Zwillingsauto

So, das mit der 1925 ist Geschichte. Sie steht derweil noch in der Stadt rum, was mit ihr genau passiert, weiß ich selbst nicht. Ob sie ausgeschlachtet oder doch verkauft wird … so ganz genau schienen meine Chefs das Anfang der Woche auch noch nicht zu wissen. Ich vermute aber nicht, dass ich sie nochmal sehen werde und zum Nachfragen, ob ich mir vielleicht ein oder zwei Teile sichern dürfte, bin ich nicht einmal gekommen bisher. Ich vermute also nicht, dass da noch etwas draus wird. Zumal ich meinen Schlüssel heute bereits weggegeben habe.

Das neue Fahrzeug für den Dauereinsatz ist derzeit noch belegt, übergangsweise fahre ich nun dieses Wochenende voraussichtlich mit der 1078. Und die wirkt, nun ja: nicht unvertraut:

"1925, bist Du es?" Quelle: Sash

„1925, bist Du es?“ Quelle: Sash

Auch das kommende Fahrzeug wird noch einmal ein B-Zafira werden, aber in Details unterscheiden sich Autos dann ja doch. Jetzt bei der 1078 hab ich aber noch keine Unterschiede ausmachen können. Außer, dass sie deutlich weniger Macken hat und – wie man auf dem Bild sehen kann – sogar die Stoßstange vorne gerade trägt. Fahrzeugtechnisch ist das Auto bis hin zu Taxameter und Funkgerät mit meiner alten Kiste identisch. Selbst der Kilometerstand ist ähnlich, allzu sehr lieb gewinnen sollte man dieses Taxi also auch nicht mehr:

Die 1925 hatte gerade mal 8.700 km mehr runter. Quelle: Sash

Die 1925 hatte gerade mal 8.700 km mehr runter. Quelle: Sash

Gefahren hat sich das Auto wirklich gut, auch wenn ich kleine Unterschiede festgestellt hab beim Beschleunigen oder bei der Kupplung natürlich. Ähnlicher Kilometerstand bedeutet natürlich auch ähnliche Probleme. Der Teppich der 1078 ist genau dort notdürftig geflickt, wo er es auch bei der 1925 war, auch an diesem Auto fangen die Türschweller an zu rosten etc. pp.
Endlos machen die kleinen Opels das halt auch nicht mit. Was mich eigentlich am meisten beschäftigt hat während der paar wenigen Touren letzte Nacht: Dass natürlich Radio und Navi komplett anders eingestellt waren. Ich tippe auf einen Tagfahrer mit Hang zu klassischer Musik. Wieso sonst sollte jemand die Höhen lauter als die Bässe und das Navi auf die schnellste anstelle der kürzesten Route einstellen? In meinem nächsten Leben werde ich Detektiv. 😉

Zwei oder drei schöne Schichten werde ich mit diesem Zwilling der 1925 sicher hinter mich bringen, dann mal schauen, was die etwas jüngere 72 zu bieten haben wird.

Eine neue 1925 gibt es im Übrigen bereits wieder. Ob sie schon fährt, weiß ich nicht. Den Gerüchten nach handelt es sich tatsächlich um den ganz neuen Zafira Tourer – ich hab sie aber noch nicht gesehen. Ich gebe zu, es hätte mich sehr gefreut, dieses Auto mal auszuprobieren. Aber dazu wollte ich auch noch ein paar Worte verlieren: Ich weiß, Ihr hättet alle gerne, dass ich einen Neuwagen bekomme und die 1925 sowieso am besten behalte. Wie gesagt: Der Gedanke sagt mir auch zu, aber das ist natürlich nicht das einzige, worauf meine Chefs Rücksicht nehmen müssen. Zum einen will das alles organisiert sein, zum anderen haben meine Chefs mich zweifelsohne gern – aber ich bin de facto nur noch eine Halbtagskraft. Es gibt andere Teams im Unternehmen, die deutlich mehr Kohle einfahren. Außerdem sind weder mein Tagfahrer noch ich diejenigen, die am lautesten und am ausdauerndsten jammern, wenn es um neue Autos geht. Ich fahre gerne noch eine Weile B-Zafira. Wenn dafür ein anderer Kollege vor lauter Glücksgefühlen in seinem Neuwagen zwei Hunderter mehr Umsatz im Monat einfährt, dann ist das schon ok, denn ich würde das nicht machen.

