Huhu, Herr Glietsch!

Mal ganz im Ernst: Fällt eigentlich den Nicht-Zugewanderten auf, wie doof die Bezeichnung „Der Polizeipräsident in Berlin“ als Behördenname ist. Ich persönlich denke jedes Mal, wenn ich einen Brief von dieser Behörde bekomme nach dem obligatorischen „Fuck, wie schnell war ich?“ wie bekloppt diese Bezeichnung klingt. Schon das „in“! Ich will jedes Mal schreien, sie mögen doch wenigstens ein „von“ daraus machen. Wo der Typ rumgammelt, ist mir ja egal, das soll doch eine Information über seinen Rang sein…

Aber gut, darüber wollte ich mich eigentlich gar nicht auslassen. Ich lebe in einem Bundesland, in dem die Landespolizei „Der Polizeipräsident in Berlin“ heißt. Irgendwas ist ja immer.

Und von denen hab ich jetzt Post bekommen. Nicht ganz unerwartet, schließlich ermitteln die gerade in meinem Sinne einen flüchtigen Unfallteilnehmer. Aber die Vorurteile sitzen tief, so fragte auch meine bessere Hälfte beim Anblick des Briefes gleich, ob ich geblitzt wurde. Dazu sei angemerkt, dass ich noch niemals diesbezüglich Post vom Polizeipräsidenten bekommen habe, mein einziges geahndetes Verkehrsvergehen seit meinem Umzug wurde damals von Brandenburger Cops bearbeitet, da ich in Potsdam mit 8 km/h zu viel erwischt wurde.

Ja nun, die ganze Sache ist natürlich eigentlich denkbar unspektakulär. Eine Zeugenaussage zu den Vorkommnissen hätten sie gerne. Die kriegen sie in dem Fall auch, wenngleich es immer wieder erstaunlich ist, wie sehr die Polizei darauf bedacht ist, den Eindruck zu erwecken, ich müsste mit ihnen reden. Es wird gleich darauf hingewiesen, dass ich mit der Beantwortung der Fragen eine Vorladung vermeiden kann, bzw. die „Vorsprache eines Polizeibeamten“. Auf mein Zeugnisverweigerungsrecht im Falle einer Verwandtschaft mit dem Beschuldigten oder einer notwendigen Selbstbezichtigung werde ich gleich auf der ersten Seite hingewiesen. Auf die Tatsache, dass ich nur vor einem Gericht (und nicht bei der Polizei) überhaupt aussagen muss, natürlich gar nicht. Aber diese Geschichten kann man zuhauf im lawblog nachlesen. Ich finde es nur bedenkenswert.

Aber wie vertrauenswürdig kann ein Formular schon sein, das mit folgenden Worten endet:

„Zahlungen bitte nur bargeldlos an“

Also wem heute noch beim Formatieren der Footer von der Seite fällt… lassen wir das!

Wenden wir das Blatt, sehen wir uns mal um:

Drei Teile, logisch gegliedert in

I. Fragen zur Person
II. zum Sachverhalt
III. Bei Verkehrsunfällen

Ich wirke arg pedantisch, wenn ich mich jetzt über die Unlogik der Unterteilungen beschwere, bzw. bemängele, dass zum korrekten Verständnis ruhig noch hier und da ein Wort mehr in diese ansonst leeren Zeilen gepasst hätte. Oder?

Aber wozu sollte man das ernst nehmen? Schließlich ist es ja auch nicht so, dass diese Blätter an alle verschickt werden, ungeachtet des Bildungshintergrundes. Mich persönlich stellen Aufgabenstellungen wie diese auf die Probe:

„Familienname/Geburtsname/Vorname (Rufname unterstreichen )“

Bei der Angabe eines Vornamens den Rufnamen zu unterstreichen ist sicher eine knifflige Hausaufgabe für Waldorfschüler, im Grunde aber nur kurios. Ich bin jetzt mal davon ausgegangen, dass sie hier trotz Verwendung des Singulars gerne alle Vornamen aufgezählt hätten. Ob davon jetzt einer als Geburtsname in irgendeiner Akte landet, weiß ich glücklicherweise nicht. Der Teil mit den persönlichen Daten ist im allgemeinen aber doch ohne Studium lösbar.

