Not her Hotel!

Vorwort: Ich hab’s oft geschrieben: Man kennt als Taxifahrer in Berlin auch nicht alles. Schon gar nicht aus dem Stegreif – oder wenn die Ansagen etwas wirr sind.

Die Dame winkte mich in Prenzlauer Berg an den Straßenrand und war weit betrunkener als ihr Gehvermögen erwarten ließ. Im Laufe der Fahrt ließ sie mich dann auch wissen, dass sie irgendwas mit Bierbrauern zu tun hatte an dem Abend, selbst in dem Business sei und sicher um die 20 Bier intus hätte. Jaja, auch ein paar von den großen Nullfünfern.

0.o

Aber gut, Aufklärung über die Gefahren von Alkohol ist nicht meine Aufgabe. Ich musste sie heimbringen. Wohin genau? Dorthin:

„Sissis near Tiergarten. Hotel. You know Lsso? Is sie … well very near Lsso. Just there, thank you!“

Dem Englisch nach hätte sie auch von der Deutschen Bahn sein können. Aber gut, nahe dem Tiergarten Lsso …

„Lützow? Lützowstraße, Lützowufer?“

„Sisssis great! Giesrasse!“

Da hab ich mal kurz in den Bildschirm meines GPS-Trackers reingezoomt und die zu gießende Rasse gesucht. Aber klar, die Keithstraße, die erfüllte alle Bedingungen. Und weshalb ich das Vorwort geschrieben habe: Die Existenz des Hotel Lützow in jener Straße war mir in diesem Moment nicht bekannt. Aber ja, ist ja alles dicht beisammen und dann der Alkoholpegel …

Mir war das egal. Immerhin hatte die gute Frau offenbar Training, nach Brockenlachen sah das Ganze gar nicht aus. Also hab ich mal eben eine sowas von geniale Route in die Keithstraße ersonnen, dass es meinem Ortskundelehrer vor Stolz das T-Shirt zerreissen müsste. Sie war nämlich ohne jede Abstriche perfekt. Der allerallerkürzeste Weg, mir war in dem Moment selbst nicht bewusst, dass keine Alternative auch nur halb so elegant gewesen wäre. Oder, wie meine Kundin sagte:

„I know Berlin, sissis Bullshit. Snoddeway to my Hotel!“

Nun bin ich ja auch bei betrunkenen Brauereidamen ein Gentleman und hab ihr einfach nur versichert, dass das zur Keithstraße ein sehr guter Weg sei, ich für 100 Meter nicht die Hand ins Feuer legen würde, sie sich aber wirklich keine Sorgen machen müsse, dass ich irgendwie dreimal im Kreis mit ihr fahren würde. Sie entschuldigte sich für ihr Misstrauen und wir waren sowieso schon fast da. Ich befuhr die Keithstraße von Norden her und als ich das Hotel sah und mir wegen meines Unwissens wegen auf die Lippen biss, verkündete ich dennoch etwa stolz:

„Aaaand then I guess, THIS is your hotel …“

Pustekuchen.

„Sissis not mytel!“

Öhm. OK. Wat willste machen? Wir waren nahe des Tiergartens in der Keithstraße am Hotel Lützow. Arg viel näher konnte ich mich an ihre Beschreibung herantasten. Aber sie wusste Rat. Es wäre noch ein Stück die Straße runter. An der Kurfürstenstraße war es dann immer noch ein Stück die Straße runter. Und als die Keithstraße an der Kleiststraße endete, sollte es immer noch ein Stück die Straße runter sein. Tja, nun …

