Gegenseitig großzügig

Dass sich Leute an Silvester ein Taxi teilen, ist so ungewöhnlich nicht. Immerhin sind die Wartezeiten lang, und bei grob gleicher Richtung kann das ja passen. Als mir am Funkhaus ein junger Kerl zustieg, war er dennoch perplex, als sich eine Frau als Begleitung anbot. Der Weg war nur so mittel zusammenpassend, aber halbwegs ok. Er wollte nach Neukölln, sie in den Norden des Weddings. Für sie eigentlich sogar günstiger. Dachte ich.
Dann aber bat sie am Ziel des Typen, er solle sein Geld wegstecken, sie übernehme die Tour als Gegenleistung dafür, dass er sie habe miteinsteigen lassen. Und wir waren an dem Punkt fast schon im 20€-Bereich. Etwa ähnlich viel sollte dann noch einmal hinzukommen, was zum Teil dem gesperrten Tunnel zu verdanken war. Sie aber nahm es sportlich, obwohl sie ein paar Stunden später einen Flug erwischen musste.

(Das muss man Silvester lassen: WENN die Leute ein Taxi haben, geht’s eigentlich mit dem Stress!)

Als sie dann die knapp 40 aufgelaufenen Euro zahlen sollte, hat sie das dann zudem noch mit einem glatten Fuffi getan und mir dieses höchste Trinkgeld der Schicht mit sehr netten Worten vermacht:

„Weißt Du, ich fliege ja nachher, da kann ich kein weiteres Kleingeld gebrauchen …“

Jaja, schön war’s. Und jetzt ist Januar.

Die ganz Harten und ihre Vorsätze

Ich hatte ja neulich schon so einen Vogel im Auto, der seine eigenen Klischees übererfüllt hat, aber nun an Silvester hatte ich einen, der das noch um Längen toppen konnte und alle Vorurteile bestätigt hat, die ich so über manche Menschen mit mir rumtrage.

Aber zunächst, bei seinem ersten Bier, ging es um die Liebe. Die Frau trennt sich von ihm. Scheiß Jahresstart, aber er hätte jetzt das mit dem Entzug wirklich vor. Das hab ich mit ehrlicher Anerkennung quittiert. Drogenabhängigkeit ist hart, meine Mutter hat ja auch ihren Alkoholismus nicht überlebt. Zu dem Teil der Story stehe ich. Aber leider war die Fahrt lang genug, dass sich das Thema nicht darin erschöpfte, dass er jammerte, sein Mitbewohner wolle von seinen Sorgen nix mehr hören.

Nein, es ging weiter damit, dass er seine Beziehungsprobleme schilderte, deren Höhepunkt wohl ein Axteinsatz seinerseits „durch de janze Wohnung“ seiner Frau war. Er dachte, sie hätte einen anderen. Schien ihm als Begründung immer noch auszureichen.

Überhaupt Gewalt: Er bemühte sich zwar philosophisch, das Problem bei sich und seinem toten Vater zu suchen, aber am Ende wurde es eine Heldensaga, wen er nicht wo wegen nichtiger Anlässe schon vermöbelt hätte. Nur eines sei witzig: Der Taxifahrer, dem er mal das Leben gerettet hätte, obwohl er ihn eigentlich verkloppen wollte.

Ich hab zwischenzeitlich überlegt, Kollegen zwecks Verstärkung anzufordern, aber der Typ war halb so groß wie ich und badete eigentlich in Selbstmitleid. Das waren keine passiv-aggressiven Provokationsversuche, der war echt so peinlich, dass er glaubte, ich fände das irgendwie toll.

Dann kamen Verschwörungstheorien dazu. Ich als Chronist tue hiermit also meine Pflicht und warne euch: Am 13. Januar werden eure Konten gepfändet! Ist wie in Griechenland, Ihr wisst schon! Ach so, der BER wird übrigens nicht fertiggebaut, weil er nur eine Kulisse ist. Mit (sehr sehr tiefem!) Tunnel „zum Bundestag“, damit DIE dann schnell flüchten können. Also über den funktionsunfähigen Flughafen … egal: Ihr wisst Bescheid!

Bleibt nur noch zum Schluss, dass er völlig ungerechtfertigt Stress auf Arbeit hat, weil er als Nazi gebrandmarkt würde, nur weil er „alle Schwarzen“ über einen Kamm scheren würde. Bewusst! Schließlich habe die Polizei mal wen totgefahren, als sie Kollegen helfen wollten, die „einen von denen“ nicht alleine festnehmen konnten. Wenn das kein Grund ist!

Aber eigentlich isser „n Netter“, auch wenn er mal Günther Jauch angepöbelt hat („DEM JEHÖRT HALB POTSDAM!“), obwohl der mal eine coole Reportage über seine Autorennen-Kumpels in der DDR gemacht hat.

Liebe Evolution, können wir uns mal darüber unterhalten, wie unrealistisch deine Charaktere mittlerweile geworden sind?

