Ein Jahr im Taxi (2)

Fünfzig, das Handy und die Polizei:

Die kleine 1925 gewann an Fahrt und die beiden Fahrgäste schienen guter Laune zu sein. Nach eigener Aussage wollten sie noch Feiern, alles spitze, nur „bisschen besoffen“. Na klar.

„Wo is‘ mein Handy?“

Oha. Ich hatte natürlich keine Ahnung, der zweite Fahrgast ebensowenig.

„Wo is‘ mein Handy?“

Ja nee, immer noch nicht!

Auf der Uhr standen gerade einmal 3,60 €, da wurde ich um folgendes gebeten:

„Halt mal an!“

Das Schlimme daran war, dass es auf einmal so klang, als würde es um den Mageninhalt gehen. Ich lasse meinen Finger auf den Knopf für die Warnblinkanlage niedersausen, halte an der rechten Fahrbahnseite und der junge Mann von hinten links beginnt, sich über seinen Kollegen einen Weg ins Freie zu suchen. Es lässt sich schwer vermeiden, beim Anblick der beiden ins Grübeln zu kommen, ob da nicht sexuelle Komponenten im Spiel sind, aber letztlich krabbelt der junge Mann mit den Händen voran aus meinem Taxi ohne unterwegs die Hose des anderen geöffnet zu haben. Wäre das geschehen, wäre die Fahrt jedoch nur unwesentlich seltsamer geworden. Der hinten rechts sitzende Fahrgast grinste und zeigte mir einen Geldschein:

„Fünfzig.“

„Naja, so viel brauchen wir jetzt ja erstmal nicht.“

Den Titel „Ein Jahr im Taxi“ habe ich übrigens gewählt, weil die Fahrt ansonsten so ziemlich alles abgedeckt hat, was einem binnen eines Jahres so in einem hellelfenbeinfarbenen Auto passieren kann.

Der junge Kunde im teuren Zwirn steht nun reichlich benebelt am Fahrbahnrand, offensichtlich in der festen Absicht, zurückzulaufen und sein Handy zu suchen. Während ich also mit Warnblinkanlage mitten im Wald stehe und der verbliebene Fahrgast selig grinst, rollt ein Streifenwagen heran und verlangsamt die Fahrt. Ich hab mir zunächst Gedanken gemacht, ob sie mich wegen meines ungünstigen Halts auf freier Strecke ermahnen wollten, dann wurde mir jedoch klar, dass wir hier fern jeder Zivilisation (also zumindest 400 Meter) durchaus den Eindruck erwecken konnten, dass etwas nicht stimmt. Panne, Überfall, hätte ja alles sein können!

Ich ließ die Scheibe herunter und versicherte den Beamten, dass alles in Ordnung sei und wir auch umgehend wieder weiterfahren würden. Gelassenheit breitete sich aus und der Wald verschluckte wenig später den silberblauen Wagen wieder.

4 Kommentare bis “Ein Jahr im Taxi (2)”

  1. Aro sagt:

    Schön, dass die Blauen mal so aufmerksam sind. In den vergangenen Tagen gab es fast täglich Taxiüberfälle in Berlin, Mittwoch habe ich über Funk zwei mitgekriegt. Dabei hat die Polizei in Neukölln rund 10 min. gebraucht, bis sie vor Ort eintraf. Und das die nächste Wache nur rund 800 Meter entfernt ist.

  2. Sash sagt:

    @Aro:
    Ja, ich war auch echt überrascht, dass die mal eben so gehalten haben. Bei mir waren sie bisher aber eigentlich immer recht fix, wenn es einen Grund gab. (Und wenn nicht, dann natürlich noch fixer! 😉 )

  3. Roichi sagt:

    @ Aro

    Das kann auch damit zusammenhänge, welche Wache zuständig ist.
    Wenn man von der TU die Polzei ruft, ist südlich des 17.Juni die Wache am Zoo zuständig.
    Bis die kommen, dauert das schonmal.
    Ruft man dagegen direkt bei der Wache am Ernst Reuter Platz an, kommen die innerhalb von 5 Minuten.
    So einfach kann man sich das Leben manchmal machen.

  4. Aro sagt:

    @ Roichi
    Wenn man überfallen wird, sucht man sicher nicht erst im Telefonbuch. Der Kollege hat über Funk nach Hilfe gerufen und die Zentrale hat mit Sicherheit die 110 angerufen. Wenn die Polizeizentrale dann nicht weiß, welche Wache am Nächsten ist, dann ist das Leben überhaupt nicht „so einfach“.

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