Kommen wir nun zu etwas völlig anderem …

Bisher wollte mir keine der verbleibenden Taxistories für meine freien anderthalb Wochen so wirklich flüssig aus der (natürlich nur noch metaphorischen) Feder fließen. Glücklicherweise bin ich ja nicht der einzige, der im Internet schreibt oder sonstwas vergleichbares macht. Heute möchte ich das Themenspektrum deswegen mit einem Link zu einem Video erweitern.

Ich hätte es direkt via Youtube einbinden können, aber ich verlinke es hier gerne in Form des Blogeintrags von Will Sagen. Er hat als Blogger, treuer Leser und gelegentlicher Kommentator von GNIT auch mal ein bisschen Aufmerksamkeit verdient. 🙂
Außerdem hat er sich schon die Mühe gemacht, bezüglich des Videos gute Zeitmarken für all jene zu nennen, die keine halbe Stunde entbehren können.

Das Video selbst ist ein Vortrag von Zukunfts- und Trendforscher Lars Thomsen und dieser erklärt darin, weswegen er dem herkömmlichen Verbrennungsmotor im Auto „nur noch“ 10 Jahre gibt. Das betrifft zwar nicht nur das Taxigewerbe, ist aber hochspannend. Ich verlinke den Vortrag deswegen, weil ich ihn persönlich sehr unterhaltsam fand und er zudem einige Fakten enthielt, die mir bis dato entgangen waren. Außerdem ist er (trotz einiger Verhaspler) äußerst eloquent gehalten.

Selbst wenn man die Meinung Thomsens nicht teilt, sollte man seinen Beitrag auch gerade wegen der vielen Allgemeinplätze dennoch mal anschauen.

Taxitarife in Berlin steigen

So, nun ist es mal wieder so weit: Die Taxitarife in Berlin werden erhöht. Der Senat hat heute in einer Pressemitteilung verkündet, eine entsprechende Verordnung erlassen zu haben. Die Erhöhung des Tarifs betrifft nur den Einstiegspreis, sowie den Preis für die ersten sieben Kilometer. Der Preis für die nachfolgenden Kilometer oder auch die Pauschale für die Kurzstrecke bleiben unangetastet.

Hier mal kurz als Übersicht:

Einstiegspreis: 3,40 € statt bisher 3,20 €.

Kilometer 1 – 7: 1,79  € statt bisher 1,65 €.

Kilometer 7 – ?: Ungeändert 1,28 €.

Kurzstrecke: Ungeändert 4,00 €.

In Kraft treten wird das Ganze am 14. Tag nach der Verkündung im Gesetz- und Verordnungsblatt, dessen nächste Publikation mir jedoch unbekannt ist. Falls jemand dazu was sagen kann, ändere ich das hier gerne in ein Datum.

Ein bisschen was dazu zu sagen hab ich natürlich.

Zunächst mal: Dass die Tarife mal wieder steigen, ist nicht per se falsch. Die letzte Erhöhung fand am 1. Juli 2009 statt, das ist eine ganze Weile her, da ist ein Inflationsausgleich durchaus mal drin. Wer nachrechnet, wird zudem feststellen, dass eine Taxifahrt damit maximal 1,20 € teurer werden kann. Das sollte im Normalfall kein Problem sein.

Interessant ist meines Erachtens nach dennoch diese Art der Erhöhung (nur für die ersten Kilometer). Natürlich deckt das einen Großteil der Touren ab. Die Durchschnittstour liegt immer noch irgendwo um 11 – 12 €, ausgenommen von einer Steigerung sind also vor allem deutlich überdurchschnittliche Fahrten. Dennoch wird sie mit den gestiegenen Kosten im Taxigewerbe begründet.
Wie gesagt: Die Kosten sind natürlich gestiegen, logisch. Aber dass die Tarife für die längeren Fahrten oder die Kurzstrecke gleich gelassen wurden, lässt mich vermuten, dass wir doch eigentlich genug verdienen, so lange wir fahren und der Tarif eigentlich nicht unser Hauptproblem ist. Nach wie vor haben wir zu wenig Kundschaft oder zu viele Taxen. Je nachdem, wie man lieber argumentiert. Das dummerweise wird sich nicht ändern. Im Gegenteil: Tariferhöhungen sorgen immer dafür, dass wir ein paar Fahrten verlieren und dass die Zahl der Neukonzessionen steigt. Gerade im Hinblick auf einen kommenden Mindestlohn ist doch zu bemängeln, dass eine Tariferhöhung wie immer die einzige Stellschraube ist, deren Bedienung man sich im Gewerbe zutraut.