Im zweiten Abschnitt – zum Sachverhalt – hab ich nur kurz schmunzeln müssen als ich mir überlegt habe, ob ein Polizeipsychologe sich wohl eine Belobigung dafür holen durfte, als er angeregt hat, die Frage ob man aussagen möchte, vor die Frage zu setzen, ob man überhaupt Zeuge ist. Dass hier die Aussageverweigerung wieder in expliziten Bezug zu den Regelungen gebracht wird, die eigentlich nur vor Gericht gelten, finde ich wirklich furchtbar! Das ist schlichtweg Irreführung, möchte ich meinen.

Aber gut, dann folgte natürlich der nervige Teil. Die Unfallhergangsbeschreibung. Man kann bei solchen Dingen ja nie pingelig genug sein, und so hab ich den ganzen zur Verfügung stehenden Platz aufgebraucht. Auch wenn dabei sicher ein paar Informationen gewissermaßen redundant waren. Aber es ist eben auch meine Art von Humor, zu schreiben

„Ich befand mich zum fraglichen Zeitpunkt am Steuer (vorne links) meines Fahrzeugs […]“

Der Abschnitt 3 – Bei Verkehrsunfällen – behandelt dann nur die Fragen, ob es mir und/oder meinem Autochen gut geht. Bezüglich der Tatsache, dass ein Idiot vor mir geflüchtet ist, als ich sein Kennzeichen vor der Nase hatte, hat mich überlegen lassen, bei der Frage, ob ich verletzt wurde, „ja“ anzukreuzen, und dahinter zu vermerken:

„intellektuell“

Das könnte es gewesen sein. Aber eine Behörde würde sich keinen so schicken Namen wie „Der Polizeipräsident in Berlin“ geben, wenn sie nicht auch noch Zusatzfragebögen in der Schublade liegen hätte. Also noch ein Blatt:

Hier werden in 14 einfachen Fragen nochmal Angaben zu den Personen und dem Fahrzeug verlangt. Ich bin übrigens wirklich ein klassischer Zeuge, und kann mich bis auf das sofort notierte Kennzeichen an so gut wie gar nichts erinnern. Ich weiß nicht einmal, ob das Auto ein Stufen- oder Steilheck hatte, geschweige denn Marke, Modell oder Besonderheiten.

Amüsant ist dann Nummer 14:

„Bitte tragen Sie sicherheitshalber noch einmal die genaue Unfallzeit und den Unfallort ein!“

Damit kann das Ding dann wohl zur Post. Ach ja, eine Frage noch: Ich bin ja eigentlich echt ein sozialer Mensch. Aber wer bitte hatte jemals eine „Marke zur Hand“, als ihn der Briefumschlag danach gefragt hat?

14 Kommentare bis “Huhu, Herr Glietsch!”

  1. Anon sagt:

    Ich würde es wahrscheinlich genau so machen und die Rechte des Briefempfängers nicht erwähnen, wenn ich praktisch Straffreiheit genießen würde.

  2. Missac sagt:

    Danke endlich sprichts mal einer aus! Ich wurde vor kurzem auch angezeigt, ganz hahnebüchen, denn jemand wollte sich an mir rächen. Und so wie dieser von Rechtschreibfehlern nur so strotzende Text der Bulle….äh Polizei ausdrückte, dachte ich zunächst auch, ich wäre gezwungen mit denen zu kommunizieren. Dann nahm ich mir einen Anwalt. Der sagte mir dann, dass ich das nicht hätte tun müssen. Ich hätte den Brief auch einfach abheften könen und auf die Einstellung warten können. Deshalb mag ich unsere Justiz auch so.
    Aber schön zu wissen, dass ich öfter geblitzt werde als du, obwohl du definitiv mehr fährst. Irgendwas mache ich falsch!

