Kurz und einfach

Auf der Straße für eine kurze Fahrt (meinetwegen auch eine Kurzstrecke) herangewunken zu werden, ist klasse. Das kann man gar nicht oft genug betonen. Alles ist besser und lukrativer, als sich am nächsten Stand die Räder platt zu stehen. Dass manche „Kollegen“ so ein Drama daraus machen, wenn Winker „in die falsche Richtung“ wollen, begreife ich einfach nicht.

Dennoch gerät man manches Mal ins Zweifeln, ob einen die Kundschaft nun irgendwie verschaukeln möchte. So kam es z.B., dass ich an der Straßenecke Modersohnstr. / Rudolfplatz Winker gefunden hab. Zwei Jungs, leicht verplant, ein bisschen schief dreinschauend, aber für Berliner Nachtschwärmer ausgesprochen fit.

„Einmal in die Korinnter Straße 22 bitte!“

wurde mir erklärt, nachdem die beiden ins Auto gekraxelt waren.

Aha. Humorvoll hätte ich mit „File not found“ antworten können, denn diese Straße gibt es nicht. Glaube ich zumindest zu wissen. Aber aufgrund der Ecke in der ich die beide aufgegabelt hatte, schien es sehr wahrscheinlich zu sein, dass sie zur Corinthstraße wollten. Das war so gesehen noch ein einfacher Fall. Just bezüglich dieser Straße – wahrscheinlich der ungewohnten Schreibweise wegen – hatte ich schon Anfragen von der „Zorintstraße“ bis hin zur „Korlinkstraße“. Wer den Einfallsreichtum bei Straßennamen in Berlin, und damit die vielen doppelten und ähnlichen Namen, auch nur erahnen kann, versteht vielleicht, warum ich das immer schnell korrigiere. Die könnten bei der nächsten Fahrt ja überall im Großraum Berlin-Brandenburg landen 😉

„Ihr meint sicher die Corinthstraße!“

„Äh? Ja? Kann sein.“

„Seid ihr euch bewusst, dass das nicht gerade weit ist?“

„Ja, tut uns auch…“

„Keine Sorge, ich bring euch da gerne hin – aber das ist nur hier einmal links ab, und…“

„Ja Mann, die haben uns ja hier abgesetzt! Aber jetzt finden wir es nicht!“

„Kein Problem. Die Hausnummer kenn ich jetzt nicht auswendig, also machen wir mal Kurzstrecke. Dann reicht das mit vier Euro.“

„Ja, passt! Bring uns einfach heim!“

Heim? So sehr zu Hause kann es nicht gewesen sein, denn der Weg ist wirklich nur… naja. Seht es euch an:


Größere Kartenansicht

Also bin ich nach links in die Corinthstraße eingebogen…

Bis die beiden gemerkt haben, wo sie sind, hat es eine wahrscheinlich neue Rekordzeit von etwa 8 Sekunden ab Einstieg gedauert. Viel Geld für ein paar Meter nur, selbst Trinkgeld gab es ja noch – aber eine wichtige Erkenntnis: Aus dem Taxi heraus sieht die Welt manchmal gleich ganz anders aus 🙂

Antwort vom TVB

In meinem letzten – bei bildblog verlinkten (wow!) – Eintrag habe ich neben dem ganzen Schmu im Artikel bei bild.de auch thematisiert, dass ich mich via Mail an den TVB gewandt habe, um bezüglich des etwas verunglückten Zitates von Boto Töpfer eine Stellungnahme zu bekommen. Die Mail war sehr direkt, und ich hab – gerade als bildblog-Leser – natürlich die Möglichkeit mit eingeschlossen, dass das Zitat falsch sein könnte. Meine Mail sah ungekürzt wie folgt aus:

Guten Abend,

sicher ist ihnen der unschöne Artikel bei bild.de über unsere Branche nicht entgangen.

http://www.bild.de/BILD/regional/berlin/aktuell/2011/01/28/grosser-berliner-taxi-test/branche-in-der-kritik.html

Als Berliner Taxifahrer und zugleich Blogger bin ich immer interessiert an derartigen Meldungen. Interessant an diesem Artikel fand ich die Worte, mit denen Herr Töpfer mit Verweis auf den TVB zitiert wurde:

„Dass keine Fahrt über Umwege gelaufen ist, ist verwunderlich. Denn gerade bei Kurzstrecken haben wir oft Beschwerden von Kunden.“

Dass es diese Beschwerden gibt, weiß ich aus meinem Arbeitsalltag nur zu genau, von einem Branchenverbandssprecher aber ausgerechnet Verwunderung über Ehrlichkeit zu hören, irritiert.
Nun ist die Bild nicht gerade für seriöse Berichterstattung bekannt und ich wollte deswegen anfragen, ob

a) dieses Zitat richtig ist und

b) dieses Zitat so für sich stehen sollte, oder aus einem größeren Zusammenhang gerissen wurde.