Ich arbeite nur halb so viel wie in meinem Arbeitsvertrag steht und habe trotzdem ein festes Auto mit Abstellplatz in der Nähe. Andere werden eben häufiger mal als Springer auf verschiedenen Wagen eingesetzt, wenn sie nur am Wochenende fahren. Glaubt also nicht, ich lasse mich bei dem Auto über den Tisch ziehen. Ich hab mit meinen Chefs nur andere Vereinbarungen als die Kollegen, die jetzt einen neuen Wagen haben. Und das ist für mich in Ordnung, denn ich hab das nicht anders gewollt.

Schließlich hätte GNIT von einem neuen Auto eher weniger, wenn ich dafür wieder Vollzeit ran müsste. 😉

Fußball, Punk-Rock, Trinkgeld

In solchen Momenten weiß ich, wieso ich nachts gerne mal die Petersburger Straße runterfahre: Zwei Kerle und eine Frau mit zwei Kisten voller CD’s standen am Straßenrand und winkten mich heran. Die Platten waren schnell verladen, dann kündigten sie mir eine Tour nach Neukölln an. Klasse Geschichte, irgendwas zwischen 15 und 20 € Umsatz.

Wir haben ein paar Allgemeinplätze ausgetauscht, sie haben mir die gewünschte (die kürzeste, wow!) Route angesagt, dann verfielen sie immer mehr in ihr Gespräch untereinander. Es ging viel um Fußball, Fankultur und was sie so alles machen würden für dieses oder jenes im Umfeld ihres Lieblingsvereins. Zwischenrein kam die Sprache hier und da auf Politik, und ich freute mich zu hören, dass es alte Veteranen der linken Punk-Szene waren, die sich furchtbar darüber aufregten, wie Fußballkultur hier und da – und auch in ihrem Verein – immer wieder von Nazis unterwandert würde. Zwischenrein ging es immer wieder um diese oder jene Kneipe, und wo sie wann welches Konzert besucht hatten.

Während die Frau recht unscheinbar war, war das Gespräch der Männer vor allem ihres Erscheinungsbildes wegen lustig zu beobachten. Die beiden kannten sich dem Gespräch nach eher weniger und hätten unterschiedlicher auch nicht sein können: Der Typ auf dem Beifahrersitz war wohl so um die 45, gerade so alt, dass sich zwischen den reichlich vorhandenen Muskeln um seine Tattoos erste Falten abzeichnen konnten. Ein Kinnbart, dem meinen nicht unähnlich, straff sitzendes Shirt – er wäre als Sänger einer älteren Hardcore-Band oder als Türsteher einer Metal-Kneipe eine erstklassige Besetzung gewesen.
Sein Gesprächspartner hinten jedoch hatte bereits schlohweißes Haar und auch des Gesichts und der Kleidung (ich sag nur: Trenchcoat) wegen, hätte ich ihn definitiv bei der Generation 60+ verortet. Und der saß da nun und faselte sich, einem Musikjournalisten gleich, mit breitem deutschen Akzent und mit Wonne durch seine ganz persönliche Punk-Geschichte von den „Rämonns“ bis zu „Cockspärrer“.

Als wir schon in Neukölln waren, überraschten sie mich mit einem

„Was sagen Sie denn dazu?“

„Ich?“

„Ja natürlich. Sie fahren uns hier und haben noch keinen Ton gesagt. Wir wollen Sie ja nicht nerven!“

„Ach wissen Sie: Fußball ist nicht meine Welt, da mische ich mich nicht ein. Und mit Punk-Rock können Sie mich nicht nerven, es ist also alles ok!“

Gelächter hier, Fragen nach meiner Herkunft dort, schon waren wir am ersten Ziel. Das mit dem Bezahlen war nicht einfach, aber mir wurde zunächst Geld zum Kleinwechseln gereicht, das wurde weiterverteilt, dann bekam ich von ihr schon mal einen Zwanni und untereinander ging es hin und her mit Scheinchen und Münzen. Ich hab zwischendrin aufgegeben verstehen zu wollen, was die da miteinander auszukaspern hatten. Ich war ziemlich sicher, 20 € erhalten, diese zum Wechseln wieder rausgegeben und dann von anderer Seite abermals einen Zwanni erhalten zu haben. So denn. Damit wäre die Fahrt schon mal bezahlt. Die Uhr stand bei fünfzehnnochwas und der Weg war nicht mehr weit.

