Ein fast normaler Tag im Wahnsinn

Ich schreibe so oft, dass ich Taxifahren für meinen Traumjob halte. Die meisten verstehen das nicht so wirklich und sehen meist nur die Zahlen vor dem Komma. Zugegeben, ich hätte auch manchmal gerne noch eine Stelle mehr dort stehen, aber sonst wird unsere Bundeskanzlerin noch neidisch und das will ja keiner.

Die letzten 24 Stunden waren irgendwie so ein richtig chaotischer Tag und irgendwie doch auf ihre eigene Art normal, sodass ich sie gerne einfach mal schildern will. Normal war vor allem, dass ich nicht viel außer Arbeit auf den Plan gekriegt habe, der Rest war das Chaos. Vielleicht gibt es ja einen besseren Einblick in mein Leben als es ein ausgetüftelter Rückblick je kann.

Mittwoch, 5.30 Uhr
Ungewöhnlich früh lasse ich mich auf meine Matratze fallen, was vor allem deswegen der Fall ist, weil ich so langsam Abrechnung machen muss und dazu dank einer Stunde Anfahrtszeit schon um 17 Uhr aus dem Haus muss und davor gerne noch einkaufen, duschen und so weiter erledigen will. Zur Bank muss ich auch noch. Außerdem bin ich müde.

Mittwoch, 10.00 Uhr
Wie immer wache ich zu einer meinem angestrebten Tagesablauf völlig entgegenstehenden Zeit auf. Ich amüsiere mich über die unfreiwillige Komik dahinter, lese eine Stunde im Internet rum und rauche ein paar Zigaretten. Dann geht es wieder ins Bett. Nach anderthalb Stunden blödsinnigem Sinnieren schlafe ich tatsächlich nochmal ein und schaffe es irgendwie, meinen Wecker um 15 Uhr zu überhören. Irgendwie nur zu logisch.

Mittwoch, 17.00 Uhr
Ich habe es geschafft, ein paar Kommentare zu beantworten, ein bisschen Nahrung zu mir zu nehmen und mich zu reinigen. Die Rasur hat Zeit bis morgen und ich bin so oder so schon zu spät. Gut zu wissen, dass Cheffe am Monatsanfang immer länger im Büro ist. Ich mache mich auf den Weg und amüsiere mich darüber, dass selbst die cleversten Straßenräuber nicht auf die Idee kommen würden, dass ich in meiner werbebedruckten Leinentasche fast 3000 € mit mir herumtrage. Die ausgebliebene Rasur unterstützt meine Tarnung. Perfekt.

Mittwoch, 18.15 Uhr
Ich komme im Büro an und werde mit heillosem Durcheinander konfrontiert. Zwei von drei Cheffes sind nicht anwesend und der letzte verbleibende ist entsprechend beschäftigt. Ich darf mein Geld selber zählen und zur Seite legen. Gut, dass ich meinen Chefs vertraue. Mir wird ein Rückruf versprochen, um meine Zählkünste und damit den Geldeingang zu verifizieren. Na denn…
Ich treffe Kollege J. und frage ihn spontan, ob er mich zu meinem Auto fahren könnte. Er kann. Mit dem Taxi zur Arbeit und dann auch noch Geld gespart! Als ob nicht jeder seinen Job für irgendwelche Vergünstigungen nutzen würde.

Mittwoch, 18.50 Uhr
Ich komme am Auto an und mein Tagfahrer sitzt noch drin. Dank meines unsteten Lebenswandels hab ich ihn etwa zwei Monate nicht gesehen. Hab ihn dennoch wiedererkannt. Kurzer Smalltalk und eine Ermahnung an meine Adresse, ich solle doch im Winter die Handbremse nicht anziehen wegen Festfrieren und so. Ich gelobe Besserung, aber das ist nicht das erste Mal.
Ich verziere den Abschreiber mit ein paar kryptischen Zahlen und fahre heim.
Das ist in der Tat was Besonderes, aber ich habe Ozie versprochen, den Abend zu Hause zu verbringen. Meine Statistiken sagen mir, dass die letzte Woche gut genug war, um heute lediglich 18 € einzufahren. Das schaffe ich auch nach 0 Uhr noch.

Mittwoch, 19.30 Uhr
Ich komme zur Tür rein und das Telefon klingelt. Chef. Die Abrechnung stimmt. Prima.

Mittwoch, 20.00 Uhr
Ich beschließe, meinen vegetarischen Monat an Ort und Stelle zu beenden und Ozie schlägt Schinkenmakkaroni vor. Gebongt. Im Anschluss kaufen wir ein, kochen und essen. Nebenbei ziehen wir uns ein wenig „The Big Bang Theory“ rein.

