„Yeah, Ostbahnhof!“

Das war das letzte was ich dachte – denn vom Berghain aus ist das nur ungefähr so eine gute Tour wie zum Berghain von selbigem aus. Aber das ist simpelste Mathematik und selbst zu der war mein Fahrgast nicht mehr wirklich fähig. Mit Ausnahmen, wie die Geschichte noch zeigen wird.

Er wollte also zum Ostbahnhof. Wie gesagt: Nicht gerade die Tour, die ich mir vom Berghain erhofft hatte – aber sowas passiert einem ja öfter mal. Also nur mal vorsichtig nachgehakt, ob er wisse, dass das nur ein paar Meter ums Eck ist.

„Yeah, Ostbahnhof!“

Wie dem auch sei. Ich sattelte die Pferde und während ich den jungen Kerl so ansah, war mir klar, dass der wirklich gar nix mehr gebacken kriegt. Wie der vom Bahnhof aus weiter wollte – echt keine Ahnung. Aber gute Miene zum bösen Spiel zu machen, lernt man ja schnell.

„Und, Party vorbei für heute?“

„Ostbahnhof!“

„Ja, schon klar. Ach so, wo denn genau? Haupteingang?“

„Yeah, Ostbahnhof!“

Ich hätte ihn wahrscheinlich fragen können, wo er geboren ist und er hätte mit „Ostbahnhof“ geantwortet. Ich hab’s aber nicht ausprobiert. Dort angekommen befürchtete ich erst, er würde versuchen, ohne zu bezahlen, davonzufallen – oder wie immer man diese Fortbewegungsart nennt. Aber er musste nur aussteigen, um an seine Taschen zu kommen. Dann nestelte er los und ich sah gleich, dass er mit einer Bankkarte oder so gleichzeitig einen gefalteten Schein in der Hand hielt, während er weiter suchte. Ich weiß nicht, wie das den Kollegen geht, aber ich bin immer erstmal erleichtert, wenn ICH weiß, wo das Geld ist. Das restliche Graben führte zu nichts, also hielt er mir schwankend den Schein hin und fragte:

„Hammsevleichwexeldings?“

Einhundert Euro.

Sorgen hat mir das gar nicht bereitet, aber dass er nicht mal nachgefragt hat, hab ich ihm auch nur durchgehen lassen, weil er es offensichtlich nicht mehr konnte. Ich hab ihm mitgeteilt, er hätte Glück. Dann hab ich hier und da das Wechselgeld ausgegraben und ihm erstmal die Scheine hingehalten:

„Hier, das sind schon mal 95.“

„Dasisalles?“

„Nee, genau genommen kriegste noch 60 Cent, aber ich muss ja auch erst mal an meine Münzen.“

„Fümmswansich?“

Sprach’s und wedelte mit einem breit gefächerten Bündel, das schon auf den ersten Blick zwei Zwannis und einen Fuffi enthielt.

„Junge, das sind 95. Fünf. Und. Neunzig.“

Hat er dann auch akzeptiert. Kurz hatte mein böses Ich die Überlegung, was ich ihm alles hätte in die Hand drücken können …

Die 60 Cent wollte er dann auch noch. Is ja klar. Hat sich damit gut eingereiht in diese Nacht, in der der Median meiner Trinkgelder bei 20 Cent lag …

13 Kommentare bis “„Yeah, Ostbahnhof!“”

  1. Dom sagt:

    Ich bin ja für ’ne Erweiterung des Taxitarifs. Jeder kriegt ’nen Barcode auf den Arm, den alle Taxifahrer scannen können. Der wird immer dann gescannt, wenn der Fahrgast a) ein absoluter Vollhonk oder b) nur unter erhöhtem Aufwand zu betreuen war. Vom Staat gibt’s dann ’ne S-Pauschale. Das S steht entweder für Schweinehund oder für Sonderfall.
    Wer schreibt die Petition?

  2. Birgit sagt:

    wenigstens hat er nicht herumgereihert… 🙂

  3. mfmfmf sagt:

    Hast du beim Medianberechnen die 0er-Trinkgelder mitbeachtete? *fg*

  4. elder taxidriver sagt:

    Das kommt daher, dass die Lautsprecher im Berghain so groß wie Litfaßsäulen sind.
    Danach bräuchte man ja eigentlich so eine Art Krankentransportschein.

  5. Aro sagt:

    Nach solchen Honks weiß man die „Normalen“ erst recht zu schätzen.

  6. Sash sagt:

    @Dom:
    Naja, ein bisschen radikal. 🙂
    Außerdem würden viele Kunden dann sicher zum Spaß ihren Arm hinhalten als Trinkgeld-Ersatz …

    @Birgit:
    Ja, immerhin etwas 🙂

    @mfmfmf:
    Klar, sonst käme ich ja kaum auf 20 Cent. Ich hab den Median hier auch nur ausgegraben, damit es so schlimm klingt 😉

    @elder taxidriver:
    Ich glaube, der hat nicht mal mehr davon was mitbekommen. Würde mich wundern, wenn der überhaupt drin war.

    @Aro:
    Jepp, ganz eindeutig! 😀

  7. […] 8 € und auf dem Silbertablett serviert noch dazu. Das lief doch gleich ganz anders als mit dem Typen zum Ostbahnhof ein bisschen […]

  8. Jule sagt:

    Hahahaha – „Ostbahnhof“, na ja scheinbar funktioniert die Kommunikation dann doch… 😉
    Ich war noch nie im Berghain und versteh den Hype darum nicht,
    ich habe zum Beispiel das http://www.werocktheparty.de/berghain-haerteste-tuer-deutschlands/ gelesen.
    Ich kann mir vorstellen, wenn Leute 48 Stunden gefeiert haben, dass ihnen ein bisschen die Sprache fehlt… 😀

  9. Sash sagt:

    @Jule:
    Ich verstehe den Hype auch nicht. Letzten Endes ist es ein Club. Punkt. Die Gestalten sind allerdings trotzdem immer wieder lustig 🙂

  10. elder taxidriver sagt:

    Wenn man sich das Berghain bei Google-Bilder mal anschaut, gewinnt man einen Eindruck von der Spannbreite des niedlichen Wörtchens ‚Club‘..

  11. Sash sagt:

    @elder taxidriver:
    Ja, ist schon eindrucksvoll. Aber mehr als in anderen Clubs passiert da im Prinzip auch nicht. Und ja – ich kenne die Geschichten von zwischenmenschlicher Annäherung …

  12. Jule sagt:

    Sash, ich glaube dir! Die Gestalten sind wahrscheinlich wirklich sehr amusing.

  13. Sash sagt:

    @Jule:
    Unbedingt! Ich schreibe sowas ja auch nicht ohne Grund 😉

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