Wenn wir Taxifahrer unsere Tarife verteidigen, dann fällt meist irgendwann auch mal der Begriff „Service“. Ein großer Unterschied zu anderen öffentlichen Verkehrsmitteln ist der Service, den wir bieten. Im Gegensatz zum Tarif sind die Regeln beim Service allerdings nicht so genau festgelegt. Natürlich gibt es auch Fahrer, die unter Service verstehen, zum Abschied nicht die Hand zu reichen, mit der sie sich am Hintern kratzen. Mit einem bisschen optimistischen Restglauben vermute ich dieses Verhalten aber nur bei einem kleineren Teil der Kutscherschaft.
Ich hatte neulich eine ziemlich klassische Tour, bei der ich am Ende wirklich zufrieden war, einfach, weil ich einem ziemlich verzweifelten Menschen weiterhelfen konnte. Der Mensch war ein hochgewachsener Pariser, der Hautfarbe nach afrikanischer Abstammung. Deutsch hat er nicht gesprochen, glücklicherweise jedoch ein ziemlich gutes Englisch. So waren wir schonmal nicht auf mein Französisch angewiesen, was das längere Gespräch zwischen uns deutlich vereinfacht hat 🙂
Neben seinen 2 monströsen Koffern führte er noch einen Schmierzettel bei sich, auf dem kreuz und quer jede Menge scheinbar ungeordnete Zahlen und Buchstaben standen. Er drehte das Blatt im DINA4-Format mehrmals in unterschiedliche Richtungen, bis er mir zu guter Letzt das Blatt unter die Nase hielt, den Daumen unter einer Buchstabenfolge: Finowstr. 10.*
„Great. No Problem. But: Which one?“
„Here!!!“
stieß er hervor und hielt mir das Blatt nochmal vor die Nase. Es verging eine Weile, bis er mir geglaubt hat, dass es diese Straße tatsächlich zweimal gibt und diese beiden auch tatsächlich in völlig unterschiedlicher Richtung vom Ostbahnhof aus liegen. Dann fragte er mich, ob ich ein Telefon hätte. Nun durfte ich erfahren, dass ein paar der kryptischen Nummern Telefonnummern waren. Bereits bei der dritten hob jemand ab.
Das Problem war gleich geklärt und zur Sicherheit nannte mir der nette Kerl am anderen Ende auch nicht nur den Namen, bei dem wir klingeln sollten, sondern ermahnte mich nochmal:
„Die in Neukölln! Nicht verwechseln!“
Was für ein Scherzkeks! Warum habe ich wohl als Taxifahrer bei ihm angerufen?
Die Fahrt selbst stellte mich nun vor keine große Herausforderung mehr, mein Fahrgast war auch ein eher schweigsamer Genosse. Dass er das erste Mal in Berlin war, war lange klar. An der Adresse angekommen habe ich ihm den Koffer vor die Haustüre gewuchtet und auf sein fragendes Gesicht hin auch noch den passenden Klingelknopf gedrückt.
Finanziell war die Fahrt nicht so der Bringer. Ich hab einen glatten Zehner kassiert und das war auch der Betrag, der auf dem Taxameter stand. Irgendwie war ich aber einfach froh, dass er nicht bei einem weniger geduldigen Kollegen gelandet war…
Und mal ganz ehrlich: Ein Zehner für Zielfindung, telefonische Abklärung, 4 Kilometer Fahrt und Hilfe beim Klingeln und Koffertragen ist doch echt nicht schlimm, oder?
*Hausnummer geändert…
Mann muss in jedem Job seine Motivation auch außerhalb des Geldes dafür finden, ansonsten geht man selisch vor die Hunde. Insofern war das ein mustergültiger Fall.
@Der Maskierte:
Aber es schadet nicht, hin und wieder mal daran zu erinnern 🙂
Wenn es auch kein Trinkgeld gegeben hat, so vielleicht doch wenigstens das Gefühl, alles richtig gemacht zu haben und den (eher unbeholfenen?) Fahrgast vor unangenehmen Wendungen zu bewahren. Manche sagen, das gibt ein gutes Karma. 🙂
@opatios:
An gutes Karma glaube ich erst, wenn ich überraschend reich werde, aber ansonsten gebe ich dir Recht 😀
Wenn ich nichts weiter wüsste, als das mein völlig planloser Gast einem dieser schlimmschlimmen Berliner Taxifahrer ausgesetzt ist, dann hätte ich zur Abwehr eventueller unschöner Gedanken das mit Neukölln auch noch etxra betont, um im Enttäuschungsfall später die Ausredemöglichkeiten einzuschränken.
Würde ich also nicht persönlich nehmen.
@sternburg:
Mache ich nicht, keine Sorge. Ich liebe es bloß, auf so absurde Kommunikation hinzuweisen.