Arm. Doof. Wayne?

Ach, was bin ich doch froh, dass ich einen guten Job hab. Alles soweit geregelt, ich krieg Geld und …

Moooment!

Ich muss gelegentlich von den rosa Wölkchen runtersteigen und die Regenbogen pupsenden Einhörner alleine lassen, um mal hier unten auf der Erde ein paar drastische Worte zu verlieren. Es geht ums Taxigewerbe und damit zu nicht unerheblichen Teilen um mein Leben. Wichtiger noch: Es geht um das Leben von mindestens 10.000 Menschen (eher: 10.000 Familien) alleine hier in Berlin.

Wir machen überwiegend einen guten Job und das könnt ihr mir glauben, auch wenn ich hier und da mal ein Negativbeispiel nenne oder irgendwelche Vereine mal wieder ihre schlimmsten Taxi-Erlebnisse als wissenschaftliche Tests verkaufen. Allein mein einzelner Opel hat in absehbarer Zukunft die Distanz von der Erde zum Mond zurückgelegt (ich denke, ich werde berichten, wenn wir landen) und das schreibe ich nur, um klarzumachen, dass wir auch nicht nur ein paar eigenbrödtlerische Hansel mit Lust auf nette Stories sind, sondern eine Menge arbeiten und dass da eine Menge Leben dranhängen.

Trotzdem wird man das Gefühl nicht los, dass das Taxigewerbe irgendwie kein Schwein interessiert. Sicher, wenn es mal Zoff gibt, wie jetzt um die Tarife am irgendwann in diesem Jahrtausend vermutlich mal fertiggestellten Flughafen BER, dann dürfen wir auch mal in der Zeitung meckern. Ansonsten müssen wir uns damit begnügen, dass wir den Job einfach zu gerne machen, um ihn zu schmeißen.

Dass unser Senat in Sachen Verkehr mit dem Flughafen und der S-Bahn beispielsweise ein paar echt dicke Dinger in Punkto Verkehr zu stemmen hat und wir da mal hintenanstehen, will ich nicht mal pauschal verurteilen. Aber man erhält wirklich den Eindruck, seitens der Politik passiert nichts, um die Probleme im Gewerbe zu beseitigen. Dazu kommt, dass wir uns auch noch den Luxus leisten, statt einer Interessenvertretung gleich mehrere miteinander mehr oder minder verfeindete zu unterhalten, von denen im Übrigen keine einzige sich explizit für die Angestellten einsetzt.

Während überall über Mindestlöhne diskutiert wird, liegen wir nicht nur weit unter all diesen Forderungen, sondern wissen nicht einmal, ob unserer derzeitige umsatzabhängige Bezahlung überhaupt legal ist – und wenn, wie man das mit einem Mindestlohn kombinieren könnte. Ich persönlich mag unser Modell und würde es ungerne aufgeben, weil es mir einige Freiheiten sichert, aber ich bin ja nicht der Nabel der Welt. Und glaubt mir: auch wenn ich nervlich nur sehr selten an meine Grenzen komme, finanziell tue ich das ständig, immer wieder. Sollte ich unerwartet Nachwuchs bekommen, wüsste ich nicht, ob ich mir das Schreiben weiterhin leisten könnte, wenn es wie jetzt kaum Geld abwirft – dann müsste ich nämlich mehr als normale Vollzeit arbeiten. Ironischerweise zu schlechteren Bedingungen, da ich derzeit ja zu den lukrativen Zeiten arbeite und sich mit jedem Tag mehr mein Stundenlohn senken würde …

Wir selbst – jetzt als Gewerbe an sich, wenn man das bei dem fragmentierten Haufen so sagen kann – schreiben unsere Probleme vor allem der vielen Schwarzarbeit und auch den zu vielen Taxen an sich zu. Damit schafft man es zwar immerhin manchmal in die Nachrichten und erntet hier und da ein Bedauern, dennoch bin ich als Taxifahrer hier jeden Tag in Versuchung, meine Kunden oder den Staat um ein paar Euro zu bescheissen, weil es eh keiner merken würde. An Polizeikontrollen werden wir durchgewunken, der P-Schein wird nicht kontrolliert und Fahrten ohne Uhr zu machen ist scheinbar kein Betrug, sondern ein lustiger Zeitvertreib, den sich ja jeder irgendwann mal gönnt.

