Plot Twist: There is no tip!

Ich sage hier bei GNIT oft genug, dass das Trinkgeld freiwillig ist und dass ich im Gegensatz zu so manchen Kollegen auch nicht grundsätzlich aggressiv drauf bin, wenn es mal ausfällt. Obwohl es ein wichtiger Teil meines Einkommens ist, obwohl es in meinem Umfeld gängig ist, ob als Geber oder Empfänger.

Aber dann war da dieser Engländer, mit dem ich schneller als meistens auf einem Level war. Er war zufriedener Berlin-Tourist und offensichtlich zufriedener Taxi-Nutzer. Ich hingegen war zufrieden mit der Tour für mehr als 20€ und mit ihm als wissbegierigen, aufgeschlossenen, netten und auch sonst in allen Formen perfekten Kunden. Natürlich kann sowas trinkgeldlos bleiben, aller Wahrscheinlichkeit nach endet es irgendwo oberhalb von fünf Euro extra.

In dem Fall nicht, denn er reichte mir für die 22,50€ auf der Uhr 23€ mit dem Vermerk, dass das passt. Kommt auch vor, passt schon, war immerhin sehr angenehm.

Als ich das Portemonnaie bereits zurückgesteckt hatte, während wir uns weiter über Berliner Sehenswürdigkeiten austauschten, fragte er plötzlich folgendes:

„But, ähm, Sir, can I please have my 50 Cents back?“

Wie gesagt: Das alleine hätte mir nicht egaler sein können, ich hab’s nur einfach nicht erwartet. Es klang zuvor schon so, als solle ich es gerne behalten und der ganze Charakter der Tour hat das unterstrichen. Im Grunde war mir persönlich sogar egal, warum ihm das jetzt wichtig war. Nach der Erklärung allerdings war ich eher ratloser als zuvor, denn begründet hat der Kunde das damit, dass er am Vortag sogar zu wenig Geld für die Taxifahrt dabei hatte. 70 Cent. Und dass er nun von mir die 50 Cent nur zurückverlangen würde, weil mein Kollege eben auch auf die 70 Cent bestanden hätte.

Wie gesagt: Trinkgeldlosigkeit bei einer Tour ist mir schnuppe, ich erwähne sie auch hier eigentlich nur, wenn im Vorfeld anderes angekündigt wurde oder wenn ich auch mit meiner Dienstleistung über meine Grenzen hinaus gnädig und deswegen enttäuscht war.

Aber das?

Mal ganz ehrlich: Ich spiele gerne Kundenanwalt, wenn ich davon ausgehe, dass Trinkgelder für Taxifahrer in ihren Kreisen unüblich sind (was bei Engländern wirklich nicht stimmt, die kennen wir Taxifahrer hier als eher großzügig) oder wenn sie sehr jung, unerfahren, etc. pp.  sind. Und selbst das nicht ohne Ausnahme. Aber dass jemand ein Trinkgeld bewusst verweigert mit dem Hinweis darauf, dass er am Tag zuvor den regulären (zudem noch gesetzlich vorgegebenen) und standardmäßig um ein Trinkgeld erhöhten Preis bezahlen „musste“? I don’t get it, ehrlich!

Kann sein, dass ich einfach zu nett zu meinen Dienstleistern bin. Dann wäre das ein Wahrnehmungsproblem, über das wir reden könnten oder müssten. Aber wie zur Hölle kommt man auf die Idee, jemandem klarzumachen, dass man ihm kein Trinkgeld gibt, weil der letzte Dienstleister leider keine Unterbezahlung akzeptiert hat?

PS: Bevor da falsche Vermutungen entstehen: Ich bin dem Kunden nicht böse. Im Gegenteil. Wir hatten eine geile Fahrt und unser Gespräch war weit mehr wert als die 50 Cent, über die ich hier schreibe. Das war ein cooler Typ, ich mag ihn immer noch und ich bin keineswegs frustriert. Ich hab bloß ernsthaft Verständnisschwierigkeiten diesbezüglich, mir fehlt offenbar dieses Heimzahlungs-Ego-Gen oder was auch immer hier eine Rolle gespielt hat und wäre über eine Erklärung echt froh.

