*Ich bin nicht dumm. Ich weiß auch, dass 200 Zehner erschreckende 2.000€ sind. Aber ich habe ja explizit nicht gesagt, dass man jeden Zehner leichtfertig ausgeben sollte, sondern dass ein wohlbegründeter Zehner für sich nie alleine ein Problem ist. Bei ohnehin vorhandener Überschuldung gilt das selbstverständlich nicht und es liegt mir fremd, jemanden anzugreifen, bei dem das wirklich so dramatisch ist. Im Gegenteil, ich kenne das und ich würde bei Bedarf auch einen oder zwei Zehner weggeben, um das zu unterstreichen (kurze Mail …).

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Plot Twist: There is no tip!

Ich sage hier bei GNIT oft genug, dass das Trinkgeld freiwillig ist und dass ich im Gegensatz zu so manchen Kollegen auch nicht grundsätzlich aggressiv drauf bin, wenn es mal ausfällt. Obwohl es ein wichtiger Teil meines Einkommens ist, obwohl es in meinem Umfeld gängig ist, ob als Geber oder Empfänger.

Aber dann war da dieser Engländer, mit dem ich schneller als meistens auf einem Level war. Er war zufriedener Berlin-Tourist und offensichtlich zufriedener Taxi-Nutzer. Ich hingegen war zufrieden mit der Tour für mehr als 20€ und mit ihm als wissbegierigen, aufgeschlossenen, netten und auch sonst in allen Formen perfekten Kunden. Natürlich kann sowas trinkgeldlos bleiben, aller Wahrscheinlichkeit nach endet es irgendwo oberhalb von fünf Euro extra.

In dem Fall nicht, denn er reichte mir für die 22,50€ auf der Uhr 23€ mit dem Vermerk, dass das passt. Kommt auch vor, passt schon, war immerhin sehr angenehm.

Als ich das Portemonnaie bereits zurückgesteckt hatte, während wir uns weiter über Berliner Sehenswürdigkeiten austauschten, fragte er plötzlich folgendes:

„But, ähm, Sir, can I please have my 50 Cents back?“

Wie gesagt: Das alleine hätte mir nicht egaler sein können, ich hab’s nur einfach nicht erwartet. Es klang zuvor schon so, als solle ich es gerne behalten und der ganze Charakter der Tour hat das unterstrichen. Im Grunde war mir persönlich sogar egal, warum ihm das jetzt wichtig war. Nach der Erklärung allerdings war ich eher ratloser als zuvor, denn begründet hat der Kunde das damit, dass er am Vortag sogar zu wenig Geld für die Taxifahrt dabei hatte. 70 Cent. Und dass er nun von mir die 50 Cent nur zurückverlangen würde, weil mein Kollege eben auch auf die 70 Cent bestanden hätte.

Wie gesagt: Trinkgeldlosigkeit bei einer Tour ist mir schnuppe, ich erwähne sie auch hier eigentlich nur, wenn im Vorfeld anderes angekündigt wurde oder wenn ich auch mit meiner Dienstleistung über meine Grenzen hinaus gnädig und deswegen enttäuscht war.

Aber das?

Mal ganz ehrlich: Ich spiele gerne Kundenanwalt, wenn ich davon ausgehe, dass Trinkgelder für Taxifahrer in ihren Kreisen unüblich sind (was bei Engländern wirklich nicht stimmt, die kennen wir Taxifahrer hier als eher großzügig) oder wenn sie sehr jung, unerfahren, etc. pp.  sind. Und selbst das nicht ohne Ausnahme. Aber dass jemand ein Trinkgeld bewusst verweigert mit dem Hinweis darauf, dass er am Tag zuvor den regulären (zudem noch gesetzlich vorgegebenen) und standardmäßig um ein Trinkgeld erhöhten Preis bezahlen „musste“? I don’t get it, ehrlich!

Kann sein, dass ich einfach zu nett zu meinen Dienstleistern bin. Dann wäre das ein Wahrnehmungsproblem, über das wir reden könnten oder müssten. Aber wie zur Hölle kommt man auf die Idee, jemandem klarzumachen, dass man ihm kein Trinkgeld gibt, weil der letzte Dienstleister leider keine Unterbezahlung akzeptiert hat?

PS: Bevor da falsche Vermutungen entstehen: Ich bin dem Kunden nicht böse. Im Gegenteil. Wir hatten eine geile Fahrt und unser Gespräch war weit mehr wert als die 50 Cent, über die ich hier schreibe. Das war ein cooler Typ, ich mag ihn immer noch und ich bin keineswegs frustriert. Ich hab bloß ernsthaft Verständnisschwierigkeiten diesbezüglich, mir fehlt offenbar dieses Heimzahlungs-Ego-Gen oder was auch immer hier eine Rolle gespielt hat und wäre über eine Erklärung echt froh.