Bart-Update

Es wird mal wieder Zeit für ein Update, was die Kundenmeinungen über meinen Bart angeht. Seit Bärte in sind, könnte ich GNIT ja eigentlich zu einem Styling-Blog machen. Aber gut, das war nur so eine Idee.

Mein Kinnbart hat derzeit wirklich ein Eigenleben entwickelt und ist bei jeder Rasur der letzten drei Monate unbehelligt davongekommen. Der hat die 10 cm so langsam voll. Grob geschätzt.

Und dann kam sie. Sie sprang mir vors Auto, als ich gerade einen Kunden abgesetzt hatte, und wollte mit mir fahren. Gleich, vielleicht, also sie müsste da noch kurz was klären, und:

„Sag mal bist Du vom IS?“

Och, bitte! Wir leben in einer Zeit, in der sogar halbwegs bekannt ist, dass man Nazis und Skinheads nicht gleichsetzen sollte – und dann kommt mir so eine Birkenstock-Stammkundin angelatscht und findet es schicklich, mich wegen drei ausbleibender Rasuren mit einem Haufen aggressiv-wahngestörter Vollpfosten zu verbinden? Ich nehme betrunkenes Gelalle ja gerne mal hin, aber sonderlich lustig ist das nicht.

Ich hatte ja aber ohnehin schon überlegt, ob sich das Gestrüpp gerade nicht wirklich in eine eher unschöne Richtung entwickelt. Also beim nächsten mal dann …

Und prompt hatte ich eine Truppe aus fünf aufgedrehten Touristen im Auto, Australier und Amerikanerinnen. Für eine kurze Tour nur, Berghain zum Tresor, dank 5 € Großraumzuschlag aber durchaus. beträchtlich im Umsatz. Alles lustig, nett, Trinkgeld stimmte, so muss das. Wie immer befreite ich ganz am Ende die Kleinste im Bunde aus der dritten Sitzreihe. Als sie rauskraxelte und mir ein Lächeln schenkte, das ungefähr viermal so attraktiv war wie das der komischen Eso-Schrulle eine Woche vorher, stammelte sie kurz:

„And … äh, by the way … I like your beard!“

Woraufhin sie sich verdrückt hat, wie ein kleines Schulkind, das gerade „Ich mag Dich!“ zu ihrem Schwarm (Zitat: Bravo) gesagt hat und das jetzt furchtbar bereut. Wie niedlich.

Ich hab mich gestern rasiert. Der Kinnbart blieb außen vor. 🙂

Spontan verlängerte Touren

Nach Alt-Stralau, vom Ostbahnhof aus quasi nur geradeaus. Manchmal freut man sich – gerade nach nur kurzer Wartezeit – über solche Fahrten extremer Einfachheit. Auch verkehsmäßig, ist man abends ja in Stralau, bevor man gucken kann. Doch dann:

„Och nee, echt jetzt?“

maulte meine Kundin. Aus Gründen. Vor uns schob sich das schon vorher vorhandene Blaulicht zusammen, die Stralauer Allee wurde genau vor unseren Nasen in genau unsere Fahrtrichtung abgesperrt. Mir hat’s durch einen kurzen Haken über Warschauer, Revaler und Modersohnstraße immerhin knapp 2 € extra gebracht, aber so aus der Rourine gerissen werden, ist nicht immer erfreulich.

Viel schlimmer aber war’s natürlich für die Beteiligten des Unfalls, wegen dem abgesperrt wurde. Was die Polizei dazu schreibt, klingt wirklich überhaupt nicht gut. 🙁

Da macht man sich doch gerne mal zum Müller!

Ich hatte Glück nach meiner kurzen Pause zu Hause. Am S-Bahnhof winkte Kundschaft. Na denn …

„Müller?“

„Wie bitte?“

„Müller?“

„…“

„Wurden Sie für Herr Müller angefordert?“

„Oh, nein, sorry. Dann kommt der Kollege sicher …“

„Alles kein Problem! Na, dann nehmen Sie halt diesen Herrn hier mit!“

Und er wies hinter sich, wo sich ein weiterer Fahrgast bemerkbar zu machen versuchte. Glück muss man haben!

