Sash, 33, nicht gut im Schlussmachen.

Ich bin heute nacht rausgefahren, obwohl ich noch einen gelben Schein habe. Ich war weitgehend fit, wollte arbeiten, brauchte Geld, diese Geschichten. Aber ich hab mir gesagt:

„8 Stunden. Mehr nicht. Egal, wie’s läuft, mach zwischendrin eine Pause und fahr pünktlich zurück! Muss auch mal sein.“

Und das hab ich geglaubt.

Zunächst hab ich natürlich kurz vor Feierabend eine absurd lange Tour völlig entgegen meiner Richtung bekommen. In Schöneweide, drei Kilometer entfernt, hätte ich das Auto in 30 Minuten abstellen können – und kriegte Kundschaft, die über Friedrichsfelde bis nach Charlottenburg wollte. Und dort diffundierten während des Bezahlvorgangs bereits die nächsten rein, die nochmal 4 Kilometer weit gen Westen wollten.

Aber gut. Ich hatte die 8 Stunden, also Fackel aus, Autobahn und am Ende kurz vor dem Ziel noch zur Tanke. Läuft!

Die Tanke liegt anderthalb Kilometer von der Firma weg – aber auf der Ausfahrt winkte mich einer ran. Obwohl ich schon die Fackel aus, das Navi demontiert und mein Zeug weitgehend eingepackt hatte. Aber ich kann halt nicht anders. Obwohl, immerhin ein bisschen:

„Moin.“

„Moin.“

„Ich sag’s gleich. Ich bin eigentlich nicht mehr im Dienst. Aber wenn’s nicht weit ist …“

„Ähm, XY-Straße?“

„Wo ist das, Johannisthal?“

„Genau.“

„OK, das kriegen wir hin.“

War natürlich ein Umweg. Aber: Er ehrlich gesagt gefühlt nicht arg viel länger als wenn ich mich an die rechtlichen Vorschriften zum Wenden vor der Firma gehalten hätte. Für drei Minuten mehr Arbeitszeit sind 8,30 € dann doch ein guter Ausgleich. 😀

Aber ja: Das mit dem Feierabend muss ich auch nach bald 7 Jahren immer noch üben …

Wenn der Wochenendmodus Berufskraftfahrer trifft

Als er vor mir den Blinker links setzte, hab ich schon ein wenig die Augen verdreht. Immerhin ist von der Eberswalder Straße aus das Linksabbiegen in die Schönhauser Allee nicht erlaubt. Wobei mir jetzt nicht nach Prinzipienreiten war, ich ärgerte mich einfach, hinter ihm so lange festzusitzen, bis er durchgelassen wird.
Als er dann das Lenkrad einschlug, war er viel zu früh, ich war mir sicher, er würde wenden. Stattdessen hatte er aber gleich einfach alle Verkehrsschilder übersehen und wollte auf die Fahrspur der Schönhauser, die westlich der U-Bahn liegt – also entgegen der Einbahnstraße.

So langsam bedauerte ich es nicht mehr, erneut vor der roten Ampel zu stehen, das hab ich mir doch gerne noch angeguckt. Als er seinen Fehler bemerkt hat, hat er beim Zurücksetzen noch beinahe eine Ampel umgefahren, was ich in Anbetracht der inzwischen wirklich unübersichtlichen Lage fast noch hätte verstehen können.

Gut, er kam nicht aus Berlin, nicht einmal aus Deutschland, jeder macht mal Fehler. Ich hätte allerdings in dem Moment ungern so viele Fahrgäste gehabt wie der Kollege, er fuhr nämlich einen vollbesetzten Reisebus …

„Iist für soo gaajile Kurvää!“

OK, Trinkgeld fürs Heizen hat sicher jeder Taxifahrer schon mal bekommen. Die Kundschaft hat es oft eilig und ein paar von denen, die hohe Tips versprechen, halten sich dann ja doch daran. Nicht viele, aber immerhin.

Hier aber war die Sache ganz anders gelagert.

