Ich hab den gestrigen Sonntagabend, während die meisten Berliner Tatort gesehen haben, dort abgehangen, wo ungefähr die zweitmeisten Leute in Berlin waren: am Berghain. Dass dort die Party dieses Wochenende bis Montag durchgeht, wusste ich und hab das mal genutzt. Mir war irgendwie auch mehr nach Partyleuten als nach Heimkehrern am Bahnhof. Zumal viele Leute sich sicher ein falsches Bild davon machen, wenn ich schreibe, dass da Leute am Sonntag Abend rauskommen, die da schon am Samstag rein sind. Ich hab beim Berghain meines Wissens nach noch nie dieses Horrorbild abgeratzter Vollsuffis gehabt. So gut wie jeder, der da rauskommt, sieht noch halbwegs gut aus, kaum einer hat irgendwie Schieflage. Da werden sicher das ein oder andere Mal aufputschende Drogen im Spiel sein, aber wenn ich als Außenstehender etwas vermute, dann, dass die Leute da wirklich hingehen, um sich beim Tanzen auszupowern, nicht um besoffen unterm Tisch ins eigene Hemd zu kotzen.
Aber gut. Auftritt mein Fahrgast. Er entsprach allem oben gesagten. Beschwingten Schrittes näherte er sich dezent gekleidet meinem Taxi und reißt die hintere Tür auf. Ein Lächeln, ein „Guten Abend“ und eine Adresse in Friedrichshain nahe der Rigaer.
„Die xy-Straße 8. Da könnteste dann 5 Minuten warten, dann fahren wir wieder zurück.“
BÄM! Die Adresse kennste! Das klingt jetzt vielleicht ein wenig unverständlich, aber ich meinte wirklich die Adresse inklusive Hausnummer. Ich weiß nicht einmal, ob das Berghain eine Hausnummer hat! Lieber eine Straße mehr im Gedächtnis als eine Hausnummer! Insofern war das wieder ein ziemlicher Zufall.
„Das ist dann gleich am Anfang, kurz …“
„…kurz nach, also das erste Haus hinter der Baustelle rechts.“
Statt anzugeben, hab ich ihm lieber den lustigen Zufall erklärt, vor gerade einmal drei Tagen eine Fahrt zu exakt diesem unspektakulären Wohnhaus gehabt zu haben.
„Wie sieht’s aus? Rauchen geht nicht, oder?“
Die Fragestellung dürfen die mitlesenden Kollegen gerne mal mit ihren Club-Kunden vergleichen. Natürlich geht rauchen im Taxi nicht! Mache ich ja auch nicht. Aber klar, im Wissen darum, wie viele Kollegen das nicht interessiert, kann ich die Frage verstehen. Vor allem, wenn sie so zurückhaltend formuliert ist. War dann auch kein Ding, sind ja ohnehin nur 5 Minuten Fahrt.
„Brauchste ’n Pfand oder vertraust Du mir?“
„Pfand wäre schon nett. Es sind ja auch immer die Guten … nicht wahr?“
„Klar. Hier haste mal’n Zwanni.“
„Super. Das reicht ja inklusive Rückfahrt.“
„Eben.“
„Ich kann im Gegenzug nur anbieten: Meine Taxinummer ist die 72, steht hinten in der Scheibe. Vertrauen ist ja was Gegenseitiges …“
„Ach weisste, passt schon!“
Er ist dann kurz ins Haus gesprungen, während ich ganz gemütlich bei laufender Uhr (worüber es keine Diskussion gab) meinerseits eine geraucht habe. Dann lief alles nach Plan. Ob er jetzt Geld, Drogen, Klamotten oder Kondome geholt hat … ich weiß es nicht mal. Ich bin ja auch nur der Fahrer. Der Fahrer, der am Ende mit 15,20 € auf der Uhr wieder vor dem Berghain stand und zum Abschluss gesagt bekam:
„Na, das hat ja alles prima geklappt. Und weil Du so’n Netter bist … stimmt das so.“
Das war natürlich auf die 20 € bezogen, die als Pfand von vorhin noch auf dem Armaturenbrett lagen.
Wer Drogen Holt will danach ja eher weiterfahren. Kondome gibts an jeder Tanke. Klingt nach nem Puff. 😀
Ach Mist, ich hab den vorletzten Absatz mit Rückfahrt zum Club irgendwie falsch gelesen. Hatte es so verstanden als ob er dann doch nicht weiterfuhr und Dich nach Wartezeit entlassen hat…
klingt alles super – würdest du dies als bilderbuch-tour bezeichnen?
@Andy:
🙂
@Busfahrer:
Ja, absolut. In jeder Hinsicht!
Kondome hat er bestimmt nicht geholt, die bekommt man im Berghain an der Bar (genau wie Ohrstöpsel und … öhm … Gumminhandschuhe).
Ansonsten eine schöne Geschichte, die sich voll mit meinem Bild des typischen Berghain-Publikums deckt. Danke fürs Teilen!
@kernpanik:
Gleichfalls danke – für die neuen Infos. 🙂
„Mir war irgendwie auch mehr nach Partyleuten als nach Heimkehrern am Bahnhof.“
Also mir war am Bahnhof schon nach Taxi. Nur du warst nich da.
Bin dann also mit den öffentlichen weiter.
[…] kam gerade von der netten Tour zurück ans Berghain und wollte mich wieder anstellen. Um das zu tun fuhr ich an der immer ewig […]