Tipps fürs Leben

„Do you do drugs?“

„To be honest: No. Interferes with my work.“

„But you should. It’s a good way to learn about your brain. Take LSD!“

„I guess you wouldn’t like being my passenger while I’m under the influence …“

„Well … ok.“

„You see, it wouldn’t work.“

„OK, but promise me: Whenever there’s a chance to have sex with two women on extasy …“

„I think I have to discuss that with my wife.“

„Your wife’s got a sister?“

„Oh look, time’s up, we’re here. 8,70€ please.“

Wenn man mit dem Typen eine 40€-Tour hat, gibt man vermutlich am Ende eine Bestellung auf, alleine um aus dem Gespräch rauszukommen. 😉

 

„Echt netter Kollege“

Eine eher anstrengende Truppe. Wusste den kürzesten Weg, nur dass es halt ein anderer kürzester Weg war. Alternative Fakten, ich sollte mich dran gewöhnen, schließlich will ich wie jeder hier mal Präsident der USA werden.

Nein, ok, das war übertrieben. Die Kunden waren sehr nett und sie bemängelten meine Route nicht ernsthaft, sie haben mir sogar wirklich geholfen. Ein, zwei Mißverständnisse, nix wildes, ehrlich. Anstatt mich umständlich abbiegen, wenden und dann anhalten zu lassen, haben sie mich rechts rangewunken mit dem Vermerk, so könne ich leichter wieder in die City kommen. Also am Ende dann halt doch nicht anstrengend, man verschätzt sich unterwegs ja öfter mal.

Und just wo sie ausstiegen, blickten ein paar Passanten unsicher in meine Richtung. Auch die Kunden haben das bemerkt. Und anstatt sich auf den schnellen Zahlungsverkehr zu versteifen, haben sie sie hergebeten:

„Hier, das Taxi wird frei! Ist ein echt netter Kollege!“

Hach. <3

Und so hatte ich nach einer guten 20€-Tour noch eine in der gleichen Größenordnung. Ich musste der Adresse wegen nachfragen, am Ende  haben sie mir den Weg gewiesen. Ein Gespräch darüber alleine wäre keine Erwähnung hier wert, aber als ich am Ende nach dem Aussteigen noch beiläufig mitbekommen habe, wie die Kundin am Ende zu ihrem Mann sagte, dass das ja jetzt mal wirklich ein netter Taxifahrer gewesen sei, da hab ich mich dann doch gefreut.

Man will ja nach der Ansage, ein „echt netter Kollege“ zu sein, doch nicht alle Erwartungen enttäuschen. 😉

Völkerverständigung im Taxi

OK, zugegeben: Mit verschiedenen Völkern im ursprünglichen Sinn hatte das nix zu tun. Soweit ich das einschätzen konnte, waren sowohl der Fahrgast als auch ich weiße europäische Männer, vermutlich beide deutsch. Dennoch hätten wir unterschiedlicher nicht sein können, denn er fiel gleich mit dem Hinweis ins Taxi, dass er normalerweise ja heimlaufen würde. Von Schöneweide nach Prenzlauer Berg, schon klar.

„Nee, ehrlich jetzt! Gut, DIE Strecke nicht immer, aber ich lauf halt immer, muss rennen, mich fit halten, ich brauch das!“

„Da bin ich leider auf der anderen Seite. Ich versteh’s, kann es aber nicht nachvollziehen. Schätze, ich hab deswegen den Bauch.“

„Ach was, Alter! Das ist doch kein Bauch, das is‘ so’n  bisschen …“

„… das sind mehr als 40kg Übergewicht.“

„Nicht wahr, Alter!“

„Doch, aber trotz gelegentlicher Versuche, das zu ändern: Is‘ schon ok.“

„Aber Alter, wenn ich nicht drei bis vier Stunden Sport am Tag mache, fühl‘ ich mich mies, depressiv und so.“

„Hab ich oft gehört, glaube ich Dir. Ich bin da halt anders.“

„Aber, aber …“

„Hey, Du scheinst’n verständnisvoller Typ zu sein. Also meine Frage an Dich: Wenn Du vier Stunden Sport am Tag machst, wann liest Du dann deine 250 Feedreader-Einträge neben all den Büchern? Und wann zur Hölle kommst Du zum Schreiben? Denn das wäre wiederum für mich unerklärlich.“

„Alter …“

Und ich will meinen Fahrgast jetzt nicht als blöde hinstellen, nur weil er so oft ‚Alter‘ gesagt hat. Er war trotz deutlich vorzeigbarer Muskeln mit allerlei Klischeetattoos und einem auch sonst stimmigen Schubladenbild ein verdammt cooler Typ:

„Alter … wenn Du das so sagst: Verstehe ich voll! Ich meine, das ist nicht mein Ding, aber wenn das das ist, was Du brauchst … Bro-Fist, Alter!“

Ja, ich nehme an, dass wir uns noch in ganz vielen anderen Punkten mindestens ebenso unterschieden haben. Und ich will nicht sagen, dass ich ihn dieses (natürlich gekürzten) Gesprächs wegen alleine in meinen Freundeskreis einladen würde. Aber er wäre einer der Typen, über die ich mich vermutlich gerne bei „Deutschland spricht“ (eine in meinen Augen nicht perfekte, aber immerhin überdenkenswerte Aktion der ZEIT) gefreut hätte. Zumindest habe ich mich in ein paar Artikeln zum Thema wiedergefunden und mich daran erinnert, wie ich dereinst als jugendlicher Punk die Chance genutzt habe, mich eine Stunde lang mit einem mir über drei Ecken dann halt doch leider bekannten Neonazi zu unterhalten. Inhaltlich bin ich seiner Fraktion nie auch im Ansatz nähergekommen, und ich muss fürchten, dass es umgekehrt ähnlich war. Aber es hat mich auch einiges über Debattenkultur und Differenzen gelehrt und ich kann nur hoffen, dass wenigstens das etwas ist, das er auch mitgenommen hat. Über dieses Gespräch hinaus haben wir uns natürlich trotzdem nie mehr gesehen, aber das versteht sich von selbst, wenn jemand am Ende trotzdem ein Nazi bleibt.

Da ist ein Gespräch über Sport und Lesen mit Fahrgästen natürlich weit offener im Ergebnis.

*gesendet nach sowas ähnlichem wie Sport*

Hohendönerhausen, Trinkgeld und das große Ganze

Für all die Leute mit fixem Monatslohn mag es manchmal seltsam erscheinen, wieso wir Taxifahrer uns über eine lange Tour freuen. Aber so ist das halt. Und mal ganz im Ernst: Ich habe ja auch Mitleid mit der Schuhverkäuferin, der ich erst einmal mitteile, dass sie ihr Mainstream-Programm nun mal niederlegen kann und mir die 50+-Abteilung zeigen soll.

Aber nein, schwierig war der Fahrgast nicht. Er war mir altersmäßig ein paar Jahre voraus und seines Zeichens Koch. Ein Berufsstand, vor dem ich hehren Respekt hege. Und das eines ehemaligen Mitbewohners wegen, den ich zwar eigentlich gerne vergessen würde, der mir den Job aber dennoch nahegebracht hat. Solltest Du weiter mitlesen, Ralf: Ich respektiere deine Arbeit mehr denn je!

Mein Kunde jedenfalls war fertig. Klassische 15-Stunden-Schicht, die nächsten 33 Stunden frei, immerhin.

Er stellte in Aussicht, vielleicht „nur“ mit Karte zahlen zu können, lotste mich dann aber doch erst an eine Bank, dann an einen Dönerladen und zuletzt vor seinem Ziel an einen Späti. Doch noch ein paar Bier, der Kollege hatte sich eben erst wachgemeldet.

Die Zwischenstopps fraßen Zeit und damit am Ende auch Geld. Ich  bin ein netter Mensch, aber während meiner Arbeitszeit läuft die Uhr weiter, so ist das halt.

Ich habe nicht ein Gegenwort gehört. Nicht mal im Ansatz.

„Schön, das Du mich heimbringst!“

„Nett, dass Du wartest!“

„Geil, dass Du da warst!“

„Fett, dass Du dir den Stress mit mir gibst!“

Ja, ich hab nur meinen Job gemacht. So wie er die 15 Stunden zuvor. Aber ich hätte auch Trinkgeld gegeben, auch einen Gruß an die Küche ausgrichtet, seine Arbeit auch wertgeschätzt. „Was auch sonst?“, denke ich mir bisweilen. Und stelle dann fest, dass das leider immer noch viel zu selten der Fall ist.

Ja, vielleicht ist es absurd, dass ich das gute Trinkeld dieser Tour am Ende jemandem zukommen lasse, der mich z.B. bei meinem nächsten Restaurantbesuch nett bedient und der es dann wieder einem anderen Taxifahrer zukommen lässt. Oder noch mehr. dass irgend ein Arschloch die Kette am Ende durchbricht. Vielleicht ist das ein finanziell betrachtet sinnloser Kreislauf, ich will das nicht ausschließen.
Aber erst einmal fühlt es sich gut an.