Als wir am letzten Ziel waren, standen 16,60 € auf der Uhr. Ich sagte den Preis an und hoffte ganz ehrlich darauf, den Rest behalten zu können. Weit gefehlt: Die Dame hinter mir steckte mir noch einen Zehner zu und meinte, das passe jetzt.

Äh, was bitte?

„Na, Sie haben doch vorher die 20 gewechselt und dann das rausgegeben und dies bekommen, deswegen ist das so ok. Ein bisschen Trinkgeld sollen Sie ja auch noch haben.“

Das klang soweit nicht nur nett, sondern auch logisch. 3,40 € sind ein gutes Trinkgeld und ich war neben dem ganze Auslade-Gedöns genug damit beschäftigt, mir selbst noch einmal zu überlegen, wie das genau war. Fahrgäste, Plattenkisten und zuletzt auch ich verließen die Szenerie. Statt wie sonst stellte ich nicht umgehend die Musik auf laut, sondern überlegte. Und kam – in Übereinstimmung mit der Prophezeiung der Kasse zu Schichtende – zum Ergebnis, dass ich gerade tatsächlich einen Zehner zu viel bekommen hatte.

Äh, yeah!?

Ganz ehrlich: Freut mich sehr, und ich weiß auch, dass deswegen niemand Hunger leiden wird. Aber Absicht war das nicht. Und wenn die drei zufällig hier im Blog landen und sich wiedererkennen: Ich geb das Geld gerne zurück. Dann nennen wir das einfach so, wie Kollege Yok sein Buch genannt hat: Punkrocktarif. 😉

Nur kurz ums Eck (3)


Darauf hab ich dann auch geantwortet:

„Dann nehmen wir.“

„Eine schönes guten Abend.“

Holländer. Supi! 🙂

„Funf Euro für der Alexanderplatz wird ok sein?“

Da das als Preis für den Platz wirklich ein bisschen tiefgestapelt ist, habe ich gleich vermutet, dass sie nur nach dem Fahrtpreis dorthin fragten:

„Nein, sorry. Das werden eher so 7 bis 8 Euro.“

„Oh, ist der Preisen mit Taxometer?“

„Ja.“

„OK, dann nehmen wir. Viele Dank!“

So dürfen Verhandlungen gerne öfter laufen: „Ist das der Taxameterpreis?“ – „Ja.“ – „Super, dann nehmen wir den!“ Hach.

Und am Ende hielten sie es sogar für eine gute Idee, doch lieber gleich zum Bahnhof Friedrichstraße zu fahren. Das waren dann zwar schon 10,40 €, aber das Eis war offenbar gebrochen. 😀

Vom Hund des Botschafters erlegt

Wenn man ein Taxi wäre, hätte man viel zu erzählen. Aber Taxis reden ungern, deswegen übernehme ich als Fahrer einmal mehr diese Aufgabe.

Die 1925 vor der Couch ihres Psychiaters, Quelle: Sash

Die 1925 vor der Couch ihres Psychiaters 2011. Quelle: Sash

Dass die 1925 noch in diesem Jahr ausgemustert werden würde, war bekannt. Der Kilometerzähler rannte eiligst auf die 400.000 zu, so langsam nahmen die Werkstattbesuche überhand. Zuletzt machte der Motor, bzw. dessen Steuerung, immer wieder Probleme – dann lief selbst der sparsame Erdgas-Motor nur noch mit halber Kraft. Die Ausmusterung war eine Frage der Zeit. Über 35.000 Fahrten im Dienste der Kundschaft sind im Laufe der Jahre zusammengekommen, die Hälfte der Kilometer war das Auto besetzt. Den Taxameterstand kann ich nicht benennen, die Anzeige hat nur 4 Stellen, keine Ahnung, wie oft sie umgesprungen ist. Ich bin davon ausgegangen, noch ein paar Fahrten mit dem Wagen machen zu können, am folgenden Wochenende vielleicht. Da ereilte mich der Anruf eines Kollegen, dass es nun vorbei sei.

