„Wir könnten auch …“

Ja, wir hätten auch schneller da sein können. Und billiger. Aber dazu müsste man eben erst einmal eine grobe Ahnung vom Stadtplan haben. Trotz Sperrung der Adalbertrstraße kurz vor dem Kotti: Da wäre was machbar gewesen. Nach der Umhergurkerei hab ich aber gerne entgegengenommen, was meine Beifahrerin gesagt hat:

„Pssst, ich mach das doch mit Absicht, damit Sie auch was ‚von haben!“

 

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Der Winfried

„Winfried, geh‘ doch lieber nach vorne!“

„Winfried, das ist doch viel zu eng da.“

„Winfried, wie sollen wir denn da jetzt hinpassen?“

„Winfried, jetzt sei nicht so stur.“

„Winfried, so kann das doch nicht die ganze Fahrt gehen!“

„Winfried, guck doch: Die Monika hat gar keinen Platz!“

„Winfried, hörst Du mir überhaupt zu?“

„WINFRIED!?“

„Das wäre alles viel einfacher, wenn Winfried nicht hinten hätte sitzen müssen!“

Ich hab mich derweil mit Gerhard auf dem Beifahrersitz unterhalten, der war zufrieden und hatte Platz. 🙂

Tipping Policy

Beinahe schon so etwas wie eine Sensation …

Das Trinkgeldverhalten bei Touristen ist so eine Sache für sich. Eigentlich nicht einmal nur bei Touristen. Man sollte meinen, dass die Trinkgelder im Taxigewerbe irgendwie nach dem Verlauf der Fahrt ausfallen. Dem ist nicht so. Sicher, die regelbestätigenden Ausnahmen gibt es, meist aber spielen bei der Frage, wie viel Trinkgeld gegeben wird, ganz andere Dinge eine Rolle: Wieviel Geld der Fahrgast gerade hat, wie seine Einstellung zum Trinkgeld überhaupt ist, welche Summe gerade auf der Uhr steht, etc. pp.

Ich wünschte, es wäre nicht so, aber man kann nicht viel machen. Ziemlich zu Beginn meiner Arbeit als Taxifahrer hatte ich zum Beispiel mal einen unangenehmen Typen, der mir kurz nach dem Start einen Betrug unterstellte, weil mein Taxameter angeblich bei einem zu hohen Startpreis zu zählen angefangen hätte. Da es das weder davor noch danach je tat, kann man diese Behauptung ins Reich der Legenden einordnen, ich habe nämlich keinen Zauberknopf, an dem ich sowas einstellen kann. Die Taxameter gehören ohnehin zu den am meisten überprüften Dingen im Taxi. Aber egal, nach einer Weile Gezeter über meine Unverschämtheit gab mir jener Fahrgast damals tatsächlich Trinkgeld. Nicht viel, aber die Höhe hätte an der Beklopptheit auch nix mehr geändert.

(Ich hab da auch einen Eintrag zu geschrieben, finde ihn aber nicht mehr.)

Zurück zu den Touristen: Die Kollegen unterscheiden am Taxistand recht genau zwischen den Nationalitäten der Fahrgäste, denn zumindest gefühlt besteht da ein Zusammenhang. Obwohl mir da jede Verallgemeinerung fern liegt, stelle ich durchaus fest, dass Spanier und Italiener meist kein Trinkgeld geben, Briten hingegen ziemlich viel. Meine Vermutung ist, dass da tatsächlich die Sozialisation eine Rolle spielt, die durchaus mal ländertypisch sein kann.

Amerikaner gelten – soweit ich meinen Kollegen glauben darf – auch eher zum besseren Publikum im Trinkgeldsinne. Mir persönlich sind all die Amerikaner in meinem Wagen bislang weder besonders positiv noch negativ aufgefallen. Es war immer von allem was dabei.

Was mir dieses Wochenende allerdings das erste Mal passiert ist, war die Nachfrage.

Ich hatte drei Amis an Bord, zwei Jungs und ein Mädel. Partylaune pur, und einer der drei war bereits das zweite Mal hier und ließ (auf durchaus liebenswerte Art) den Chef raushängen und erklärte den anderen, wo es hier in Berlin lang geht. Das Ziel war tatsächlich ein kleiner Underground-Club, den weder ich noch das letzte Taxihandbuch mit Namen kannten. Fernab von Touripfaden wandelten sie also schon mal. Die Fahrt selbst war unspektakulär, sie unterhielten sich meist untereinander. Und knappe 10 € Umsatz sind auch gerade mal durchschnittlich.

Der selbsternannte Chef zahlte artig und ließ sich das Rückgeld auf den Cent genau rausgeben. Ich hab das Trinkgeld schon abgeschrieben, da fragte er mich, wie denn hier die „tipping policy“, sprich das Verhalten beim Trinkgeldgeben so sei. Ich war im Grunde viel zu ehrlich und hab ihm gesagt, dass es hier keine festen Regeln gäbe und man durchaus auch mal nichts bekommen würde als Taxifahrer. Dass der Durchschnitt so bei etwa 10% liegt, habe ich natürlich auch erwähnt. Von höheren Beträgen hab ich gar nix erzählt.

