Wie man sich kennenlernt

Ich glaube, jeder kennt das: Man hört irgendwo ein Wort das erste Mal und es interessiert einen so arg, dass man es nachschlägt oder jemanden fragt, was es bedeutet – und am nächsten Abend taucht dieses Wort, das man über Jahrzehnte nicht wahrgenommen hat, plötzlich in einer Fernsehsendung auf. Das hat schon manche Leute zu Verschwörungstheoretikern werden lassen, weil einem dieser Zufall so unglaublich vorkommt – obwohl man’s wohl wahrscheinlich bis dahin einfach nur überhört hat.

Das kann natürlich auch mit allem anderen passieren: Musik, Bilder – und sogar mit Menschen.

Mir ist an jenem Abend zum Beispiel eine Kollegin aufgefallen. Ich hatte sie noch nie gesehen und die Anzahl der Taxifahrerinnen ist immer noch derart gering, dass man selbst in Berlin neue Gesichter tatsächlich noch bemerkt. Und das sage ich hier, mit meiner Gesichtsblindheit.

Gut, ein wirklich einschneidendes Erlebnis war das jetzt nicht, aber ich war schon reichlich verwundert, dass eben genau jene Kollegin dann ein paar Stunden und Fahrten, die uns beide sonstwohin hätten tragen können, plötzlich am Bahnhof neben meinem Auto stand und anklopfte. Sie begrüßte mich etwas unsicher, um mir dann zu erklären, dass sie Stress mit ihrem Auto und ihr Handy vergessen hätte. Bei Kollegen bin ich da ja dann wirklich nicht so. Ich hab ihr mein Handy angeboten, damit sie ihren Chef anrufen konnte. Ich weiß ja, wie nervig das ist, wenn man da verloren rumsteht und niemanden von der eigenen Firma findet.

Und, was soll ich sagen: Ich musste zwar noch kurz warten, aber immerhin konnte ich die Kollegin dann auch auf Kosten ihres Cheffes bis zu ihrer Firma bringen – was am Ende glatte 20 € waren, mehr als es mich zu meiner Bude gekostet hätte. 🙂

Die Kollegin übrigens war dann auch ein echtes Original. Rentnerin seit mehreren Jahren, also nur nebenberuflich im Taxi – „für bissche‘ Taschegeld“, wie sie mir mitteilte. Dazu wie ich überzeugte Nachtfahrerin, wegen der lockeren Kundschaft und des ruhigen Verkehrs. „Nix Hektik, Hektik, Hektik – habe genug gehabt in Leben!“
Und wie ich auch hat sie die – wenn auch nur kleine – Hilfe unter Kollegen sehr zu schätzen gewusst. Manchmal klappt’s dann ja doch noch in dem Gewerbe und man ist froh drum, ein Teil davon zu sein. Deswegen an dieser Stelle auch einmal mehr ein Dank an alle Kollegen, die mir mal eben schnell aus der Patsche geholfen haben!

9 Kommentare bis “Wie man sich kennenlernt”

  1. Sash sagt:

    @Gast:
    Genau das. Dass es dafür bereits einen Namen gibt, war mir auch nicht bekannt. Aber wie der Artikel ja sagt: Ich werde ihn so schnell auch nicht mehr vergessen. 😉

  2. Ana sagt:

    Apropos Namen für Dinge. Deine Gesichtsblindheit, ist das echte Prosopagnosie oder kannst du dir die einfach schlecht merken?

  3. Sei einfach Mensch und versuche, das Leben aller so wenig stressig wie möglich zu gestalten, ohne selber unter die Räder zu kommen. Ich weiß @Sash, daß Du das schon so hälst, aber wenn alle anderen das auch so halten würden — THAT WOULD BE GREAT.

  4. elder taxidriver sagt:

    Ob der Protagonist hier wirklich Prosopagnosie hat , die Klärung dieser Frage könnte erstmal getrost der Prokrastination anheim gegeben werden, finde ich.

  5. Ana sagt:

    Des Protagonisten-Prosopagnosie-Postulation verprokrastinieren? Probably not.

  6. Ana sagt:

    Mift, ein Minus zu viel :/

  7. PMK74 sagt:

    Interesse steuert Wahrnehmung, sage ich dazu immer.

    Wenn man z.B. mit dem Gedanken spielt, sich ein neues Auto zu kaufen und dann ein bestimmtes Modell ins Auge gefasst hat, nimmt man genau dieses Modell dann im Tagesgeschehen plötzlich mit erhöhter Deutlichkeit und Häufigkeit wahr, obwohl genau so wenige oder viele dieser Kfz wie letzte Woche unterwegs sind.

  8. Sash sagt:

    @Ana:
    Eher schlechtes Merken. Nach ein paar Treffen hab ich das dann raus. Allerdings tritt es bei Gesichtern deutlich verstärkt auf, auch wenn ich mir gerne ein lausiges Gedächtnis attestiere. 🙂

    @buntklicker.de:
    Ein weiser Rat.

    @PMK74:
    Also ich weiß nicht: Ich finde Baader-Meinhof-Phenomenon eigentlich eine viel coolere Bezeichnung als „Interesse steuert Wahrnehmung“ 😀

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