Die Spaßigkeit der Truppe begann schon mit der Taxiwahl. Ich stand mit zwei Kollegen zusammen am Ostbahnhof und eigentlich hat sich keiner von uns davon irgendwas versprochen. Es war unter der Woche, schon nach drei Uhr; ich hab mich selbst nur in Position zwei eingereiht, weil ich mit dem Kollegen quatschen wollte. Und Nummer drei gehörte dann ebenso zu den üblichen Verdächtigen, ein Kollege aus meiner Firma noch dazu.
Während wir so quatschten, kamen die Kunden. Sie blieben vor meinem Auto stehen und einer der Vier fragte in die Runde:

„Ähm, wir würden gerne den hier nehmen …“

Ich antwortete eloquent:

„Das ist überhaupt kein Problem, und ich freue mich besonders, denn das ist meiner.“

Ich warf dem Kollegen einen gespielt mitleidigen Blick zu, denn er hatte, als er die Kunden als solche ausgemacht hatte, bereits gesagt:

„Ha, jetzt komm‘ ich weg und mach meinen Hunderter voll!“

Und ich hatte den Hunni schon in der Kasse. Auch die Autowahl war fast etwas seltsam, denn jener Kollege vor mir fuhr einen gepflegten Passat, der hinter mir bereits die neuere Zafira-Variante, den Tourer. Aber nein, sie wollten meine alte Gurke. Glaubt es oder nicht: Mich schockt das nicht mehr, die Wege der Fahrgäste sind unergründlich.

Die vier Leute entpuppten sich als drei Nicht-Muttersprachler mit starkem russischen Akzent nebst einem vermutlich deutschen Mitreisenden. Der hielt mir auch schnell eine Dose unter die Nase und fragte:

„Willste ein paar Nüsse?“

„Nee, danke. Aber: Sehr nett!“

Einer der anderen drei lotste mich nur drei Häuserblocks weiter und machte dann den Witz, dass da alle aussteigen würden. Was ich betont cool abtat und ihm erklärte, dass daran eigentlich nix witzig sei und ich selbstverständlich auch kurze Strecken fahren würde. Er stieg dann aus, nicht ohne mir noch schnell die Abkürzungen zu nennen, die ich fortan zu fahren hätte. Denn natürlich mussten die anderen noch ein ganzes Stückchen weiter.

„Und? Party vorbei für heute?“,

fragte ich meinen Beifahrer, der nicht nur das beste Deutsch sprach, sondern auch der nüchternste zu sein schien.

„Na … aber sicher! HALLOHO, ich hab Erdnüsse dabei! Wie würdest Du das einschätzen? Wie oft passiert sowas bitte!?“

„Hmm, da haste Recht.“

Und so war es auch. Den Fressflash nach dem Kiffen oder Saufen kenne ich auch. Aber die meisten Taxifahrgäste fahren noch mit dem letzten Bier heim – alles spätere ist zumindest bei mir eher selten. Wobei das auch daran liegen könnte, dass ich einer der wenigen bin, der die Leute mit Bierflasche auch noch mitnimmt.

Mir wurde nun eine Straße genannt, die mir wirklich gar nichts sagte, aber mir wurde erklärt, dass es bis fast nach Ahrensfelde gehen würde. Ja, geile Scheiße! Nicht nur eine Tour locker über 20 €, sondern vor allem auch noch in meinen Heimatbezirk – direkt zu der Zeit, zu der ich Feierabend machen wollte!

Und während wir auch darüber so quatschten, wies mich die Dame hinten links zurecht, dass ich auf die Märkische abbiegen müsse. Ohne das böse zu meinen. Ich hab mit einem Grinsen geantwortet, dass ich das wisse. Ich hätte meine Lücken im Stadtplan, aber:

„Hier ums Eck wohne ich, hier kenne ich mich aus, keine Sorge!“

Ich weiß nicht, was mich in dem Moment geritten hat. Mit Kunden an Bord fahre ich immer sehr bedächtig, mit betrunkenen noch dazu. Aber gerade da, in der Kurve von der Landsberger auf die Märkische, einer 300°-Schleife, war mir nach Spaß mit der lockeren Besatzung. Ich kenne die Kurve, ich fahre sie zu jedem zweiten Feierabend, meist allerdings mit leerem Auto. Aber ich kenne auch das Auto mit Beladung und hab die Kurve entsprechend in „Höchstgeschwindigkeit“ genommen, was in dem Fall etwa 50 km/h sind. Ist ja nur ein Opel Zafira. Ich nahm wie immer die Sperrflächen mit und schoss astrein, mit dem linken Reifen nur leicht die Spurbegrenzung touchierend und reifenquietschend auf die Märkische Allee auf. Und während ich noch dachte, dass das jetzt vielleicht doch ein wenig zu herb war, um es mit Fahrgästen zu tun, jubilierte es hinter mir plötzlich laut:

„Sooo gaajil! Bin iich noch nie gefahren diese Kurvää soo gaajil! Kriegst Du Eextra von mjir!“

Die gute Frau war höchst verzückt, ich konnte es selbst nicht verstehen. Aber hey, ich hatte offenbar alles richtig gemacht. 😀

Das angesprochene Trinkgeld war nicht wirklich üppig. Sie hat die 23,40 € auf 25 € aufgerundet. Aber sie hat es explizit nochmal erwähnt:

„Kriiegst Du für Kurvää! War so guut, bijn ich voll gaajil!“

Ich weiß nicht, ob sie DAS so sagen wollte – aber es wäre immerhin eine Erklärung für all das. Ich jedenfalls schreibe mir jetzt „geiles Kurvenfahren“ auf meine Referenzliste. 😉

Die letzten Winterschichten

Inzwischen wird es ja langsam sogar während meiner Schichten wieder hell, die Temperaturen gehen bis in den zweistelligen Bereich – der Winter verzieht sich. Das mit der Helligkeit dürfte meinetwegen gerne auch mal für ein Jahr anders sein, aber bei den Temperaturen wird es langsam mal wieder Zeit.

In einer der letzten kalten Nächte vor knapp über einer Woche hat’s mich aber dann fast noch erwischt.

Ich hatte einen Glückstreffer am Ostbahnhof gelandet: Eine Fahrt nach Großziethen. Bis nach außerhalb. OK, das „außerhalb“ ist etwas irreführend, tatsächlich ist die kleine Gemeinde trotz seltener Erwähnung hier im Blog die, die vom Bahnhof aus am nächsten zu erreichen ist. Nur will da halt normalerweise niemand hin. 😉

Ich wollte das jetzt auch nicht unbedingt, denn ich konnte das Auto danach in Marzahn abstellen – eine wesentlich weitere Leerfahrt als die Tour selber. Aber mit so viel Umsatz hatte ich nicht mehr gerechnet und war bereits etwas müde. So gesehen trotzdem ein schönes Schichtende. Die Kundin war zwar nicht gesprächig, aber unkompliziert. Trinkgeld gab’s auch und ich hab mich auf den Weg in den Feierabend gemacht. Ich hab mir aus einer Laune heraus den Weg über Adlershof, Köpenick und Biesdorf ausgeguckt, nicht einmal der allerkürzeste, aber ok. Und sich an Strecken gewöhnen, die man sonst eher nie fährt, gehört irgendwie auch zum Job.

In Altglienicke dann war alles optimal. Die Straßen leer, die Musik laut, die Sitzheizung angeschaltet … für einen Moment hab ich mir gewünscht, im Auto rauchen zu dürfen. Ich bin wie üblich nicht gerast, aber ja, hier und da mal 10 oder 15 km/h über erlaubt hab ich riskiert. Die Arbeit war gefühlt vorbei, und dass die Cops da unten noch stehen würden … wäre das erste Mal in bald 7 Jahren. Und so war ich wohl auch an der Brücke über den Teltowkanal nicht ganz auf 30. Was ich in dem Moment nicht erwartet hatte, war das wohl elementarste Fahrschulwissen: Gerade bei Brücken muss man aufpassen wegen Vereisung!

Der kleine Tippser auf die Bremse verpuffte wirkungslos, die Räder blockierten sofort. Kann man witzig finden, wenn direkt dahinter keine Kurve kommt – was bei der Brücke aber natürlich der Fall ist.

