Lehrgeld

„Den Zwanni fürs Taxi hab ich immer einstecken. Ich fahr doch nicht selber, wenn ich getrunken hab!“

Das klang schon fast zu vorbildlich, was mein Fahrgast da vorbrachte. Und meine (nicht geäußerte) Skepsis war nicht unangebracht. Denn: Nein, so war er wohl nicht immer. Irgendwann mal ist er unter Alkoholeinfluss von den Cops gestoppt worden, nachdem er eine rote Ampel überfahren hatte – was natürlich nicht schön endete.
Zur Last gelegt wurde ihm offenbar nur die Alkoholfahrt, angefochten hat er es natürlich trotzdem. Was ungeachtet dessen, wie schlimm man die Verfehlung findet, durchaus legitim ist. Vor Gericht, so erzählte er mir, kam es dann natürlich zu einem Widersehen mit dem Beamten, der ihn aufgegriffen hatte. Die Menschenkenntnis des besagten Polizisten scheint bilderbuchmäßig gewesen zu sein, denn mein Kunde berichtete mir, dass er letztlich mit einer Geldstrafe davon kam, was vor allem daran lag, dass der Rotlichtverstoß selbst bei der Gerichtsverhandlung nicht erwähnt wurde – was der Staatsbedienstete nach dem Verfahren damit begründet haben soll, dass er überzeugt gewesen wäre, die Lektion wäre angekommen und der Verlust des Führerscheins wäre nicht angemessen gewesen.

Ich bin kein Freund übermäßiger Gnade beim Fahren unter Drogeneinfluss – aber in dem Fall scheint es die richtige Entscheidung gewesen zu sein. Ich habe selten einen netteren und überzeugteren Taxifahrgast kennengelernt und habe mich ernstlich für ihn freuen können.

Mindestlohn, bist Du’s?

Als im Frühling noch nicht so recht klar war, ob Taxifahrer nicht vielleicht auch vom Mindestlohn ausgenommen werden könnten, habe ich ein wenig überlegt, wie sich das Geschäft wohl entwickeln würde, würde er beschlossen. Ich kam (im Rahmen langer Diskussionen) zu der Erkenntnis, dass vermutlich der Umsatz steigen würde. Und zwar im Laufe dieses Jahres noch. Alleine die große Unsicherheit auf der Unternehmerseite, wie man künftig mindestens 8,50 € zahlen solle, müsste im Großen und Ganzen dazu führen, dass Fahrer zumindest nicht neu eingestellt werden. Darüber hinaus müssten einige Kündigungen auch schon ausgesprochen worden sein.

Und nun, drei Monate vor Tag X; nachdem der Mindestlohn beschlossen wurde?

Wenn ich meine eigenen Zahlen nehme und den Kollegen Glauben schenke, dann boomt das Geschäft wie nie. Dass wir an manchen Abenden für einen Zehner Umsatz die Stunde rausgefahren sind, daran können sich manche kaum noch erinnern. Meine (statistisch natürlich eigentlich irrelevanten) Zahlen legen eine Umsatzsteigerung von 10 bis 25% im Vergleich zum Vorjahreszeitraum nahe, gefühlt isses fast das Doppelte, was ich gerade einfahre.

Natürlich kann das alles auch noch eine normale Schwankung sein, bzw. ein reines Nachtschichtphänomen. Gerüchten zufolge haben aber große Firmen schon reihenweise Autos verkauft und die Umsätze sollen auch in der Tagschicht hochgegangen sein. Was irgendwie ins Bild passen würde. Für eine endgültige Bestätigung bräuchte es eigentlich (monats-)aktuelle Konzessionszahlen vom LABO. Wenn jemand weiß, wie man da rankommt, würde ich mich über einen Hinweis freuen.

Bis dahin bleibt die Frage: Bist Du’s, Mindestlohn?