Ich hab den kleinen Opel zu einer der bekanntesten Taxen in Deutschland hochgeschrieben und im Laufe der Zeit wusste ich immer weniger, wie ich die letzten Kilometer hinterm Steuer des Zafiras hier schildern würde. Der Ausfall eines Autos ist eigentlich viel zu banal, ich hatte ein wenig Sorge, dass es erschreckend unspektakulär werden würde. Aber man sollte den Tag bekanntlich nicht vor dem Abend loben.

Denn die Überschrift ist keine übertriebene Boulevard-Meldung, sie ist wahr: Den Todesstoß versetzte der 1925 nicht ein abgesoffener Motor, ein kaputtes Getriebe oder ein Softwarefehler des Taxameters. Es war der Schäferhund des chinesischen Botschafters. Von allen nur denkbaren Unfallgegnern hat es am Ende ausgerechnet einen – im weitesten Sinne – Prominenten erwischt.
Viel zum Vorgang sagen kann ich nicht. Wie alle aktuellen Dellen im Blechkleid hat die 1925 auch die zerfledderte Stoßstange nicht mir zu verdanken, sondern einem Kollegen. Der wiederum hat laut eigener Aussage den Hund, der wohl auf Vogeljagd war, als er eine Allee in Grunewald rennend überqueren wollte, gar nicht gesehen. Ein dumpfer Schlag, fortan humpelten Hund und Auto nur noch. Während der Hund zweifellos die schmerzhaftere* Erfahrung machte, so ist es für das Taxi die endgültigere gewesen. Die Polizei versagte die Weiterfahrt und eine Reparatur der sowieso chronisch schief hängenen Frontpartie wird nicht mehr durchgeführt werden.

Hier und da werden vielleicht noch Teile der 1925 für die Reparatur anderer Taxen verwendet werden, die Konzessionsnummer wird sicher bald ein neues Taxi zieren. Welches Auto ich fortan fahren werde, ist noch unsicher, wahrscheinlich werde ich aber keinen Neuwagen bekommen, sondern einen älteren aus dem Firmenbestand. Auch gut.

1925, es war schön mit Dir. Aber es war auch Zeit.

*Ich weiß natürlich nicht, ob dem Hund ernsthaft was passiert ist. Er hat den Unfall allerdings dem ersten Anschein nach recht gut überstanden. Natürlich liegt es mir fern, die Schmerzen eines Tieres mit einer kaputten Stoßstange gleichzusetzen und ich wünsche dem Hund selbstverständlich alles gute.

Zu viel Verkehrsberuhigung?

Das mit der Verkehrsberuhigung ist so eine Sache. Eine eigentlich eindeutige: Wenn sie funktionieren soll, dann muss sie Autofahrer stören. Meine eigene Bequemlichkeit als Autofahrer mal zum Maß erklärend kann ich das unterschreiben. Ich bin zwar kein Raser, aber natürlich bremse ich ungern unnötig. Und, um ehrlich zu sein: Ich teste auch gerne manchmal, was möglich ist.

Die in der Bouchéstraße ausgelegten Holperschwellen zum Beispiel: Die sind zwar fies, weil ich da mit meinem Opel Zafira bei 30 km/h ziemlich derbe Schläge kassiere, die dem Auto sicher nicht gut tun. Also bremse ich ab und rolle im Schritttempo drüber? Muss ich persönlich – obwohl sonst gerne vorbildlich – leider verneinen. Wenn es drei Uhr morgens ist, kein Mensch auf der Straße und keine Kundschaft im Auto, dann fahr‘ ich da einfach 45 km/h. Das ist zwar nicht legal, funktioniert dank der Trägheit aller beteiligten Fahrzeugkomponenten aber so super, dass ich es mir nur schwer verkneifen kann. Denn dann merke ich von den Schwellen gar nix mehr und komme auch noch schnell voran …
Ist jetzt halt nicht gerade das, was die Leute sich dort beim Bau gedacht haben, das ist mir schon klar. 😉

Da sind die deutlich höheren Schwellen am Lausitzer Platz schon besser. Ja, sie nerven wirklich extrem – aber dafür fahre ich dort halt entweder extrem langsam oder – sicher noch besser für die Anwohner – vermeide die Durchfahrt nach Möglichkeit.

