Unterstützung

„So, dann …“

„Oh! Wir sind schon da? Wow! Na, da sind Sie aber sehr schnell gefahren!“

„Naja, war ja nur einmal links und dann ein paar hundert Meter …“

„Ach, dann hätte also Kurzstrecke auch fast reichen können?“

„Sicher, aber das geht halt nicht vom Stand aus …“

„Jajajajaja … woll’n wir auch gar nicht. Wir wollen voll zahlen! Die lokale Wirtschaft, die Taxizunft unterstützen!“

„Na, dann nehme ich die etwa 1,10 € – die’s gleich mehr sein werden – doch dankend an.“

„Jajajaja! Hier, stimmt so!“

Ein Zehner. Für eine 6,10€-Tour.

Wenn man sich jetzt noch überlegt, dass sie mich nach 3 Minuten Anstehen mitten (!) aus dem hintersten Nachrückebereich rausgefischt hatten, dann bleibt mir kaum mehr als ein Danke übrig. Obwohl, eher wohl so:

„Jajajajaja, danke.“

😉

Verkorkster Schichtstart

Es gibt ja so Tage, wo man sich schon zu Beginn denkt, dass sie furchtbar werden. So bei mir der vergangene Samstag. Ich hab mich kränklich gefühlt und entsprechend kaum Bock aufs Arbeiten. Aber mit etwas Verspätung bin ich dann trotzdem losgekommen.

Und wie bereits an den zwei vorherigen Tagen winkte es auch bereits in der Wühlischstraße, bevor ich mich das erste Mal an einen Stand gestellt habe. Touris.

„Äh, could you take five persons?“

„Yes, I can do that.“

Es war das übliche: Alle sind rein, dann mussten sie wieder raus, damit ich den Sitz hinten zugänglich machen konnten. Chaos, Kauderwelsch und lautstarkes Rumwuseln. Aber gut, gehört dazu.

Als sie dann endlich eingeladen waren, wurde mir ein Handy vor die Nase gehalten und neben mir hat es gehupt. Ich hab rausgesehen und da stand ein leicht verärgerter Kollege mit einem Bus – woraufhin ich die Leute gefragt hab, ob sie etwa ein Taxi bestellt hatten. Hatten sie natürlich …

Ich hab dem Kollegen kurz erklärt, dass ich das nicht wusste und da war er wenigstens verständig. Ich hab meinem lustigen Fünfertrupp dann nahegelegt, doch bitte beim Kollegen einzusteigen, er sei schließlich extra ihretwegen hergefahren. Sie waren ebenfalls keine Spielverderber und sind flott rübergewuselt. Und dabei hab ich dann auch erfahren, dass die Tour bis zur Kopernikusstraße gehen sollte. Da tat mir der Kollege ja fast schon wieder leid …

(Die Kopernikusstraße ist die Fortsetzung der Wühlischstraße, die Tour ging also nur irgendwas zwischen 500 und 1200 Meter weit)

Aber gut, nicht mehr mein Ding! Ich bekam gleich an der Warschauer einen weiteren Winker, der mit folgender Ansage einstieg:

„Ersma zur Warschauer!“

Aber gut, es sollte zur S-Bahn-Station gehen, dort sollte jemand zusteigen und dann ginge es weiter. Soweit die Theorie. In der Praxis ging die Person nicht ans Telefon und mein Kunde sollte die Fahrt nach wenigen Metern bei 4,70 € auf der Uhr wieder beenden. Weniger als Kurzstrecke! Nicht, dass das schlimm wäre, aber der Typ fand die Fahrt inzwischen selbst völlig unnötig, was vielleicht erklärt, weswegen er trotz hundertfacher Entschuldigung nur ein Wahnsinnstrinkgeld von 30 Cent gegeben hat.

Als ich danach an den Ostbahnhof gerollt bin, war mir das eigentlich schon zu viel Stress für zu wenig Umsatz.