Allein: Irgendwelche Konsequenzen? Fehlanzeige! Kontrolleure fürs Gewerbe sollen angeblich zu teuer sein, obwohl auf der anderen Seite enorme Steuermehreinnahmen und Strafzahlungen zu erwarten wären. Die Konzessionen werden weiterhin nicht nur unbegrenzt vergeben, sondern die Regelungen werden wie jetzt beim Flughafen sogar noch weiter aufgeweicht. Unser für Kunden einfach zu durchschauender Tarif wird wohl ebenso wegen BER einem Modell geopfert, dass weiterem Betrug Tür und Tor öffnet. Und die einzige regelmäßig bediente Stellschraube Taxitarif wird nicht nur einfach immer weiter erhöht, sondern inzwischen auch noch völlig an uns Betroffenen vorbei mit irgendwelchen kommerziellen Parkplatzbetreibern ausgehandelt, die für meinen Geschmack eigentlich beim öffentlichen Nahverkehr nicht wirklich ein Mitspracherecht haben sollten.

Ich bin kein Mensch, der überall nur das Schlimme sieht. Wie man hier bei GNIT gut lesen kann, mag ich den Job und ich mag auch gewisse schrullige Eigenheiten. Aber ich merke selbst, dass die Umsätze einen (bislang leichten) Trend nach unten haben und ich weiß von vielen – gerade den ehrlich arbeitenden – Kollegen, dass für sie ganz arg auf der Kippe steht, ob sie von diesem Job (alleine) weiter leben können. Wenn hier nicht in den nächsten Jahren mal irgendwer akzeptiert, dass wir zum einen ein Haufen Leute sind, die von ihrer Arbeit leben müssen und wir andererseits auch ein Aushängeschild der Stadt und des Landes sind und somit alle ein Interesse haben sollten, dass die Qualität der Dienstleistung Taxi nicht weiter sinkt, und daraus Schlüsse zieht, die in Handlungen münden, dann wird das noch ziemlich beschissen enden – das kann ich euch sagen.

Und nein: Das blöde Fiskaltaxameter, dessen Einführung wahrscheinlich zum zehnjährigen Jubiläum vom BER-Flughafen ansteht, löst kein einzelnes Problem umfassend, sondern ist allenfalls der erste Schritt.

11 Kommentare bis “Arm. Doof. Wayne?”

  1. Guck mal in Dein Handy (SMS) hab ´ne Tour für Dich.

  2. elder taxidriver sagt:

    Und im Alter winkt die Grundsicherung mit einer letzten Tour..

  3. Bernd K. sagt:

    Auweia, da hat sich offenar ein ziemlicher Frust angestaut. Absolut verständlich!

    Aber der restliche ÖPNV interessiert in der Politik doch auch niemanden wirklich, so lange alles irgendwie läuft. Die Fahrgastverbände wissen ein Liedchen davon zu singen.

    Das mit den fehlenden Kontrollen könnte man doch als ausgleichende Gerechtigkeit sehen. Die Konzerne erhalten die (Steuer-)gesetze oft nach Wunsch, haben zumindest die geschicktesten Berater, warum soll da der kleine Unternehmer durch zu wenig (Steuer-)prüfer nicht auch die Möglichkeit haben, seine Belastung etwas zu reduzieren…

    Aber durch deine relative „Berühmtheit“ hast du vielleicht die Möglichkeit, eine Verbesserung anzustoßen.

    P.S. Ich ewarte eine Vergleichsrechnung nach der „Mondlandung“, wer billiger ist, Sash bei Nacht oder die NASA 🙂

  4. Julius sagt:

    Ich hätte diesbezüglich mal eine kurze Frage, vielleicht kannst du sie ja hier beantworten:

    Wie sieht die Sache rechtlich aus bei folgendem Fall: Ich steige in ein Taxi, fahre 5 Minuten mit, bemerke jedoch erst dann, dass das Taxamater nicht läuft. Ich weise den Taxifahrer darauf hin, worauf dieser entgegnet, dass er den Preis gut einschätzen kann und er die Preisanzeige daher nicht braucht.

    Genau die Story ist meinem Kumpel neulich passiert, der war drauf und dran, sich zu weigern, zu bezahlen, bzw. die Polizei zu rufen – hat es dann aufgrund seiner Unsicherheit jedoch nicht getan.