Ich hatte eine ähnliche Situation vor über 10 Jahren schonmal. Das war noch in Süddeutschland, besser gesagt in Fellbach direkt hinterm Kappelbergtunnel. Ich wollte die dortige Ausfahrt der B14 nehmen, war wie erlaubt auch mit ungefähr 100 km/h unterwegs und wollte auf dem Verzögerungsstreifen vorsichtig abbremsen, weil auch dort eine ziemlich scharfe Kurve folgte. Ich hatte meinen Führerschein damals noch nicht sehr lange und war gelinde gesagt ziemlich perplex, als ich das erste Mal auf die Bremse trat und das Auto nicht bremste. Und keiner will das mit über 90 auf dem Tacho und einer viel zu schnell näherkommenden Böschung erleben. Ich weiß nicht, was all die anderen Fahrer da draußen in solchen Situationen tun, in Panik. Ich hab dabei bisher glücklicherweise immer das richtige gemacht. In dem Fall hab ich den Fuß von der Bremse genommen und das Auto in höchster Konzentration in der vermutlich höchstmöglichen Geschwindigkeit um diese Kurve gebracht, die dann auch glücklicherweise nicht mehr vereist war.

Neulich in Altglienicke hatte ich diese Szene sofort vor Augen. Trotz (oder gerade wegen?) all des Adrenalins hab ich mich sofort an die Situation erinnert – obwohl das jetzt alles bei einem Drittel der Geschwindigkeit passierte und 600 km entfernt war. Und ich hab mich instinktiv dagegen entschieden, gleich zu handeln. Ich hab stattdessen die Bremse voll durchgetreten, das ABS arbeiten lassen und mich beim Lenken darauf konzentriert, ggf. gegenlenken zu müssen.

Dieses Mal wie damals hab ich nicht einmal meine Spur irgendwie verlassen, obwohl ich alleine auf der Straße war. So gesehen hat alles bestens geklappt. Der Schock hält heute auch nicht mehr so lange an, die brenzligen Situationen (meist dann doch von anderen verschuldet) sind einfach auch eine Art Routine geworden. Aber ich hab mich geärgert. Ich hab mich von einer Standardsituation erwischen lassen, am vermutlich letzten Tag mit Bodenfrost. Damn it! Diese Scheiße mit dem „IMMER achtsam sein“ stimmt halt doch.

Arg viel Zeit zum Durchschnaufen hatte ich allerdings nicht. Zum einen hatte ich ungelogen 500 Meter weiter noch einen Winker. Kurz danach sollte noch ein zweiter folgen, bis ich dann wirklich zu Hause war. Zum anderen hatte ich bereits am nächsten Tag die Gelegenheit, mich zu vergewissern, dass zumindest mit den Reflexen noch alles stimmt, denn da hat mich ein amokfahrender Sushi-Lieferant geschnitten und ausgebremst.

Der 2925 geht es immer noch gut, mir auch. Vorerst reicht es aber auch wieder mal für eine Weile an Adrenalinkicks; der Sommer kann kommen!

Petition für Lenk- und Ruhezeiten

Dank mehrerer Kommentatoren (Ihr wisst, wer ihr seid!) bin ich gestern auf eine Petition aufmerksam gemacht worden, die die Einführung von Lenk- und Ruhezeiten auch fürs Taxi- und Mietwagengewerbe fordert. Man findet sie hier. Sie fordert, dass auch wir Taxifahrer die selben Auflagen wie LKW- und Busfahrer erfüllen müssen, was unsere Arbeitszeiten angeht – was außer mit der Sicherheit auch mit der Ungleichbehandlung von Angestellten und Selbständigen, sowie der Vereinfachung der Durchsetzung des Mindestlohns begründet wird.

Nun, ist das eine gute Idee oder eine schlechte?

Objektiv würde ich sagen, ist es eine gute Idee. Ich hab allerdings als Taxifahrer auch meine Probleme damit.