Aber, ich will ehrlich sein: So ging es glücklicherweise nicht weiter. Ich bekam mal eben flott als Fünfter am Stand eine 30€-Tour. Wie sich eben immer alles ausgleicht. 🙂

Eher weniger kompliziert …

Es ist ja nicht so, dass man für alle Taxifahrten viel Ortskunde brauchen würde. Dieser Kunde winkte mich am Pegasus heran und meinte:

„Bitte, bitte: Ich muss echt schnell zum Ostbahnhof!“

Ähm, ja:

Darf's ein bisschen mehr sein? Quelle: osrm.at

Darf’s ein bisschen mehr sein? Quelle: osrm.at

Aber nur mal so: Ich hab mich gleich mehrfach hilfreich verhalten. Ich hab Kurzstrecke gemacht, womit der (zum Normalpreis ungefähr identische) Preis feststand und das Bezahlen an der einzigen angeschalteten Ampel gleich erledigt. Zudem hab ich den Hintereingang erst selbst nahegelegt, weil bei Eile alles andere dumm gewesen wäre. Und geheizt bin ich natürlich auch, ist ja klar. 🙂

Und ja: Für den Arbeitsaufwand bezüglich Zeit und Strecke sind 5,00 € Fahrpreis + 1,00 € Trinkgeld einfach mal ein guter Deal für mich!

*weiß Bescheid*

„Oh! Hier sind wir ja schon! Wir sind von hinten rangefahren?“

„Ja, ist der kürzeste Weg …“

Da hat sie sich zu ihrer Mitreisenden gewandt:

„Ich hab Dir gesagt: Lass uns in Berlin Taxi fahren – die wissen, wie man’s macht!“

Der geht dann wohl gleichermaßen auch an alle Kollegen. 🙂

Rückbankmissverständnisse

„What time is it?“

„5:30.“

„How did you know?“

„There’s a clock!“

„Oh! But it’s 5:50 already.“

Da bin ich dann eingesprungen:

„Guys, that’s the meter. And since we would reach noon during the ride I want to tell you it’s just 3:30. OK?“

Auch wenn ich grinsen musste. Ich hätte nicht erst nach 7 Jahren mit so einer Verwechslung gerechnet. 😀

Hektische Zustiege

tl;dr: Manchmal verhalten wir Taxifahrer uns auch nur komisch, weil Menschen – und damit unsere Kunden komisch sind. Deal with it!

Ich weiß ja, dass wir Taxifahrer manchmal nerven. Stehen dumm auf der Straße rum, heizen und wechseln aprupt die Richtung. Dass es auch bei uns Idioten gibt: Klar. Ich bin durch meinen Alltag inzwischen aber immer versöhnlicher mit dem Verhalten von Kollegen geworden. Nicht einmal wegen übertriebener Solidarität, sondern weil ich tagein tagaus merke, wie schnell man in so Situationen kommen kann, ohne dass man der letzte Arsch auf der Straße sein will. Da rennt einem hier ein Kunde fast vor’s Auto und dort wird aus einem angesagten Rechts plötzlich ein Links. Und der Milisekunden-Überlegungsvorgang, ob man der Verkehrssicherheit oder den Kunden den größeren Dienst in einer kompliziert abzuschätzenden Situation erweisen will, liefert gelegentlich einfach mal ziemlich willkürliche Zufallsentscheidungen. Im Grunde bin ich sogar jedes Mal froh, dass ich nicht stattdessen einer völlig abwegige Übersprungshandlung verfalle.

So ein plötzlich auftretender Kunde kann im Einzelfall für uns der sprichwörtliche Ball aus der Fahrschule sein, der zwischen zwei Autos hervorrollt. Während man aber bei der Fahrschule irgendwann gelernt hat: Vollbremsung ist immer gut – im Notfall ohne Rücksicht auf Verluste; kann es in diesem Fall aber auch der Lotteriegewinn sein, den man einsackt, wenn man drüberfährt. (Natürlich im umgekehrten Sinne: An Kunden vorbeifahren zugunsten eines vermiedenen Unfalls)

Es ist vielleicht schwer, das Nicht-Taxifahrern begreiflich zu machen, aber es ist wirklich ein völlig anderes Verkehrsverständnis nötig, wenn man sein Geld mit dem Transport von Leuten verdient, die allenthalben unmittelbar am Straßenrand spawnen können. Ich bin überzeugt: ein guter Fahrer denkt zuerst an den fließenden Verkehr. Aber das klingt wirklich verdammt locker, wenn man normalerweise nur 0/1 zwischen Vor-sich-hinömmeln und Todesgefahr unterscheidet. Wir können es nicht vermeiden, mal stehenzubleiben, wo wir stören. Oder mal langsamer zu fahren, weil wir was suchen. Und ebenso wie es selbstverständlich zur Professionalität gehört, niemanden zu gefährden, gehört es auch dazu, mal eben noch schnell das Linksabbiegen zu managen, obwohl wir schon rechts geblinkt haben, weil ein Kunde keine Ahnung hat, der sonst erforderliche Umweg aber sein Budget überfordern (oder unser Trinkgeld schmälern 😉 ) würde.