Sie schwor Stein und Bein, sich auszukennen, sichtbar erregt durch den U-Bahnhof Wittenbergplatz und versicherte mir, da hinten links ginge die Keithstraße (selbst über das Buchstabieren und die Aussprache waren wir uns inzwischen einig) weiter. Ich war – und bin heute noch – 100%ig überzeugt, dass sie ins Hotel Lützow wollte und es nur aus der Perspektive von Norden aus nicht erkannt hat. Sie saß ja auch ungünstig hinten rechts, während ich ihr das Hotel vorne links gezeigt hatte. Ich habe sie noch gebeten, nochmal zurückzufahren, gerne mit ausgeschalteter Uhr. Wirklich. Auch wenn’s nicht mein Fehler war. Aber sie bestand nun darauf, auszusteigen und den Rest des Weges zu gehen. 🙁

Man trifft solche Entscheidungen nicht leichtfertig, ganz ehrlich. Aber am Ende hab ich sie gelassen. Vermutlich hat sie am Ende noch eine halbe Stunde gebraucht, um zum Hotel zu kommen. Mit großzügiger Umrundung des Wittenbergplatzes zieht sich die Strecke dann ja in so einem Zustand doch etwas. Aber gut, die einen lernen so, die anderen eben so …

PS: Mich hat das alles ein wenig an den hier erinnert.

Oder das Hawaii Europas …

„Wir würden gerne in die Scharnweberstraße.“

„Die in …“

„Die in Reinickendorf. Kennste? Reinickendorf, das Miami Preussens?“

Was willste darauf sagen? Vermutlich das klassische „Ja, aber …“ 😉

„Da kann man durchfahren!“

Ich sollte die Jungs zu einem Hotel in der Augsburger Straße bringen. Da war ich zwei Wochen zuvor das letzte Mal, weswegen ich äußerte, dass ich nicht sicher sei, ob ich durch die Augsburger direkt durchkäme. Was auch kein Problem sein sollte, ich hätte quasi ohne Umweg über die Joachimsthaler ans Hotel ranfahren können. Das Wendeverbot dort würde ich nicht das erste Mal ignorieren …

Aber die Kundschaft war sich mehr oder minder sicher:

„Nee, da sind wir vorher mi’m Taxi durchgefahren. Ja, doch, das ist in die Richtung sicher offen!“

Da hab ich dann auch gesagt, dass ich seit zwei Wochen nicht mehr da war und am Ende waren wir uns einig, dass ich es versuchen sollte. Und dann:

Augen zu und durch, sag ich mal! ;) Quelle: Sash

Augen zu und durch, sag ich mal! 😉 Quelle: Sash

Die Enttäuschung war nicht groß, die Jungs wollten den Rest einfach laufen. Ich musste jedoch süffisant anmerken:

„Also ganz ehrlich: Da kommt wirklich keiner durch. Nicht mal meine Kollegen, obwohl ich manchen da einiges zutraue …“

😉

Die Irrfahrt der Woche

Der Freitag war ein Scheißtag. Ich war unausgeschlafen und früh in die Schicht gestartet, die Umsätze sollten später auch noch mies werden, aber mit Abstand am meisten hat mich die erste Tour geärgert. Ich hoffe, Ihr habt ein wenig Zeit mitgebracht an diesem Montagmorgen, denn die Fahrt war ziemlich lang …

Eingestiegen sind sie mir am Ostbahnhof noch auf der letzten Rücke. Bemerkt hatte ich das etwas ungleiche Paar genau in dem Moment, in dem der Mann mir versehentlich gegens Auto lief. Amtlicher Zustand für 20.30 Uhr, dachte ich mir. Er war jetzt allerdings keineswegs, wie die meisten vermuten werden, irgendein Spätpubertierender, der sich mit dem Alkohol maßlos verschätzt hatte, sondern ein Rentner, der die 70 auf der Lebensuhr ganz sicher schon voll hatte. Angetrunken war er zwar auch, aber man merkte auch deutlich, dass er insgesamt nicht mehr so fit war. Er wirkte in seiner fleckigen Hose etwas heruntergekommen, aber auch ganz nett, wie er sich da hinten auf der Rückbank zurechttüddelte.
Neben mir stieg eine Frau Mitte 50 ein. Breite Statur, kurzrasierte graue Haare, eher der rustikale Typ Mensch. Berliner Schnauze durch und durch und scheinbar auch ein wenig genervt von ihm. Naja, wo die Liebe halt so hinfällt.

