oder Welcome Goodbye
Wenn man sich so umhört in Berlin, dann gibt es nicht schlimmeres und tolleres als Touristen. Während auf der einen Seite die Stadt zugepflastert wird mit Anti-Touristen-Aufklebern und es Veranstaltungen wie „Hilfe, die Touris kommen!“ gibt, wird auf der anderen Seite, insbesondere von Wowi himself und allerlei anderen Nutzniesern, beschworen, man bräuchte den Tourismus, anders käme kein Geld in die Kassen.
Von Klaus habe ich den Hinweis auf ein sehr interessantes Film-Projekt bekommen, von dem ich gleich mal gnadenlos den Titel für diesen Eintrag geklaut habe: Welcome Goodbye. Mir gefällt die Idee des Films gut und wenn man sich den Trailer anschaut, bekommt man schon einen ganz guten Eindruck davon, wie interessant und vielseitig das Thema ist. Ich hoffe darauf, dass einige Leser eventuell über eine Unterstützung des Ganzen nachdenken.
Aber bleiben wir beim Thema selbst: Die Touristen in Berlin.
Ich persönlich habe nichts gegen Touristen. Und auch wenn man sich aus solchen Abhängigkeitsverhältnissen nie ganz befreien kann, möchte ich doch sagen, dass es nicht daran liegt, dass ich an ihnen mitverdiene.
Natürlich gibt es Klischee- und Horrortouristen, die die Bewohner der Stadt wie im Zoo begaffen und sich benehmen wie eine Horde Raubritter. Aber wenn man Personengruppen nach solchen Randerscheinungen bewerten müsste, dann würden gerade wir Deutschen auch nicht gerade ein sonderlich gutes Bild abgeben. Dort wo wir die Touristen sind, gibt es sowas nämlich auch zuhauf.
Nun geht die Kritik an den Touristen aber in Berlin über das Nörgeln gegen Fotoapparate vor dicken Hawaihemd-Bäuchen hinaus. Die Touristen würden die einzigartige Kultur Berlins zerstören, Berlin sei einfach nicht mehr dasselbe, seit die jetzt auch noch nach Kreuzberg wollen… ganz besonders schlimm sind außerdem die, die hier nur feiern gehen würden.
Da muss ich mich jetzt doch mal fragen, was in Berlin je so geblieben ist, wie es war. Welches Berlin hätten wir den gerne wieder. Das kleine Berlin von vor 1920, das ohne Eingemeindungen einer Hauptstadt kaum würdig war? Oder hätten wir lieber das niedergebombte Berlin von 1945, wo so viel Luft und Freiraum war, wie sonst nur selten?
Vielleicht wollen wir ja aber auch eine geteilte Stadt. Oder das Berlin kurz nach dem Mauerfall, wo noch nicht viel war mit Party- und Kunsthauptstadt?
Es ist das gleiche blöde Geschwätz wie mit den Zugezogenen. Wohnt einer wie ich seit 5 Jahren in Berlin, ist er einer von den komischen Neuen, über die sich diejenigen mockieren, die 10 Jahre früher hergekommen sind. Große intellektuelle Leistung!
Es ist nunmal nicht möglich, eine Weltmetropole zu sein und sie vor der Welt zu verschließen. Wie armselig wäre das auch? Wenn wir in Berlin angeblich die besten Clubs der Welt haben, dann nur, weil das die Leute sagen können, die die Welt gesehen haben. Berlin ist eine unglaublich vielfältige Stadt mit einer atemberaubenden Geschichte und in vielerlei Hinsicht einfach interessant für Menschen aus anderen Orten, anderen Ländern. Und stolz darauf sind die meisten. Egal ob man jetzt ein weltbekanntes Museum leitet oder die geilste Kommune in einem besetzten Haus unterhält – genau das macht die Stadt aus.
Wie soll man sich die Alternative vorstellen: In der geilsten Stadt der Welt leben und täglich doch nur seine Nachbarn treffen? Ganz ehrlich: Das haben wir zigtausendfach in Deutschland. Diese Dinger heißen Dörfer. Da ist dann alles so, wie man es unter Gleichgesinnten ausgemacht hat, alle sind zufrieden und keiner kriegt es je mit. Und ich rate jetzt mal, was die meisten, denen so viel an Berlin liegt, nicht wollen…
Und ja: Natürlich bringt das Geld. Tourismus ist ein Gewerbe wie jedes andere auch. Einen guten Teil seiner Urlaubserlebnisse erkauft man sich, allerdings sehe ich da keinen generellen Unterschied zum Rest des Lebens. Insofern kann man doch wirklich froh sein, dass die Stadt so beliebt ist und die Leute hier ihr Geld liegen lassen. Und wenn sie sich dafür albernes Zeug kaufen, haben halt die Albernes-Zeug-Verkäufer Glück.
Natürlich finde ich auch den ein oder anderen Hotelbau blöd. Aber ich find auch die ganzen Casinos scheiße und meinetwegen bräuchten wir auch keine Brautmodengeschäfte und Eiskunstlauf-Einzelhändler. Das alleine ist als Kriterium also auch nicht so dolle.
Sicher, hier und da muss man vielleicht mal mit Hostelbetreibern über die besoffenen Jugendlichen vor der Tür reden. Und natürlich ist nicht jedes Hotel toll und sinnvoll und nicht jeder Tourist total lieb. Aber ohne würde der Stadt einiges verlorengehen – und das ganz gewiss nicht nur finanziell.
Ich hab in jeder Schicht mindestens einmal Touristen im Auto. Das sind so viele, dass ich bald der Australier wegen einen eigenen Akzent im Englischen entwickle. Da sind haarsträubende Gestalten dabeigewesen und andere sehr nette. Menschen vom anderen Ende des Planeten, die ein schönes Bild von Berlin und von Deutschland mit in die Heimat nehmen. Menschen, die hier einen Gefallen an der Kultur oder ein Interesse an der Geschichte entdecken.
Das sind die Leute, die uns – wenn wir bei ihnen im Urlaub sind – nicht für blöde Deutsche halten, sondern uns erzählen, wie nett es bei uns war. Davon kann es meines Erachtens nach nicht genug geben.
Und wo, wenn nicht in Berlin, ist auch für die ganzen Spinner Platz? 😉