Das ist kein Entweder-oder mehr. Natürlich halte ich auf der rechten Spur – ich muss aber abwägen, ob der hinter mir (ohne Vollbremsung natürlich!) die Möglichkeit hat, abzubremsen, anzuhalten, vorbeizuziehen, etc..
Und das Schwierigste an der ganzen Chose ist: Es hängt immer auch von den Kunden ab. Und die fahren oft nicht einmal Auto oder haben ein herzerweichendes Unwissen über den Verkehr im Großen und Ganzen und ihre Situation gerade im Speziellen. Sie winken einen in einer Kurve ran, im einzigen einspurigen Bereich der Straße. Sie wollen an Bushaltestellen aussteigen, würden gerne in 25 Minuten von Berlin nach München und bemerken auf der rechten von vier Spuren, dass sie jetzt lieber links abbiegen würden. Und das immer spontan, immer an einer anderen Ecke. Mir geht’s nicht um das Rechtfertigen von Idiotie, ich möchte nur um etwas Toleranz für Fehler bitten.

Ich hatte kürzlich einen (glücklicherweise weitgehend harmlosen) Fall, in dem mich sicher einige für einen Idioten gehalten haben, der für Geld alles macht. Ich stand auf der mittleren von drei Spuren an einer Ampelkreuzung und es war rot. Als ich angehalten hatte, war keine Kundschaft in Sicht. Meine Spur führte geradeaus, ebenso wie die rechts neben mir. Da man von jener jedoch auch rechts abbiegen konnte und sich schon zwei Abbieger dort versammelt hatten, wählte ich die Mittelspur. Ich war auf einer meiner Routinerouten auf Kundensuche, ich hatte den Blick meist auf den rechten Fahrbahnrand gerichtet und die nächsten 5 Kilometer Wegstrecke inklusive aller Spurwechsel komplett abgespeichert. Nach der Kreuzung wäre ich nach rechts gewechselt, dort aber nur bis zur nächsten Kreuzung verblieben. Fortan wäre wegen viel Fahrradverkehr die mittlere der (dann drei Geradeaus-) Spuren meine gewesen. Der Blick immer im Dreitakt: Vorne-Mittelspiegel-rechter Seitenspiegel. Bei einem Kunden wäre ich zu jeder Sekunde immer im Bilde, wer gerade wo und wie schnell hinter mir fährt. Fänden die meisten Autofahrer wohl superstressig, ist aber mein Alltag, wenn ich „total gechillt“ und „mit Musik auf Anschlag“ „ohne Arbeit“ durch Berlin cruise.

Noch stand ich aber ja an der Ampel. Die Hand war schon fast soweit, rechts zu blinken, da die neben mir abbiegen wollten und ich dann die rechte Spur zu nehmen gedachte. Im Rückspiegel hatte ich den BMW hinter mir fixiert, in dem mindestens zwei Typen um die 20 saßen, die vorher schon leicht verhaltensauffällig waren und bei denen ich befürchtete, sie würden ebenfalls schnell die Lücke nutzen wollen, um rechts an mir vorbeizuziehen, sobald die Ampel grün werden würde und ich 5 Meter Weg zurückgelegt hätte. Es würde gleich grün werden, mein Fuß zuckte schon am Kupplungspedal.

Dann klopfte es 10 Zentimeter links von meinem Ohr an die Scheibe.

Ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, dass mich das jetzt, nach sieben Jahren im Taxi, selbstverständlich kein bisschen mehr erschreckt. Eine junge Frau begann mit Handzeichen den Wunsch zu signalisieren, dass sie gerne einsteigen würde. In dem Moment schaltete die Ampel auf grün und der im BMW hinter mir lies die Hand leicht über der Hupe kreisen. Für den Fall, ich sollte auch nur einen Fehler machen. Ich gab ihr ein in meiner Vorstellung super eilig wirkendes Zeichen, dass sie sich beeilen solle, wahrscheinlich hab ich aber geistig umnachtet irgendeinen Werwolf-Balztanz aufgeführt. Jedenfalls hab ich anschließend festgestellt, dass ich zeitgleich das Taxameter angeschaltet hatte.
Sie stieg trotzdem ein und fragte zögerlich:

„Können Sie hier wenden?“

Blick nach links, nebenher den Blinker gesetzt, Blick in den linken Außenspiegel. Ein Auto. Noch ca. 30 Meter, fährt aber höchstens 30. Könnte hochbeschleunigen wegen der Ampel, aber ich blinke schon. Ätsch. und rüber. Es sind zwei bis drei Sekunden vergangen und meine Kundin hat mir die Adresse genannt. Ich schaffe es bei gelb über die Ampel und der hinter mir versucht es auch noch. Ich bin kurz davor, Straßenbahnschienen zu überqueren, ohne nachgesehen zu haben, ob eine Bahn kommt. M-Linie, fährt auch nachts. Alle 30 Minuten nur, aber der Statistik nach an allen Unfällen mit Straßenbahnen um die Zeit beteiligt, kreuzgefährlich also. In meinem Kopf ist aber nur Matsch, weil ich weiß, dass die Straße der Kundin in der Nähe liegt und ich schon mal überlege, ob ich bereits die nächste wieder abbiegen müsste, ob sie vielleicht gar eine Kurzstrecke haben will und – das mit der Straßenbahn ist eh zu spätz jetzt, Glück auf! – wenigstens den Fußgängerüberweg auf der anderen Seite abchecke. In dem Moment wirft die Kundin ein:

„Halt!“

Doch eine Bahn? Während ich nach links blicke, trifft mein Fuß die Bremse und sorgt für ziemliches Unbehagen des Fahrers hinter mir, der ohnehin schneller als ich noch die Kurve kriegen wollte, die ich mit meinem Heck noch zum Teil blockiere.

Er weicht aus, während ich erkenne, dass da gar keine Bahn kommt. Meine Kundin hat die Hektik der Situation noch nicht einmal wahrgenommen und führt das Gespräch unbeirrt fort:

„Bevor wir losfahren, wollte ich noch schnell fragen: Nehmen Sie auch Kreditkarte?“

Sicher: Eine lebenswichtige Sofort-Frage. Man stelle sich vor, wir hätten uns anschließend um 4,10 € statt um 3,90 € kabbeln müssen!

Ich hoffe, es kam beim Lesen wenigstens ein bisschen so actiongeladen rüber, wie ich’s beim Schreiben empfunden hab. Im Auto selbst waren dass allenfalls eine verschwindend geringe Menge Adrenalin, gerade genug, um vielleicht zwei Schweißtropfen zu bilden. Es ist halt doch vor allem Alltag. Wie der restliche Verkehr auch – der sich natürlich ähnlich blumig umschreiben lassen würde, wenn ich euch nicht einseitig manipulierend davon überzeugen wollte, dass ich hier mal voll den abgefahrenen Superscheiß abziehe. 😉

Langer Rede kurzer Sinn: Ich weiß, wie tief der Impuls zu hupen sitzen kann, wenn einem mal wieder jemand den Tag versaut, weil er fährt, als hätte er im Schädelinneren eine halbe Dose Chappi. Aber die anderen Verkehrsteilnehmer haben’s auch nicht immer leicht, haben ihre eigenen Sorgen und Nöte – selbst wir Taxifahrer. Manche brauchen den Stinkefinger und die Hupe vielleicht, aber ich glaube, dass es im Grunde auch eine Prise Metal auf Anschlag tut. Ohne die anderen, die gerade WIRKLICH im Stress sind, mit Maßregelungen zu nerven.

§1 StVO und Fehlertoleranz: 23 Zeichen für eine bessere Welt!

PS: Laut WordPress hat der Text 1337 Worte. Was ja wohl zeigt, dass ich weiß, wovon ich rede. 😉

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Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

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Zu viel Ortskunde?

Es ist immer ärgerlich, wenn der Taxifahrer einen zum falschen Ort bringt. In dem Fall letzte Nacht konnte ich es aber ausnahmsweise fast nachvollziehen.

Der Fahrgast wollte zum Hasir-Restaurant in der Oranienburger Straße. Nun ist das Hasir dort vergleichsweise unauffällig. Und es existieren weit sichtbarere und zahlreichere Schilder in der Oranienstraße. Und Kunden, die mit Oranienburger und Oranienstraße durcheinanderkommen … sagen wir’s mal so: das ist der dreiblättrige Klee unter den Ansagen zu einer der beiden Straßen.

Vermutlich war der Kollege also einfach nur sehr sicher, es besser zu wissen. Hat in dem Fall nicht gestimmt. Immerhin hat’s dadurch auch für mich nochmal zu einer Fahrt gereicht … 😉