Erbärmlichkeit in Reinkultur

Eigentlich habe ich es mir abgewöhnt, von Erbärmlichkeit zu reden, wenn es um die Lebensentwürfe anderer Menschen geht. Wir sind nunmal alle irgendwie verschieden, haben verschiedene Bedürfnisse und verschiedene Vorstellungen von Glück. Ich könnte auch keinem Extremsportler klarmachen, weswegen ich als unsportlicher Mensch glücklich bin; und keinem Weltreisenden vermitteln, warum ich es toll finde, meine direkten Erfahrungen meist nur aus der Stadt zu beziehen, in der ich lebe. Andererseits kann ich mir nur schwer vorstellen, wie Menschen Lesen als Zeitverschwendung empfinden können oder Politik uninteressant finden. Im Grunde ist es schon gut, dass es verschiedene Interessen gibt, denn während ich mir auch mal gerne tolle Parcours- oder Skatevideos ansehe, lesen manche Sportler gerne Blogs.

Aber die Typen, die mir ins Auto stiegen, waren wirklich erbärmlich. Zu einem Puff wollten sie. Das im Übrigen finde ich keineswegs irgendwie schlimm. Ich selbst bin vielleicht eher der Typ, der Sex gerne in einer Beziehung oder zumindest einer sympathiebegründeten Freundschaft hat, aber da Sexualität ein Grundbedürfnis ist und nicht alle zum richtigen Zeitpunkt den richtigen Partner finden, ist Sexarbeit ein Geschäft, dem immer noch eher zu wenig als zuviel Anerkennung zuteil wird.

Aber die Typen, ey!

Landsmänner von mir, also Stuttgarter, altersmäßig kurz hinter dem Höhepunkt männlicher Sexualaktivität. Gutaussehend, partylaunig, erst einmal keine schlechten Kandidaten für schnellen und guten Sex. Und zunächst fand ich es fast schon gut, dass sie lieber in einen Puff gehen wollten, anstatt im Club minderjährigen Mädels was von der großen Liebe zu erzählen, um sie flachzulegen. Aber da hatte ich mich getäuscht.
Denn eigentlich war das wohl der Plan A gewesen. Zumindest ließen sie keine Gelegenheit aus, bei unseren Stopps Frauen auf der Straße anzusprechen.

Nun aber ein Bordell, ok. Zunächst einmal sollte es „billig“ sein. Was immer das heißen mag. Der erste Laden war mit „bis zu 200 €“ offenbar weit außerhalb jeder Toleranz. Sie hätten sich da eher was um die 30 bis 40 € fürs Ficken versprochen. Das gibt es natürlich auch in Berlin, also bin ich zum nächstbesten Laden gefahren, bei dem ich wusste, dass er ungefähr in der Preisklasse liegt. War aber auch nicht ok, denn da sollten es dann doch 50 € sein.
Beim wirklich günstigsten mir bekannten Laden war dann aber leider die Empfangsdame „schon so’n bisschen dick, geht gar nicht, Alter!“
Außerdem sollte ich natürlich nur Etablissements anfahren, bei denen ich mir sicher wäre, dass man sich nicht „alle Krankheiten auf einmal“ holt.

Mal abgesehen davon, dass das so langsam wirklich meine Kompetenz als Taxifahrer überschritten hat, mussten sie nun auch nochmal klarstellen, dass sie das alles ja nicht wirklich nötig hätten. Da wäre diese „Ische“ und jene „Schnecke“ vorher im Club gewesen. Außerdem ist es natürlich nicht so gewesen, dass sie das Geld nicht hätten, aber mehr als 30 oder 40 € wollten sie halt nicht ausgeben. Ja, schon klar … zumal man das schon auch für eine äußerst sportliche Wertschätzung der Dienstleisterinnen halten kann.

Am Ende hab ich sie ins Hotel gefahren. Die teuren Läden waren ihnen zu teuer, die billigen zu billig. Ach!

„Das macht dann 23,20 €.“

„Also sind 20 ok, oder Digger?“

„Äh, nein!? Ich muss 23 bei Cheffe abliefern.“

Also wurden mir 23,00 € gereicht.

„Da fehlen noch 20 Cent!“

„Ach, so pingelig biste, Digger?“

„Pingelig!? Mal im Ernst, Jungs: Jeder zahlt hier mindestens den Fahrpreis und 90% der Leute geben noch Trinkgeld!“

„Ja, ok, haste Recht, Digger!“

Sprach’s und schüttete mir 34 Cent in Rotgeld auf die Hand.

Nix gegen wenig Trinkgeld, aber im Nachhinein bin ich vor allem froh drum, dass die zwei nicht doch in irgendeinem Bordell gelandet sind. Die armen Frauen …

Aber, kleines Schmankerl zum Schluss:

„Schönen Abend noch, Jungs!“

„Danke, aber wie Digger, so ohne Puff?“

„Erbärmlich“ mag ein hartes Wort sein, ich finde es hier trotzdem angebracht.

