Ich sollte den Titel für das Arschloch des Jahres nicht so vorschnell im Juli vergeben, aber bei der geringen Quote an Ärgernissen, die mir unterkommen, könnte das schon stimmen. Im Artikel zur Finalnacht hatte ich schon angekündigt, dass ich eine Fehlfahrt hatte. Und sie zwischen den Zeilen sogar halbwegs quantifiziert. Hier dann der etwas genauere Nachtrag: es waren exakt 22,00 € und das Ganze ging so:
Wie ausnahmslos alle Fahrten war es eine Winkertour. Ich nahm ihn an ziemlich ungünstiger Stelle für sein Fahrtziel auf, denn er wollte von Prenzl’berg nach Schöneberg und es gab dort einige Staus und komplett verstopfte Stellen. Der junge Kerl war zwar schon reichlich angetrunken, aber hauptsächlich des Fußballs wegen komplett ausgelassen und attestierte meinem recht groben Umweg absolute Richtigkeit und betonte, dass er so auch mit dem Fahrrad fahren würde.
Er schwankte zwischen ausgelassener Euphorie und eher stillem Philosophieren, beides auf sehr angenehme Art und Weise. Und als wir dann merkten, dass wir auch über den Potsdamer Platz nicht kommen würden, war abermals er es, der mich drängte, einen großen Umweg zu fahren. Südlicher, durch Kreuzberg. Da war ein illegales Wendemanöver mit dabei, aber Lust auf Stau hatte keiner von uns.
Am Ufer angekommen habe ich eine im Nachhinein betrachtet schlechte Entscheidung getroffen: anstatt dem Landwehrkanal folgend einen weiteren Umweg zu fahren, wollte ich über den Mehringdamm und die Yorckstraße. Selbst deren Sperrung wäre noch umfahrbar gewesen, so weit in den Süden musste er. Kaum dass ich an der Obentrautstraße als letzter Umfahrungsmöglichkeit vorbei war, empfing mich ein sich tatsächlich nicht auflösen wollender Stau. Die Straße war komplett dicht – trotz Polizei vor Ort war einfach kein Durchkommen. Eine Ausweichmöglichkeit bot sich nicht mehr. Mich hat die Sache auch gefuchst, aber meinen Fahrgast hat es heftiger erwischt. Aus seiner Sicht war ich schuld. Nicht, dass er einen anderen Weg vorgeschlagen hätte, aber das wüsste man doch.
Dass der Mehringdamm bei Fußballweltmeisterschaftsfeiern immer dicht ist?
Wir haben’s uns eigentlich recht gut gehen lassen. Mal aussteigen, eine rauchen, ist ja kein Ding. Wirklich entspannter sind wir beide nicht geworden, aber dass er einfach abhaut und mich dort stehen lässt, das hätte ich nicht von ihm erwartet. Um ehrlich zu sein, habe ich durchaus noch zwei drei Minuten auf eine Rückkehr gehofft. Tja, war aber wohl doch ein Idiot mehr auf der Welt als ich zu hoffen glaubte.
Die Kohle ist mir eigentlich recht egal dabei. Mich hat der Mist inklusive Stau zwar über eine halbe Stunde Zeit gekostet, aber im Grunde wurden meine Erwartungen an die Nacht ja sowieso permanent übererfüllt. Besser noch: am Ende des Staus (der einzigen Wendestelle, die all die Vollhonks vor mir offenbar nicht benutzen wollten -.-) hatte ich schon wieder neue Kundschaft und dieser Typ hat mir dann, nachdem ich ihm die Story erzählt hatte, gleich einen Fünfer Trinkgeld vermacht, womit die Hälfte meiner persönlichen Verluste umgehend ausgeglichen waren. Es ärgert wie immer viel mehr, dass der Abgehauene das am Ende vielleicht noch cool, vernünftig oder gerechtfertigt findet.
Hast ’nen Taxifahrer in einer ausweglosen Situation, in die er deinetwegen gekommen ist, um 20 € gebracht – wow! Friedensnobelpreis und eine Siegerurkunde fürs Teilnehmen am Gehirnjogging sind Dir sicher!
Aber wie bei allen Fehlfahrten gilt: man sollte sich eigentlich keinen großen Kopf drum machen. Bei mir war der wirkliche Ärger nach 2 Touren bereits verflogen und ich hab den Abend noch genossen. Und wenn ich mir jetzt überlege, wie er das seiner Freundin zu Hause (die das Taxi zahlen sollte) erklärt oder wie er in einem klaren Moment Schiss gekriegt hat, ich könnte ihn vielleicht noch erwischen, dann hat er vermutlich mehr verloren bei der Sache als ich. Ein ausgebuffter Profibetrüger war der Clown nämlich sicher nicht.