Die Fahrt ging in den Norden Marzahns, eine Tour für knapp einen Zehner. So auf dem Silbertablett serviert sehr schön, aber ohne große Emotionen. Der Fahrgast war müde, sagte außer seiner Adresse kaum was … nun ja. Und dann stand ich da, in Marzahn-Nord, und wollte in die Innenstadt. Auf dem Weg wollte ich dann – hey, da standen eben zu nachtschlafender Zeit zwei Fahrgäste! – nochmal am Bahnhof vorbeischauen. Als ich heranrollte, sah ich … Herrn Müller, der auch schon wieder fleißig winkte.

Er erschrak ein bisschen, als er erkannte, dass schon wieder ich das war, aber ich fragte dann doch mal nach, ob er denn wirklich bis jetzt keine Info bekommen hätte. Je nach Zentrale kann es soweit draußen schon eine Weile dauern, aber ich war zwischenzeitlich ja auch mehr als zehn Minuten unterwegs gewesen. In dem Moment bekam Herr Müller dann die SMS, dass leider gerade kein Wagen verfügbar wäre.

„Na, da haben Sie ja Glück, dass ich gerade zufällig in der Nähe war …“,

scherzte ich und hab den fürs lange Warten erstaunlich gut gelaunten Herrn Müller mit einer sehr gemütlichen 20€-Tour bis nach Karlshorst gebracht. Quasi genau meine Richtung. Wie fast jeder Kunde. Und es gab sogar knackige 5 € Trinkgeld obenauf. Für irgendwas, was sich wie „Kulanz“ oder so anhörte … 😉

Die Fahrgastens im Grammatikräuschen

„Da jetzt im Club waren aber auch fast alle halbnackt, was?“

„Echt jetzt. Wieviele Bauchnäbel ich heute gesehen hab …“

„Bauchnäbel – auch so’n Wort!“

„Oder Bauchnabels.“

„Bauchnabelse!“

„Nee, Bauchnäbelse!“

„Bauchnäbelse! Also ja, jede Menge Bauchnäbelse!“

„Der Taxifahrer hält uns jetzt sicher auch für bescheuert.“

🙂

Wo ich nicht hinwill

„Und? Sie haben jetzt Feierabend?“

„Hör mir uff! Noch 9 Monate und 24 Tage, dann bin ich durch mit dem Dreck, und zwar endgültig!“

Die Fahrt hatte eigentlich unterhaltsam begonnen. Ein Bahnmitarbeiter, mit Gutschein unterwegs zu einem Betriebsgelände.

„Ach kiek an, nehm‘ ick den lustijen Onkel mit’n Opel!“,

hatte er das Gespräch begonnen. Aber so lustig ging’s nicht weiter. Was nicht alles Scheiße ist. Der Job, na klar! Aber nicht etwa wegen einer stressigen Schicht oder so, sondern so als ganzes:

„Dit hat ja nüscht mehr mit Eisenbahn zu tun, nur noch Chaos überall!“

Ich bin ja gern dabei, wenn’s um Bahn-Bashing oder wie kurz danach um das Verfluchen der Regierung geht. Aber das traurige war: Der Typ war einfach nur noch frustriert und hatte vor allem resigniert. Dass man die Tage bis zur Rente runterzählt, das kenne ich von meinem Vater. Aber bei dem weiß ich auch, dass er einfach froh ist, das mit der Arbeit weg zu haben und dann Zeit für ein paar mehr schöne Dinge haben wird. Der Typ von der Bahn war durch mit der Welt. Der will nicht nur mit dem Arbeiten fertig sein, der zieht in 10 Monaten die Gardinen zu und verlässt das Haus nicht mehr, da würde ich drauf wetten.

Und an den Punkt möchte ich echt nicht kommen. Kann schon sein, dass auch mir das Taxifahren irgendwann mal zum Hals raushängt. Wenn’s ganz dumm läuft sogar das Schreiben. Aber ich hoffe echt, dass mir dann halt was anderes einfällt.

PS: In letzter Zeit haben einige Leute mal wieder was für GNIT gespendet. Ich danke allen, ich weiß das sehr sehr zu schätzen!