20 Kommentare bis “Erbärmlichkeit in Reinkultur”

  1. Nania sagt:

    Oh ja, das ist ziemlich erbärmlich und das direkt auf mehrere Weisen.
    Ich glaube, wenn die immer so sind, werden die nie eine Frau finden.

    Solche Typen hätte ich nicht lange befördern können ohne irgendwann zu explodieren.

  2. hafensonne sagt:

    Nix gegen Pauschalisierungen, aber das ist nicht nur ein Schlach aus der Kiste Erbärmlichkeit, sondern auch noch in Sachen geizige und auch sonst häufig unangenehme Schwaben (Anwesende natürlich ausgeschlossen, aber ich habe auch mal in Stuttgart gelebt und weiß genau, warum ich das nicht mehr mache).

    Ich finde allerdings in den Puff zu gehen generell erbärmlich. Wenn man es nicht mal schafft, sich jemanden für Sex klarzumachen, muss das ja auch einen Grund geben.

  3. Sternennacht sagt:

    Klingt alles sehr vertraut und bekannt. Aber endlich habe ich eine Antwort nach der ich ewig suchte wenn jemand die 10 oder 30 Cent nicht zahlen möchte, sind oft peinliche Personen!

    Aber für die Schwaben muss ich eine Lanze brechen. Es gibt sicher welche die auf den Cent genau zahlen, meist jüngere, erlebe aber auch das man bei 11,30€ durchaus 15€ bekommt, meist von älteren. Auffällig ist lediglich, wohl durch den Dialekt, das Schwaben häufig Fragen: was kostet es denn zum Bahnhof? nach Nennung der Summe kann ich mich aber nicht erinnern das jemand dann doch zu Fuß ging. Ausnahmen sind sehr weite Strecken.

  4. Carom sagt:

    „Abstoßend“ passt auch.

  5. Jens sagt:

    @Sternennacht: Die „was kostet es denn bis“-Frage könnte aber auch von mir kommen – dabei bin ich gänzlich unbeschwäbelt. In meinem Fall läge es einfach daran, dass ich oft nicht so viel Bares dabei habe, und bei Taxitouren auf unbekannten Strecken gerne im Voraus weiß, ob noch ein Abstecher zum Automaten eingeplant werden muss. (Kartenzahlung ist ja noch nicht flächendeckend verfügbar, und wo sie geht, kostet sie oft extra)

  6. paule sagt:

    Tja Sash – du kennst doch deine Landsleute. Schön solls sein….. und vor allem schön billig, noch besser ist umsonst.

  7. Sternennacht sagt:

    @Jens

    Meinte mehr das ca 10% der bundesdeutschen Bevölkerung aus BW kommen, aber gefühlt 50% einen Dialekt haben, den ich dort zuordnen würde, die diese Frage stellen.
    In M kostet Kartenzahlung nix extra, sofern er sie akzeptiert. Da gilt: Fragen:)

  8. Ich hab ja nicht das Gefühl, dass nur Schwaben so drauf sind. Mir kommt es eher wie eine allgemeine Einstellung unserer Gesellschaft vor. Auf keinen Fall viel Geld ausgeben, wenns dann aber ne schlechte Qualität hat, wird auch gemeckert. Und obwohl ich Berliner bin und sogar in einem Trendy Bezirk lebe, kenne ich eigentlich keine Schwaben. Das Verhalten kann ich aber bei einigen meiner Mitmenschen beobachten.

  9. Cliff McLane sagt:

    Der Film „Grenzverkehr“ wird zwar gegen Ende zu eine unerträgliche Schnulze, aber am Anfang erinnert er mich doch an deine beiden Fahrgäste:
    https://www.youtube.com/watch?v=DyUtQY_I62w

    (Ja, ich wohne im bayerisch-tschechischen Grenzgebiet, möchte aber im Hinblick auf Bordelle keine näheren Angaben machen, da ich mich selbst belasten könnte.)

  10. Joe sagt:

    Ja,ja Geiz ist geil!!!

  11. Jochen sagt:

    Tja… Die Arschgeigen sterben eben nie aus…

  12. Der Banker sagt:

    Die hatten doch noch einander. Ohne „alle Krankheiten“ und billig.

    Billig definitiv.

  13. Aro sagt:

    „Gutaussehend, partylaunig, erst einmal keine schlechten Kandidaten für schnellen und guten Sex.“
    Dann hätteste sie doch zu Tom’s fahren können. Da wären sie willkommen gewesen und hätten sogar kostenlosen Sex gekriegt 😉

  14. Sash sagt:

    @Nania:
    Kürzer wäre mir auch lieber gewesen. Aber irgendwann denke ich mir auch: Du tust Dir solche Schwachmaten wirklich nur fürs Geld an, dann sieh zu, dass Du auch ordentlich dafür bekommst! 🙂