Zunächst einmal ist klar, dass auch Taxifahrer nicht wirklich zuverlässig eine 16-Stunden-Schicht durchziehen können. Schon gar nicht, wenn es um so Spezialfälle wie Silvester geht, wo man auch tatsächlich die meiste Zeit fährt. Irgendwann wird man müde und unachtsam – und natürlich ist das ein Sicherheitsrisiko.

Darüber hinaus ist es natürlich wirklich unfair, dass Selbständige diese Schichten legal fahren dürfen, Angestellte jedoch früher heim müssen. Schließlich ist in einem Job mit umsatzbasierter Bezahlung die Möglichkeit, noch eine Stunde länger rausfahren zu können, bares Geld. Und auch ich kenne die Momente, wo man sich zwar vor 13 Stunden am Taxameter angemeldet hat, aber einfach noch fit ist. Sei es, weil man ewig Pause, viel Kaffee getrunken oder einfach einen guten Tag hatte. Es fühlt sich unfair an, dann „aufgeben“ zu müssen, obwohl man das mit gutem Gewissen freiwillig tut. Nicht vernachlässigen darf man dabei aber, dass es Chefs gibt, die das ausnutzen. Ich hab schon viele Fahrer getroffen, die sich mit ihrem Tagfahrer nicht nur ein Auto, sondern auch einen Schlüssel teilen – so dass sichergestellt ist, dass sie auch ja beide 12 Stunden arbeiten und sich dann ablösen.

Der letzte Punkt geht auf die Standzeiten und den Mindestlohn ein und ist meines Erachtens nach ein wenig wirr formuliert:

„Im Gegensatz zum LKW-Betrieb kommt es allerdings im Personenbeförderungsbetrieb immer wieder zu Standzeiten wenn auf Kunden gewartet wird. Dadurch wird die Lenkzeit unterbrochen. Trotzdem sollte die gesetzlichen Regelungen, die für LKW-Fahrer gelten, auch im Personenbeförderungsgewerbe angewendet werden. Denn auch das Warten auf Kundschaft gilt bei Angestellten als Arbeitszeit. Und da die Arbeitszeit auf regulär 8 Stunden (Ausnahmen nicht berücksichtigt) begrenzt ist, sollte auch die Lenkzeit bei Selbstständigen ebenfalls wie bei Angestellten begrenzt sein.“

– Auszug aus dem Petitionstext.

Es entstehen also Wartezeiten, die die Lenkzeit unterbrechen, nichtsdestotrotz sollte eine Gesamtarbeitszeit eingehalten werden …

Also geht es eigentlich nicht wirklich um Lenk-, sondern um Arbeitszeiten und damit eher um eine Gleichstellung von Selbständigen und Angestellten. Zusätzlich wird (hier nicht zitiert) erklärt, dass Fahrtenschreiber die Arbeitszeiterfassung vereinfachen.

Und da kommen wir an den Punkt, wo es etwas seltsam wird. Worum geht es jetzt? Dass jeder Taxifahrer nur noch 8 Stunden „auf der Straße“ sein darf – also arbeiten? Oder dass man nur noch 8 Stunden am Steuer sitzen darf? Es gibt sicher für beides Pro- und Contra-Argumente, aber gerade wegen der erwähnten – für LKW unüblichen – Standzeiten, sehe ich da eine wichtige Unterscheidung, die die Petition letztendlich aber nicht trifft. Denn unter Einbeziehung der Standzeiten ist das alles enorm an die Frage der Auslastung gekoppelt. Ich sage ja auch gerne mal:

„Wenn sich unsere Autos alle nach exakt 6 Stunden ausschalten würden, würden wir in den sechs Stunden etwa das gleiche verdienen, wie bisher in zwölf. Einfach weil sich die Zahl der Taxis verringert, die gleichzeitig auf der Straße sind.“

(Davon ausgehend, dass das nicht durch mehr Taxis ausgeglichen wird – wie es in den meisten Städten hierzulande aufgrund von Konzessionsbegrenzungen wäre. In Berlin allerdings nicht.)

