Alltagsdusel (2)

Ob ich wüsste, wie weit es zum Watergate wäre und was das kosten würde, fragte er mich. Anderthalb Kilometer, sechs bis sieben Euro vom Ostbahnhof aus; ich blieb freundlich bei der Wahrheit. Die Nacht lief bis dahin gut, aber inzwischen war ich eine halbe Stunde wartend vor Ort. Begeistert war ich entsprechend nur bedingt.

Aber gut, nachdem das mit dem Preis geklärt war und der englischsprachige Jüngling anerkennend einem Teil seiner Kumpels zugerufen hatte, dass das ja mal „fucking cheap“ wäre, hat nicht etwa umgehend das Einsteigen begonnen. Nein, einer wollte noch zum McDonald’s um einen Burger zu holen, ein anderer wollte mal eben zum Pinkeln auf die andere Straßenseite. Tja, nun.

Ich hätte natürlich die Uhr anmachen können – aber dann wäre es halt nicht beim angesagten Preis geblieben. Also hab ich das nicht gemacht, sondern bin in Anbetracht der Tatsache, dass von den vier Jungs inzwischen drei pinkeln und einer beim Mac war, einfach frei wie alle anderen Taxis stehengeblieben und hab mich sehr über die junge Dame gefreut, die mich fragte, ob ich sie in den Wedding fahren will. Ungefähr zwei- bis dreifacher Umsatz verglichen mit den umtriebigen Strullern.

Ein wenig Herzrasen hab ich dann bekommen, als die Dame sich noch umfangreich von ihrer Begleitung verabschieden musste, aber nach einigen Bussis und Floskeln stieg sie gerade noch ein, bevor von links der erste der Jungs – mit den Händen noch am Hosenladen – angetorkelt kam.

Ich fahre nach wie vor kurze Touren und meckere deswegen nicht, keine Sorge! Aber ja, es ist doch verdammt schön, ein paar besoffene Touris im Rückspiegel zu sehen, während man gerade nett plaudernd eine wesentlich weitere Tour antritt. Aber hey, ich bin käuflich und die Preise sind öffentlich einsehbar. Eine Minute ist umsonst, danach sind es 30€/Std., gezählt in 20ct-Schritten. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

9 Kommentare bis “Alltagsdusel (2)”

  1. Marco sagt:

    Naja, und es ist ja jetzt wahrscheinlich nicht so, dass sonst kein Taxi da war, das die Jungs nehmen konnten – notfalls etwas weiter hinten in der Schlange, falls jemand die kurze Strecke nicht fahren will. Oder?

  2. Arno.nyhm sagt:

    „Nicht fahren will“ sollte ja eigentlich nicht vorkommen dürfen

  3. Holger sagt:

    Der entscheidende Punkt ist: Haben die Jungs gesagt, dass Sie mit dir fahren wollen und du solltest mal kurz warten oder wollten Sie nur eine Auskunft.

    Im Fall A muss Sash das Taxameter einschalten und darf die Frau nicht mitnehmen. Schaltet er das Taxameter nicht ein, begeht er mindestens eine Ordnungswidrigkeit. Ladet er dann nämlich die Frau ein, verstößt er gegen die Beförderungspflicht.

    Der gesamte Fall insgesamt ist grenzwertig und es kommt wirklich auf die Details an. Es interessiert nicht, wieviele Taxen an der Halte stehen. Wir haben Gesetze, an die muss man sich halten ohne Wenn und Aber!

