Reiseunlustiger Papagei

Und da stand er dann vor mir. Rote Hose, gelbes Hemd, blaue Jacke. Ein Papagei vielleicht.

„Sahsemal, brimsemimal Friessein!?“

„Ich bringe Sie gerne nach Friedrichshain, aber etwas genauer sollte es schon sein, immerhin sind wir bereits im entsprechenden Stadtteil.“

„Boah, figgdich, du Schreber!“

Und das war’s dann mit der Geschäftsbeziehung. Es hat ja niemand gesagt, dass es einfach ist …

-.-

Besser reden als fahren

Ich war wirklich zuversichtlich, als die fünf Mädels am Ostbahnhof auf mein Auto zukamen. Clubgängerinnen ohne Gepäck, alle nicht sonderlich groß, das passt! Ich hab sie kurz auf die Enge hinten hingewiesen, aber das hat sie gar nicht interessiert. Als die ganz hinten schon eingestiegen war, meinte eine andere dann:

„We want to go to Kater Blau.“

Nun hatte ich nicht lange gewartet und mir eigentlich nur gedacht, dass das ja fast rekordverdächtig vom Kilometerschnitt her wäre … aber dann hab ich doch besser mal nachgefragt, ob sie denn wüssten, wie weit das entfernt wäre. Und auch wenn ich als ständiger Kartennutzer das nicht nachvollziehen kann: So genau hatten sie natürlich nicht geguckt. Wirklich nur 400 Meter? Und dann natürlich, was das kosten würde.

„Well, the meter starts with 3,90€, for more than four persons, there’s a 5€-fee … so in the end we would be possibly over 10€.“

Und da sind sie dann doch gelaufen und fanden es nett von mir, dass ich ihnen das vorher gesagt hatte. Ich bin ja im Normalfall nicht so wie bei der „Mach ma billig“-Tour. Super für mich war das Ganze aber nur bedingt, denn ich hab am Ende dann noch 20 weitere Minuten warten müssen und trotzdem nur eine Fahrt im einstelligen Zahlenraum bekommen. Aber irgendwas ist ja immer.

Der Marvin

Das war so ein klassischer Fall von gutem Lauf. Ich hatte vom Stand weg eine nur kurze Tour bekommen, bin dann etwas bedröppelt drei Kilometer durch die Gegend gegurkt, hab Winker für einen Zwanni bekommen und als die aussteigen wollten, stand draußen schon der Marvin.

„Ist hier gleich frei, mal ehrlich, kann ich dann, ja, ja?“,

fragte er das unspektakuläre Pärchen, das ich in Niederschöneweide absetzen wollte und das erst mal das mit dem Zahlen hinkriegen wollte.

„Isser frei, frag ja nur, sagt doch! Ja? Ja?“

„Is‘ ja gut. Ja, er is‘ gleich frei – aber entscheiden muss der Fahrer das selber!“,

fauchte es von der Rückbank zurück. Marvin kümmerte der unleidliche Tonfall keine Spur:

„Super! Suuuper! Das‘ ja’n Ding! So ein Glück! Ich raste gleich aus!“

Die nächsten zehn Sekunden bemerkte er, dass er eine Bierflasche in der Hand hatte und fürchtete, deswegen nicht mitgenommen zu werden. Anstatt deswegen mal kurz mich zu fragen (und ein ok zu bekommen), versuchte er, das Bier meinem aussteigenden Fahrgast in die Hand zu drücken:

„Nimm doch. Mann, nimm jetzt. War teuer, muss weg, freu Dich!“

Wer jetzt glaubt, der Kerl hätte einen an der Klatsche gehabt, der hat das ganze Ausmaß noch nicht begriffen. Hatte ich zu dem Zeitpunkt auch noch nicht. Marvin nannte mir mal eben eine Zieladresse in Weißensee und beschloss, mir 100€ Vorschuss zu geben. Ich hab abgeklärt geantwortet, dass wir vermutlich leicht unter dem Betrag nach Weißensee kommen würden. Also eher so 30€.

„Is aber kein Problem. Ich kann Dir auch 100 Schweizer Franken geben. Oder ich geb Dir tausend. Oder einen Zwanni. Ganz wie Du willst, ganz wie Du willst … aber ich muss kurz pissen, is dringend. Halt mal hier an bitte!“

Da hatten wir gerade mal einhundert Meter Fahrt und 45 Sekunden hinter uns.

Ich hab an der nächsten Kneipe angehalten und er hat sich dort einen Klogang erbettelt. Ich will mir nicht einmal ausmalen, mit wie vielen Worten. Ein Zwanni lag inzwischen auf meinem Armaturenbrett, ich war also erstmal finanziell sicher. Auf die Idee, dass ich damit abhauen könnte, ist er sogar von selbst gekommen, anstatt aber auf mich zu hören und sich die Konzessionsnummer zu merken, wollte er meinen Vornamen wissen.