Stiller Taxi-Alarm

… und wie das mit der Öffentlichkeitsarbeit richtig geht.

Ein paar eher ernste oder sachliche Themen fristen bei mir eher ein Schattendasein im Blog. Einfach, weil’s mich im Alltag wenig betrifft. Das ist auch beim stillen Alarm in Taxis der Fall. Den erwähne ich vor allem in den FAQ, ansonsten eher nicht. Ich selbst habe weder damals in der 1925, noch jetzt in der 72 einen solchen Alarm gehabt. Natürlich bin ich mit dem gesetzlich vorgeschriebenen Alarm ausgestattet, aber das ist eben jener „nicht ganz so stille“, der aus dem Auto einen halben Rummelplatz macht, weil alles blinkt und blökt, was nur geht.

Nun bekam ich letzte Woche eine nette aber fast schon panische Mail von der Machermama.

Sie schilderte mir etwas, was so vielen passieren könnte: Sie sah ein Taxi, an dessen Schild rote LEDs blinkten, wunderte sich und fuhr weiter. Erst beim Googeln am Abend erfuhr sie dann, dass dies besagter stiller Alarm ist und hatte nun Angst, einen Fehler gemacht zu haben, weil sie niemanden informiert hatte.

So weit, so doof. Anscheinend ist aber nichts passiert. Und die Gewissensbisse hab ich zumindest mal versucht zu nehmen, denn in der Tat ist es ja so, dass die Alarmknöpfe im Taxi auf gute Bedienbarkeit ausgelegt sind, so dass fälschliches Aktivieren durchaus oft vorkommt, wahrscheinlich wesentlich öfter als der Ernstfall. Dennoch: Wenn man ein Taxi mit rot blinkenden Lichtern auf dem Dach sieht, sollte man die Polizei rufen und mitteilen, wohin das Taxi gefahren ist – oder fährt, man kann ja vorsichtig hinterher, falls man gerade selbst motorisiert ist.

Das hätte es schon gewesen sein können und ich persönlich hab mich vor allem gefreut, jemandem diese Infos geben zu können. Aber es ging noch weiter! Bereits wenige Tage später bekam ich wieder eine Mail von Machermama und sie berichtete, dass sie just jetzt wieder ein Taxi mit Alarm gesehen hätte und es der Polizei gemeldet hätte. Sogar den Nervenverschleiß durch eine „Verfolgungsjagd“ hat sie auf sich genommen und die Polizei, die das umgehend ernst nahm, von unterwegs zielsicher zum Taxi lotsen können, wo es dann gestoppt wurde. Glücklicherweise war es wohl wieder nur ein Fehlalarm. Puh!

Die Ereignisse vermutlich noch nicht ganz verdaut, postete Machermama bei Facebook einen Hinweis auf diesen weithin unbekannten Alarm. Und wurde geradezu überrollt. Fast 30.000 Leute haben die Meldung bislang geteilt, es dürften also nun etliche Menschen mehr Bescheid wissen, was diese komischen Lichter bedeuten. Selbst die üblichen Fake-Warn-Seiten für Facebook haben inzwischen bestätigen müssen, dass das nicht bloß eine blöde Masche war, Likes zu generieren, sondern dass was dran ist an diesem ominösen Taxi-Alarm.  Das hätte ich mit GNIT vermutlich nie geschafft. Deswegen – vermutlich im Namen aller Kollegen – ein Danke an Machermama für ihren Einsatz!

Und Ihr, liebe Leser, wisst jetzt auch Bescheid. Rot blinkende LEDs am Taxischild sind ein Alarm! Ruft die Polizei! Bleibt gerne in der Nähe, aber seid auch nicht vorschnell übermütig! Was im Taxi genau passiert, kann man von außen oft nicht sehen, also überlasst das den Spezialisten! Natürlich kann das ein Fehlalarm sein, aber wie das Beispiel von Machermama eben auch zeigt: Niemand nimmt Euch den Notruf übel und vielleicht helft Ihr mit dem Anruf einem Taxifahrer, der ganz alleine in seinem Auto sitzt und einer wie auch immer gearteten Bedrohung ausgesetzt ist. Wir schalten diesen Alarm nicht zum Spaß ein.

Also teilt den Facebook-Eintrag von Machermama ruhig weiter oder tut das mit diesem hier. Jeder, der sich das mit dem Alarm merkt, kann vielleicht  mal zufällig ein Leben retten. Das sollte Motivation genug sein.