    P.S.: Dein Blog ist echt interessant, verfolge ihn seit geraumer Zeit regelmäßig. Dachte am Anfang etwas ironisch „Was zur Hölle soll an einem Blog über das Taxifahren spannend sein“, doch du hast mich eines besseren belehrt – weiter so! 😉

  5. Sash sagt:

    @elder taxidriver:
    O ja, das ist dann ohnehin der famose letzte Akt …

    @Bernd K.:
    Was heißt angestaut: Das ist seit ich fahre halt die Schattenseite des Ganzen und gelegentlich sollte man das mal erwähnen. Dass wir nicht die einzigen sind, bei denen gespart wird, ist klar. Witzigerweise existiert da aber eben so eine miese Doppelmoral. Seit Jahren wehrt man sich offenbar dagegen, 6 Stellen für Kontrolleure zu schaffen und hintenrum gibt man an die Presse raus, dass die bösen bösen Taxifahrer den Staat jährlich um 50 Millionen Euro bescheissen würden. Abgesehen davon, dass ich die Zahl für nicht glaubwürdig halte, passt das nicht zusammen (es sei denn, die Kontrolleure hätten ein Jahresgehalt, das jenseits von gut und böse liegt).
    Was den Vergleich mit der Nasa angeht: Die bessere Wirtschaftlichkeit werde ich wohl nachweisen können. Der wissenschaftliche Nutzwert des Zeugs, das ich auf meiner Reise einsammle, dürfte aber dem der NASA-Missionen unterlegen sein 😉

    @Julius:
    Das war mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einfach ein Betrug an seinem Chef und am Staat. Sprich: eine Schwarzfahrt. Insofern hätte dein Kumpel alles Recht gehabt, nicht zu bezahlen und ich würde gerne wissen, ob der Fahrer in so einem Fall selbst mit der Polizei droht oder nicht 😉
    Wie oft schon erwähnt: Das Taxameter muss (zumindest im Pflichtfahrgebiet) zwingend laufen. Und es dient auch nicht der Einschätzung des Preises für den Fahrer, sondern ist zum einen der amtliche Tarif, der auch nicht um 20 Cent über- oder unterschritten werden darf. Außerdem ist es für den Chef der Nachweis über den eingefahrenen Umsatz und damit den Verdienst des Fahrers. In Zukunft, mit dem so genannten Fiskaltaxameter, wird es sogar direkt der steuerrelevante Umsatz sein, der da angezeigt wird (was es theoretisch auch jetzt schon sein sollte).
    Ist also keine Diskussionsgrundlage, keine Ermessenssache und noch nicht mal ein Kavaliersdelikt, sondern eine Straftat. Mal ganz davon abgesehen, dass der nun genannte Preis natürlich auch überteuert gewesen sein könnte …
    Und danke für das Lob zum Blog 😀

  6. Sphen sagt:

    Naja das die Uhr, also das Taxameter, vergessen wird passiert ab und an schon mal, bei uns ist es dann so, das die Betriebseigene Zentrale den Betrag ausrechnet, und in eine Liste einträgt, grundsätzlich werden in dieser Liste bei uns alle Fahrten ohne Uhr eingetragen, so das der Chef zumindest eine Kontrolle darüber hat.

  7. Sash sagt:

    @Sphen:
    Gut, aber die Uhr auslassen, weil man den Betrag „ganz gut einschätzen kann“?

  8. Bernd K. sagt:

    Zur Doppelmoral: Zumindest in Bayern fehlen seit Jahren Betriebsprüfer beim Finanzamt, die abzüglich ihrer eigenen Kosten einige Mio. € in die Staatskasse fließen lassen würden, wie auch der Rechnungshof mehrfach feststellte.
    http://www.orh.bayern.de/berichte/jahresberichte/aktuell/jahresbericht-2012/steuern/718-tnr-12-personalmangel-in-der-steuerverwaltung.html
    Aber das ist politisch nicht gewünscht, um die eigene Klientel zu schonen. Auf die Hartz4-Bezieher oder Taxifahrer oder sonstige Einzelgruppen läßt es sich leichter mit dem Finger deuten – Spruch zur Metapher: 3 Finger zeigen auf den Deutenden zurück…

    Der wissenschaftliche Nutzwert des Taxigewerbes für Soziologie, Psychologie, Literatur (Taxiblogs!!!) sollte nicht unterschätzt werden 😉

  9. Sash sagt:

    @Bernd K.:
    Ja, vielleicht isses hier auch so. Mir ist es irgendwie nicht begreiflich …

    @Unterdosis:
    Äh, danke!? 😀

  10. Unterdosis sagt:

    Gern geschehen! Und guck‘ nicht so überrascht, drucks Dir einfach aus und häng es an den Rückspiegel, kannste anglotzen wenn Du mal wieder Sehnsucht nach heiler Welt hast. 😉
    (Disclaimer: hab das Bild selber nur gefunden.)

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