Letzteres scheint im Wedding irgendwie geplant zu sein. Die dort verteilten erhöhten Steinplatten (die hatten doch auch so eine schöne Eigenbezeichnung: „Weddinger Kissen“ oder so …) erfüllen überwiegend ihren Zweck, vereinzelt allerdings schießen sie ein bisschen übers Ziel hinaus. In der Utrechter Straße z.B. komme ich öfter mal vorbei – berufsbedingt halbwegs notwendigerweise – und da setzte die 1925 bislang immer mit der Schnauze auf. Selbst wenn ich nur alleine im Auto war und sehr langsam fuhr.
Das ist nicht schlimm, es geht hier nur um eine Gummilippe unterhalb der Stoßstange, wirklich zu Schaden kam dabei nix. Aber mein Auto ist nun wirklich recht geländetauglich gewesen von der Bauform her. Die Überhänge hatten eine moderate Länge und der Zafira lag auch nicht wirklich tief auf der Straße. Mit anderen Worten: Wenn ICH da schon an die Grenze kam, dann ist die Straße für wahrscheinlich einen Großteil der anderen Fahrer da draußen nicht befahrbar.

Wenn DAS das Ziel ist, dann macht man das richtig! Man könnte dort eine Fußgängerzone oder eine reine Fahrradstraße einrichten. Die Straße ist ohnehin zu klein, um wirklich wichtig zu sein. Aber was für einen Sinn gibt es bitte, eine Straße für Tempo 30 freizugeben, wenn sich jeder zweite dort das Auto beschädigt? Ich als Ortskundiger kann die Straße meiden, mich muss das nicht jucken. Aber wenn ich dort jemanden besuchen wollte und mein Navi würde mir die Route vorschlagen … na herzlichen Dank auch, Berlin!

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

(Keine) Verarsche

Ich hatte es heute am Stand noch mit einem Kollegen darüber: Wie viel man wohl so im Laufe der Zeit an Umsatz verliert durch die Leute, die nicht zahlen können/wollen, etc.
Statistisch erfasse ich solche Fehlfahrten gar nicht. Aber ich weiß, dass sie selten sind, weil ich jedes Mal darüber blogge und sie deswegen fast alle noch irgendwie im Kopf habe. Mein Score diesbezüglich liegt bei unter 100 € – und das, obwohl schon die erste Fahrt damals glatte 21 € ausgemacht hat. Allzu häufig ist das also zumindest bei mir nicht – und ich bin schon der Deppchef, der die ganzen Chaoten einsammelt, die sonst kein Fahrer mitnehmen will …

Und dann springt mir in Prenzlauer Berg ein wirklich ziemlich junger und ziemlich betrunkener Kerl vors Auto. Er fragt mich, was es zum S-Bahnhof Hohenschönhausen kosten würde.

„So etwa 15 €. Ich will mich nicht auf zwei Euro hin oder her festlegen, aber es werden sicher keine 25 und andersrum reicht ein Zehner sicher auch nicht.“

„Allet klar. Machen wa!“

Ja, denkste! Eine Minute später meinte er:

„Mach doch ma’n Fünfer und dit Ding da aus!“

„Und was hab ich davon?“

„Na, is doch ejal!“

„Nö. Isses nicht.“

Ich war wie immer viel zu nett und hab das Gespräch gesucht. Ich hab gesagt, dass ich ja verstehen könnte, dass das teuer sei, aber ich eben auch nur wenig verdienen würde und es dann einfach nicht mehr lustig finde, wenn jeder dritte versucht, mich auch dabei noch nach unten zu handeln. Da hat er geknickt zugestimmt und gemeint, er könne das gut verstehen. Das klappt erstaunlich oft und ich bin mir sogar sicher, dass er nicht unbedingt gelogen hat. Wer versteht sowas schon nicht? Aber der Alkohol, die dadurch um sich greifende Vergesslichkeit, eine Prise Egozentrik – und zack, schon wird die Fahrt zur nervigsten der ganzen Woche. (Ich bin mit der Woche noch nicht ganz durch, aber die Wette gehe ich ein!)

