Nachdem ich mich gestern mal ein bisschen über die Zustände bei uns im Taxigewerbe ausgelassen habe, kann ich heute gleich damit aufwarten, wie man trotzdem nicht vom doch meist recht lustigen Pfad des Lebens abkommt. Aber bevor ich das mache, möchte ich mal den Lesern danken, die diesen Monat über meinen Amazon-Link eingekauft haben! Da kamen dieses Mal recht schnell ein paar Euro zusammen, danke!
Aber gut, weg von mir, hin zu meiner Fahrgästin. Als ich sie aufgegabelt habe, war noch fast April, dem Wetter nach sogar fast Februar. Ein kaltes und matschiges Regenwetter hatte Berlin in seinem Griff und sie hat mich an der Frankfurter Allee rangewunken. Durchnässt bis auf die (in diesem Falle ausnahmsweise ein unbestätigtes Gerücht) Unterwäsche stand sie da und wirkte, als würde sie die letzte verbleibende Kraft aufwenden, um den Arm ein paar Zentimeter zu heben. Ihre langen braunen Haare klebten an Kopf und Klamotten und an diesem Tag habe ich eindeutig bereut, dass ich dem Hitchhiker nicht brav folge und immer ein Handtuch dabei habe.
(A prospos: Übermorgen, 25. Mai, ist wieder Towel-Day! Wenigstens da will ich alle mit Handtuch sehen. Ich nehme meines wie immer mit!)
Wie ein begossener Pudel, gleichsam mit Rehaugen (kommt daher das Wort Püree?) sah sie mich an und fragte ernsthaft, ob sie einsteigen dürfe.
„Ja selbstverständlich, warum auch nicht?“
„Ich bin doch so …“
„Und ich hab nicht ohne Grund Ledersitze! Jetzt kommen Sie rein! Ich dreh die Heizung ein bisschen hoch, ok?“
„Würden Sie mich auch bis nach Steglitz bringen?“
Äh, nee! Das nun sicher nicht. Ich bringe meine Fahrgäste natürlich nie an ihr Ziel, wo kämen wir da hin? Noch dazu ein Ziel im Pflichtfahrgebiet. Völlig absurd!
Da brauchte jemand aber dringend mal ein bisschen Ego-Politur!
Übers miese Wetter scherzend sind wir recht schnell ins Gespräch gekommen und der Heizung wegen auch schnell miteinander warm geworden. Sag ich jetzt zumindest mal so, hört sich nämlich irgendwie logisch an.
Und so wie die Situation gleich von Beginn an aussah, war sie auch. Natürlich stand die engagierte, erfolgreiche und attraktive junge Frau nicht einfach so zum Spaß im Regen und hatte keine Ahnung davon, dass direkt ums Eck auch ein Taxistand gewesen wäre: sie hatte das natürlich nicht geplant. Während sie ihr Büro hütete und dort ihrer Arbeit nachging, hat ein bislang unbekannter Fahrer eines LKW’s ihr Auto einmal längs der Fahrerseite aufgeschrammt und beinahe der Fahruntauglichkeit zugeführt. Und zudem Fahrerflucht begangen. Deswegen stand sie nach einem langen Arbeitstag auf der Straße, durfte sich erst eine Weile mit den Cops auseinandersetzen, Formulare ausfüllen und anschließend ihre Kiste noch zur Werkstatt stottern lassen.
„Dass einem das den Tag vermiesen kann, glaube ich gerne!“
„Ach, wenn es das schon gewesen wäre …“
„Wieso? Noch mehr Ärger?“
„Ich hatte eigentlich den einzig freien Abend diese Woche, um mal mit meinem Umzug voranzukommen …“
„Hm, der ist jetzt natürlich eher vorbei.“
„Ja, und ein Auto dafür hab ich auch nicht …“
„Na das ist ja wirklich eine blöde Situation. Eilt es mit dem Umzug?“
„Wie man es nimmt. Mein Mann hat mich rausgeworfen …“
Nennt mich ein Weichei, aber ich war ja kurz davor, ihr anzubieten, mit dem Taxi beim Umzug zu helfen. So viel Pech kann doch ein Mensch in so kurzer Zeit gar nicht haben, oder?
Das Schöne aber war, dass sie tatsächlich – wie man immer so schnulzig sagt – das Lachen nicht verlernt hat. Sie hat statt Herumdrückens auf der zweifelsohne prall gefüllten Tränendrüse ihren Optimismus durchscheinen lassen und die Sorgen beiseite gewischt mit ihrer Hoffnung auf einen Neuanfang und der Bemerkung, dass wohl jeder mal irgendwann so ein paar beschissene Momente in seinem Leben hat. Davon hätte sich nicht nur diese Kundin damals eine Scheibe abschneiden können, auch ich selbst konnte nur eine gewisse Bewunderung empfinden, da ich ja auch zu den Leuten gehöre, die bereits rumnölen, wenn ich beim Fernsehen wider Erwarten den Kanal wechseln muss.
Am Ende, nach kurzzeitiger Verwirrung, in welche Richtung der Zielstraße nun ihre neue Wohnung lag, ist sie angekommen und ich habe mir, wie ich es manchmal tue, eingeredet, ihr irgendwie tatsächlich geholfen zu haben an diesem wahrscheinlich blödesten Abend seit Ewigkeiten. Für mich war es zudem lukrativ und Touren wie diese werden immer der Grund sein, weswegen ich meinen Job liebe.