Mittwoch, 22.40 Uhr
Ozie ist todmüde, mir geht es komischerweise nicht anders. Ich bringe Ozie ins Bett und beschließe eine Stunde Mittagsschlaf vor Arbeitsbeginn. Naja, anderthalb. Der Wecker steht auf 0.20 Uhr

Mittwoch, 23.30 Uhr
Ich bin noch nicht eingeschlafen und beschließe, es nicht mehr zu versuchen. In der Küche braue ich mir kurz einen schwarzen Tee zusammen und sehe mir noch kurz das Internet an. Es ist noch da.

Donnerstag, 0.00 Uhr
Ich fahre erstmals an diesem Tag mit ernsthaftem Interesse am Geldverdienen los. Waghalsiges Ziel sind 20 bis 40 €. Bis fast zum Ostbahnhof komme ich. Dann eine Kurzstrecke. Ziel, ich komme dir näher!

Donnerstag, 2.25 Uhr
Ich habe fast 60 € auf der Uhr. Als ob es das normalste der Welt wäre in der Nacht auf Donnerstag. Meine Müdigkeit ist verflogen, ich beschließe, ein wenig weiterzufahren.

Donnerstag, 5.08 Uhr
Der Hunni ist drin, noch einmal kurz Winker, dann fahre ich das Auto mit respektablen 118 € zum Abstellplatz. Ich bin überzeugt davon, ich hätte weniger verdient, wenn ich um 19 Uhr die Schicht begonnen hätte. Suggestion ist mächtig. Halbe Schichten für ein Halbjahr legitimiert.

Donnerstag, 6.00 Uhr
Inzwischen warte ich seit 15 Minuten auf meine Bahn. Glücklicherweise habe ich heute nur meine Sommerjacke dabei. So komme ich bei -2°C nicht so leicht ins Schwitzen. Noch drei Minuten. Immerhin: Die Bahn ist pünktlich. Ist ja keine S-Bahn.

Donnerstag, 6.20 Uhr
Ich bin zuhause. Ozie ist schon wach. Meine intellektuelle Leistung in der nächsten Stunde besteht aus einem fünfzeiligen Blogeintrag (siehe unten).

Donnerstag, 7.25 Uhr
Ozie verlässt das Haus. Ich auch. Brot kaufen.

Und jetzt sitze ich seit fast einer Stunde an diesem Eintrag und wenn der fertig ist, werde ich noch ein bisschen Trackmania zocken. Und dann gemütlich 8 Stunden ausschlafen…

Mir ist klar, dass es jetzt eine Menge ratlose Gesichter gibt, die vor verschiedensten Monitoren diesen Beitrag lesen und sich fragen: What the Fuck? Ich weiss es auch nicht. Alles, was ich damit eigentlich wollte, ist zum Nachdenken anzuregen, wo Chaoten wie ich bessere Lebensbedingungen finden würden als im Taxigewerbe. Natürlich war das nicht normal. Aber eben doch irgendwie typisch. Glaubt mir, ich mag mein Chaos 🙂

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31 Kommentare bis “Ein fast normaler Tag im Wahnsinn”

  1. ednong sagt:

    Glaubt mir, ich mag mein Chaos

    Glaub ich dir aufs Wort …

  2. Jo sagt:

    Richtich! Über ein gepflegtes Chaos geht nichts!

  3. ickedette sagt:

    Bei mir kann auch keiner verstehen, warum ich meinen Informatikerjob ( mehr oder minder geregelte Arbeitszeiten, freie Wochenenden usw ) für ne Ausbildung zum Krankenpfleger aufgebe. Ich mache jetzt gerade mein Pflegepraktikum. Und es ist genial. Die Arbeit macht so viel Spass. 🙂
    Da wird das monetäre zweitrangig. Sicherlich kanns mehr sein.. aber dafür freu ich mich lieber auf die Arbeit anstatt schon mit nem „Null Bock-Syndrom“ aufzustehen.

  4. Chris sagt:

    Trackmania? The Big Bang Theory?
    Also falls ich mal wieder in Berlin rumgurken sollte und ein Taxi brauche (z.B. weil die S-Bahnen mal wieder – oder immer noch nicht – so fahren wie sie sollten), will ich mit dir fahren *gg*. Da hätten wir was zu diskutieren.

    The Big Bang Theory: die pure Genialität. Habe gerade gestern die neuste Folge gesehen (3. Staffel, Folge 14, Englisch) ;). Genial 😀

  5. Nobody sagt:

    Trackmania? Wie ist den da dein Name?