Er machte reichlich ungelenk und in nur mäßig zusammenhängenden Sätzen klar, dass es erst einmal in die Köpenicker Straße gehen sollte, unweit des schlesischen Tores. Dort aber solle ich kurz warten. Er wolle was holen, dann zur Bank und zurück zum Bahnhof. Da wären sie gerade so nett am Trinken. Na gut. Als wir ankamen, konnte er kaum aussteigen, seine Begleiterin half ihm. Sie steckte mir ihren Ausweis zu, in zwei, drei Minuten wären sie wieder da. Ich wartete also. Eine Hausnummer weiter war ein Polizeieinsatz, ich stand also immerhin nicht alleine blöd in zweiter Reihe. Und ich stand eine ganze Weile da. Zwischenzeitlich hatte ich schon Sorge, dass sie nicht wiederkommen würden, aber in der Ausweishülle der Frau steckten auch noch ein aktuelles Monatsticket der BVG und ein paar weitere Sachen, die definitiv wert waren, wiederzukommen. Außerdem war die Polizei ja vor Ort …

Auf der Uhr waren zu den rund 6 € Fahrtkosten inzwischen weitere 6 € Wartezeittarif aufgelaufen, ein bisschen mehr als zwei, drei Minuten so kosten – aber dann kamen sie. Sie mit verdrehten Augen, er mit einer Gemütlichkeit, die ihresgleichen sucht. Den Arsch halb aus der Hose hängend zwängte er sich wieder ins Auto und verlangte, dass ich sie beide zum Kotti bringe, Berliner Sparkasse. Na jut.

Dort wurde es dann etwas seltsam. Er gab ihr eine Bankkarte nebst PIN und blieb selbst im Auto. Aber ok, er war halt nicht mehr so fit zu Fuß. Im Auto fing er an rumzuzetern, was sie denn so lange brauche, wobei ich ihn ein wenig beruhigen konnte. Mein Gott, Automaten nerven halt manchmal. In dem Fall aber kam sie zurück und sagte, die PIN wäre falsch. Und sie zitierte exakt die Nummer, die er ihr gegeben hat. Inzwischen erfuhr ich auch, dass es gar nicht seine Bankkarte war, sondern die seiner Frau. Aber OK, ist ja nicht mein Leben.

Er schimpfte ein bisschen vor sich hin, dass er dann ja auch gleich die 150 € aus der Wohnung hätte mitnehmen können. Sie verdrehte wieder nur die Augen und die Fahrt – inzwischen waren wir bei über 20 € – sollte wieder in seine Wohnung gehen. Natürlich hab ich mir zu dem Zeitpunkt so langsam Sorgen um meine Kohle gemacht, aber wenn man mal ehrlich ist, hab ich schon seltsamere Fahrten gehabt. Zurück in der Köpenicker hielt ich abermals ziemlich blöd, dieses mal als Einziger auf weiter Flur. Die nächsten 10 Minuten bekam ich folglich ein Best-of an Beleidigungen von Rad- und Autofahrern zu hören. Aber was willste machen, wenn die Kundschaft gehbehindert ist? Mal kurz ums Eck fahren?

Irgendwann kam die Begleiterin wieder raus und meinte:

„Er sucht noch seinen Ausweis.“

„Wozu?“

„Weeß ick do’nüscht!“

Ich kam mit ihr ein bisschen ins Gespräch, so langsam wollte ich auch wissen, was hier eigentlich abging. Er ließ sich kreuz und quer durch Kreuzberg fahren, sie beklagt, dass sie schon wieder nüchtern werden würde … und sie war nicht einmal seine Frau. Hä?