Weswegen ich eine Gesamtarbeitszeit auf gleichem Level wie bei LKW-Fahrern schon ablehnen würde, ist, weil schon gezwungenermaßen zu Beginn und am Ende jeder Schicht so ein Leerlauf entstehen würde. So lange es zumindest mal regelmäßig vorkommt, dass man 45 Minuten auf eine Tour wartet, fehlt mir die mitunter am Anfang – spätestens aber am Ende, denn wenn eine Zeitüberschreitung Sanktionen nach sich ziehen würde, dann sollte man sich besser eine Stunde vor Schluss nirgends mehr anstellen oder einloggen, weil man damit eventuell übers Ziel hinausschießen könnte. Ich will hier gewiss nicht Werbung für längere Arbeitszeiten machen, aber wir können eine Stunde vor Schluss noch nicht sagen, wo wir sind, wir haben nicht schon den nächsten Kunden auf dem Navi und die Entfernung zum nächsten Abstellplatz. Und ich rede da wirklich nicht von Ausnahmen, sondern vom Regelfall. Ausnahmen mag es bei LKW-Fahrern auch zur Genüge geben, aber wenn ich mich klassischerweise eine Stunde vor dem geplanten Feierabend an den Ostbahnhof stelle, dann könnte ich 15 Minuten später in Marzahn vor meiner Haustüre, bereit zum Abstellen, stehen – oder aber erst nach 45 Minuten eine Fahrt nach Spandau kriegen, während der dann die Zeit verstreicht und ich noch 20 Kilometer Heimfahrt habe. Und ich glaube sogar, dass diese Freiheit, den Feierabend selbst zu bestimmen, interessante und positive Effekte hat. Auf Zeit-, aber auch Energieverbrauch z.B.

Wenn also eine weiterführende Regulierung, dann würde ich eher über ein Zweistufenmodell nachdenken. Dass 8 Stunden am Steuer das Maximum sind, aber z.B. 10 – 12 Stunden Gesamtarbeitszeit erst die Grenze darstellen. Die Wartezeit ist zwar zu Recht als Arbeitszeit einzustufen, weil wir am Auto sein müssen, sofort reagieren müssen. Trotzdem nutzen wir sie natürlich zur Entspannung und ich sehe keinen Grund, wieso eine Plauderei auf der Straße für einen Taxifahrer den gleichen Stellenwert haben sollte wie eine Stunde höchste Konzentration am Steuer bei einem LKW-Fahrer.

Deswegen werde ich diese Petition so nicht unterzeichnen.

Sie spricht ein wichtiges Thema an und sie ist so gesehen eine gute Idee, sich mal über eventuelle Regelungen Gedanken zu machen. Und die vorgeschlagenen Maßnahmen hätten zweifelsohne auch positive Effekte und würde an manchen Orten und in manchen Betrieben Verbesserungen bewirken. Ich kann leider nicht einschätzen, wie oft das der Fall wäre. Was ich hingegen sicher weiß, ist, dass sie gerade mich stören würden, weil ich den Job eben so mache, wie er mir passt und ich nicht den Hauch eines Drucks von meinen Chefs bekomme und mir meiner eigenen Verantwortung wohl bewusst bin.

So nicht, Berlin!

Ich hatte ja eigentlich auf einen guten Wochenstart gehofft. Das kann mal anders laufen, aber die vergangene Nacht hatte beinahe etwas surreales. Da hat mich die Stadt mal komplett getrollt. Oder irgendwas in der Art. Normal war das jedenfalls nicht mehr.

Fangen wir damit an, dass Cheffe mal wieder eine halbe Stunde vor meinem Weckerklingeln angerufen hat. Das ist erträglich, war aber insofern unnötig, als die Nachricht eigentlich nur war, dass das Auto fertig repariert ist. OK. Obwohl, Moment, so einfach war das alles nicht. Ich sollte die 72 von der Werkstatt abholen und den Schlüssel gleich dazu. Um deren Öffnungszeiten Rechnung zu tragen, hätte ich runde zweieinhalb Stunden früher aus dem Haus gehen müssen als geplant. Aber das ließ sich klären, ich habe ja auch einen Schlüssel bei mir. War jedenfalls so direkt in Anschluss an die letzte Tiefschlafphase ein überraschend quirliges Telefonat, über das ich dann jenes Telefonat vergaß, das ich eigentlich wegen des Wasserschadens mit meiner Wohnungsbaugesellschaft zu führen gedachte.