Für Menschen außerhalb des Dienstleistungsgewerbes mag dieser Gedanke noch fremder erscheinen, aber ich möchte das hier einmal aussprechen: Ja, wo euer Trinkgeld am Ende landet, wisst Ihr nicht. Vielleicht beim Kellner, vielleicht beim Koch, vielleicht beim Taxifahrer des Kochs oder dem Koch des Taxifahrers. Am Ende aber immer bei irgendwem, der es eingepreist hat oder einpreisen musste.

Also bitte …

Wenn man Kunden doch hauen sollte

Ein Winker, na super! Kurz hinterm Ostkreuz, vermutlich zum Sisyphos. Und da wollte ich eh hin.

„Moin.“

„Hi. Samma, hauste mich nich, wenn ick frag, ob wir bis da vorne ’ne Kurzstrecke machen?“

„Wieso sollte ich? Gerne doch.“

„Ick muss aba mit Karte zahlen.“

„Auch kein Problem, aber die 1,50€ Zuschlag für unbares Zahlen kommen dann halt noch drauf.“

„Ach, das‘ ejal!“

Finanziell war das sowieso eine der absurdesten Touren aller Zeiten. Er wäre ohne Kurzstrecke günstiger weggekommen, denn es waren wirklich nur 500 Meter. Als Kurzstrecke mit Karte 6,50€. Aber er war voll wie Eimer, vielleicht hätte er es wirklich nicht mehr zu Fuß geschafft.

Dann kam, was wirklich nicht hätte kommen müssen: Der Kartenleser hat sich verabschiedet, ich musste also nach zwei Versuchen das Funkgerät neu starten. Und das dauert. Das Problem war auch nicht, dass der Kunde ungeduldig war, im Gegenteil: Das mit der Bezahlung war ihm völlig egal. Nur war er eben voll wie Eimer und hat die Zeit genutzt, besonders unterhaltsam zu sein.

Zum Beispiel, indem er meinen Bart bewunderte, mir gleichzeitig aber erklärte, wie viel Sport ich noch machen müsse, um „die heißen Miezen aus dem Sisyphos klarzumachen“. Dann versuchte er mehrfach, am Scheibenwischerhebel den Warnblinker zu deaktivieren, weil ihn das Geräusch nervte, um andererseits aber bei einem kurzen Hinweis meines Autos, dass der Ölstand niedrig sei, eine Art Notruf-Arie aufzuführen, während der er mehrfach eine Feuerwehrsirene imitierte und mich anbrüllte, dass das Auto gleich explodieren würde. Und als ob das noch nicht genug sei:

„Ups, Digger, jetzt hab ick mir so uffjerecht, dass ick jefurzt hab.“

Und als ob auch das noch nicht genug sei:

Ups, nochmal, Digger. Jajaja, mach ma besser die Fenster runter, die sind scheiße fies heute …“

Nicht, dass ich Eure Bestätigung bräuchte, aber mal im Ernst: So ein kleines Bisschen Körperverletzung müsste doch hier und da auch mal erlaubt sein, oder?

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Einsacken wie ein Profi

Morgens halb vier im Osten Berlins. Zwei Menschen auf der Heimreise trafen sich. Einer davon war ich.

„Moin, wo darf’s hingehen?“

„Bringst mich zum Bahnhof Friedrichsfelde-Ost?“

„Klar. Direkt zum Bahnhof?“

„Ja, ich muss noch nach Fredersdorf. Aber bis dahin ist mir Taxi zu teuer.“

„Verstehe ich. Da kommen wir locker über 30€.“

„Ach, 30 oder 40 würde ich Dir ja gleich geben, aber das sind eher 70 bis 80 …“

„Wir reden aber beide über das Fredersdorf hinter Neuenhagen, ja?“

„Sicher.“

„Und 40€ wären ok?“

„Auf jeden!“

„Na dann …“

Nach Uhr waren es keine 35. Mit Trinkgeld 40. Und sooo weit ist der Heimweg nach Marzahn dann auch nicht gewesen. 😉

PS: Ein bisschen mehr  zu nehmen wäre an sich besser gewesen. Aber das hat jetzt der Kollege, der ihm damals 80€ von Prenzl’berg aus berechnet hat und wegen dem er seitdem kein Taxi mehr genommen hat.