 

„Spezialabkürzung“

Mein Kunde war sich sehr sicher:

„Immer geradeaus!“

„Ich weiß nicht, ob …“

„Wir fahren Pablo-Picasso …“

„Aber geradeaus kommen wir zur …“

„Ja ja, zeig ick Dir! Heut mach ma mal Spezialabkürzung!“

„Von Marzahn nach Hohenschönhausen, aber Spezial bitte!“ Quelle: maps.google.com

„Lohnt sich …“

Ich denke, ich brauche hier nicht all die Artikel meinerseits verlinken, in denen es darum geht, dass die Fahrgäste mir hohe Trinkgelder versprochen haben, die sich dann am Ende als bestenfalls unterdurchschnittlich erwiesen haben. Das ist natürlich kein Naturgesetz, aber immerhin so häufig, dass ich solche Ankündigungen inzwischen einfach überhöre. Bringt ja nix, sich auf was zu freuen, was eventuell nicht eintritt.

Und nun hatte ich zwei junge Leute, ganz offensichtlich mit dem Partyeinkauf für die Silvesternacht bepackt. Der Weg war erwartungsgemäß kurz, die wenigsten kaufen irgendwo weit weg von Zuhause ein. Unterwegs fiel dann der Satz „Keine Sorge, lohnt sich für dich!“. Ich hätte es wirklich vergessen, hätte die Anweisung bei der Bezahlung nicht gelautet:

„Und den Rest behältste für Dich, ok?“

Amtliche Ansage für einen Zwanni bei 6,50€ auf der Uhr! 🙂

Weihnachtsstimmungen

Ein Fahrgast tritt am Bahnhof an die Tür, wir signalisieren uns durch ein Nicken, dass wir beide zu der Gattung Mensch gehören, die wissen, dass das jetzt die Durchführung einer Dienstleistung wird. Er fragte schweigend, ob ich ihn mitnehme, ich antwortete schweigend, dass ich das gerne tue. Da er auf die Beifahrertür zusteuert, beginne ich den Sitz dort aus der vordersten Position zurückzustellen. Er winkt ab und geht zur hinteren Tür:

„Lass mal, ich steig hinten ein. Da hab ich mehr Platz mit all den Taschen. Blöde Weihnachtsgeschenke, braucht kein Schwein, so’n Scheiß!“

Oh, also einer dieser ganz dankbaren Gesellen, die jeder so gerne an den Feiertagen mit am Tisch sitzen hat.

Und sieh an: Niedrigstes Trinkgeld der Schicht …

Überraschende Anfragen

Ich saß am Bahnhof im Auto. Gut, ich hab bei Twitter gelesen, aber die Fackel war an.

„Entschuldigung, eine Frage …“

„Ja?“

„Können wir mitfahren?“

Ich weiß, dass es fies wirkt, sowas lustig zu finden. Aber was bitte hätte ich außer „Ja“ antworten sollen? Also mal abgesehen von der kleinen Wahrscheinlichkeit, dass ich bestellt war und vergessen hab, die Fackel auszumachen, gerne zufällig am Freitagabend am Bahnhof rumlungere oder beschlossen habe, dass ich gerne wildfremde Leute erschrecke, indem ich so tue, als sei ich Taxifahrer, in Wirklichkeit aber ein Scare-Prank-Youtuber bin?

Als ob die Frage, ob ich frei bin, schon an Absurdität eingebüßt hätte. Und selbst für die hatte ich vor Jahren schon haufenweise Ersatzkandidaten!

Aber bleiben wir bei der Wahrheit: Kaum, dass ich die Frage schnippisch bejaht hatte, fand sich bereits ein Mitreisender, der sich deswegen kaputt gelacht hat. 😉

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Begegnungen …

Ich stand am Bahnhof, obwohl die letzte Bahn raus war. Ich wollte nur kurz gucken, ob noch jemand übrig geblieben ist oder verspätet mit der Tram ankommt. Aber nix. Der einzige Typ im ganzen Umkreis war ein Flaschensammler, der die Mülleimer durchsah. Ich erinnerte mich darauf hin daran, dass ich noch eine kleine, aber immerhin 25 Cent bringende Eistee-Flasche im Handschuhfach hatte. Ich wollte sie ihm gleich in die Hand drücken, aber seine Runde führte ihn erst einmal weiter um den Bahnhof. Als er am Ende am Mülleimer vor dem Taxistand ankam, hab ich sie ihm angeboten und er fragte verwundert, ob ich die wirklich nicht haben wolle.

„Nee, hab genug Pfand zuhause …“

Was inzwischen sogar fast übertrieben ist. Aber ja, man bringt ja ständig was weg. Gerade, wenn man renoviert und in Erwartung des ersten Kindes die Wohnung ausmistet.

Während ich erst dachte, dass es das jetzt gewesen sei, drehte er sich um und sagte mir, dass die letzte Bahn raus sei und hier wohl kaum was zu holen sei. Er hätte schon bemerkt, dass trotz der ungleichen Berufe ein Zusammenhang bestehe zwischen guten Umsätzen im Taxigewerbe und bei ihm.

„Wissense, Sie bloggen ja nicht – aber ich lese viel, auch Taxiblogs.“

„Was lesen Sie denn da genau?“

„Also hier aus Berlin zwei. Einmal ‚Gestern Nacht im Taxi‘, Sascha Bors, der …“

„Und da haben Sie nicht bemerkt, dass ich das bin, ja?“

Kurzum: Wir haben uns noch fast eine halbe Stunde über alles mögliche unterhalten. Und neben vielem wesentlich wichtigerem hab ich mitgenommen, dass ich – inzwischen mit Vollbart und Brille – vielleicht mal das Profilfoto ändern sollte. 😉

PS: Lieber Aro, bei Dir, bei berlinstreet.de liest der nette Mensch auch mit!