Aber gut, alles kein Beinbruch.

Dann kam das erwartete: Der Bahnstreik. Natürlich wäre eine S-Bahn-Verbindung zu unserer Werkstatt in Britz deutlich schneller gewesen, aber die S-Bahn und die Innenstadtlinien wollte ich meiden. Kostet 20 Minuten mehr, wäre aber sicher angenehmer. Das hat soweit auch gepasst, trotz dreimaligem Umsteigen. Dummerweise hab ich in Schöneweide einen Bus um eine halbe Minute verpasst. Was völlig egal war, denn er wurde umgehend – noch an der Haltestelle – in einen Unfall mit einem anderen Bus verwickelt. Nur Blechschaden, aber natürlich:

„Wat jetz‘ is‘, wat jetz‘ is‘? Nüscht is‘! Jar nüscht! Stehenbleiben und Abschleppwajen – dit is, Mäuschen!“

erklärte die am Crash unschuldige Busfahrerin einem fragenden Fahrgast eloquent.

Gut, egal. Ob der verpasste Bus jetzt einen Crash baut … das war mir wirklich egal. Dass ich erst den 10 Minuten später nahm, hatte wiederum handfeste Auswirkungen, denn so musste ich einem Stammgast leider eine 30€-Tour zum Schichtbeginn absagen.

Aber egal – läuft ja eh gut, Bahnstreik und so!

Am Auto angekommen, stellte ich fest, dass die gerichtete Stoßstange von blauem Tape gehalten wird. Ich bin noch unsicher, unserem Schrauber würde ich auch zutrauen, dass das die ganze Reparatur war. Ich frage heute besser nochmal nach. Außerdem war das Auto dreckig. Da hatte niemand Schuld dran, es hatte nur wohl die vergangenen Tage unter hartnäckigen Bäumen gestanden. Also erst einmal waschen!

Aber – richtig! – egal. Einfach bei meiner Stammtanke den Kärcher geschwungen und dann ab an den Bahnhof. Da gab es gut Beeinträchtigungen, da war viel Volk auf der Straße.

Nur wollte keine Sau Taxi fahren. Nach ewigem Warten bin ich leer weg gefahren und hatte noch eine Winkertour. Dann nach Festquatschen mit einem Kollegen nach einer Dreiviertelstunde warten eine Wahnsinnsfahrt bis zum Matrix. 5,80 € plus 20 Cent Trinkgeld, danach eine Winkerin, es lief langsam an. 25 € auf der Uhr …

Und dann stand an der Ampel neben mir plötzlich ein Autofahrer und meinte:

„Ey, mach ma‘ dein Licht an!“

„Ist an.“

„Nich‘ hinten!“

Und tatsächlich. Zumindest beide Rücklichter gingen nicht, die Bremslichter scheinbar auch nicht. Das ist nun wirklich ein bisschen arg wenig. Ich bin nochmal kurz zum Bahnhof rüber. Da kenne ich einige Kollegen, etliche mit Zafira.

Aber gestern: Kein einziger Zafira! Was eine Rolle spielte, da in meinem Auto offenbar alle Ersatzlampen aufgebraucht waren. Das kontrolliere ich nun auch nicht jede Woche. Aber gut, Lampen kann man notfalls irgendwo kaufen – und die hinteren sind ja noch halbwegs austauschbar. Ein Kollege meinte aber auch, ich solle mir keine großen Hoffnungen machen. Dass alle Lampen gleichzeitig durch sind, sei doch unwahrscheinlich. Eher wär’s eine Sicherung. Wie praktisch, dass ich auch keine Sicherungen dabeihatte und immer noch kein Kollege mit Zafira da war. Zu zweit haben wir dann eine halbe Stunde lang versucht, in der Bedienungsanleitung wenigstens die richtige zu finden, um deren Dahinscheiden zu bestätigen – aber nicht einmal das gelang uns. Als der Kollege erster war, hab ich mich verabschiedet. Ein kaputtes Rücklicht kann man ja mal machen – aber gänzlich ohne Heckbeleuchtung war mir etwas zu viel.