Ich Depp.

Das Ergebnis allerdings konnte sich sehen lassen. Er reichte mir 3 € nach vorne und bedankte sich für die nette Fahrt. Da hat jemand es wohl wirklich über-über-durchschnittlich gut gemeint. Da freue ich mich natürlich besonders. Aber da es bekanntlich immer noch schöner kommt, wenn man nicht daran glaubt, stellte ich im Nachhinein fest, dass mein Beifahrer mir offenbar zusätzlich noch einen Zweier auf’s Armaturenbrett gelegt hatte.

Wie eingangs erwähnt: Meist hat das Trinkgeld nichts mit der Leistung zu tun. Aber wenn sich die Fahrgäste unsicher sind, dann aus meinem Mund die „10%-Regel“ hören und ich anschließend 50% Tip in der Kasse habe … dann hab ich wohl doch auch was richtig gemacht. 🙂

Wochenende

Zunächst einmal herzlich willkommen am vermutlich heißesten Tag des Jahres 2013 in Berlin!

Obwohl es gerade einmal kurz nach sieben Uhr ist, schwitze ich bereits, und das wird sich voraussichtlich nicht mehr ändern heute. Ob ich überhaupt schlafen kann bei dem Wetter, bleibt abzuwarten. Des Wetters wegen alleine hab ich schon lange rumüberlegt, ob ich heute arbeiten soll, am Ende hat es doch meine kleine 1925 für mich entschieden. Die war die ganze Woche nicht völlig fehlerfrei unterwegs. Auch wenn es letztlich nur das Quietschen war, das blieb: Jetzt bleibt die Kiste stehen, bis ich sie am Montag wieder zu unserem Schrauber bringen werde!

Ich selbst bin manchmal ein wenig überkritisch, was Fahrzeuggeräusche angeht. Kein Wunder, schließlich weiß ich nach einer sechsstelligen Anzahl an Kilometern ja, wie die 1925 „normal“ klingt. Aber als sich heute morgen um kurz vor halb sechs meine letzte Kundin mit schmerzverzerrtem Gesicht die Ohren zuhielt, als ich neben ihr bremste, stand für mich fest, dass hier Schluss ist. Für die Schicht war es das ohnehin, aber das ist ein anderes Thema, zu dem ich gleich kommen werde. Heute ist also Ruhetag, was mir ehrlich gesagt auch gut passt. Immerhin bin ich diese Woche schon am Mittwoch das erste Mal ausgerückt, noch dazu mit extra frühem Aufstehen. Wenn man bedenkt, dass ich das nur noch als 50%-Job mache, sollte das ohnehin genug sein. Vom Wetter mal ganz zu schweigen.

Aber gut, die heutige Schicht.

Lief bombig. Nicht rekordverdächtig, aber ich war immer froh um eine Zigarettenpause, bzw. darüber, überhaupt mal das nassgeschwitzte Hemd vom ledernen Fahrersitz lösen zu können. Da ich derzeit wegen meines zeit.de-Interviews viele neue Leser habe, will ich auch kurz anmerken, was „gut“, bzw. „bombig“ hier in Berlin im Taxigewerbe heißt:

Ich hab in 8 Stunden ziemlich genau 200 € Umsatz gemacht. Ein Rekord wäre es gewesen, wenn ich weniger als fünfeinhalb Stunden dafür gebraucht hätte. Auf der anderen Seite hab ich am Freitagabend 8 Stunden für nicht einmal 110 € Umsatz runtergerissen. Und wer jetzt neidisch guckt, sollte sich vor Augen halten, dass Umsatz nicht gleich Verdienst ist. Mein Verdienst liegt am Ende bei rund 50% der oben genannten Zahlen – Trinkgeld schon eingerechnet.

Natürlich hätte es heute – wie immer – auch besser laufen können. Bestes Beispiel war mein eigentlich letzter geplanter Stopp am Ostbahnhof: Ich wurde gefragt, ob mein Auto ein Großraumtaxi sei, was ich bejahte. Dann aber musste ich verneinen bei der Frage, ob ich das bestellte wäre. Wie so oft fragte die potenzielle Kundschaft dann, ob ich sie nicht fahren könnte. Hätte ich machen können, wäre nur unfair dem wohl gerade auf dem Weg befindlichen Kollegen gegenüber. Also hab ich die Truppe vertröstet und in Aussicht gestellt, dass der Kollege sicher gleich kommt. Man ist ja kein Arschloch.
Aber ich hab auch gesagt, dass ich vorraussichtlich ja noch ein paar Minuten da bin, falls er wirklich nicht auftauchen sollte.
Dann kam das Fiese: Mein Gegenüber wollte von mir wissen, was es nach Dallgow-Döberitz kosten würde. Zwar nicht meine Richtung, aber eine verdammt lohnenswerte Umlandfahrt! Sicher um die 40 € …
Ein bisschen hoffen, dass der Kollege nicht kommt, wollte ich noch – da hatte ich dann aber schon andere Kundschaft. Ein sehr sehr liebenswerter Kerl, sicher 15 Jahre älter als ich, für sein Alter aber drei Hausnummern zu cool. Wir hatten ein glänzendes Gespräch, die Tour hat sehr viel Spaß gemacht – leider ging sie eben nur für 6,20 € zum Frankfurter Tor. Dort hab ich umgehend Kehrt gemacht und bin zum Bahnhof zurück. Aber die Jungs waren natürlich schon weg …