Für den Fall, dass dieses Zitat richtig ist, würde ich mich über eine Erklärung freuen, weswegen man einer bekannt reisserisch berichtenden Zeitung so einen negativen Satz vorlegen musste.

Ich wäre erfreut, ihre Antwort in meinem Blog rund ums Taxifahren

http://www.gestern-nacht-im-taxi.de

zitieren zu können.

Vielen Dank im Voraus,

Sascha Bors

Erfreulicherweise erreichte mich heute Nacht noch eine Antwort, und zwar von Herrn Töpfer persönlich. Sie ist sehr ausführlich, mitnichten eine Standardantwort, und am Besten ist es wohl, sie auch hier zu zeigen. Ich wollte sie zunächst ausschnittsweise zitieren, da sie sehr lang ist und z.B. auf das Thema Schwarzarbeit weiter eingeht als es im Zusammenhang mit dem Zitat notwendig wäre. Ich habe aber nun beschlossen, die Mail zunächst unkommentiert stehen zu lassen, damit sich jeder selbst ein Bild davon machen kann, gerne auch öffentlich unter Einbeziehung der Kommentarfunktion. Ich werde Herr Töpfer noch einmal persönlich kontaktieren.

Bitte sehr:

Sehr geehrter Kollege Bors,

vielen Dank für Ihre Mail vom 1.2.2011 an den TVB.

„Dass keine Fahrt über Umwege gelaufen ist, ist verwunderlich. Denn gerade bei Kurzstrecken haben wir oft Beschwerden von Kunden.“ In dieser Äußerung werde ich richtig zitiert.

Das Interview fand unangemeldet am Telefon statt und war von sehr kurzer Dauer. Der Interviewer war verwundert, dass ich das für die Berliner Taxifahrer gute Testergebnis nicht mit Begeisterung quittierte. Daraufhin machte ich die zitierte Äußerung.

Meine Verwunderung richtete sich zunächst auf den Aspekt, ob das Testergebnis vom Interviewer selbst richtig verstanden worden war. Denn ich kannte den Test selbst nicht und musste mich also auf die Interpretation des Interviewers verlassen. Dieser versicherte mir, dass kein Fahrer Umwege gefahren sei. Wie ich später im Testbericht las, ist der „unerfahrene Fahrer“ aber für 29 € von der Sonntagstr. zum SXF gefahren, Kollege Cengiz T. für 31,20 €. Offensichtlich ist dem Interviewer also nicht klar geworden, dass Cengiz einen Umweg von 1,7 km gefahren ist – nicht ganz unerheblich zu Lasten des Kunden. Und auch der „freundliche Fahrer“ ist 1,2 km Umwege gefahren – und das, obwohl der Beste in dieser Dreierrunde sich erstmal in einer Sackgasse verirrt hat und dabei gewiß auch unnötige Strecke verbraucht hat. Ich denke, meine Verwunderung ist hier also angebracht.

Der zweite Aspekt meiner Verwunderung richtete sich auf die Frage, ob das Testergebnis mit drei Fahrten auf sechs verschiedenen Strecken repräsentativ sein kann. Diese Frage richtete ich auch an den Interviewer, der meine Bedenken als unverständlich abtat. Sie haben in Ihrer Stellungnahme zum Taxi-Test sehr gut begründet, dass dieser Test natürlich nicht repräsentativ sein kann und daher wertlos sein muss! Auch hier scheint mir meine Verwunderung gerechtfertigt zu sein.