PS: Wie in den Kommentaren angemerkt und von mir blöderweise vergessen: Es gibt auch stillen Alarm, der die Taxifackel als ganzes blinken lässt, ohne rote LEDs. Die Bedeutung ist die selbe. Und ja: einige Alarmanlagen informieren auch von sich aus die Polizei oder die Zentrale. Aber eben nicht alle.

„Gegen die Vorschrift“

Manche Piepmätze des Nachtlebens tauchen ja auch immer im richtigen Moment auf. Ich hatte um 1:20 Uhr beschlossen, mich nicht ans Berghain zu stellen. Sicher, da kommt man weg. Aber um die Uhrzeit fast nur mit kurzen Touren zu den umliegenden Clubs. Die Leute, die nicht reingelassen wurden eben. Also bin ich zum Ostbahnhof, wo reger Publikumsverkehr war und 6 Autos vor mir. Dauert vielleicht etwas länger als die halbe Stunde am Berghain, aber dafür hatte ich wenigstens eine reelle Chance, mit einer längeren Fahrt wegzukommen. Nun ja.

Die Zeit verging und es sind tatsächlich einige Kollegen weggekommen. Sogar deutlich mehr als sechs, ein guter Teil aber eben hinter mir. Und nun stand ich schon eine geschlagene Stunde dort. Es war nasskalt, alles irgendwie bäh. Aber um eine zu rauchen, bin ich dann doch kurz ausgestiegen. Den Motor hab ich in diesem Moment laufen lassen. Die Kiste war langsam ausgekühlt, ein wenig Nachheizen konnte nicht schaden. Und im Gegensatz zur E-Klasse hat mein Auto keine Restwärmeschaltung. Mal davon abgesehen, dass selbst die Kollegen um mich rum ihre Kisten haben vor sich hintuckern lassen.

Kaum dass ich den ersten Zug meiner Zigarette nahm, steuerte ein einsamer Polizist auf mich zu. Er tat sich zunächst etwas schwer, fuhr mich dann aber barsch von der Seite an:

„Das ist im Übrigen gegen die Vorschrift, den Motor im Stand laufen zu lassen!“

Während ich ihn sicher nicht sehr begeistert angesehen hab, hab ich fieberhaft überlegt, welche Vorschrift er genau meint. Sicher, irgendwas gab’s da bestimmt, aber meine Fresse: Hier kotzten die Leute auf die Straße, pöbelten und randalierten und der muss mich blöd anlabern, weil ich als einziger in seiner Reichweite stehe und er zufällig bei meinem Auto die Abgase sehen kann, weil sie auf seiner Seite unter dem Auto rauskommen …

Und er wollte es scheinbar wirklich wissen:

„Ich meine, echt jetzt! Warum muss denn bitte Ihr Motor laufen, wenn Sie draußen stehen und eine rauchen!?“

Ich kenne das leider. Der wollte sich jetzt unbedingt aufspielen. Die Frage hätte man auch einfach freundlich stellen können, aber nein. Schlechten Tag gehabt, Mami hat wieder Leberwurst auf die Stulle geschmiert und da steht so’n Taxifahrer, der sicher vor Uniformen kuscht.

Ich hab mich ganz lässig und gelangweilt aufs Autodach gelehnt, mit einer hochgezogenen Augenbraue zu ihm runtergesehen und gefragt:

„Zum Heizen? Wird auf Dauer leider etwas kalt.“

Und dann ist Papa Schlumpf mit hochgezogener Nase, aber sichtbar verunsichert, weil ihm nix mehr eingefallen ist, davonmarschiert. Ich war in der Versuchung, ihn nochmal nach den Vorschriften zu fragen, aber ich konnte mich beherrschen.

Hey, seine Frage war ok. Es ist ja auch Blödsinn, Sprit für nix und wieder nix rauszuballern, da kann man sich gerne drüber unterhalten. Aber kein besoffener Jugendlicher ist mir in den letzten zwei Monaten so verächtlich und nervig dahergekommen wie diese Flitzpiepe, das muss dann ja wohl auch nicht sein!