Von ihr hab ich dann erfahren, dass sie den Herrn nur flüchtig kennt, ein paarmal beim Trinken getroffen, so wie an dem Abend eben. Beim Trinken hätte sich der Kerl dann in die Hose gemacht („Gut, dass Sie Ledersitze haben!“)* und außerdem noch mehr Geld holen wollen. Seine Frau gab ihm dann die Bankkarte mit. Er hatte in die illustere Runde gefragt, wer ihn begleiten wolle – aber bis auf sie hätten alle abgelehnt. Sie wisse nun auch warum, meinte sie. So eine Odyssee wolle sie sich auch kein zweites Mal mehr antun. Sie war offenbar auch davon ausgegangen, dass es einfach kurz eine fünfminütige Fahrt ums Eck sein würde – und dann, zack: nächstes Bier!

Als sie das mit dem Ausweis nochmal anspricht, sage ich ihr, dass sie ihm das besser ausredet. Die Uhr laufe schließlich und wirklich brauchen sollte er den Ausweis bei ihrem Stammkiosk ja wohl nicht ernsthaft. Daraufhin hat sie zum einen entgegnet, dass sie ohnehin vermutet, er hätte den Ausweis dort gelassen, zum anderen bemängelte sie, dass ich die Uhr ja auch ausmachen könnte, weil: Da sitzt ja keener drin!

Ich hab sie noch kurz darüber aufgeklärt, was es mit dem Wartezeittarif auf sich hat und dass ich mir auch besseres vorstellen könnte, als darauf zu warten, dass jemand mal kurz seine Wohnung auf den Kopf stellt. Und, das sei positiv angemerkt: Das hat sie verstanden und dann beschlossen, den Typen rauszuholen. Die Uhr stand nun bei 30 €, mehr als eine Stunde war seit Beginn der Fahrt verstrichen – und wir waren keinen Kilometer Luftlinie vom Start- und Zielpunkt entfernt.

Natürlich machte ich mir inzwischen Sorgen, aber wenigstens sie schien mir trotz Alkoholisierung zurechnungsfähig und auf eine ihr ganz eigene Art auch sympathisch zu sein. Meine Begeisterung hielt sich trotzdem in Grenzen, als sie nach ein paar Minuten wieder alleine rauskam und sagte:

„Dit wird nüscht mehr!“

„Wie jetzt?“

„Na, der will ohne seen Ausweis nich‘ weg hier!“

„Das ist ja meinetwegen ok. Aber wer bezahlt mir jetzt bitte die Fahrt?“

„Na, ick sicher nich‘!“

Na dann ist ja alles geklärt! -.-

Sie drückte mir noch einen Zettel von ihm in die Hand, der – so mutmaße ich mal – irgendwie ein Versprechen für eine Rechnungsbegleichung sein sollte. Allerdings war das Dokument mit vier Zeilen „Text“ sowas von komplett unleserlich, da hätten sich Ärzte noch eine Scheibe von abschneiden können. Ehrlich: Ein Wort habe ich gefühlt als „Taxi“ entziffern können, der Rest war eine Aneinanderreihung von Kringeln. Hätte auch Steno oder Arabisch sein können. Bei allem Optimismus und gutem Willen war das Ding so wertvoll wie eine Kinderzeichnung.

Da sie aber selbst noch zum Ostbahnhof zurückwollte, hab ich sie kurzerhand eingeladen und ihr gesagt, dass wir dann eben zur Polizei fahren. Sie fand das nicht unbedingt toll, hat sich aber auch nur so mittelprächtig gewehrt. Ich hab ihr (der Wahrheit entsprechend) auch nochmal gesagt, dass das jetzt nichts persönliches ist und ich von ihr auch gar nicht erwarten würde, dass sie das Geld zahlt (obwohl sie gerne dürfe!) und ich sie nur als Zeugin bräuchte, weil sie den Typen kennt. Es war eine schmale Gratwanderung, denn gepasst hat ihr der Mist natürlich überhaupt nicht. Aber ich hab sie bei ihrem Unmut über den Typen gepackt und zudem einfach auf ihr Gerechtigkeitsempfinden gesetzt:

„Ist für Sie scheiße, ist für mich scheiße, schon klar. Aber ich hab jetzt anderthalb Stunden Zeit für sie geopfert, da nehmen Sie sich bitte jetzt auch die Zeit für mich!“

Und so saßen wir dann 5 Minuten später auf dem Polizeirevier und haben uns gemeinsam ein bisschen über den Abendverlauf geärgert. Und so ewig es uns auch vorkam: Eigentlich war die Wartezeit kurz. Im Büro der Beamtin erläuterte ich kurz, wie das alles verlaufen war, die Version meiner Begleiterin war genau gleich, nur angereichert durch Wiederholungen und Unwichtigkeiten. Ein kleines Problem war dann doch die Identität des Missetäters, denn sie kannte ihn nur als „Herbert“. Die Wohnadresse, zu der wir gefahren waren, war auch nicht seine, sondern die seiner „Frau“, die aber in Wirklichkeit nur sein Freundin war.

„Hilde Schuhmann, so stand’s ja auch auf der Karte vonner Bank!“

Ein nachnamenloser Herbert also. Na klasse.

Aber was wäre die Welt ohne herzerweichend bescheuerte Zufälle!

Während die Beamtin mit hochgezogenen Augenbrauen die Anzeige aufnahm, kam einer ihrer Kollegen rein und meinte, sie solle unbedingt mal auf Wache XY anrufen, das hätte vielleicht „mit der Geschichte hier“ zu tun. Während ich mit mir selbst Wetten abschloss, ob es dabei auch wirklich um „meine Geschichte“ gehen könnte, verschwand die Polizistin zum Telefonieren. Und siehe da: Ein gewisser Herbert hatte wohl seinen Ausweis an einem Bahnhofsimbiss liegen lassen und die Cops haben da aus zwei Halbsätzen mal eben flugs einen Zusammenhang erschlossen. Fast wie bei Tatort. Ja, scheiß doch die Wand an! 😀

Natürlich: Das kann trotzdem alles im Sand verlaufen. Von Hans Baecker hab ich auch nie wieder was gehört. Vielleicht ist der Kerl ja dement und mittellos, was weiß ich schon. Seine Bekannte wusste da jedenfalls auch nix. Aber mal davon ausgehend, dass er zahlen wollte und es irgendwie auch kann … vielleicht wird das ja noch was. Dann wären zwei Stunden Zeitaufwand für am Ende 37,40 € ja eigentlich doch ganz in Ordnung.

*Das war schon lange getrocknet und gerochen hat auch nix. Diesbezüglich hat mir die Fahrt genau null Ärger gemacht. Einmal abgewischt hab ich hinterher vorsichtshalber aber doch.

Von der besten aller Möglichkeiten

Steht da ein zerzauster Typ mit einer Aldi-Tüte voller Bierflaschen am Straßenrand zwischen Stralau und Rummelsburg und winkt ein Taxi heran. In meinen Gedanken spulten sich die möglichen Anfragen ab:

a) „Bringst mir für’n Fünfer nach Friedrichshain?“

b) „Ich hab mich verlaufen. In welche Richtung geht’s Richtung Ostkreuz?“

c) „Haste mal’n Euro?“

d) „Du, die Aliens verfolgen mir, fahr mit mir inne Spree, das verwirrt die!“

e) „Warum halten Sie?“

Trotz geringer Wahrscheinlichkeit handelte es sich aber um einen Superwinker der Extraklasse, und der stellte dann Anfrage f):

„Reicht ein Hunni bis nach Bad Saarow?“

Hat gereicht. 🙂

Am Ende hat er mich zwar am Bahnhof dort einmal im Kreis fahren lassen, bevor er dann wirklich wieder aufgewacht ist – aber sonst war’s eine absolut grandiose Fahrt.