  6. Sash sagt:

    @ednong:
    Ich versuche ja auch, es plastisch darzustellen 😉

  7. Sash sagt:

    @Jo:
    Ich hab ja ganz vergessen zu erwähnen, dass du offenbar einen Teil deiner Zeit damit verbracht hast, Cheffes Netzwerk zu flicken…

  8. Sash sagt:

    @ickedette:
    Genau dieses „Null-Bock-Syndrom“ finde ich inzwischen auch sehr traurig, seit ich es nicht mehr kenne. Dir viel Glück bei deinem Praktikum!

  9. Sash sagt:

    @Chris:
    Hab mich bei BBT noch nicht komplett eingearbeitet in die Figuren. Bin erst letzte Woche von Ozie drauf gestoßen worden. Aber genial ist es, das stimmt auf jeden Fall! Vielleicht sieht man sich ja mal…

  10. Sash sagt:

    @Nobody:
    Mein Name ist ganz simpel (und nicht durch Sonderzeichen verfälscht) „bigsash“.
    Momentan zocke ich allerdings nur auf den PSU-Stuntservern und keine normalen Rennen.

  11. Ana sagt:

    Donnerstag, 0.00 Uhr
    Ich fahre erstmals an diesem Tag
    hehe

  12. Wolfram sagt:

    Tja, und hätteste vorher noch mal in Deine Mails gekuckt, wärens 56 Euro mehr gewesen 😛

  13. Chris sagt:

    @Sash Wenn ich nur wüsste, wann ich mal in Berlin bin. Bin doch schweizer 😀

  14. Sash sagt:

    @Nobody:
    Bist du flambario?

  15. Sash sagt:

    @Ana:
    Wow, zusätzlich zu den gewollten Witzen bin ich auch noch unfreiwillig komisch 🙂
    Ich sollte Comedian werden 😉

  16. Sash sagt:

    @Wolfram:
    Naja, so ungefähr. Ich hatte in der Zeit ja gut zu tun.
    Ich bin übrigens durchaus skeptisch, was die Geschichte angeht. Sicher, es ist ein guter Deal für das Portal und die Fahrer. Aber letztlich um den Preis, dass die Kunden mehr zahlen. Ich bin ehrlich gesagt zwiegespalten, ob ich das gut finden soll.

  17. Sash sagt:

    @Chris:
    So wie ich die Anziehungskraft Berlins einschätze, ist es zumindest wahrscheinlicher, dass du in Berlin bist als ich in der Schweiz 🙂

  18. Wolfram sagt:

    Der Hintergrund ist der: Viele Kunden möchten einfach Preise, die fix sind. Die zahlen gern mehr, wenn sie dafür keine unangenehmen Überraschungen erleben, weil der Fahrer Riesenumwege fährt etc. Die möchten gerne auch vernünftig und gut behandelt werden.

    Beispiel: Ich habe einen Kunden, der von FFM City bis zum Flughafen fährt. Uhrpreis ist ca 27,- Euro. Er gibt freiwillig 50. Nicht, weil er bei nem anderen nicht vielleicht auch 50,- zahlen würde, wenn der über die Autobahn fährt, sondern weil er gerne sicher sein möchte, daß das Taxi ihn vernünftig bedient – und daß er nicht MEHR als 50,- Euro zahlen muss. OK, das ist ein krasses Beispiel, aber in Berlin rechnet Taxi2Airport meines Wissens Taxitarif plus 15%. Das finde ich für guten Service und korrekte Behandlung (die eigentlich selbstverständlich sein sollte, es aber leider längst nicht mehr ist) völlig angemessen.

  19. Sash sagt:

    @Wolfram:
    Keine Sorge, ich wollte jetzt auch nicht behaupten, dass das üble Abzocke wäre oder so. Ich kenne es nur eben aus dem Alltag, dass viele Leute die Taxitarife zu hoch einschätzen, und ich finde das einen bedauerlichen Misstand.
    Ich denke oft genug darüber nach, ob es nicht sinnig wäre Festpreise für einzelne Ziele angeben zu können, und da ist das Angebot dem nun prinzipiell gut entgegengekommen.
    Ich bin nur leider wirklich ein unverbesserlicher Idealist, und da fuchst es mich tatsächlich, zu wissen, dass der selbe Service eigentlich von jedem Taxifahrer vor Ort im Grunde billiger zu haben sein sollte.
    Ich finde also das Angebot nicht grundsätzlich schlecht, aber auf der anderen Seite wird mir dabei zu viel mit dem Unwissen der Kunden gespielt.Und es ist nun wirklich nicht so, dass ich was dagegen hätte, wenn unsere Dienstleistung besser bezahlt würde (und ich meine nicht einmal, dass ich selber mehr verdienen möchte).

