Clubs zum Davonrennen?

Sisyphos, 3.15 Uhr.

Zwei junge Leute steigen ein und einer der beiden fragt:

„Reichen 7 € bis zum S-Bahnhof Rummelsburg?“

„Sicher. Selbst zum Ostkreuz kostet es nur 6,80 €.“

„Na dann zum Ostkreuz! Je weiter weg, desto besser!“

„Mal gucken, wo Du dann anhälst …“

Es gibt Spaßvögel da draußen … man glaubt es manchmal gar nicht.

Die Fahrt war extrem kurz, im wahrsten Sinne nur einmal ums Eck wollte der reichlich stramme alte Kerl. Er war mühsam und nicht eben zielstrebig auf mein Taxi zugetorkelt und fiel mit einem lauten Ächzen in den Sitz.

„Enlm!“

„Was bitte?“

„Engeldamm, hab ich doch gesagt!“

Ich hab das mal so stehen lassen und bin losgefahren.

„Na ma‘ kieken, ob ick nich‘ einschlaf untawegs!“

„Ach, bei den paar Sekunden bin ich optimistisch.“

„Wenn, dann kannste einfach weiterfahren. Mal gucken, wo Du dann anhälst …“

Keine schlechte Idee, die Fahrt ein wenig zu verlängern. Also für mich. Für ihn … aber egal.

„HAHA, WAR NUR SPASS, VERSTEHSTE!?“

Inzwischen waren wir im Engeldamm.

„Wo soll ich denn jetzt genau halten?“

„Hab doch gesagt: Fahr hin, wo Du willst. HAHA, SPASS MEIN LIEBER! Da vorne is‘ ok.“

Ich glaube, arg viel weiter hätte ich den Spaß auch kaum ausgehalten …

Der Taxifahrer, der „ja keine Ahnung“ hatte.

Das mit der Ortskunde macht Spaß. Auch wenn sie einem gerade mal abgeht. Zumindest, wenn man es sportlich sieht.

Ich hatte eine Winkerin in Friedrichshain. Fahrtziel: eine Straße im Wedding, keine sehr große. Ich hab mein Hirn durchgeknetet und mir ist nicht annähernd etwas zum Ziel eingefallen. Aber gut, erst einmal geht’s Richtung Wedding ja geradeaus. Dann trat die Kundin auf den Plan:

„Ist die Chausseestraße noch gesperrt?“

„Ich glaube schon. Ich fahre derzeit immer die Gartenstraße als Umfahrung …“

„Oh, das ist ja super!“

Bingo.

„Und dann könnten wir in die Fennstraße und dann …“

„[Aha, in der Ecke also …] Jaja, so hatte ich das vor.

Soweit fuhr es sich ganz gut. In der Fennstraße dann:

„Jetzt eigentlich nur noch die nächste rechts …“

„Keine Sorge, ich war schon auf der Bremse.“

„Gut, dann lassen Sie mich an der dritten Ecke raus, ok?“

„Ach, schon an der Ecke?“

„Ja, das reicht.“

„Meinetwegen gerne.“

„Ach, ist das schön. Letztes Mal hatte ich einen Taxifahrer, der gar keine Ahnung hatte, wo er hinfahren sollte.“

„Naja, ich war jetzt ja auch …“

„Aber der hatte wirklich GAR keine Ahnung!“

Ach so. Ja, das ist ja dann auch was völlig anderes. Und selbstverständlich nehme ich die 3 € Trinkgeld gerne an … 😉

Ja, auch wir Taxifahrer kochen nur mit Wasser, sorry.

Und die letzte Fahrt noch zum Krankenhaus …

Ein eilig an seinen Klamotten nestelnder Kunde passt mich auf dem Heimweg ab und will zum Krankenhaus. Obwohl’s mir jetzt egal sein könnte und die Schicht eigentlich auch nicht schlecht war, ist das nicht gerade der beste Schichtabschluss.