Und ICH mach mir Sorgen, dass ich anderen mal auf die Nerven gehe, wenn ich frustriert bin …

Schnell-Reparaturen

*Klack. Klack. Klackklackklack!*

„Oh, haben Sie das richtige? Viele nehmen das falsche, das passt nicht.“

Die Gurtschlösser! In vielen Punkten mag ich mein Auto wirklich sehr und ich verteidige es hier und da gerne mal gegen allzu fiese Angriffe. Aber bei den Gurtschlössern hat Opel Scheiße ohnegleichen gebaut. Das heißt: Die Schlösser selbst mögen an und für sich ganz gut sein und sie entsprechen bestimmt allen Sicherheitsanforderungen. Aber die Plastikummantelung der Teile ist derart billig, dass sie mit einer Wahrscheinlichkeit von 100% irgendwann bricht. 100%.

Das zumindest sagen die anekdotischen Daten. Inzwischen umwickelt unser Firmenschrauber die Teile nämlich gleich nach dem Kauf des Autos mit reißfester Folie. Das sieht sogar viel professioneller aus als es sich anhört und es ist bitter notwendig, denn bisher haben die Teile noch in jedem Zafira klein bei gegeben.

Das Problem dabei ist, dass sobald sich die Ummantelung leicht lockert, das Schloss selbst tiefer hinein rutscht und nicht mehr benutzt werden kann. Obwohl es für sich gesehen intakt ist und die Sicherheit keineswegs gefährdet ist. Aber man kommt schlicht nicht mehr ran und kann da auch mal eben so nicht viel ändern. Und mein erster Fahrgast gestern Abend stellt mal eben fest, dass gleich zwei der Gurtschlösser dementsprechend lädiert waren. 🙁

Nun kann man natürlich theoretisch durch Sitzplatztetris die Fahrgäste ggf. anders im Auto verteilen, aber lustig fand ich die Idee nicht. In der Firma war ausnahmsweise mal niemand zu erreichen und ich hatte nun den Salat. Zu Hause hab ich zuerst mit einem Schraubenzieher rumhantiert; am Ende hat Ozie, mit Gaffa-Tape und Cutter bewaffnet, fast im Alleingang kurz mal für eine fast perfekte Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand* gesorgt. Die Order, dass das heute auch nochmal richtig gemacht werden soll, ist schon raus. Und ich konnte wenigstens noch ein paar (leider viel zu wenige) Kunden einsammeln gestern.

Manchmal braucht’s dann eben doch ein wenig Fingerspitzengefühl als Taxifahrer. Und Gaffa-Tape sowieso, das ist ja klar.

*es war ein kleiner Traum von mir, die Formulierung mal jenseits von juristischen Texten zu verwenden. 😉

Gut abgesprochen …

Manchmal ist es komisch, an was die Leute so denken oder nicht. Ich bin ja beispielsweise selbst kein Vorzeigebeispiel für durchdachte Lebensplanung, aber als ich mit meinem Kunden vor dem Haus in der Weserstraße stand, wunderte ich mich doch. Bis hier hin war alles prima gelaufen und das war für die Umstände bereits super.

Mein Fahrgast war ein junger Kerl, kaum über 20 Jahre alt und Student aus Frankreich. Das freilich war nichts besonderes, aber ich nahm es schon einmal positiv auf, dass er zielsicher zu sagen wusste, er müsse in die Weserstraße in Neukölln. Doppelte Straßennamen sind hier ja immer wieder ein Problem, insofern war anzunehmen, dass er – das erste Mal in seinem Leben in Berlin – gut gebrieft wurde, bevor er hier aufschlug.

Und nun standen wir in der Weserstraße vor Nummer neununddrölfzig und mein Fahrgast fand auf dem Klingelschild den passenden Namen nicht. Sicher keine epochale Verfehlung, aber es war inzwischen 23.30 Uhr durch und das ist selbst in Berlin-Neukölln nicht unbedingt die Uhrzeit, in der man gerne mal bei den Nachbarn klingelt und munter drauflosfragt, wo denn Herr oder Frau XY wohnen.

„Könnte ich vielleicht … haben Sie ein Handy?“

wurde ich gefragt. Hmpf. Natürlich. Aber mein Handy bedeutet auch meine privaten Daten, mein Geld beim Telefonieren, meine Sorge, dass der Fahrgast damit abhaut. Was in Anbetracht seines etwa zwei Zentner schweren Koffers vielleicht ein wenig übertriebene Angst war. Aber wer gibt schon gerne sein Handy an Wildfremde weiter?

Naja, gutmütig wie ich bin, hab ich’s dann trotzdem getan. Und es war natürlich kein Problem. Der Fahrgast rannte damit nicht weg, das Gespräch dauerte keine halbe Minute und es ist ja auch nicht seine Schuld, dass Mobilfunkkonzerne es einem immer noch so schwer machen, ein Handy im Ausland halbwegs sinnvoll nutzen zu können. Da war ich als Taxifahrer es halt mal wieder, der ein paar Cent investiert hat, um einen gastfreundlichen Eindruck zu erwecken.