Was ein Scheißtag: Anderthalb Stunden Anfahrt, drei Stunden auf der Straße und 12 € brutto verdient.

Aber immer wenn man denkt, es geht nicht mehr … winkt es.

Ich hatte die Fackel schon aus, ich wollte die Kiste einfach abstellen, um am nächsten Tag – also heute – das mit der Werkstatt zu klären. Aber die Winkerin stand an der Landsberger, das würde schon noch gehen. Vermutlich in die Richtung, in die ich eh fahren wollte. War ja Zeit, dass das Glück sich noch meldete!

Was hätte an dem Punkt noch passieren sollen? Vielleicht eine betrunkene Bulgarin, die kein Deutsch oder Englisch spricht, kein Ziel angeben kann und erst durch die Polizei wieder aus meinem Taxi entfernt werden konnte? Sowas?

Ja, genau. Genau das ist dann passiert. Die Frau stieg ein, redete auf mich ein und wir verstanden voneinander maximal 5 Worte. Sie hatte eine Adresse oder so auf ein Blatt gekritzelt, bei der mein Navi schon nach dem zweiten Buchstaben nur eine einzige Straße gefunden hat. Eine völlig falsche. Noch dazu in Spandau. Die Frau hatte offenbar ein dringliches Problem, aber wir hatten so wenig gemeinsames Vokabular, dass ich bis jetzt nicht weiß, ob jemand ihren Freund erschlagen hat oder sie wissen wollte, wo sie um die Uhrzeit noch was zu essen kriegt. Dass in ihrem Vokabular auch „Policia“ vorkam, war dann letztlich mein Glück – sie schien tatsächlich Gefallen daran zu finden, dass ich die Polizei hole. Den Ausstieg aus dem Taxi verweigerte sie bis dahin aber. Genau das, was ich an dem Abend noch gebraucht hatte. Hat am Ende gut 25 Minuten gedauert.

Als die Polizei da war, war alles prima. Also ja, die Polizisten konnten auch kein bulgarisch, aber sie ist ausgestiegen und hat weitererzählt. Das ist sicher für alle Beteiligten noch eine lange Nacht geworden. Und ich hab Blut und Wasser geschwitzt, dass die Cops bei meinem Wegfahren nicht merken, dass mein Auto hinten keine funktionierenden Lichter mehr hat …

Nun also heute Abend nochmal kurz zur Werkstatt und/oder zur Firma, alles weitere wird schon klappen. Und so einen Tag wie gestern findet man eh nicht zweimal pro Jahr, da kann ich wohl beruhigt davon ausgehen, dass es einfach besser wird heute.

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

In die Eisen

Und dann schaltete die Ampel plötzlich auf rot.

Wir Autofahrer kennen das vermutlich alle. Die Ampel wird gelb und man glaubt, das noch zu schaffen. In diesem Fall war die Beschleunigung der 72 (Experten zweifeln bis heute an, dass es so etwas überhaupt gibt) zu niedrig, was ich leider zu spät bemerkte. War im falschen Gang, diese Geschichten …

Also doch die Bremse. In dem Fall im Zusammenspiel mit dem regennassen Wetter und entsprechend schwieriger Straßenlage trug es mich leicht schlitternd dann auch anderthalb Meter über die Haltelinie hinaus. Sah sicher nicht schön aus, passiert aber auch den Besten irgendwann mal. Ich war selten so froh, ausschließlich von Kollegen eingekreist zu sein, die das sicher zumindest irgendwie nachvollziehen konnten.

Noch froher aber war ich um den Straßenknick nach der Ampel. Denn durch den haben die Winker, die nur 200 Meter weiter warteten, das schlingernde Manöver gar nicht mitbekommen und mich einfach als artigen Taxifahrer kennengelernt, der mustergültig vor ihnen geblinkt, gebremst und angehalten hat. 🙂