Betrunkene Frauen, Mercedessterne und Kartenzahlung

Ich hatte die beiden Frauen bereits gesehen, als sie am Ostbahnhof vor mir ein anderes Taxi verlassen haben. Schließlich war es schon spät, es fuhren keine Bahnen mehr von dort und selbst der 24h-McDonald’s hatte seine einstündige Putzpause eingelegt. Entsprechend enttäuscht kamen die beiden auch aus der Bahnhofshalle wieder raus, nachdem der Kollege schon abgedampft war. Und ich war erster in der Schlange. Eine der beiden steuerte zielstrebig auf mich zu, die andere wollte weiterlaufen.

„Kann ich hier mit Karte zahlen?“

„Sicher.“

„Oh, super! Schatz, steig ein!“

„Schatz“ aber hatte andere Pläne:

„Komm doch mit ins Q-Dorf!“

„Schatz, wir sind am Ostbahnhof!“

„Nee, gleich hier ums Eck, glaub mir doch!“

„Schatz, wir sind am Ostbahnhof!“

„Ja, Schatz, aber gleich hier das Q-Dorf …“

„Ostbahnhof!“

„Ist doch egal, ich seh doch den Mercedesstern!“

„Schatz, das ist der Ostbahnhof!“

„Weiß ich doch, vertrau mir doch einmal. Lass uns ins Q-Dorf feiern gehen!“

(Das ist eine Zusammenfassung eines fünfminütigen Austausches …)

Man sollte anmerken, dass wir – hatte ich ja schon geschrieben – tatsächlich am Ostbahnhof waren. Und dass die Dame, die ins Q-Dorf wollte, rund 1 Promille mehr intus hatte als die andere, die mir nebenbei gesagt hat, ich solle sie zum Hauptbahnhof bringen. Entsprechend habe ich entschärfend eingegriffen und der sehr betrunkenen Freundin erklärt, dass Berlin schon lange nicht mehr nur über einen rotierenden Mercedesstern verfügt und dieser hier nicht der des Europacenters sei, den sie sicher im Kopf hätte.

Mit einem Satz, der ungefähr „Ihr Ficker, macht doch was ihr wollt!“ lautete, stieg sie dann letztlich ein.

„Nur ums Eck. Zum Q-Dorf!“

„Das ist gut und gerne 8 Kilometer weit weg!“,

wusste ich nun einzuwerfen.

„Egal, dann halt da kurz an!“

„Das ist aber wesentlich weiter als zum Hauptbahnhof, das ergibt keinen Sinn!“

Die nüchternere der beiden  sagte mir, ich solle einfach zum Bahnhof fahren, ich solle nicht auf die andere hören. Dass sie wusste, was sie tat, hat mich gefreut, dass „Schatz“ indes so lautstark groteske Ideen hatte, war allerdings eher unschön. Bei voller Fahrt rief sie z.B. plötzlich laut, dass ich sofort anhalten solle. Ich hatte ohnehin Sorge, dass ihr eventuell schlecht werden könnte, aber stattdessen war es nur so, dass ihr plötzlich bewusst geworden war, dass sie kein Geld mehr hatte. Was eigentlich keine Rolle spielte, da ihre Freundin ja mit Karte zahlen wollte. Argh!

Kurz gesagt: Es war eine anstrengende Fahrt. Obwohl die Begleiterin (oder eher: meine eigentliche Kundin?) sehr nett war. Am Bahnhof angekommen passierte dann das, was passieren musste: Die Karte funktionierte nicht. Was irgendwie klar war. Denn natürlich hatte ich den Zuschlag für die bargeldlose Zahlung bereits eingegeben – insgesamt war aber nur noch Bargeld für den eigentlichen Betrag übrig. Da hab ich als Neuling* aber auch ein Glück gerade. Aber gut: Wenn ich ehrlich bin, war ich am Ende vor allem froh, die Tour hinter mir zu haben. Spätestens seit meine Kundin ihrem „Schatz“ das Geld aus der Tasche pfrimelte und jene mir in dem Moment eloquent mitteilte:

„Was wills’n Du hier überhaupt mit deinem Scheißbart? Bist Du dumm oder so?“

Manche Kunden sieht man vermutlich in jedem Job irgendwann eher als Patienten.