Als er wieder rauskam, war er höchst verzückt, dass ich immer noch da war:

„Ach je, ehrlich jetzt? Na Du bist mir ja ein ehrlicher Kerl. Christoph, oder?“

Im Folgenden haben wir eine knappe halbe Stunde zusammen verbracht und ich hab gelegentlich auch mal ja oder nein sagen können, ansonsten hat er durchgehend gequasselt. Und es hat absolut null Sinn ergeben. In Monologform würde sich das ungefähr (!) so lesen:

„Halt! Wir rauchen jetzt eine! Ach nee, lieber nicht. Aber danke für deine Ehrlichkeit! Mann, echt jetzt: Du bist ja ein dufter Typ. Glaubste jetzt nicht, was? Aber ich bin da so der Feeling-Typ, ich merk, was in deinem Herzen so abgeht. Warum machst Du das? Also hier, Taxifahren. Ist doch total bescheuert, Du könntest in der Schweiz so fett Kohle verdienen, aber bist halt seßhaft, was? Biste verheiratet? Ich hab ja auch Frau und Kind, kannste nix machen, und deine Frau, ist die auch scharf, ja? Zeig mal Foto! Glaub ich Dir nicht, dass Du keins hast! Egal, wichtig ist, dass es passt. Was hast Du für ein Sternzeichen? Ach, das hab ich gleich gewusst. Du bist echt so voll der super-relaxte Typ. Deine Oma war Waage, stimmt’s? Weil Du hast voll die Vibes von deiner Oma und deinem Opa, ganz ehrlich, ich spür das! Aber Sami, das ist blöd, Du sollst nicht so sein. Dann nützen dich die Menschen nur aus, im Ernst jetzt. Du bist einfach, deine Aura kribbelt mich echt die ganze Zeit, Alter! Du musst Dir das unbedingt bewahren, sowas gibt’s nicht oft. Willste Drogen? Kann ich dir geben. Koks? Amphetamine? Crack. Hab ich alles auf Tasche, sag ruhig. Ein Kilo, kein Problem! Haha, ich mach nur Spaß, haste gemerkt, oder? Also wenn Du jetzt ’ne Frau wärst, dann würde ich meine jetzt betrügen müssen, Du bist so’n dufte Typ. Aber puh, ist ja Gott sei Dank nicht so. Aber geiler Bart! Haste Kinder? Wusste ich. Aber deine Vibes! Du wirst eine Tochter bekommen, ich schwör’s, eine Tochter! Am 14. Mai! Versprich mir: Ruf mich an, wenn ich danebenliegen sollte, echt jetzt. Ist total wichtig! Hörst Du mir noch zu?“

Und das liest sich witziger als es war.

Unterwegs hat er dann noch einem Kumpel auf die Mailbox genölt, dass er gefälligst wach werden sollte, er habe sich schließlich extra heimlich von der Party seiner Frau geschlichen, um zu ihm zu kommen.

Bei der Bezahlung ist er immer kleinlauter geworden. Aus „jede Summe, die du willst“, wurden 50, 40 und schließlich der Fahrpreis plus ein paar in den Lüftungsschlitzen verteilte Münzen mit dem Gegenwert von 1,20€.

Meine Hoffnung, er hätte ohnehin beim Rumwedeln versehentlich einen Fuffi oder einen Hunni beim Aussteigen, hat sich leider auch als unbegründet erwiesen. Wo ist das Schmerzensgeld, wenn man es mal verdient!?

Am Ende war’s ja nur eine stinknormale Fahrt, lediglich mit übertrieben hohem Bullshit-Auswurf. Aber was willste machen, ist halt der Marvin, ne? N‘ dufte Typ, echt jetzt. 😉

„Zur Warschauer“

Mit den Worten fängt vom Ostbahnhof selten eine gute Tour an. Es ist halt eine Straße in ca. einem Kilometer Entfernung. Gut, Luftlinie klappt nicht, aber über zweie kriegt man auch nur sehr knapp zusammen. Im gestrigen Fall war das die lukrativste Tour des Abends. Denn es ging erst mal zum inzwischen wahrscheinlich deutschlandweit bekannten 24h-Kaiser’s – und dort kaufte meine Kundin erst einmal ein. Danach ging es noch an den Boxhagener Platz, einer Freundin was vorbeibringen.

Zu guter Letzt ging es wieder zurück zur Warschauer. Und da standen dann 18,90 € auf der Uhr. Bei vielleicht drei gefahrenen Kilometern. Und dass die gute Frau auf 22 € aufgerundet hat, hat die Sache dann endgültig zum lohnenden Stich gemacht und den Anfang der Schicht richtig gut gemacht.

