Dank einer Bodenwelle und seiner schnellen Gangart tauchte er vielleicht 20 Meter vor mir erst im Scheinwerferlicht auf: Ein süßer kleiner Igel, ganz alleine hier draußen mit mir auf der B195 und voll auf Konfrontationskurs.
Ich hab dieses „richtig reagieren“ ja nirgends gelernt. Aber irgendwie klappt es dann halt doch meistens. Dabei hab ich noch nicht mal irgendwann ein Fahrsicherheitstraining gemacht. Nicht mal absichtlich, aber die drei Komponenten „Geld dafür“, „Zeit dafür“ und „dran denken“ sind während 13 Jahren Führerscheinbesitz einfach noch nie zusammengekommen.
Gut, wirklich brenzlige Situationen kommen auch nicht jeden Tag vor, aber ich habe das Gefühl, am Ende doch oft den richtigen Riecher oder zumindest mal Glück zu haben. Ich hab den Lenker nicht verrissen, als ich als Fahranfänger ohne Vorwarnung eine Ohrfeige von einer Taube bekommen hab, deren Flugbahn etwas zu dicht an meinem offenen Fenster vorbeiführte. Ein Cannstatter Fußgänger lebt nur noch, weil ich blind auf eine andere Spur ausgewichen bin, obwohl ich nicht wusste, ob dort jemand fuhr. Instinktiv hab ich lieber einen Blechschaden in Kauf genommen und es ging ohne alles aus, dass der Typ einfach auf die Straße gerannt war, wo dichter Verkehr bei Tempo 50 herrschte.
Dieses Mal hätte ich vergleichsweise wenig Ärger gehabt. So einen Igel würde die 2925 sicher verkraften. Ist ja nicht ganz das Kaliber eines Schäferhundes, der mit fernöstlicher Ausbildung so ein Opel-Taxi schon mal in den Ruhestand schicken kann …
Nein, vermutlich wäre es ein lautes Knacken und ein unangenehmes Holpern für mich gewesen, mehr wohl aber nicht. Aber mal im Ernst: Wer will schon einen Igel erlegen? Für sowas haben wir in Berlin Füchse.
Wir waren wie gesagt alleine. weit und breit kein anderes Auto und die B195 lag dreispurig vor mir. Ich hab mich zwar weitgehend an die vorgeschriebenen 60 km/h gehalten, hab aber bei einem kurzen Antippen des Lenkrades gemerkt, dass ein wirklich sicheres Ausweichmanöver (der Igel war sich plötzlich auch nicht mehr sicher, wo er hinlaufen soll) mich eventuell wirklich ins Schleudern hätte bringen können. Also hab ich die Bremsen doch bis kurz vor Anschlag durchgetreten und durch sachtes Lenken versucht, den Herrn Igel genau zwischen die Reifen zu nehmen.
„Wenn Du schon die Körperform eines Fußballs hast, dann tunnel‘ dieses Scheiß-Taxi!“,
hab ich ihm in Gedanken zugebrüllt und bin mit immer noch rund 50 km/h über ihn drüber gerauscht. An dem Igel zog vermutlich sein ganzes Leben vorbei und zudem hat ihn vielleicht ein evolutionärer Geistesblitz getroffen, der ihm sagte, er solle sowas wie eine Lebensversicherung im Igelreich erfinden.
Ich hab kurz die Augen zusammengekniffen und auf das unschöne Knacken gewartet. Aber es lief alles gut. Während ich vorerst weiter bremste, sah ich im Rückspiegel bereits, dass mein gestachelter Freund nach einem Moment der Schockstarre, wo dieses hässlichfarbene Ding über ihn hinweggesegelt war, wieder zu Kräften fand und eifrig weiter in Richtung gegenüberliegender Straßenseite wuselte. Es hat also wieder mal gereicht. o/
Manchmal sind die kleinen Freuden ja auch gleichzeitig die ganz großen. 🙂