  3. LaThreepwood sagt:

    Der Hammer! xD Danke, mal wieder, für einen so unterhaltsamen Eintrag!
    Die ganzen irreführenden Formulierungen lassen einen ja echt glauben, man _müsste_ aussagen. Schon irgendwie geschickt gemacht. Ich kenn sowas echt nur aus’m Lawblog, hatte *toitoitoi* noch nie was mit den Herren/Herrinnen in blau zu tun.
    „Der Polizeipräsident in Berlin“: Das wiederum hab ich schonmal gesehen, ich glaube auf Fahndungspostern die manchmal in B rumhängen oder so, fand ich auch schon immer lustig. Wollte schonmal drunterschreiben:
    „Ich glaube, den kenn ich. Die Anna in Potsdam“ – aber das wäre ja falsch, denn ich bin zu dem Zeitpunkt ja in Berlin, komme ja nur _aus_ Potsdam. Hrhr.

    @Missac: Ich weiß was du falsch machst. Aber ich verrat’s dir nicht, du kommst bestimmt selber drauf!

  4. dw sagt:

    Kurze Anmerkung: Nicht nur einer Vorladung vor Gericht ist Folge zu leisten, sondern auch einer Vorladung der Staatsanwaltschaft … aber richtig bemerkt: Nicht einer Einladung der Polizei.

    Aussagerecht/-pflicht- bzw. -verweigerung bei den jew. Behörden/Instanzen sind dann eine andere Geschichte.

  5. Bei der intellektuellen Verletzung hat es mich zerissen. Ich stelle mir gerade das Gesicht des Beamten vor, der das lesen würde.

    Achja, die gute Rennleitung, die ist immer wieder für manches Kuriositum gut. Ich sage nur „[…] sein Fahrzeug vor der Einfahrt in die vorrangige Straße verlassen, und sich über die Freiheit selbiger versichern müssen.“

  6. Hihi, ich schaue immer auf meine Hände und die unmittelbare Umgebung derselben, finde keine Marke, zucke mit den Schultern und stelle fest, daß ich wohl keine Marke zur Hand habe.

    Man kann den Driss aber auch faxen … zumindest war das bei mir beim letzen Mal so. War aber auch kein Verkehrsunfall, sondern gestohlene Post.

  7. „Bürgernahe Verwaltungssprache“ ist nicht unbedingt geübte Praxis bei Berliner Behörden, der Grundsteuerbescheid, den wir gestern bekommen haben, hat das mal wieder bewiesen.
    Aber auf die Polizei will ich ja nichts kommen lassen; als ich da mal eine Anzeige gegen unbekannt aufgegeben habe, weil irgendein Idiot an unserem Auto die komplette Beifahrerseite eingedrückt hatte und dann abgehauen ist, hat mir die aufnehmende Polizistin sehr glaubhaft und vor allem vollkommen ernst versichert, dass man bei der Berliner Polizei genauso gut und schnell arbeite, „wie die Kollegen bei CSI Miami“.
    Soviel unerschütterliches Selbstvertrauen ist schon beeindruckend.

  8. Nick sagt:

    Ich bin ja im Grunde auch eher auf der humorvollen Seite (Bei Strafen noch Trinkgeld mit überweisen etc.), aber in diesem Fall mache ich mir Sorgen, ob man bei einer SELBST angeregten Anzeige nicht den nötigen Ernst an den Tag legen sollte.
    Mir tun im Grunde die Polizeibeamten leid, da du sicher nicht der erste bist, der auf die Idee kommt sich irgendwelche mehr oder weniger lustigen Sachen auszudenken.
    Das Gesicht des Polizeibeamten kann ich dir genau beschreiben:
    ‚Augen rollen, stöhnen, „hach, nicht schon wieder…“‚

    Tut mir leid, aber einmal im Monat muss ich der Spielverderber sein! 😉

  9. Stefan Praß sagt:

    Der Hammer. Du hast gerade meinen Donnerstag gerettet. Schon der Hinweis „am Steuer (vorne links)“ brachte mich zum Gackern. Aber der Hinweis auf die Verletzung…zu geil. 😀