So kann es dann halt auch gehen am Ende einer guten Schicht. 🙁

In eigener Sache

So, das in meinen Augen recht gelungene Proust-Interview bei zeit.de ist inzwischen online. Könnt Ihr alle mal draufklicken. Vielleicht lacht ja der ein oder andere sogar. 🙂

Und da gerade so viele Leser von zeit.de vorbeikommen: Ich hab vor einer Weile schon mal einen Artikel „Lesetipps“ geschrieben – damals wegen meiner Nominierung bei den „Deutsche Welle Blog Awards 2012“. Da sind ein paar der besten Artikel verlinkt. Falls Ihr euch im Blog nicht zurechtfindet. Nur so als lieb gemeinter Tipp …

Lost

„I, I … I somehow got lost.“

„No Problem. That’s what we’re here for. Where should you be right now?“

„Ähm, here, at the Wasrafer Plas.“

Da er an der Station „Warschauer Straße“ ausgestiegen ist, zum „Warschauer Platz“ musste, und ich ihn fast Ecke Kopernikus aufgegriffen habe, kann man ihm durchaus ein wenig Verlorenheit unterstellen. Einfach mal einen Kilometer in die komplett entgegengesetzte Richtung gelaufen ist der junge Mann. Mit schwerem Gepäck. Aber wie ich ihm auch gesagt habe: Dafür sind wir ja da …

Mit einmal ihm zuliebe illegal abbiegen waren das genau 5 €. Ich würde sagen: ein fairer Preis. Und sobald er gelernt hat, wie man das hier üblicherweise mit dem Trinkgeld hält, fahre ich auch freiwillig eine Kurzstrecke ohne Nachfrage. 😉

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Der klassische Fall …

Ich hatte eigentlich das Glück im Unglück schon gehabt. Den ganzen Abend dumm in der Gegend rumgestanden und Däumchen gedreht – und danach ging es nach einer Fahrt Schlag auf Schlag. Vier Touren ohne zwischendrin länger anzuhalten, als nötig gewesen wäre, um die Passagiere aus- und einzuladen.

Gut, außer mit Jo. Mit dem hab ich wie immer noch eine Kippe vor der Haustüre geraucht.

Irgendwann ist aber der beste Run vorbei. Und obwohl ich mir gestern keine hohen Ziele gesteckt hatte, wollte ich doch zumindest noch einen Zehner näher an das ranrücken, was noch so halbwegs in Planung war – also umsatzmäßig jetzt.

Nach viel gedanklichem Hin- und Her hab ich mich entschieden, mich nicht vor’m Ostbahnhof, sondern vor’m Kater Holzig, bzw. dem Lichtpark anzustellen. Ersterer war zwar geschlossen, aber zum einen hätte diese Tatsache feierwütige Angereiste ins Taxi locken können, zum anderen wusste ich von Jo, dass im Lichtpark noch was los war. Also hab ich mich in die Schlange gestellt, mal Twitter gecheckt und gewartet.

Nix hat sich bewegt. Die Schlange kam nicht voran und auch auf der Straße schienen nur freie Kollegen rumzufahren. Also hab ich die Flinte ins Korn geworfen und auf den Zehner geschissen. Als ich Marzahn bereits rund einen Kilometer näher war, kam jemand über die Kreuzung gesprintet, an der ich stand. Alle nonverbale Kommunikation half nichts, der Mann schlich sich bedächtig an mein Taxi und stellte die wichtigste aller Fragen:

„Sind Sie frei?“

Nachdem wir diesen komplexen Sachverhalt erörtert hatten, stieg er ein und wollte „zum Mehringdamm nach Schöneberg“. Obwohl es vollkommen entgegengesetzt meiner Richtung war, war ich froh über die finanziell genau passende Fahrt und belehrte ihn nicht, dass der Mehringdamm nicht in Schöneberg, sondern in Kreuzberg liegt. Seine Verwechslung wurde für mich noch lustiger dadurch, dass ich von uns beiden der einzige Zugewanderte war und er gerade nach Hause fuhr. Aber sei es drum, immerhin war er auch keiner der Idioten, der es schlimm fand, dass ich aus Stuttgart komme. 🙂