    @hafensonne:
    Das halte ich für eine ziemlich einseitige Betrachtung des Ganzen. Es gibt zig Gründe, warum Menschen nicht den Sex, den sie wollen, bekommen. Und vor allem nicht, wann sie wollen. Das fängt beim Nichtentsprechen von Schönheitsidealen an, geht weiter über besondere Vorlieben oder gesellschaftliche Gründe. Und ich kenne sicher nicht alle. Aber den Gedanken, dass jemand zum Beispiel plötzlich ziemlich Bock hat, aber keine Lust, deswegen stundenlang durch Clubs und Bars zu ziehen, um Gleichgesinnte zu treffen (mit niedriger Trefferchance und eventuell um den Preis, irgendwen anzulügen) – und dass der dann sagt: „Ach, komm‘ dann leg ich doch den Hunni auf den Tisch und gut is …“, den find ich eigentlich ziemlich ehrlich auch sich selbst gegenüber. Mein Ding wäre es wie gesagt auch nicht, aber schon, das so viel Geld mit Datingportalen etc. pp. verdient wird, zeigt doch, dass es eine Menge Menschen gibt, die was anderes suchen, als ihnen zur Verfügung steht.

    @Sternennacht:
    Ich bin ja auch Schwabe. Und die meisten Dienstleister mögen mich …

    @Carom:
    Stimmt.

    @Der Banker:
    😀

    @Aro:
    Hmm, eigentlich eine gute Idee. Aber dann hätte ich echt schnell flüchten müssen. 😉

  15. Aro sagt:

    Ach, wer weiß. Es sind schon einige auf den Geschmack gekommen, wenn die Gelegenheit günstig war.

  16. Mic ha sagt:

    Mal davon abgesehen, dass du erbämlich finden darfst, was du siehst und willst, aber dass finde ich echt noch lange nicht erbärmlich. Da hats mir meinen Rahmen schon so weit nach unten gerissen, deinen wahrscheinlich auch.
    Es war der Augenblick, oder? Die Ausstrahlung der Halbstarken?
    Jemand, der jemanden für Geld zum Ficken sucht und dabei nicht klarkommt, was er dafür ausgeben will, ja mei. Solche Leute haben nen abschätzbaren Abgrund.

  17. Rike sagt:

    Völlig am Thema vorbei, aber ich wollte mich mal kurz dafür bedanken, dass du des öfteren schreibst und bestätigst, dass man sich bei Problemen mit Taxifahrern mit Konzessionsnummer beim Verband beschweren soll. Hatte grade einen Kollegen, dem am gleichen Tag für die gleiche Tour hin 20 und zurück 30 EUR berechnet wurden. Der hätte das sonst einfach geschluckt.

  18. hafensonne sagt:

    @Sash: Hm naja, aber wer sitzt den schon abends auf dem Sofa und denkt, jetzt hätte ich aber gerne Sex! Abgesehen von den Bedürfnissen, die man als Besitzer einer gesunden Hand eigentlich ganz gut in den Griff bekommt. Und wer geht schon zu einer Nutte, wenn er das Bedürfnis nach Zweisamkeit hat? In meinen Augen ist es schon sehr erbärmlich, wenn man seine Bedürfnisse so wenig im Griff hat, dass man eine Frau dafür bezahlt, die Beine breit zu machen und Lust vorzutäuschen.

  19. Sash sagt:

    @Aro:
    Ich kann’s ja mal versuchen. XD

    @Mic ha:
    Nein, eben genau das nicht! Ich hab kein Problem mit Leuten, die für Sex zahlen wollen oder müssen und ein begrenztes Budget haben. Erbärmlich ist, sich nebenbei als Macker aufzuspielen, zu behaupten, dass man ja so oder so jede haben könnte und dass man bloß keinen Bock hat, Geld auszugeben, obwohl man es richtig dick hat. Und dann mit dem Taxifahrer um 3 € zu feilschen.

    @Rike:
    Wenn’s nicht um den Flughafen Schönefeld geht (unterschiedliche Tarife hin und zurück) freut mich das. 🙂

    @hafensonne:
    Ich kann’s mir auch schlecht ausmalen, obwohl ich jahrelang unfreiwillig solo war. Aber denk mal an Leute mit körperlichen Defiziten (und auch die ohne „gesunde Hand“ 😉 ). Und ich meine ja eben nicht die, die eine Beziehung suchen und Sex kaufen, sondern die, die wirklich nur Sex wollen und mit dem Drumherum einfach nix zu tun haben wollen. Ich meine es ernst: Ich finde es in so einem Fall „ehrenhafter“, zu Prostituierten zu gehen, als in einem Club unerfahrene Mädelös aufzugabeln, die sich sonstwas versprechen von der Sache.
    Ich glaube auch, dass Sex besser ist, wenn beide Seiten ein ehrliches Interesse eben sexueller Natur haben. Da sind wir uns wahrscheinlich sehr nahe. Aber aus der Tatsache heraus, dass man vielleicht selbst eher weniger Probleme hat(te), entsprechende Partner zu finden, sollte man vielleicht nicht auf die Allgemeinheit schließen.

  20. Rike sagt:

    @Sash
    Nee, war Hauptbahnhof und zurück. Die Geschichte mit Schönefeld hatte ich schon öfter auf’m Tisch, die kenne ich.

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