Gut, eigentlich hatte ich vor Jahren schon mal eine „Feierabendtour wie aus dem Lehrbuch„. Die heute kann aber durchaus mithalten.
Ich war mehr oder weniger satt. Mir fehlte noch ein Zehner zum Wunschumsatz und ich hatte vor, in einer Dreiviertelstunde Feierabend zu machen, aber es war mir recht egal. Ich hatte mich nochmal an den Bahnhof gestellt, weil dort nur ein Taxi stand. Hätte ich gewusst, was für ein gruseliger Kollege darin saß, wäre ich geflüchtet. Aber gut, so hatte ich drei Minuten Smalltalk from Hell. Dann kam er endlich weg und ich kurz darauf.
Heute lag mein Abstellplatz ein bisschen weiter weg als sonst, denn da das neue Getriebe für die 72 erst spät geliefert wurde, hatte ich wieder mal einen Ersatzwagen. Die 2223, die ich beim letzten Getriebeschaden auch schon mal hatte. Dank der wirklich grotesken Fehlentwicklung des Navis werde ich sie wohl nie endgültig lieb gewinnen – aber für die meisten Fahrten braucht man ja sowieso keines. Die 2223 hab ich jedenfalls an der Firma holen müssen, bei der letzten Tour wäre es mir also recht gewesen, wäre es etwas in den Südosten gegangen.
Kam natürlich anders: Steglitz. Zumindest mal ein um 120° abweichender Kurs.
Eine Dreierbesatzung aus einem vollkommen abgefüllten Schluck(auf)specht auf dem Beifahrersitz, seiner stark genervten Freundin hinten rechts und einem Tiefschläfer hinten links. Aber hey – immerhin eine Tour, bei der ich übers Ziel hinausschießen würde!
Schlucki von nebenan versuchte die ganze Zeit das zu tun, was er am wenigsten konnte: reden. Das war soweit ganz lustig, zumindest für mich. Seine Freundin sah das etwas anders und verweigerte ihm auch den Wunsch „an jeder fucking McDonald’s-Filiale unterwegs“ anzuhalten. Schnell nach Hause, dann is‘ gut!
Da ich ihre Straße nur so vom Hörensagen aus Zeiten der Ortskundeprüfung im Kopf hatte, fragte ich sie nach einem Anhaltspunkt und bekam im Gegenzug eine ausführliche Routenbeschreibung, die die beiden Kunden-Echtheitssiegel „so würde ich fahren“ und „3 km Umweg“ trug. Ich nehme geschenktes Geld zwar gerne an, hab dann aber doch abgekürzt und ein ehrliches Danke dafür erhalten. Ist ja auch mal was! 🙂
An diesem Punkt meldete das Murmeltier hinter mir, dass es mal eben eine kurze Pause wünschen würde.
„Wieso? Ist Dir schlecht?“
„Ja.“
Dieses Mal war es glücklicherweise kein Problem, dass der Kotzkandidat (wie gefühlt immer) an der Türe mit der Kindersicherung saß. Alle verließen in geordneter Formation ruhig das Taxi. Auch ich, denn ich ging gleich an die Heckklappe, um dem Auswurfaspiranten ein wenig Küchenrolle zum Abwischen zu reichen. Dass ich noch Bonbons gegen den Geschmack dabeihätte, ließ ich ihn auch wissen und setzte mich wieder ins Auto. Sollten die Jungs ruhig alleine durch Hicksen und Kotzen die Schöneberger Nacht bereichern.
Die sie begleitende Dame saß inzwischen hinter mir und staunte:
„Wow, Sie sind gut ausgerüstet!“
„Naja, eigentlich hab ich das Papier ja, um das Auto sauberzuhalten.“
Da es sonst nichts zu tun gab, erzählte sie mir auch, weswegen sie eigentlich so sauer war. Nicht wegen dem Schluckauf – um Gottes Willen! Nein, die beiden hätten sie angerufen, woraufhin sie bereit zum feiern für 30 € mit dem Taxi angereist war. Schon das Treffen war schwierig, weil die beiden ihre Handys nicht bedienen konnten und am Ende waren die Jungs schon voll wie zwei Eimer als die Freundin ankam. Keine Chance mehr, feiern zu gehen. Als ob das nicht reicht, ist der Schlaf-und-Kotz-Kumpel wohl auch noch für anderthalb Stunden unaufweckbar weggetreten, die sie stoisch ertragen hat, bis sie alle dann – mit mir – den Heimweg antraten. Eine Stunde nervige Hinfahrt, anderthalb Stunden den Kumpel wachklopfen und jetzt auf dem Rückweg auch noch ein Stopp zum Reihern. Ich konnte ihre Stimmung irgendwie nachvollziehen. Arg viel sinnloser kann man seine Zeit ja kaum verschwenden.
Mich hat das an diese Jungs hier erinnert.
Im weiteren Verlauf war die Tour an sich problemlos, nur wird sich ein Mensch aus Steglitz morgen wohl von seiner Freundin anhören dürfen, weswegen sie auf ihn sauer ist. Bis dahin wird es ihm selbstverständlich wie all meinen Fahrgästen, die ich unter widrigen Umständen nach Hause verfrachtet habe, gut gehen. Die letzten Worte, die ich von ihm vernahm, waren:
„Und jetzt, Schatz, jetzt mache ich mir alle Fischstäbchen, die wir noch zu Hause haben!“