Wie Ortskunde funktioniert

„Nach Oberschöneweide in die Slabystraße bitte!“

„Alles klar. Von der Rathenaustraße aus, oder?“

„Ja genau.“

„OK, ich will ehrlich sein: Das war Angeberei meinerseits.“

In gewisser Weise zumindest. Natürlich wusste ich, wo die Slabystraße in Oberschöneweide liegt. Aber:

50 Minuten zuvor

Mit 19,80 € auf der Uhr hatte ich eben einen Kunden in der Rathenaustraße rausgelassen. Die Rathenaustraße habe ich mir von ihm zeigen lassen, weil ich mir nicht sicher war, welche von den Straßen dort im Wohngebiet das genau war. Kurz nachdem ich kassiert hatte und wieder in Richtung Berliner Innenstadt durchgestartet bin, ist mir das Straßenschild aufgefallen:

„Slabystraße? WTF? Wie spricht man das überhaupt aus? Naja, falls mal wer dahin will …“

Manchmal passt’s halt. 🙂

Ich hab meine Gründe …

„Ach, ein Igel! Und ich dachte mir schon: Warum bremst er den jetzt?“

„Naja, muss man ja nicht überfahren, nur weil es Nacht ist …“

Und an alle Igel: Es ist wirklich sackgefährlich, morgens um 3 Uhr wichtige Hauptstraßen zu überqueren!

Preiskämpfe am Taxistand

Ein kleines Sorry an den Kollegen, dessen Fahrt ich vorhin übernommen habe, wäre wohl angebracht. Ja, ich hab die Tour vom Ostbahnhof nach Erkner für 45 € gemacht – aber ich find’s ok.

Ich hatte mich zusammen mit einem Kollegen aus meiner Firma noch darüber gewundert, was in dem Taxi vor mir wohl vorging. Die dort eingestiegene Kundin saß schon seit drei Minuten im Auto und selbiges ist nicht losgefahren.

„Ist vielleicht was komplizierteres …“,

meinte ich noch. Und dann stieg sie aus und kam zu mir. Ich hatte durchaus Sorge, dass es irgendein ernstes Problem gab, aber es war nur, dass der Kollege für die Fahrt 70 € haben wollte. Nun, nach außerhalb sind die Preise frei vereinbar und ich wusste, dass 45 € kein Problem wären. Zumindest für mich nicht. Ich weiß nämlich auch, dass einige Chefs da draußen wohl ziemlich streng auf den Schnitt schauen und zwei Euro pro Kilometer geradezu vorschreiben. Wie bei so vielen Dingen geht meine Firma uns Fahrern mit sowas nicht auf die Nerven. Natürlich kann ich nicht mal eben für einen Zwanni nach Hamburg gurken – aber so lange ich (mehr oder weniger) am Monatsende auf einen Euro pro Kilometer komme, fragt niemand nach, ob ich für eine Fahrt einen Fünfer „zu wenig“ genommen hab.

Ich hab die Fahrt also angetreten, meinen Umsatz für die Schicht damit komplettiert, mit einer netten und absolut unproblematischen Kundin eine halbe Stunde Zeit verbracht und am Ende einen Fünfer Trinkgeld einstecken dürfen. Ich bin zufrieden. 🙂

Dass das dumm gelaufen ist für den Kollegen, tut mir leid. Ehrlich. Und ich will hier auch keine Werbung für Niedrigstpreise machen. Ich hab selbst oft genug Fahrten abgelehnt, die sich für mich selbst zwar gelohnt hätten, die ich aber meinen Chefs nicht zumuten hätte können. Und mehr zu verlangen ist ja auch legal. Hätte die Kundin mir 70 € geboten, hätte ich ihr sicher nicht gesagt, dass weniger auch reicht. Und ich ärgere mich heute noch über den Deppen, der beim Innungsfunk den Kurs gehalten und damit angegeben hat, dass er auch für 130 € nach Leipzig fahren würde, weil er ja sonst „in der ganzen Schicht nicht so viel verdienen“ würde. Dem Kunden entgegenkommen ist das eine, sich oder die Firma ruinieren das andere. Mein Schnitt stimmt am Monats- und damit meist auch am Tagesende – im Rahmen dessen allerdings freue ich mich trotzdem gerne über Touren wie die heutige. 😀

Perfekter Start

Die vergangene Nacht war laut einigen Kollegen eher so mittel. Insbesondere für einen Freitag. Aber ja: verlängertes Wochenende, Feiertag etc. pp. Wer feiert schon vier Tage am Stück? Natürlich ist das ein Ausnahmewochenende – und das nicht unbedingt positiv im Taxifahrer-Sinn. Ich jedoch hatte ausnahmsweise mal nicht die Arschkarte gezogen, sondern fast schon unverschämtes Glück. Und das begann mit der ersten Tour schon.