Ich bin also nicht über die Ehrlichkeit der Taxifahrer verwundert. Die allermeisten sind sicherlich bemüht, auf dem kürzesten Weg wie vorgeschrieben den Fahrgast zu befördern. Ich bin über das Zustandekommen und die Auswertung des Test verwundert, denn leider gibt es zuviele Kollegen, die nicht wie vom Interviewer behauptet den kürzesten Weg fahren – siehe Sonntagstraße – SXF. Das zeigt uns auch der Beschwerdeeingang im TVB, den wir sehr genau auswerten. Fahrten von TXL zum Ku-damm für 35 € sind da keine Seltenheit. Es sind diese Fahrten und diese Kollegen, die uns Taxifahrer in Misskredit bringen. Und beim nächsten Mal fahren wir dann nicht mehr, sondern der nette Neffe mit seinem neuen Auto, mitgesponsort durch die Tante, nimmt uns diese Tour dann weg!

Abschließend noch eine Bemerkung zur Schwarzarbeit, die natürlich bei solchen Tests überhaupt nicht erkannt werden kann. Das haben Sie völlig richtig geschrieben! Mit Schwarzarbeit verbinden die meisten Interviewer das Fahren ohne eingeschalteten Taxameter. Diese Form von Schwarzarbeit ist ja nur ein kleiner Teil des Problems, den die meisten Fahrer auch ablehnen und daher nicht praktizieren.

Das Problem Schwarzarbeit bedeutet ja für alle sauber abrechnenden Taxifahrer und Unternehmer eine unerträgliche Wettbewerbsverzerrung, da hier Steuern und Sozialabgaben von leider viel zu vielen Betrieben kleingerechnet werden. Es ist schon ein Unterschied, ob ein Unternehmer für ein zweischichtig gefahrenes Taxi 700 € jährlich an die Berufsgenossenschaft überweisen muss oder nur 175 €. Während der Ehrliche noch die 525 € einfahren muss, liegt der Verkürzer schon am Strand und genießt den Urlaub. Wohlgemerkt, der Verkürzer hatte die gleiche Lohnsumme wie der Ehrliche! Nur angegeben hat er sie nicht. Rechnet man diese Wettbewerbsverzerrung auf alle Sozialversicherungszweige um und bezieht auch noch alle Arten von Steuern ein, die zu zahlen sind, haben Sie, ich und alle sauber wirtschaftenden Kollegen einen Wettbewerbsnachteil von 5000 – 6000 € im Jahr. Bei mehreren Taxen in einem Betrieb muss man diese Beträge sogar noch multiplizieren.

Obwohl wir also als Taxifahrer alle den gleichen Job machen, spielen alle Beteiligten in zwei unterschiedlichen Ligen, was den Ertrag angeht. Eine unerträgliche Ungerechtigkeit. Diese Art des massiven Betrugs geht Gott sei Dank nicht zu Lasten des Fahrgastes und so wird der Fahrgast auch nicht wegbleiben. Deshalb sollten wir offen im Taxigewerbe über das Problem Wettbewerbsverzerrung reden. Wir im TVB tun dies.

Ich hoffe, ich konnte Ihrer Bitte um Erklärung zum Interview entsprechen. Sie können auch gerne meine Stellungnahme in Ihrem Blog zitieren. Ganz besonders würde ich mich freuen, wenn Sie mich im TVB ansprechen würden, falls Ihnen etwas stinkt. Kritische Kollegen wie Sie sind im TVB immer sehr willkommen!

Mit kollegialen Grüßen

Töpfer


Der große Berliner Taxi-Murks

In den letzten Tagen des kalten Januars 2011 trafen sich die zwei Journalisten Löbker und Schultz. Mir ist nicht bekannt, wie dieses Treffen zustande gekommen ist, das verheerende Ergebnis dieser Zusammenkunft lässt sich jedoch seit einigen Tagen im Netz nachlesen. Im Verlauf ihres Beisammenseins entdeckten sie einen unglaublichen Skandal. Und das nicht irgendwo. Im Taxigewerbe.

Im Taxigewerbe wird betrogen und abgezockt. Eine Wonne für Enthüllungs-Journalisten jeglicher Couleur!

Ausgerechnet der Branchenverband TVB, der Taxi-Verband Berlin, lässt unglaubliches verlauten:

„…dass jeder zweite Euro schwarz verdient wird, Fahrer Stütze vom Amt kassieren, heimlich arbeiten. Absichtliche Umwege nehmen, die Fahrgäste Geld kosten. Trinkgeld nicht versteuert wird.“

Und das in Berlin!

Aber sie beide würden das alles aufdecken, publik machen, die Leute endlich wachrütteln! Und so kam es, dass sie einen perfiden Plan ausheckten. Ein Test! Sie würden einen Test machen. Mit Taxifahrern! Das hatte es bestimmt noch nicht gegeben!

