Da lief die Schicht gerade so schlecht. Ich wollte schon das Auto eine Stunde vor Feierabend abstellen und mich hier im Blog beschweren, wie scheiße die Welt da draussen ist. Ich habe eine Halte passiert, die um 5 Uhr gefälligst leer zu sein hat, es aber nicht war. Keine hundert Meter weiter winkt eine Gestalt.
Mit Winken ist hier das Ganzkörperwinken gemeint, das gemeinhin ab einem Pegel von 2 Promille aufwärts unter ausgewählten Individuen auftritt. Der Winker meint, er bewege die erhobene Hand, wobei diese eigentlich recht ruhig bleibt, und der Rest des Körpers schwingt beachtlich. Achtet mal drauf, das gibt es echt öfter!
„Willelmsru Härdrschrase!“
„In die Herzstr. nach Wilhelmsruh?“
„Ja, Härdschrase, saichdoch! Willmsruuu!“
Hat mir erstmal gar nichts gesagt. Wilhelmsruh schon, aber man könnte es jetzt vergleichen mit einem Anhalter, der am Ortsausgang München einsteigt, und als Fahrtziel Sprockhövel-Gennebreck angibt. Kann man wissen, muss man aber nicht. Ich hab also nachgefragt:
„Wie schreibt man die denn, ich würde die gerne ins Navi…“
„Härdschrase…“
„Mit tz oder…?“
„Nää, wies Härds!“
„Ich finde hier aber nur eine „Hertzstr. mit tz in Wilhelmsruh“
„Näh, Herdschrasee!“
Da war mir klar: Entweder stimmt die Straße, oder wir sind sowieso in der falschen Stadt – und da könnte ich auch nichts dran ändern. Die erste Kreuzung (noch bevor das Navi einsatzbereit war) bin ich erstmal falsch abgebogen. Nicht schlimm, nur ein kleiner Umweg, und im Nachhinein betrachtet goldrichtig, da er noch an einer Tanke vorbei wollte, und dort eine war.
Nach dem kleinen Zwischenstopp – bei dem er immerhin nur Essen und keinen Alk mehr gekauft hat – vernahm ich von der Rückbank Schmatzgeräusche, wie man sie aus Tierfilmen kennt, die Löwen beim Gemeinschaftsverzehr von Antilopen zeigen.
„Naja, zufriedener Kunde – guter Kunde!“
…dachte ich so bei mir und bin einfach mal dem Navi nach Wilhelmsruh gefolgt. Ich war ja durchaus schon in Wilhelmsruh, allerdings noch nicht als Taxifahrer, sondern nur bei meinem „erheiternden“ Ausflug in die Zeitarbeit letztes Jahr. Die Hertzstr. geht direkt von der Hauptstr. ab, und so hielt ich an der Ecke, und fragte, in welche Richtung, ich denn jetzt in die Hertzstr. abbiegen müsste. Die Antwort war so vorhersehbar wie unnütz:
„Härdschrase, Willmsru!“
„Ja, da sind wir jetzt. Ich wollte nur wissen, wohin genau. Haben sie eine Nummer?“
„Nee, nur Hausnummer…“
„Ja super, und wie…“
„Fahr einfach mal…“ – und zeigte nach rechts.
Ich fuhr in die Straße und folgte dem Verlauf, immer darauf bedacht, ihn daran zu erinnern, dass wir bereits „am Ziel“ sind. Er sagte daraufhin etwas grob verwirrendes:
„Ja, mit Härdschrase könn wir jetz auch nich punkten!“
„Wie bitte?“
„Ich satte: Wir könn nich punkten mit Härdschrase!“
„Wo wir gerade dabei sind: Die Straße endet hier, soll ich doch in die andere Richtung fahren?“
„Jaja, fahr du mal!“
„Haben sie nicht wenigstens eine Hausnummer?“
„Da mussich mal telefoniern!“
Ich bin also mal rechts rangefahren, und während er eine Nummer wählt, wirft er plötzlich ein:
„Pestalozzistr. kannste mal eingeben!“
„Ähm, das ist dann aber ganz andere Ecke, oder?“
„Nee, gib mal ein!“
„Also Pestalozzistr.?“
„Nee, Härdschrase, Willemsru!“
„Aber da sind wir doch gerade. In der Hertzstr. in Wilhelmsruh!“
„Wir sinn? Ja, das is ja hier, merk ich grad! Was muss ich löhnen?“
Ich glaube, jede der drei oder fünf Pestalozzistraßen hätte die Tour noch mal um 5 € ergiebiger gemacht. Aber irgendwie war ich dann doch froh, heimfahren zu können…
[…] Drogen … […]