„Oh, ist was schlimmes?“

„Nee, gar nicht.“

OK, das klingt gut. 🙂

„Meine Frau bekommt jetzt das Kind!“

Na, da will ich mich mal nicht beschwert haben über die letzte Tour! Auch wenn sie nur kurz ist. Einer der Fälle, wo es sich richtig gut anfühlt zu wissen, dass die Fahrgäste diese Fahrt schon eine halbe Stunde später auf ewig vergessen haben werden. Manchmal gibt’s halt wichtigeres.

Die Physik hinter dem Zufrieren von Autoscheiben

Hier bei GNIT melde ich mich ja meist aus meiner Sicht als Taxifahrer. Aber wie es diese Welt so mit sich bringt, hängt halt doch alles irgendwie zusammen.

Nein, Taxifahren ist nicht nur das Gespräch mit Kunden in Kombination mit der Routenfindung. Ich bin abhängig von politischen Entscheidungen, bewege mich manchmal auf psycholgischem Glatteis und führe ganz nebenbei noch eine Tonne Metall mit modernster Technik mit mir, während ich meiner Arbeit nachgehe. Die Berührungspunkte mit der Wissenschaft sind also auch immer gegeben. Und ich finde das einen wichtigen Punkt, den viele Leute da draußen gerne vergessen, wenn sie „die Wissenschaft“ abschätzig als wirklichkeitsfremd bezeichnen und so tun, als wäre das alles Unfug. Menschen sagen, Raumfahrt sei rausgeschmissenes Geld und lassen sich ihre Position auf dem Stadtplan auf einem Handy anzeigen, welche aus den unterschiedlichen Laufzeiten von Satellitensignalen errechnet wird … da kann man schon ins Zweifeln kommen.

Naja, ich bin in den meisten Dingen auch kein Profi. Vielleicht ein Bisschen im Nett-zu-Menschen-sein. Es ist jedoch verdammt interessant, mehr über diese Welt rauszufinden – und nicht selten stellt man dabei fest, dass „die Wissenschaft“ halt gar nicht so weit weg ist von dem, was man selbst tut. Deswegen bin ich neben vielem anderen auch seit Jahren ein begeisterter Leser der science-blogs, wo man von den neuesten Erkenntnissen über die Fortbewegung bestimmter Dinosaurier über ungelöste Kryptogramme bis hin zu Erläuterungen, wie man sich die Quantenwelt am besten vorstellen kann, zu allem auf dieser Welt interessante Artikel von Wissenschaftlern selbst lesen kann. Eine unbedingte Empfehlung!

Und vorletzte Nacht bin ich auf den Artikel „Schnee, Eis und Aluminium“ von Martin Bäker aufmerksam geworden, der sich mit dem Kristallwachstum – also auch dem von Eiskristallen an Autoscheiben – auseinandersetzt. Und auch wenn der Beitrag keine Nie-mehr-kratzen-Lösung beinhaltet, ist es doch einfach ein interessanter Text, der mir viel neues über dieses für mich alltägliche Phänomen beigebracht hat. Und das ist einfach nur fantastisch! Ob viele Leser meinen Wissensdurst teilen, kann ich nicht einschätzen, sowas ist ja auch immer eine Frage der persönlichen Veranlagung. Aber zumindest ich denke, wir sollten alle – auch wenn wir Taxifahrer oder Teppichreiniger sind, Altenpfleger oder Automechaniker – öfter mal einen Blick über den Tellerrand werfen und uns ansehen, was uns – aber auch andere – täglich so beeinflusst und wo das alles herkommt. Im Übrigen hilft das auch sehr, um nicht auf esoterischen Bullshit reinzufallen oder irgendwelchen Rattenfängern die Story vom Pferd abkaufen zu müssen.