Zunächst trafen sie eine Entscheidung, die so brilliant wie auch einfach ist, dass man sich als Leser fragt, wieso man da nicht selber drauf gekommen ist: Sie würden Taxi fahren. Und zwar oft! Sie würden diese betrügerischen Taxifahrer mit Geld ködern und sie danach vorführen. Hervorragend!

Der Plan nahm irgendwann konkrete Formen an, es sollten 18 Fahrten werden. Nicht mehr und nicht weniger. Die beiden überlegten sich ein paar Fahrtziele und tüftelten an den Stolpersteinen herum. Kurze Strecken mussten unbedingt dabei sein, schließlich ist ja bekannt, dass Taxifahrer bei kurzen Strecken gerne mal schlecht gelaunt sind. Damit das auch wirklich eintrifft, wurden diese Fahrten ausschließlich von Bahnhöfen mit längeren Taxischlangen gefahren. Die Idee war so gut und so underground, dass sie wahrscheinlich in Gedanken Günter Wallraff rehabilitierten.

An dieser Stelle möchte ich mich gerne persönlich beim Axel-Springer-Verlag dafür bedanken, dass sie insgesamt 255,10 € in unser Gewerbe investiert haben.

Beim Rest der Fahrten wurden sie etwas ungeduldig, sie unterteilten sie willkürlich in Nacht- und Normalfahrten, auch wenn es von der Sache her keinen Unterschied machen würde. Eine Strecke musste wahrscheinlich aus Zeitgründen doppelt gefahren werden, aber durch ein bisschen Kreativität bei der Suche nach Straßennamen konnte man das auch unter den Tisch kehren. Insgesamt 285 Minuten verbrachten sie im Taxi. Als sie feststellten, dass das quasi 5 Stunden und damit schon mindestens die Hälfte einer ganzen Schicht für einen Taxifahrer wäre, wussten sie auch, dass das groß war. Ganz groß.

Und sie nannten ihr Werk

Der große Berliner TAXI-Test

Hut ab.

So stelle ich mir jedenfalls die Entstehungsgeschichte des „TAXI-Test“ vor. Und damit kommen wir zum eigentlichen Problem: Der angekündigte große Test ist eine Karikatur seiner selbst. Abgesehen davon, dass wie bei solchen Tests üblich nicht einmal ansatzweise repräsentative Daten erhoben worden sind, ist auch kaum belegt worden, was am Anfang des Textes befürchtet wurde.

Schlimmer noch: Das Machwerk strotzt nur so vor inhaltlichen Fehlern und lässt nicht einmal irgendwelche Kriterien erkennen, nach denen getestet wurde. Im Grunde haben hier zwei Bild-Reporter in meiner Meinung nach ziemlich kargen Sätzen ihre Taxierlebnisse niedergeschrieben.

Schauen wir uns doch mal eben die Fakten an. Eine Zahl, die bei allen Fahrten genannt wird, ist die Strecke. Da stellt man gleich bei der ersten von den 6 Routen fest, dass sie natürlich nicht 1,7 sondern 1,2 Kilometer lang ist. Das hätte im Übrigen ein simpler Abgleich mit dem Berliner Taxitarif ergeben, den man bei einem „TAXI-Test“ ja wohl erwarten kann. Die Krönung ist dann die letzte Strecke zum Flughafen, bei der im Gegenzug mal eben ein Drittel der Strecke irgendwo im Nichts verschwunden ist. Ein Haufen irritierter Taxifahrer überlegt sich inzwischen nämlich, wie man die 20km-Strecke auf 13,8 verkürzen kann.
Dann zeigt ein Foto Herrn Löbker beim Einstieg in ein Taxi am Potsdamer Platz. Wer errät, von welchem großen Berliner Platz keine der genannten Touren gefahren wurde?
Mehr im Argen liegt allerdings bei der 3. „Normalfahrt“ auf der ersten Strecke. Da stehen angeblich 15,50 € auf der Uhr. Das zeugt von einer enormen Unkenntnis des Berliner Tarifs, der ohne Zuschläge seit nunmehr anderthalb Jahren nicht zu einem ungeraden 10ct-Betrag führen kann, da das Taxameter in 20ct-Schritten zählt.

Die inhaltlichen Fehler sind aber nur die Spitze des Eisberges und lassen allenfalls erahnen, mit welcher Sorgfalt hier „getestet“ wurde. Wenn als einzige Kriterien Strecke und Zeit herhalten müssen, sollten wenigstens diese Daten plausibel sein.