*Neuling bezieht sich auf die Kartenzahlung. Seit dem 8. Mai 2015 müssen alle Berliner Taxifahrer Kartenzahlung akzeptieren. Ich hab das bisher nicht thematisiert, weil ich selbst ein wenig spät überlegt habe, wie ich das mache. Ich hatte mit einem Gerät fürs Handy geliebäugelt, aber das wollen meine Chefs nicht zahlen. Denn grundsätzlich hatte ich schon lange einen Kartenleser an Bord, der aber nur in Kombination mit dem Datenfunkgerät funktioniert. Und das Teil ist – das sage ich auch jetzt, nach ein paar Wochen Benutzung, eine Ausgeburt der Hölle. Wäre das Ding eine Software zum Bloggen, dann müsstet ihr mit unformatiertem Text leben und ich das Veröffentlichen im vierten Untermenü des Punktes „Lustige Nebenaspekte“ suchen. Aber ja, ich nutze es inzwischen, zu genau dem Zweck: die inzwischen vorgeschriebene Kartenzahlung zu bieten. Und dabei habe ich inzwischen eine tolle Quote: Immer (!) wenn alles funktioniert hat, hatte ich vergessen den Zuschlag zu drücken – und immer (!) wenn die Kartenzahlung wegen kaputter Karten oder wählerischem Leser fehlschlug, hatte ich ihn bereits eingetippt. Was für ein praktisches Werkzeug …

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Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

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Kontrolliertes Koma

Über den Abend des Kunden versuchte ich mir möglichst keine Gedanken zu machen. Er winkte mich hackevoll vor einem Puff ran; und zwar so voll, dass es mich gewundert hat, dass er noch Geld fürs Taxi besaß. Er war so dermaßen hinüber, ich hätte ihm wahrscheinlich am Ende der Fahrt alles erzählen können, vielleicht einen Mondumrundungsaufschlag verlangen oder so (ich notiere mir das mal gedanklich, man weiß ja nie …).

Zunächst war da natürlich die selbe Sorge wie bei allen Druffis: Hoffentlich reihert mir der nicht ins Auto!

Aber weit gefehlt. Erst nannte er mir eine Adresse, noch dazu eine nicht ganz einfache, bei der ich wegen der Schreibweise in Vertretung meines Navis nachfragen musste. JWD in Mahlsdorf, eine gute Tour von der Länge her. Kaum dass er mir die gewünschte Auskunft gegeben hatte, trat er umgehend weg, Zack – als hätte wer einen Schalter umgelegt. Er hat sich nicht einmal mehr die Mühe gemacht, sich gemütlich einzurichten. Er war eingeschlafen, wie er eben mit mir gesprochen hatte: Aufrecht und nicht angelehnt sitzend, die eine Hand am Türgriff (nicht der zum Öffnen!), den Mund offen. Nur der Kopf war leicht nach vorne genickt. Ein faszinierendes Bild.

Und sowohl den schlafenden Zustand als auch die Sitzposition hat er über 20 Minuten durchgehalten. Er ist nicht beim Beschleunigen in den Sitz gesunken und beim Lenken nicht gegen die Scheibe gedonnert. Chapeau!

Und trotzdem habe ich ihn am Ende mit einem einfachen „Hey, wir sind da …“ wecken können. Gut, seine Orientierung hat noch eine Minute zum Aufwachen gebraucht und er ist am Ende einmal gegen sein Gartentor gelaufen (Also ich hoffe zumindest mal, dass es seines war. 😉 ).