Nach seinem ersten Schub hab ich mich gleich versichert, ob er genug Geld dabei hätte. Hatte er nicht, er wollte es bei sich holen. Nichts, was mich bei so einem Gesprächseinstieg erfreut, aber er bot mir großzügig Ausweis und Handy als Pfand an.

Nichtsdestotrotz ging es 5 Minuten später wieder los:

„Mach doch das Taxameter aus!“

„Nein! Und ich hab schon erklärt, wieso.“

„Is‘ doch Scheiße. Machen wir’n Zehner, dit is doch ok!“

„Nein, isses nicht! Ich hab Dir gesagt, dass es um die 15 € werden. Da fange ich jetzt keine Spielchen an!“

„Ach komm, das macht doch keinen Unterschied …“

„Haste Recht, also bleibt’s bei den 15 €.“

„Hä?“

„Ja, hast doch selbst gesagt: Macht keinen Unterschied. Und ich will 15 € haben. Im Ernst: 10 reichen nicht.“

„Sicher reichen 10! Schon hundertmal gefahren die Strecke.“

„Junge, wir sind bei 9,20 € und erst in Weißensee …“

„Ja und? Fahr zu mir, ich geh hoch und hol Dir den Zehner. Mehr hab ich ja eh nicht.“

Irgendwann ist auch mal gut. Ich hab den Blinker gesetzt und an einer kleinen dunklen Nebenstraße angehalten. Er schien nicht sonderlich begeistert zu sein:

„HÄÄÄ? Was’n jetzt?“

„Du steigst jetzt hier aus!“

„Aber … ich hab doch kein Geld …“

„Das hab ich verstanden. Verpiss Dich gefälligst!“

„Ey Alter, so wollte ich das aber nicht!“

„Ach, auf einmal?“

„Ey, ich verarsch‘ Dich doch nicht. Ich zahl ja den Zehner!“

„Wenn Du einen Zehner zahlen willst, steigst Du hier aus. Ende!“

„Aber ich kann doch gar nicht bezah…“

„Junge, verzieh Dich einfach! Jetzt kann ich hier noch wenden und wieder in die Stadt zurück. Da finde ich dann Leute, die mich auch bezahlen.“

„Aber, Alter, Du checkst dit nich: Ich verarsch‘ Dir nicht! Ich bezahl‘ Dir!“

„Nein. DU checkst es nicht: 10 € statt 15 SIND Verarsche. Also hau ab und schönen Heimweg noch!“

Da stand er dann reichlich bedröppelt rum und moserte:

„Ey, ohne Witz: SO wollte ich das nicht, echt jetzt!“

„Ach, Du denkst, ICH wollte das?“

Das Ende vom Lied? Ich hab 9,80 € Fehlfahrt zu verbuchen. Die kickt mein Chef aus dem System und ist damit technisch quasi nie passiert. Der Depp hatte noch gut 4 Kilometer heimwärts zu wanken. Entweder er hat es gepackt oder noch einen Kollegen gefunden. Der Preis dürfte von dort aus auch noch etwa einen Zehner betragen haben. Optionslos war er also nicht. Keine Frage, dass ich ihm den Fußweg eher gönne. 😉

Und ich? Hab gewendet und noch vor seinen Augen Winker aufgenommen. Total lustige Tour für 12,20 € plus Trinkgeld nach Mitte. Und von da an lief es wie am Schnürchen weiter. Selbst mein Kilometerschnitt ist heute bombig gewesen, ganze 1,20 €. Ich schlag mir doch mit so einem Vollhonk nicht für ein paar Euro fünfzig die Nacht weiter um die Ohren, wenn es Leute gibt, die meine Arbeit honorieren und mit denen ich zudem Spaß haben kann.