Schade nur, dass es dabei nicht blieb. Im Verlauf des Abends hatte ich nicht nur eine gesalzene Wartezeit für eine Kurztour ohne Trinkgeld – nein, danach hatte ich mehrere Stunden das Vergnügen, stets hinter angeschalteten Taxifackeln herzutuckern. Es war nicht einmal so, dass es keine Winker gab – aber die haben fast alle die Kollegen vor mir gekriegt. Ihr dürft mir für heute Nacht die Daumen drücken, ich hab da was aufzuholen … 🙂

Hoch gepokert

Das Drama mit den Straßennamen in Berlin! Da landet man selbst mit dem richtigen schnell mal ganz woanders als man hinwollte – und dann gibt es noch die alltäglichen Verwechslungen …

„To the Berwelsrase in Kreissber.“

„The Baerwaldstraße in Kreuzberg?“

„Yes. Number 30. It’s a restaurant.“

Sagte mir nix. Aber ok, Straße mitsamt Stadtteil und Hausnummer. Da sollte ja nix schiefgehen! Ich hab die Nummer gleich ins Navi geklöppelt, damit ich nicht auf irgendwelche abenteuerlichen Restaurantschilder achten muss. Nun ist es nicht nur so, dass man vor Ort feststellt, dass es eine Nummer 30 gar nicht gibt. Viel deprimiender ist, dass der Block, wo die Nummer 30 hätte sein können, im Gegensatz zum Rest der Straße völlig dunkel und frei von allen Lokalitäten ist. Und während ich da ein betont dummes Gesicht zur sehr unschönen Situation gemacht habe, flötet es vom Beifahrersitz in diesmal fast perfekter Aussprache:

„You’re sure this is the bermannstrase?“

„The Bergmannstraße? Really? You said Baerwaldstraße.“

„Haha, I mispronounced it maybe …“

Selbst mir war in dem Moment noch etwas nach Haareraufen, aber dann war der Stadtplan im Kopf wieder komplett und ich bin weitergefahren. Die Bergmannstraße ist nämlich bereits die nächste Querstraße. Leider halt das unbelebte kurze Ende, das in einer Sackgasse mündet, bevor man auf den belebten Teil mit all den Kneipen und Restaurants kommt. Aber sieh mal einer an:

Was zu tun blieb. Quelle: osrm.at

Was zu tun blieb. Quelle: osrm.at

Ja, das Austria liegt noch genau in dem Teil, mit Mühe 100 Meter entfernt von der Ecke, in die mich die falsche Baerwaldfährte gelotst hatte. Und da ich mich immer so ärgere, wenn Ziele völlig falsch oder unklar sind, musste ich das erwähnen: Ich bin in eine nur zufällig ähnlich klingende Straße gefahren und war am Ende quasi genau richtig! Schätze, das passiert mir die nächsten 10 Jahre nicht noch einmal.

Fahrten, die nur Taxifahrerkinder machen

Sie winkte mich am Yaam raus. Durchgefroren, sofort nach der Sitzheizung fragend, als Ziel den Ostbahnhof angebend. Während ich versuchte, in sozialverträgliche Worte zu packen, dass die Sitzheizung sich auf der Fahrt bis zum Ostbahnhof allenfalls würde entscheiden können, ob sie das On-Signal überhaupt akzeptiert, warf meine Kundin bereits ein, dass es danach auch wieder zurückgehen sollte. Nur kurz Geld abheben. Am Westausgang.

Holy Shit! Von 300 Metern einfacher Fahrtstrecke entfielen also nochmal 150.

Aber Kundin ist Kundin.

Vor dem Bahnhof hab ich’s geschafft, schnell eine komplette Zigarette (jaja, Entzug und so …) zu rauchen, am Ende der kompletten Tour aber standen trotz 3,90€ Startpreis nur 6,90€ auf der Uhr.

„Machen Sie mal 10.“

Ui.

„… und danke vielmals! Dann wünsche ich ihnen eine gesegnete Nacht. Ich wünsche ihnen beste Gesundheit, einen schönen Abend, immer nette Fahrgäste und natürlich eine gute Kasse!“

W.T.F.?

„Das wünsche ich meinem Vater immer. Der fährt auch Taxi.“

Das erklärt einiges. Oder besser gesagt: Alles. 😀

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

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Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Überraschung!

Mein Kunde war, gelinde gesagt, dezent alkoholisiert. Er war mir schon ein paar Minuten vor dem Einstieg aufgefallen, wie er da am Bahnhof entlangschwankte. Als er dann letztlich im Auto saß, wolllte er zum Potsdamer Platz. Gut, nix leichter als das! Während wir da so durch die City gurkten, hab ich mal kurz nachgefragt, ob es direkt zum Platz oder in eine der Nebenstraßen gehen sollte. Und die Antwort war ein interessanter Monolog mit osteuropäischem Akzent:

„Maach bej Plaatz diirekt! Chaabe keine Ahnung, wo Freunde ankomm. Hier? Da? Egal, egal! Weijßtu, is Pegel von Alkohol ok, is alles lustich! Kommt woanders, dann: Überraaaaschung!“

Nee, dem konnte man den Abend auch nicht mehr versauen, wenn man ihn an der falschen Stelle absetzt. 🙂