Betrunkene Versprechen

Das Pärchen hatte mehr als nur einen im Tee. Beide waren sie sturzbesoffen. Er ein korpulenter Mitvierziger im Anzug mit dunkelstmöglicher Hautfarbe, sie eine reichlich mitgenommen wirkende Blondine im selben Alter mit komplett derangierter Frisur. Sie wollten zum Potsdamer Platz, aber nicht irgendwie! Er bestimmte:

„Ich zeige Dir die Weg meine Freund, ich fahre auch, aber fahre ich die große Busse! Berlin, Amsterdam, Paris!“

Eine unglaubliche Frohnatur, stets lachend und mir einen Weg zeigend, den ich für ziemlich bescheuert hielt. Damit lag ich falsch, was aber daran lag, dass es nicht wirklich direkt zum Potsdamer Platz ging, sondern ein ganzes Stück weiter in den Süden.

Was ich neben dem Warten auf Anweisungen so mitbekam, war interessant. So sonderlich gut zu kennen schienen sie sich beide nicht. Immerhin sorgte seine Aussage, er sei Busfahrer, für Staunen, das man mit zweieinhalb Promille einfach nicht mehr so gut spielen kann, wie es von ihr vorgetragen wurde. Obwohl die gemeinsame Nacht der beiden schon ziemlich in trockenen Tüchern zu sein schien, erwähnte er nochmal wie beiläufig, dass er sie selbstverständlich auch mal mitnehmen könnte. Nach Paris, London, Rom. Kostenlos natürlich, sein Hotelzimmer bekäme er schließlich gestellt.

Nun ist das natürlich toll. Mit dem Gedanken, Reisebusse zu fahren, hab ich schon etwas vor meiner Taxikarriere auch geträumt. Ich halte es für machbar, seine Freizeit als Fahrer in den tollen Städten Europas auch ein wenig zu genießen. Die Option, jemanden kostenlos mitzunehmen, werden einem aber vermutlich nur wenige Unternehmen bieten. Und mit Begleitung bis morgens um halb drei besoffen durch Paris schlendern wird vermutlich schon aus Zeitnot, spätestens aber wegen dieser 0,0-Promille-Geschichte schwierig, die keinen Unterschied zwischen Rest- und sonstigem Alkoholpegel macht.

Das alles wäre auch keine große Erwähnung wert, ich preise meinen Beruf betrunken sicher auch mehr an als nüchtern. Nein, wirklich hart war ihre Reaktion. Sie hat sich beim lautstarken Versuch, sich zwischen augenblicklichem Orgasmus und Heulen vor Glück zu entscheiden, für so eine Art winselnde Schockstarre entschieden. Das war ganz ohne jeden Zweifel einer der schönsten Momente in ihrem ganzen Leben: Als ein besoffener Busfahrer ihr im Taxi versprochen hat, er würde sie mit nach Paris nehmen.

Glück ist was, was wirklich mal in kleinen unscheinbaren Momenten dahergaloppiert kommt. Eine Umarmung zum richtigen Zeitpunkt, ein paar schöne Worte, die richtige Melodie zur richtigen Zeit. Und vielleicht auch das berühmte eine Bier über den Durst, das die Situation dann vollends traumgleich macht. Und ich missgönne das der werten Kundin kein Bisschen.

Ich hab nur starke Zweifel, ob die Wirklichkeit mit all dem wird mithalten können, was in diesem einen Moment in der Luft lag.

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Aro über rote Ampeln

Ich möchte hier mal ganz explizit Werbung für meinen geschätzten Blogger- und Taxikollegen Aro von berlinstreet.de machen, der heute mit einem interessanten Artikel über rote Ampeln aufwartet: Rot ist relativ.

Ich spiele ja gerne mal den Verfechter der StVO, aber ich muss dem Kollegen doch zustimmen, dass man auch mal einen anderen Blick auf die Sache werfen sollte. Vielleicht ist ja eben nicht alles schlecht, was nicht „ordentlich deutsch“ abläuft. Zumal – und das ist zweifelsohne das Wichtige am großen Ganzen! – auch Aro sich für das ausspricht, was ich für das oberste Gebot halte (und immerhin auch §1 der StVO auszudrücken versucht): Dass es im Verkehr eben nicht nur um Egoismus und den Kampf gegen andere geht, sondern um ein friedliches und letztlich sicheres Miteinander.

Ich wäre nicht auf die Idee gekommen, genau diesbezüglich nach Frankreich oder Italien zu sehen, umso mehr freut mich, dass der Kollege da mal wieder mehr Offenheit bewiesen hat.

Danke Aro, war sehr interessant!