  10. Sash sagt:

    @Anon:
    Man kann es ja trotzdem mal anmerken…

    @Missac:
    Sowas ist natürlich mies. Und genau deswegen finde ich es ja so dreist. Mir kann es egal sein, ich weiss es ja 😉
    Und bei der Geschichte mit dem Blitzen hätte ich auch eine leise Ahnung…

    @LaTreepwood:
    Danke für die netten Worte!
    Und der Name ist echt bescheuert 😀

    @dw:
    Stimmt natürlich. Mein Fehler.

    @Der Maskierte:
    Ach, ich will gar nicht wissen, was die schon alles erhalten haben. Ich schätze, man teilt meinen Humor dort nicht unbedingt 😉
    Die Idee mit dem Aussteigen ist allerdings auch sehr praxisnah. Nicht schlecht!

    @buntklicker.de:
    Der Vermerk, man könnte es auch faxen, steht sicher im Footer 😉

    @Michael Lenzen:
    Ich hab mich auch nicht ohne Grund nicht über die Polizisten beschwert, die den Unfall aufgenommen haben. Sehr CSI-mäßig waren die allerdings nicht drauf, die haben meinen Hinweis auf die Videoüberwachung des Platzes einfach abgewiegelt.
    Aber als Behörde ist der Verein eben doch manchmal lustig.

    @Nick:
    Bloß weil ich „(vorne links)“ in meiner Beschreibung untergebracht habe? Meine Erfahrung zeigt mir eher, dass man das besser tut. Ich möchte mich keinesfalls über Gebühr grundlos lustig machen, aber ich finde es in der Tat sehr erheiternd – manchmal allerdings auch eher traurig – dass die sicher viel Zeit ersparenden Formulare manchmal auch nicht passen können oder zu Kuriositäten führen – dass manchmal eben nicht alles nach Schema F abhandelbar ist. Wobei das auf diesen Fall ja nicht einmal zutrifft.
    Und wo ist der Argwohn gegenüber der Tatsache, dass die Polizei versucht, jeden einzelnen Zeugen bezüglich seiner Aussagepflicht in die Irre zu führen gedenkt? Nee du, das Spielchen lasse ich mir nicht verderben 😀

  11. Nick sagt:

    @Sash:
    Naja und ‚intellektuell’…
    Das andere steht außer Frage, Angst machen scheint in vielen Fällen wichtiger zu sein, als korrekte Rechtslage.

  12. Kommentator sagt:

    Die Bezeichnung „Der Polizeipräsident in Berlin“ scheint ein quasi „sprachhistorisierendes“ Relikt des zur Zeit der Einsetzung der Behörde üblichen, amtlichen Sprachgebrauchs zu sein, so würde ich das deuten.

    Gut eingeführte „Marken“ („Marke“ im Sinne von „Marketing“, „Bekanntheit“ etc.) sind für Dienstleister sehr wertvoll, vielleicht wird die Bezeichnung deshalb nicht verändert bzw. aktualisiert. Für die Gestaltung von Marken ist „GNIT“/“Gestern nacht im Taxi“ ein prima Beispiel – das meine ich ernst. „Der Typ ist echt ’ne Marke“ und so – man ist bei jeder Erwähnung sofort wer, macht sich schnell erkennbar und wird irgendwann unverwechselbar.

    Nebenbei: Bei den zahlreich und unablässig anfallenden Aufgaben und Verantwortungen, die der Exekutive in einer Großstadt wie Berlin obliegen, ist es vermutlich ganz gut, dass der Polizeipräsident möglichst oft „in Berlin“ ist… *hust* *kicher*

  13. Testandroid sagt:

    Diese Testnachricht ist bestimmt gelöscht zu werden.

  14. Mia sagt:

    Haste dann auch mit „Der Sash in Marzahn, aber eigentlich aus Stuttgart“ unterschrieben? Wobei, den kriegen sie wohl ständig zu lesen… Selten bescheuert.

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