Was nun aber das Hauptproblem gewesen sein muss: Auf alle relevanten Fragen lieferten die Fahrten keine Antwort. Auch die Vorwürfe wurden nur unzureichend bestätigt.
Zwei Fahrer haben das Taxameter nicht angeschaltet. Das ist ein schwerer Verstoß, bestätigt aber bei weitem nicht die vermuteten 50% schwarz erwirtschaftetes Geld.
Zwei Meckerer haben sie gefunden, gut.
Ob jemand komplett schwarz arbeitet, konnten sie natürlich nicht mal eben kurz herausfinden, und besonders absurd wird es dann bei den Umwegen:
Einen wirklich bedeutenden Umweg ist anscheinend keiner gefahren, also wird flugs Boto Töpfer vom Taxi-Verband Berlin zitiert, der sich (als vermeintlich einzige Branchenvertretung) auch noch darüber wundert, dass kein Fahrer eine zu lange Strecke gewählt hat. Ich habe am Abend des 1. Februar eine Mail an den TVB geschickt, in der ich die Frage stelle, ob das Zitat in dieser Form korrekt ist.
Zuletzt stellt sich noch die Frage nach dem Versteuern der Trinkgelder. Zum einen müssen zumindest die Angestellten Trinkgelder gar nicht versteuern, zum anderen fehlt im Verlauf des tollen „TAXI-Test“ jeglicher Hinweis darauf, ob die Journalisten überhaupt welches gegeben haben.

Wir haben also eine These vom miesen Taxigewerbe und eine mehr als dürftige Teilbestätigung. Und nun?
Schreiben die Bildlinge einfach mal ein paar Sätze zu den Fahrten. Oftmals wird dabei der Gesprächsinhalt wiedergegeben, wichtige Fakten lassen sich nur bei einzelnen Fahrten erahnen, niemals aber vernünftig vergleichen. Am Besten lässt sich das an der letzten und längsten Fahrt von der Sonntagstraße zum Flughafen Schönefeld verdeutlichen:

„1. Fahrt: Cengiz T. (42) plaudert viel. Er ist seit 18 Jahren in Deutschland, hat in der Türkei Betriebswirtschaft studiert. „Leider wurde der Abschluss hier nicht anerkannt. Mit dem Taxi-Job ernähre ich meine Frau und zwei Töchter.“ Hält das Lenkrad sicher mit beiden Händen. Dauer: 27 Min., Preis: 31,20 Euro.“

Er hat Familie, einen türkischen Abschluss und hält das Lenkrad sicher. Äh, ja.

„2. Fahrt: Der freundliche Fahrer (Foto links, seit 31 Jahren im Job, ohne Navi) nimmt den Koffer in Empfang, legt ihn in den Kofferraum. Dauer: 29 Min., Preis: 30,60 Euro.“

Preis und Fahrtzeit sind also fast identisch, der Fahrer ist freundlich. War Cengiz auch nett und hat beim Gepäck geholfen? Wer weiß? Und ist das fehlende Navi nun gut oder schlecht? Bei einer anderen Fahrt wurde das fehlen eines Navis nämlich bemängelt. Das Foto vom Fahrer existiert übrigens nicht bei bild.de.

„3. Fahrt: Der unerfahrene Fahrer (seit August 2010 im Job) lässt sein Navi aus, fährt zunächst in eine Sackgasse. Sucht dann den richtigen Weg in einem Stadtplan raus. Er telefoniert gleich zweimal über Lautsprecher mit seiner Freundin, die auch noch maulig ist. Immerhin hilft er beim Gepäck. Dauer: 41 Min., Preis: 29 Euro.“

So, hier ist wohl einiges schief gelaufen. Die Fahrt dauert wesentlich länger und – Moment mal! – ist die mit Abstand günstigste der drei. Trotz Verfahren ist der Weg fast 2 Kilometer kürzer als der von Cengiz. Aber wird daraus ein Fazit gezogen? Ist der bessere Preis vielleicht das Gemaule der Freundin wert? Keine Ahnung, denn das sind die letzten Sätze dieses großen Taxi-Tests, er endet mit den Worten „Preis: 29 Euro.“

Es bleiben also durchaus einige Fragen offen nach dem Lesen. Zum Beispiel würde ich gerne wissen, was aus Hijazi M. geworden ist. Der ist die Tour schwarz gefahren, hat die Verkehrsregeln missachtet und schien auch sonst nicht gerade serös zu sein. Wurde hier eine Anzeige erstattet, eine Beschwerde formuliert, oder war das nun alles nur Unterhaltung?