Und jetzt schnell rüber zu Martin Bäkers Blogeintrag! Sonst frage ich hier morgen Fakten zum Kristallwachstum ab! 😉

Was Kunden zu sagen haben

„Hey, darf ick Dir was sagen?“

„Selbstverständlich. Was ist denn?“

Der Kerl war schon ziemlich hinüber, aber ein lustiger Geselle mit einer für mich gut passenden Fahrt.

„Ich … ich liebe Dich!“

„Oh. Das war jetzt überraschend!“

„Ja, ne? Aba keine Sorge, Meista! Das is‘ nur, weil ick so lange gewartet hab und betrunken bin.“

„Na dann …“

„Ja, siehste, is‘ also alles ok.“

Gut, dass wir darüber mal geredet haben. 🙂

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Plant Google einen Anfgriff auf Uber?

Oder sogar umgekehrt oder beides?

Krasse Geschichte: Google, in Form der Tochterfirma Google Venture ein großer Anteilseigner von Uber, soll selbst eine Fahrdienstapp entwickeln. Und Uber, Schockschwerenot, plant die Entwicklung eigener selbstfahrender Autos. Krieg im Silicon Valley, Zwei Ex-Verbündete auf Konfrontationskurs, Star Wars Episode 7 und der Untergang des Abendlandes! Was für eine Nachricht!

Oder eben auch nicht so wirklich.

Ja, Uber hat eine Zusammenarbeit mit der Carnegie Mellon University angekündigt; und sie wollen gemeinsam an selbstfahrenden Autos forschen. Kann man erwähnen, allerdings ist es für mich jetzt keine sonderlich große Überraschung mehr. Uber-CEO Travis Kalanick hatte in einem seiner gewohnt sympathischen Statements schon 2014 verkündet, dass selbstfahrende Autos die Zukunft seien und man dann glücklicherweise kein Geld mehr für „den anderen Typen im Wagen“ ausgeben müsse. Dass auf dem Gebiet irgendwas passieren würde, war klar.

Mit der „Ridesharing-App“ von Google indes sieht es ziemlich dünn aus. ars technica hat die Geschichte mit allen „Quellen“ gut zusammengefasst. Insgesamt geht die Story wohl so:
Aus den Kreisen des Uber-Vorstandes wurde berichtet, dass der dort sitzende Google-Mann David Drummond (wohl aus so einer Art Interessenskonflikt-Offenlegung heraus) gesagt hat, dass bei Google selbst eine App entwickelt werde, worauf hin er Screenshots von etwas zeigte, „das wie eine Ridesharing-App aussah“. Nicht nur, dass das eine ziemlich dünne Datenlage war, sie lässt sich auch ganz anders erklären. Dem ursprünglichen Bericht von Bloomsberg über das Thema folgte ein Artikel im Wall Street Journal, der die geheimnisvollen Gerüchte über die Google-App unter Berufung auf Insider für völlig übertrieben hält. Bei besagter App ginge es um ein internes Programm von Google, das den eigenen Mitarbeitern auf dem Weg zur Arbeit das Carpooling erleichtern soll – und in keinem Zusammenhang mit der Entwicklung von selbstfahrenden Autos steht.

Man tut sicher gut daran, sowohl Uber als auch Google bei dem Thema im Auge zu behalten, aber irgendein Krieg oder eine große Konkurrenz scheint da nicht wirklich ausgebrochen zu sein. Google ist weiterhin mit mehr als 250 Millionen US-Dollar bei Uber beteiligt und Uber verwendet weiterhin GoogleMaps als Kartenmaterial für seine App. Da Google außerdem bei der Entwicklung selbstfahrender Autos bedeutend weiter ist als Uber, die eben erst den Beginn der Forschung verkündet haben, scheint es ziemlich unlogisch, dass Google vor der Inbetriebnahme noch mit Fahrer-Apps experimentieren will, wenn sie in diesem Feld mit ihrer Uber-Beteiligung schon mitmischen.

Ich habe nach wie vor mehr Sorgen vor einer engeren Kooperation als vor einem Krieg der beiden Firmen.