Der Fahrgast stand keine drei Kilometer nach meinem Start in die Schicht an der Haltestelle Landsberger Allee/Rhinstraße. Eine weite Leerfahrt in die Stadt blieb mir damit erspart.

Ich hätte ihn fast übersehen, denn seine Ambitionen zu winken hielten sich in Grenzen. Nach einem kurzen Zurücksetzen um ein paar Meter fanden wir dann aber doch zueinander. Sein Fahrtziel lag in Baumschulenweg. Wow! Ich schätzte ziemlich korrekt ein, dass es sich um eine gute 20€-Tour handeln würde – sowas nimmt man gerne mal auf dem Hinweg zur Arbeit mit. 🙂

Mit dem Mann ins Gespräch zu kommen war schwierig, also ließ ich es nach zwei Minuten sein. Ich hoffte, er wäre nicht verstimmt, das ist ja immer so schlecht einzuschätzen, wenn man nicht miteinander redet. Ein paar Kilometer weiter stellte ich allerdings fest, dass er eingeschlafen war. So gesehen also kein Problem: Wer müde ist, spricht halt wenig.

Der Kunde verharrte zusammengesunken die ganze Fahrt über und gab nach meinem Hinweis, dass wir gleich da seien, nur ganz am Ende ein paar Anweisungen, wo ich zu halten hätte. Die Uhr zeigte 21,60 € an und der Kilometerschnitt war grandios. Perfekt wurde dieser Start dann aber durchs Bezahlen:

„Hier bitte. Ich danke ihnen!“,

verkündete er. Das war nicht so ganz eindeutig, also schob ich fragend nach:

„Oh, äh, danke?“

„Ist gut so. Gute Nacht.“

Und so hab ich die 30 € dann eingesteckt …

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Wellenlängen und Einheiten

Ich hab’s nicht so mit der „High Society“. Da gibt’s sicher nette Menschen wie überall sonst auch, aber ich hab bisher keinen Grund gefunden, mich privat oder als Taxifahrer auf irgendwo in deren Kreisen zu bewegen. Am Ende gibt’s doch nur Knatsch, weil ich „nur“ Opel fahre. Entsprechend skeptisch war ich, als ich heute Nacht hinter dem SonyCenter zwischen den geparkten schwarzen Maybachs und Pheatons rangewunken wurde. Aber natürlich hab ich mich über Kundschaft gefreut.

Diese Kundschaft bestand aus einem zusammengezählt 150 Jahre alten Paar, dessen Abendgarderobe mich schätzungsweise 2 Jahre Vollzeit-Arbeit gekostet hätte. Statt aber streng die Rostflecken am Türschweller der 72 zu bemängeln, hüpften die beiden fast schon ins Auto und gaben gutgelaunt das Hilton als Fahrtziel an. So denn! Hätte eine Kurzstrecke werden können, aber ich hab mir schon gedacht, dass Nachfragen nicht nötig sein würde.

Das Eis war schnell gebrochen, als die Dame mir irgendwas von „Rosenstraße“ sagte und ich verdutzt nachfragte, ob sie wirklich das Hilton meinten oder gar ein anderes als das von mir angedachte. Sie lachte über ihr schlechtes Deutsch, ich erklärte ironisch, dass ich natürlich gerne eine Stadtrundfahrt machen würde … wie sowas halt passiert. Auf der kurzen Strecke scherzten die beiden über die Kleinwagen der Polizei in Berlin und es war wohl sowas wie eine Seniorenzote, als der Mann erklärte, ich solle heute pünktlich Feierabend machen, um zu Hause nett zu meiner Freundin zu sein – weil doch Tag der Einheit wäre.

Es war tatsächlich meine letzte Tour und sie hat Spaß gemacht, muss ich ja zugeben. Am Ende bin ich zum Bezahlen tatsächlich schnell aufgesprungen, um dem Herrn die Türe zu öffnen. Natürlich nicht, um mich einzuschleimen:

„Vielen Dank, junger Mann. Sehr guter Service.“

„Vielleicht auch. Aber eigentlich ist auf dieser Seite die Kindersicherung drin und ich wollte verhindern, dass Sie das persönlich nehmen.“

Wenn man einmal auf der richtigen Wellenlänge ist, geht alles. 🙂