Ich möchte noch anmerken, dass bild.de meiner Meinung nach einmal mehr unterschwellig Stimmung gegen die nicht-deutschen Kollegen machen möchte. Wer die Namen der Fahrer durchliest, stößt auf 9 Namen, davon 7 türkische, einen arabischen und einen ivorischen. Die anderen 9 heißen „Fahrer“, „netter Fahrer“, „Uriger Berliner“ usw.

Das Ergebnis ist klar: Taxifahrer sind schlimm, das Gegenteil beweisen sie nicht wirklich und waren das nicht alles Ausländer?

Im Gegensatz zum großen „TAXI-Test“ möchte ich mit einem Fazit schließen:

Dieses pseudojournalistische Geschwurbel ist nutzloses Füllmaterial für die Seite bild.de, das bezüglich der leider tatsächlich vorhandenen Probleme im Taxigewerbe nichts erklärt, nichts testet und nichts ändern wird.

(Das ganze hab ich überhaupt nur via Klaus gefunden)

Genervt

Eigentlich bin ich ja wirklich ein ganz Netter. Vom ein oder anderen bösen Gedanken mal abgesehen versuche ich mich im Job meist vorbildlich zu verhalten. Klappt nicht immer, Fehler passieren. Soweit, so gut! Aber neulich war ich mal wirklich genervt.

Die Fahrgäste selbst waren eigentlich ganz in Ordnung, aber den letzten Nerv gekostet haben sie mich trotzdem. Und somit war mein Abschied nicht unbedingt erste Sahne, aber das ist jetzt auch vorbei.

Angehalten haben sie mich an der Ecke Grünberger/Wedekind. Ich hab mich auch standesgemäß gefreut, schließlich hab ich die Abkürzung Richtung Ostbahnhof nur genommen, weil vor mir auf der Warschauer ein ganzes Bataillon leerer Taxen unterwegs war. Die Gruppe war jedoch recht groß, und beim Überfliegen stellte ich fest, dass ich selbst mit ausgeklappten Sitzen nicht alle unterkriegen würde. 8 Leute etwa. Plus minus 2, sie sind ständig durcheinandergewuselt.

Es waren durchweg junge Männer, der Sprache nach Spanier. Zunächst hatten sie nur eine Frage: Wo das Berghain ist. Gut, das ist Luftlinie nur 200 Meter entfernt, der Fußweg ist etwas länger – aber dennoch schnell geklärt. Mein Gesprächspartner sprach problemlos englisch, und so war die Sache in zwei Minuten geklärt. Ob ich sie hinbringen könnte? Klar. Aber nicht alle.

Der erste ist schon eingestiegen, da kam der zweite an und fragte mich, wie man denn nun genau hinkommt. Ich hab ihm das auch erklärt, woraufhin er meinte, sie würden dann laufen. Dann kam der Dritte und hat gefragt, wie viel das kosten würde. Ich hatte gute Laune, einen guten Umsatz und hab gemeint, ich drücke eine Kurzstrecke rein, würden 4 € Festpreis sein.

Dann kam ein weiterer der Gruppe an – er konnte sogar perfekt deutsch – und fragte, wie man denn genau hinkommt. Dann fragte er nach dem Preis.

Nun kam der fünfte der Gruppe und wollte wissen, wie weit das Matrix weg wäre und ob man da auch hinlaufen könnte. Ich hab erklärt, wie weit das etwa weg wäre und eine grobe Richtung genannt. Dann sollte es zum Matrix gehen, zu Fuß. Der bisher in meinem Wagen sitzende Typ stieg aus, dafür stieg einer der anderen ein und fragte, was es zum Berghain kosten würde. Ich hab ihm die Frage beantwortet, und er meinte, sie sollten doch alle mit dem Taxi fahren.

Daraufhin setzten sich zwei weitere ins Auto und der Deutschsprachige kam zu mir und fragte, ob es gehen würde, dass ich sie nacheinander abhole, wenn es nicht so weit ist. Ich hab gesagt, dass das kein Problem wäre, es allerdings sein könnte, dass die Kurzstrecke nicht reicht, und es am Ende vielleicht einen Zehner kosten würde. Den Preis fand er gut, ja sogar „nicht der Rede wert“. Er wollte nur noch mit den anderen reden.

