Ich hatte ja eigentlich auf einen guten Wochenstart gehofft. Das kann mal anders laufen, aber die vergangene Nacht hatte beinahe etwas surreales. Da hat mich die Stadt mal komplett getrollt. Oder irgendwas in der Art. Normal war das jedenfalls nicht mehr.
Fangen wir damit an, dass Cheffe mal wieder eine halbe Stunde vor meinem Weckerklingeln angerufen hat. Das ist erträglich, war aber insofern unnötig, als die Nachricht eigentlich nur war, dass das Auto fertig repariert ist. OK. Obwohl, Moment, so einfach war das alles nicht. Ich sollte die 72 von der Werkstatt abholen und den Schlüssel gleich dazu. Um deren Öffnungszeiten Rechnung zu tragen, hätte ich runde zweieinhalb Stunden früher aus dem Haus gehen müssen als geplant. Aber das ließ sich klären, ich habe ja auch einen Schlüssel bei mir. War jedenfalls so direkt in Anschluss an die letzte Tiefschlafphase ein überraschend quirliges Telefonat, über das ich dann jenes Telefonat vergaß, das ich eigentlich wegen des Wasserschadens mit meiner Wohnungsbaugesellschaft zu führen gedachte.
Aber gut, alles kein Beinbruch.
Dann kam das erwartete: Der Bahnstreik. Natürlich wäre eine S-Bahn-Verbindung zu unserer Werkstatt in Britz deutlich schneller gewesen, aber die S-Bahn und die Innenstadtlinien wollte ich meiden. Kostet 20 Minuten mehr, wäre aber sicher angenehmer. Das hat soweit auch gepasst, trotz dreimaligem Umsteigen. Dummerweise hab ich in Schöneweide einen Bus um eine halbe Minute verpasst. Was völlig egal war, denn er wurde umgehend – noch an der Haltestelle – in einen Unfall mit einem anderen Bus verwickelt. Nur Blechschaden, aber natürlich:
„Wat jetz‘ is‘, wat jetz‘ is‘? Nüscht is‘! Jar nüscht! Stehenbleiben und Abschleppwajen – dit is, Mäuschen!“
erklärte die am Crash unschuldige Busfahrerin einem fragenden Fahrgast eloquent.
Gut, egal. Ob der verpasste Bus jetzt einen Crash baut … das war mir wirklich egal. Dass ich erst den 10 Minuten später nahm, hatte wiederum handfeste Auswirkungen, denn so musste ich einem Stammgast leider eine 30€-Tour zum Schichtbeginn absagen.
Aber egal – läuft ja eh gut, Bahnstreik und so!
Am Auto angekommen, stellte ich fest, dass die gerichtete Stoßstange von blauem Tape gehalten wird. Ich bin noch unsicher, unserem Schrauber würde ich auch zutrauen, dass das die ganze Reparatur war. Ich frage heute besser nochmal nach. Außerdem war das Auto dreckig. Da hatte niemand Schuld dran, es hatte nur wohl die vergangenen Tage unter hartnäckigen Bäumen gestanden. Also erst einmal waschen!
Aber – richtig! – egal. Einfach bei meiner Stammtanke den Kärcher geschwungen und dann ab an den Bahnhof. Da gab es gut Beeinträchtigungen, da war viel Volk auf der Straße.
Nur wollte keine Sau Taxi fahren. Nach ewigem Warten bin ich leer weg gefahren und hatte noch eine Winkertour. Dann nach Festquatschen mit einem Kollegen nach einer Dreiviertelstunde warten eine Wahnsinnsfahrt bis zum Matrix. 5,80 € plus 20 Cent Trinkgeld, danach eine Winkerin, es lief langsam an. 25 € auf der Uhr …
Und dann stand an der Ampel neben mir plötzlich ein Autofahrer und meinte:
„Ey, mach ma‘ dein Licht an!“
„Ist an.“
„Nich‘ hinten!“
Und tatsächlich. Zumindest beide Rücklichter gingen nicht, die Bremslichter scheinbar auch nicht. Das ist nun wirklich ein bisschen arg wenig. Ich bin nochmal kurz zum Bahnhof rüber. Da kenne ich einige Kollegen, etliche mit Zafira.
