„Iist für soo gaajile Kurvää!“

OK, Trinkgeld fürs Heizen hat sicher jeder Taxifahrer schon mal bekommen. Die Kundschaft hat es oft eilig und ein paar von denen, die hohe Tips versprechen, halten sich dann ja doch daran. Nicht viele, aber immerhin.

Hier aber war die Sache ganz anders gelagert.

Die Spaßigkeit der Truppe begann schon mit der Taxiwahl. Ich stand mit zwei Kollegen zusammen am Ostbahnhof und eigentlich hat sich keiner von uns davon irgendwas versprochen. Es war unter der Woche, schon nach drei Uhr; ich hab mich selbst nur in Position zwei eingereiht, weil ich mit dem Kollegen quatschen wollte. Und Nummer drei gehörte dann ebenso zu den üblichen Verdächtigen, ein Kollege aus meiner Firma noch dazu.
Während wir so quatschten, kamen die Kunden. Sie blieben vor meinem Auto stehen und einer der Vier fragte in die Runde:

„Ähm, wir würden gerne den hier nehmen …“

Ich antwortete eloquent:

„Das ist überhaupt kein Problem, und ich freue mich besonders, denn das ist meiner.“

Ich warf dem Kollegen einen gespielt mitleidigen Blick zu, denn er hatte, als er die Kunden als solche ausgemacht hatte, bereits gesagt:

„Ha, jetzt komm‘ ich weg und mach meinen Hunderter voll!“

Und ich hatte den Hunni schon in der Kasse. Auch die Autowahl war fast etwas seltsam, denn jener Kollege vor mir fuhr einen gepflegten Passat, der hinter mir bereits die neuere Zafira-Variante, den Tourer. Aber nein, sie wollten meine alte Gurke. Glaubt es oder nicht: Mich schockt das nicht mehr, die Wege der Fahrgäste sind unergründlich.

Die vier Leute entpuppten sich als drei Nicht-Muttersprachler mit starkem russischen Akzent nebst einem vermutlich deutschen Mitreisenden. Der hielt mir auch schnell eine Dose unter die Nase und fragte:

„Willste ein paar Nüsse?“

„Nee, danke. Aber: Sehr nett!“

Einer der anderen drei lotste mich nur drei Häuserblocks weiter und machte dann den Witz, dass da alle aussteigen würden. Was ich betont cool abtat und ihm erklärte, dass daran eigentlich nix witzig sei und ich selbstverständlich auch kurze Strecken fahren würde. Er stieg dann aus, nicht ohne mir noch schnell die Abkürzungen zu nennen, die ich fortan zu fahren hätte. Denn natürlich mussten die anderen noch ein ganzes Stückchen weiter.

„Und? Party vorbei für heute?“,

fragte ich meinen Beifahrer, der nicht nur das beste Deutsch sprach, sondern auch der nüchternste zu sein schien.

„Na … aber sicher! HALLOHO, ich hab Erdnüsse dabei! Wie würdest Du das einschätzen? Wie oft passiert sowas bitte!?“

„Hmm, da haste Recht.“

Und so war es auch. Den Fressflash nach dem Kiffen oder Saufen kenne ich auch. Aber die meisten Taxifahrgäste fahren noch mit dem letzten Bier heim – alles spätere ist zumindest bei mir eher selten. Wobei das auch daran liegen könnte, dass ich einer der wenigen bin, der die Leute mit Bierflasche auch noch mitnimmt.

Mir wurde nun eine Straße genannt, die mir wirklich gar nichts sagte, aber mir wurde erklärt, dass es bis fast nach Ahrensfelde gehen würde. Ja, geile Scheiße! Nicht nur eine Tour locker über 20 €, sondern vor allem auch noch in meinen Heimatbezirk – direkt zu der Zeit, zu der ich Feierabend machen wollte!

Und während wir auch darüber so quatschten, wies mich die Dame hinten links zurecht, dass ich auf die Märkische abbiegen müsse. Ohne das böse zu meinen. Ich hab mit einem Grinsen geantwortet, dass ich das wisse. Ich hätte meine Lücken im Stadtplan, aber:

„Hier ums Eck wohne ich, hier kenne ich mich aus, keine Sorge!“

Ich weiß nicht, was mich in dem Moment geritten hat. Mit Kunden an Bord fahre ich immer sehr bedächtig, mit betrunkenen noch dazu. Aber gerade da, in der Kurve von der Landsberger auf die Märkische, einer 300°-Schleife, war mir nach Spaß mit der lockeren Besatzung. Ich kenne die Kurve, ich fahre sie zu jedem zweiten Feierabend, meist allerdings mit leerem Auto. Aber ich kenne auch das Auto mit Beladung und hab die Kurve entsprechend in „Höchstgeschwindigkeit“ genommen, was in dem Fall etwa 50 km/h sind. Ist ja nur ein Opel Zafira. Ich nahm wie immer die Sperrflächen mit und schoss astrein, mit dem linken Reifen nur leicht die Spurbegrenzung touchierend und reifenquietschend auf die Märkische Allee auf. Und während ich noch dachte, dass das jetzt vielleicht doch ein wenig zu herb war, um es mit Fahrgästen zu tun, jubilierte es hinter mir plötzlich laut:

„Sooo gaajil! Bin iich noch nie gefahren diese Kurvää soo gaajil! Kriegst Du Eextra von mjir!“

Die gute Frau war höchst verzückt, ich konnte es selbst nicht verstehen. Aber hey, ich hatte offenbar alles richtig gemacht. 😀

Das angesprochene Trinkgeld war nicht wirklich üppig. Sie hat die 23,40 € auf 25 € aufgerundet. Aber sie hat es explizit nochmal erwähnt:

„Kriiegst Du für Kurvää! War so guut, bijn ich voll gaajil!“

Ich weiß nicht, ob sie DAS so sagen wollte – aber es wäre immerhin eine Erklärung für all das. Ich jedenfalls schreibe mir jetzt „geiles Kurvenfahren“ auf meine Referenzliste. 😉

3 Kommentare bis “„Iist für soo gaajile Kurvää!“”

  1. Uwe A. sagt:

    Das sind keine Sperrflächen, das sind Curbs! Hatten wohl nur gerade keine rote Farbe mehr, daher grau/weiß, statt rot/weiß…

  2. Sam sagt:

    Ist da nicht 30? 😉
    Als ich meinen Führerschein ganz neu hatte, meinte mein Vater nämlich zu mir, die Kurve mache erst ab 40 km/h Spaß. Mein Hinweis, dass da aber ein 30-Schild wäre, wurde kommentarlos so stehen gelassen. 😀

  3. Sash sagt:

    @Uwe A.:
    Die Erklärung merke ich mir.

    @Sam:
    Ich will ehrlich sein: Ich weiß es gerade hier vom PC aus nicht. Aber es ging ja ohnehin nicht um die ZUGELASSENE Höchstgeschwindigkeit, sondern die meines Autos …

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