Von denen kam dann auch einer zum Wagen und forderte einen der Insassen auf, auszusteigen, weil er gerne mit der ersten Fuhre am Club sein wollte. Daraufhin stiegen zwei Leute aus, während einer von draussen zu mir kam und mich fragte, wie weit es denn etwa zu dem Club sei.

zu diesem Zeitpunkt stand ich dann seit etwa 10 Minuten blöd in der Friedrichshainer Prärie herum und wartete darauf, loszufahren.

Dann kam ein zweites Taxi.

Der Fahrer wurde vom Rest umringt und es sind ein paar Leute eingestiegen. Daraufhin ist der verbleibende Fahrgast bei mir wieder raus, um auch in das andere Auto zu kommen. Der, der sich stattdessen bei mir in den Wagen setzte, fragte mich, ob ich nicht doch zum Matrix fahren würde. Dann kam einer aus dem anderen Auto angesprintet, und wies den Kerl an, er solle doch besser mit den anderen fahren.

Der glückliche Kollege lud den Kerl ein und brauste davon.

Mein Sprachgenosse kam an und fragte mich, ob wir jetzt ins Berghain fahren würden.

In den folgenden 2 Minuten setzten sich die Leute im Wagen dreimal um, dann konnte ich los. Endlich. Aus irgendeinem Grund sind 3 Leute übrig geblieben. Hatte der Fahrer vorher doch nur 2 mitgenommen? Oder 3? Naja, egal. Die Fahrt dauerte ja nur eine runde Minute, ich wollte das fast viertelstündige Vorspiel gnädig vergessen. Am Ziel angekommen wurde mir auch ein Fünfer gegeben, sogar Trinkgeld also. Ende gut, alles gut?

So halb.

Hinter mir saßen zwei Quasselstrippen, die mich übers Berghain ausfragten, wobei ich all mein Wissen zusammenkramen musste. Als einer von ihnen ausgestiegen ist, kam der andere wieder rein und fragte mich, wo genau der Eingang sei. Ich hab ihn ihm gezeigt. Daraufhin wollte er wissen, wie weit es denn etwa zum Matrix sei, falls sie hier nicht reinkommen würden. Während ich mit ihm redete, stieg mein letzter Fahrgast aus, nicht allerdings ohne die Tür sperrangelweit offenstehen zu lassen. Das sah der eben erst ausgestiegene Quasselpartner als seine Chance an, als er einen Anruf bekam.

Er setzte sich in meinen Wagen und telefonierte. 3 oder 4 Minuten lang. Letztlich fragte er mich dann, ob ich vielleicht die verbliebenen Hansel doch noch aufgabeln könnte. Das fand der andere natürlich unsinnig und sie gerieten in einen lebhaften Disput darüber. Ausgetragen wurde er natürlich in meinem Auto. Einer von den anderen kam auch zum Wagen zurück und warf ein, dass man dann doch gleich zum Matrix fahren könne, hier sehe es so dunkel aus. Der Vierte aber weigerte sich und beharrte darauf, hier zu bleiben.

Ich stand inzwischen auch gute 10 Minuten am Berghain und durfte den Kollegen zusehen, wie sie einer nach dem anderen mit zahlender Kundschaft ihres Weges zogen.

Völlig unerwartet zog nun einer der Streithähne eine Münze hervor, gab sie mir und meinte:

„Here. This is another 2 €. Pick up the others, they will pay you the rest!“

Alles klar. Aber natürlich kann man auch darüber nochmal diskutieren. Haben sie dann auch gemacht. Schwer genervt bin ich eine runde halbe Stunde nach Erstkontakt mit den Vögeln endlich losgekommen und bin den anderen entgegengefahren. Ich hab einfach die Kurzstrecke weiterlaufen lassen.

Die anderen habe ich nicht gefunden.

Weiß Gott, ob die sich inzwischen ein anderes Taxi – womöglich zum Matrix? – genommen haben oder sich verlaufen hatten. Als das Taxameter das Ende der Kurzstrecke verkündet hat, hab ich es ausgemacht und bin zum Bahnhof gefahren.

Natürlich hätte ich den Jungs besser noch Bescheid gesagt, bzw. ihnen die zwei Euro zurückgegeben. Aber ich hatte wirklich keinen Bock, die nochmal eine Viertelstunde im Auto zu haben!

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.