Und wenn man es so betrachtet, dann war es – Verplanung des Fahrgastes hin oder her – eigentlich auch in Ordnung so. 🙂

PS: Bitte bitte, erwartet das nicht von uns Taxifahrern! Ich hab Verständnis für jeden Kollegen, der das nicht macht und ich hab es auch schon hier und da abgelehnt. Wir sind als Taxifahrer geschäftlich unterwegs und haben wie alle anderen auch unsere Sorgen, wenn die Arbeit plötzlich ins Private geht. Und heilige Scheiße, was ist mein Handy privat! Würdet Ihr den Supermarktkassierer nach seinem Handy fragen oder euren Rechtsanwalt? Dachte ich mir.

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Gegen die MyTaxi-„Fairmittlungsgebühr“?

Es raschelt mal wieder laut im Blätterwald des Taxigewerbes. Der Grund ist recht einfach: Die Anbieter der App MyTaxi ändern ihr Preismodell. Bislang verlangten sie eine Pauschale von 79 Cent pro vermittelter Tour, zukünftig sollen die Fahrer selbst einen Prozentsatz angeben können. Ursprünglich 3 bis 30%, inzwischen scheint MyTaxi auf 3 bis 15% zurückgerudert zu sein. Wie viel ein Fahrer abzugeben bereit ist, soll Einfluss auf die Vergabe von Fahrten haben.

So weit, so ui. Der Aufschrei der Branche ist groß. „Abzocke!“ wird gerufen, die „Geldgeilheit“ des Unternehmens wird kritisiert und es wird vorausgesagt, dass das letztlich in einem Preiskampf der Taxifahrer enden wird und die Kunden benachteiligt werden, weil sie nicht mehr das nächste Taxi bekommen, sondern den Fahrer, der am meisten zahlt. Selbst eine Petition wurde gestartet, um MyTaxi zum Einlenken zu bewegen, sprich: es so zu lassen wie bisher.

Klingt soweit ganz logisch, oder?

Um ehrlich zu sein: Finde ich nicht.

Sicher, es ist eine große Änderung, die MyTaxi da plant – und außerdem glaube ich, dass sie das nicht sonderlich clever angegangen haben. Diese Panikwelle und dieser Aktionismus, der jetzt durch die Branche geht und den man bei anderen wichtigen Themen vermisst, ist aus meiner Sicht aber auch ziemlich bekloppt.

Fangen wir mit dem Offensichtlichen an: Ja, MyTaxi will Geld verdienen. Ich bin selbst ein großer Freund von sozialem Engagement, aber MyTaxi war auch als es zur Einführung von all jenen gelobt wurde, die es jetzt kritisieren, kommerziell ausgerichtet. Sie verdienen ihr Geld, indem sie Taxifahrten vermitteln, ebenso wie das andere auch tun. Im Übrigen auch unsere Funkzentralen. Natürlich ist das kapitalistisch. Wie unser Verhalten und das unserer Chefs auch. Also ich fahre auch Taxi, um Geld zu verdienen. Ihr nicht?

Zockt MyTaxi uns ab? Ich würde sagen: Nein. Es ist ein neuer Anbieter von Vermittlungen, der jetzt seine Preise ändert. Abgesehen davon, dass diese neuen Preise hier und da gar nicht höher sein werden, kann man als Fahrer heute wie morgen entscheiden, ob einem dieser Dienst das wert ist. Und, mit Verlaub: Wer jetzt rumflennt, weil sie ja so eine große Marktmacht haben, der soll sich mal an die Zeit vor 3 Jahren erinnern. Da hatten die Funkzentralen viel mehr Marktmacht, nämlich quasi ein Monopol (in manchen Städten nicht nur quasi). Und bei denen war die Entscheidung, sie zu nutzen oder nicht viel komplizierter. Inklusive teurer Geräteeinbauten und all dem Schmu, der klaglos hingenommen wurde.

Zu guter Letzt aber der wirklich fast schon lustige Punkt: Das „Gegeneinander ausspielen“ der Taxifahrer, das bislang quasi das Hauptargument ist: „Wenn man nur so Aufträge bekommt, müssen ja alle auf 15% stellen!“ und noch besser: „Das ist ja ein Nachteil für den Kunden, wenn er nicht das nächste Taxi kriegt!“

Mal ganz ehrlich, liebe geschätzte Kollegenschaft: Auf welchem Planeten seid Ihr bisher Taxi gefahren?