    1. Gesetz: Beförderungspflicht
    Jeder Kunde, egal wer, egal wie weit, muss befördert werden.

    2. Gesetz: An der Taxihalte gibt es keine Reservierungen! Ich komm gleich dazu.

    3. Gesetz: Tarifpflicht. Der Tarif bestimmt den Preis und nicht der Taxifahrer.

    Die Jungs können gerne zu einem Taxifahrer gehen und fragen, wie teuer die Fahrt wird. Was der Taxifahrer sagt, ist eine Unverbindlichkeit und kein Versprechen. Dann können die Jungs auch gerne sagen: „Wir möchten mit Sash fahren. Es dauert noch ein Moment, dann geht es los.“ Sash wäre dann verpflichtet, das Taxameter einzuschalten und sich auszureihen. Er darf den Taxistand nicht blockieren und er darf auch keinen anderen Kunden befördern.
    Anders sieht es aus, wenn Kunden zu ihm kommen und sagen: „Wir nehmen dich in 15 Minuten in Anspruch.“ Kein Taxifahrer darf sich darauf einlassen. Das ist verboten. Der nächste Kunde, der befördert werden will, muss befördert werden.

    Es kommt massiv auf den Wortlaut an. Ich kann ihm in diesen Fall kein Fehlverhalten nachweisen.

  4. Sash sagt:

    @Marco:
    Natürlich waren da noch andere.

    @Arno.Nyhm:
    Ach, Du weißt doch, wie es mit meiner Kollegenschaft so ist. Da kommt das Nichtwollen schon öfter mal vor.

    @Holger:
    Du nimmst es aber auch mehr als nur genau. So viel denke ja ich meistens nicht über solche Situationen nach. Abgesehen davon gibt’s gerade in dem Fall trotzdem Grauschattierungen. Denn ein deutliches Interesse, mit mir zu fahren, haben sie durchaus bekundet, andererseits sind sie dann halt weg, ohne dass ich näheres mit ihnen hätte klären können.

  5. Holger sagt:

    Das macht es doch gerade interessant und regt eine Diskussion an.

    Auch eine Unentschlossenheit des Kunden, was dazu führt, dass du Zweifel hast, ob der Kunde fahren will, reicht für eine andere Fahrgastaufnahme aus.

    Rosinen picken ist verboten. Ob andere Kollegen vor Ort sind, spielt keine Rolle.

  6. sarc sagt:

    Ich bin in Fällen wie diesem dann eher ein Freund von gesundem Menschenverstand. Die Jungs brauchten ein Taxi, es waren noch jede Menge da, who cares? Davon abgesehen dürften die sich eher nicht mit der rechtlichen Situation auskennen. Die Diskussion, wenn Sash das Taxameter schon mal eingeschaltet hätt, hätt garantiert nen längeren Eintrag gegeben… Ich bezweifle, dass bei irgendjemand aus nem kurzen Gespräch sofort der Wunsch erwacht, genau mit diesem Fahrer zu fahren und man dafür dann auch gern direkt mehr zahlt.

  7. MsTaxi sagt:

    Der gMv sagt mir in diesem Zusammenhang, dass jemand, der sich noch einen Burger besorgt, nicht sofort ein Taxi benutzen will. Also war Sash frei und berechtigt und, sofern die Fahrt innerhalb des Tarifgebietes bleiben sollte, sogar verpflichtet, einen anderen Fahrgast zu akzeptieren. So what?

  8. Holger sagt:

    MsTaxi: Sag ich doch.

  9. the sagt:

    Wer weiss denn schon, ob die potentiellen Kunden überhaupt wiederkommen, wenn sie erstmal weggehen? Wenn die schon gut angetrunken waren quatschen die sich erstmal beim McDonalds fest, labern beim pieseln gehen dann die Punks an, die gegenüber vom Taxistand manchmal abgammeln, kriegen vom Fritzclub direkt gegenüber erzählt und entscheiden sich dann spontan doch dort hinzugehen. Und Sash soll an der Taxi mit laufender Uhr warten, bis er schwarz wird? Der ist mittlerweile längst vergessen und Bescheid sagt ihm sicher keiner.

    Alles richtig gemacht. Wer nur kurz einen Taxifahrer am Stand anspricht und dann wieder weggeht kann nicht ernsthaft verlangen dass sich dieser auf unbestimmte Zeit nur für diesen Kunden bereithält. Wenn ich mich irgendwo anstelle und dann die Schlange verlasse ist mein Platz auch futsch.

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