    Mir ist (mehr als gewerbefremden Menschen sicherlich) bewusst, dass der ständig steigende Preis des Taxameters für Unbehagen sorgen kann. Für eine faire Berechnung halte ich ihn dennoch.
    Mir liegt einfach viel daran, den Kunden das auch klarzumachen. Und ganz ehrlich: Dem wirkt ein höheres Festpreisangebot einfach entgegen.
    Natürlich lassen sich dadurch die wirklich miesen scharzen Schafe umgehen, die den doppelten Preis irgendwie auf ihr Taxameter kriegen, aber mir liegt verdammt viel daran, den Leuten da draussen eher zu zeigen, dass Taxifahren eine Dienstleistung mit einem eigentlich gar nicht so schlechten Preis-Leistungs-Verhältnis sein kann.

    Und deswegen bin ich skeptisch.

  20. Wolfram sagt:

    Klar – aber weißt Du, man braucht 10 positive Erlebnisse, um ein negatives Erlebnis wieder aufzuwiegen. Das heisst, der Kunde muß 10x zufrieden sein, damit er EINEN einzigen miesen Kollegen verzeiht. Insofern ist das Kampf gegen Windmühlenflügel.

    Von „Unwissenheit“ des Kunden kann eigentlich keine Rede sein. Jeder mündige Kunde (ich auch!) nutzt die Möglichkeit zum Preisvergleich. Die Buchungsmaschine sagt ihm, Fahrt von A nach B kostet Betrag X. Wenn ich damit nicht einverstanden bin, vergleiche ich die Preise ganz einfach. By the way, die Fahrt des Kunden dürfte realistisch gesehen (nach Auskunft einer großen Berliner Taxizentrale mit „Q“ im Namen) zwischen 52,- und 54,- Euro gekostet haben. Bei T2A zahlt der Kunde 56,- €. So viel höher ist das „Festpreisangebot“ also gar nicht.

  21. Nobody sagt:

    Ja ich bin Flambario Nobody ist meistens schon weg.
    Aber mal was anderes. Es findet sich nichts über 10-8. Es kann doch nicht sein das es dazu keine Aufzeichnung gibt.

  22. Sash sagt:

    @Wolfram:
    Ich gebe dir natürlich Recht. Preise vergleichen kann jeder. Und das Argument mit den 10 positiven Erlebnissen ist natürlich ebenso richtig. Sorry, dass ich da immer so kritisch rangehe.

  23. Sash sagt:

    @Nobody:
    10-8? Ich stehe gerade ein wenig auf dem Schlauch…

  24. Wolfram sagt:

    By the way: Heute nacht ist wieder so eine Fahrt drin, für die kein Fahrer da ist. Was würdest Du vom Artotel in Charlottenburg (KuDamm) zum Airport nach Tegel nehmen, wenn wir grad bei Preisvergleichen sind?

  25. Nobody sagt:

    Nun das ist ein Datum und zwar das Datum wo das KRStGB in Kraft getreten ist.

  26. Sash sagt:

    @Wolfram:
    Müsste ich jetzt auch nachschauen, aber die Sache hat sich jetzt ja wohl erledigt 🙂

  27. Sash sagt:

    @Nobody:
    Puh, du gräbst tief in der Vergangenheit. Ich wusste gar nicht, dass ich dazu auch nur einen Kommentar geschrieben habe 🙂
    Muss ich dich wohl enttäuschen…

  28. Wolfram sagt:

    @Sash

    Vielleicht solltest Du mir mal Deine Nummer zukommen lassen, sowie Deine Zeiten… Mailaddy haste ja 🙂

  29. Nobody sagt:

    Nun natürlich grabe ich in der Vergangenheit. Man will doch auch etwas über den Gesprächspartner wissen. Nur wird die Infolage vor 2005 etwas dünn. Aber Kommentare hast du zu den verschieden Dingen abgegeben. Derzeit ungefähr 1884. Man könnte es fast schon ein Lexikon nennen.

  30. Sash sagt:

    @Wolfram:
    Ich denke ernstlich darüber nach 🙂

  31. Sash sagt:

    @Nobody:
    Du hast übersehen, dass

    a) 3 von der Anzahl abgezogen werden müssen und ich
    b) nicht alle selbst geschrieben habe

    Aber sonst bist du sehr recherchefreudig 😉

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