Daran, dass wir uns selbst ausbeuten, ist jetzt MyTaxi schuld? Das ist interessant. Ein Euro mehr an eine Fahrtvermittlung ist jetzt ein riesiges Problem – aber an 10 Stunden Arbeitszeit nochmal zwei ranhängen, weil man den Umsatz noch braucht, den sonst der Kollege der nächsten Schicht gemacht hätte, ist normal? Ein teureres Auto kaufen, um mehr oder bessere Fahrten zu bekommen, ist normal – bei MyTaxi 2% mehr zu zahlen nicht? Sich bei der Funkzentrale anzumelden, die mehr Fahrten im eigenen Gebiet anbietet, ist normal – bei einer App mehr zu zahlen, um mehr Aufträge zu bekommen nicht?

Ich weiß nicht, wo Ihr diese Fairness und Gleichheit, die Euch MyTaxi jetzt angeblich nimmt, bislang hattet. Natürlich versuchen wir unsere Konkurrenz zueinander in zivile Bahnen zu lenken, aber wir fechten diesen Kampf seit Jahr und Tag mit Geld aus. Oft verdeckt in Form von Arbeitszeit und Funk- oder Unternehmenszugehörigkeit, dennoch läuft es darauf hinaus.

Und die Kunden, die „jetzt nicht mehr das nächste Taxi kriegen“?

Das ist genau der selbe Selbstbetrug! Rufe ich mir nachts beim Innungsfunk ein Taxi, kommt wahrscheinlich ein Kollege aus, sagen wir mal Lichtenberg, hergefahren. Vom Bärchenfunk aber steht einer nur 300 Meter entfernt am Eastgate. Der wird ebenso total unfair übergangen, weil er bei der „falschen“ Zentrale ist. Und das passiert zigtausendfach täglich. Auch sprechen die Funkzentralen zuerst die Taxistände an, selbst wenn gerade drei freie Taxen vor meinem Haus hin- und herfahren. Beim Digitalfunk wiederum entscheidet die Anwesenheitszeit im Sektor und keineswegs die wirkliche Nähe zum Kunden über die Vermittlung einer Fahrt. Außerhalb Berlins ist das noch viel auffälliger: Vielerorts vermitteln die Unternehmen jeweils ihre eigenen Taxen, da interessiert es kein Schwein, dass die Konkurrenz direkt ums Eck steht und der eigene Fahrer noch eine halbe Stunde braucht, weil er derzeit noch eine andere Tour fährt. Das ist nicht immer schön, aber sicher nicht der Untergang des Abendlandes, wenn es seit 50 Jahren funktioniert.

Ich will damit nicht sagen, dass ich es schön fände, wenn aus all dem eine Preiserhöhung bei MyTaxi resultieren sollte. Und da kann man meinetwegen dagegen sein, wir brauchen schließlich alle unsere Kohle. Aber dann doch mit stichhaltigen Argumenten.

Überhaupt: Preiserhöhung! Habt Ihr mal ausgerechnet, was das neue Modell für die unliebsamen 5€-Touren bedeutet? Stimmt, die sind automatisch immer billiger als bislang. Und wo bitte ist es unfair, dass z.B. ein Fahrer, der auf eine Anbindung an eine Funkzentrale verzichtet und (finanziell gesehen) enger mit MyTaxi kooperiert, mehr abgibt als ein Fahrer, der mit Doppelfunk im Auto für ein zwei zusätzliche Fahrten im Monat nur noch 3% entbehren will? Und entspricht es nicht tatsächlich viel mehr der Lebensrealität von uns Taxifahrern, dass uns eine Fahrt Montag nachts in Hellersdorf viel mehr wert ist als eine an Silvester um 2 Uhr in Mitte?
In Gegenden, in denen das Taxigewerbe noch nicht so komplett an die Wand gefahren ist wie in Berlin, ist es zudem sehr wahrscheinlich, dass sich die Prozente, die für MyTaxi gezahlt werden, je nach Auftragslage einpendeln werden und damit tatsächlich fairer werden als pauschale 79 Cent.

Gegenargumente gegen oben gesagtes vermisse ich bei all den Boykottaufrufen und Heulereien gerade.

Disclaimer: Gelegentlich nutze ich MyTaxi auch und Google blendet manchmal zufällig MyTaxi-Werbung oben in der Seitenleiste ein. Mehr hab ich mit dem Unternehmen nicht am Hut.