Aber gestern: Kein einziger Zafira! Was eine Rolle spielte, da in meinem Auto offenbar alle Ersatzlampen aufgebraucht waren. Das kontrolliere ich nun auch nicht jede Woche. Aber gut, Lampen kann man notfalls irgendwo kaufen – und die hinteren sind ja noch halbwegs austauschbar. Ein Kollege meinte aber auch, ich solle mir keine großen Hoffnungen machen. Dass alle Lampen gleichzeitig durch sind, sei doch unwahrscheinlich. Eher wär’s eine Sicherung. Wie praktisch, dass ich auch keine Sicherungen dabeihatte und immer noch kein Kollege mit Zafira da war. Zu zweit haben wir dann eine halbe Stunde lang versucht, in der Bedienungsanleitung wenigstens die richtige zu finden, um deren Dahinscheiden zu bestätigen – aber nicht einmal das gelang uns. Als der Kollege erster war, hab ich mich verabschiedet. Ein kaputtes Rücklicht kann man ja mal machen – aber gänzlich ohne Heckbeleuchtung war mir etwas zu viel.
Was ein Scheißtag: Anderthalb Stunden Anfahrt, drei Stunden auf der Straße und 12 € brutto verdient.
Aber immer wenn man denkt, es geht nicht mehr … winkt es.
Ich hatte die Fackel schon aus, ich wollte die Kiste einfach abstellen, um am nächsten Tag – also heute – das mit der Werkstatt zu klären. Aber die Winkerin stand an der Landsberger, das würde schon noch gehen. Vermutlich in die Richtung, in die ich eh fahren wollte. War ja Zeit, dass das Glück sich noch meldete!
Was hätte an dem Punkt noch passieren sollen? Vielleicht eine betrunkene Bulgarin, die kein Deutsch oder Englisch spricht, kein Ziel angeben kann und erst durch die Polizei wieder aus meinem Taxi entfernt werden konnte? Sowas?
Ja, genau. Genau das ist dann passiert. Die Frau stieg ein, redete auf mich ein und wir verstanden voneinander maximal 5 Worte. Sie hatte eine Adresse oder so auf ein Blatt gekritzelt, bei der mein Navi schon nach dem zweiten Buchstaben nur eine einzige Straße gefunden hat. Eine völlig falsche. Noch dazu in Spandau. Die Frau hatte offenbar ein dringliches Problem, aber wir hatten so wenig gemeinsames Vokabular, dass ich bis jetzt nicht weiß, ob jemand ihren Freund erschlagen hat oder sie wissen wollte, wo sie um die Uhrzeit noch was zu essen kriegt. Dass in ihrem Vokabular auch „Policia“ vorkam, war dann letztlich mein Glück – sie schien tatsächlich Gefallen daran zu finden, dass ich die Polizei hole. Den Ausstieg aus dem Taxi verweigerte sie bis dahin aber. Genau das, was ich an dem Abend noch gebraucht hatte. Hat am Ende gut 25 Minuten gedauert.
Als die Polizei da war, war alles prima. Also ja, die Polizisten konnten auch kein bulgarisch, aber sie ist ausgestiegen und hat weitererzählt. Das ist sicher für alle Beteiligten noch eine lange Nacht geworden. Und ich hab Blut und Wasser geschwitzt, dass die Cops bei meinem Wegfahren nicht merken, dass mein Auto hinten keine funktionierenden Lichter mehr hat …
Nun also heute Abend nochmal kurz zur Werkstatt und/oder zur Firma, alles weitere wird schon klappen. Und so einen Tag wie gestern findet man eh nicht zweimal pro Jahr, da kann ich wohl beruhigt davon ausgehen, dass es einfach besser wird heute.