Übergabe

Mal eben für eine nahezu 30 € Umsatz bringende Fahrt rausgewunken zu werden, ist immer schön. Noch dazu, wenn der Fahrgast nett ist und am Ende sogar das Trinkgeld stimmt. Das trifft ja selbst an gut laufenden Wochenendschichten nicht auf alle Fahrten zu.

So, und nun hat mein Fahrgast sich also verabschiedet und ist leicht angetrunken zu seinem Häuschen in einer kleinen Stadtrandsiedlung getorkelt. Ich hab die Daten der Tour kurz notiert, als plötzlich 30 Meter hinter mir eine dunkle S-Klasse heranrollt und Lichthupe gibt.

Ich wollte erst losfahren, aber als es nochmal blinkte, bin ich ausgestiegen. Ein junger Mann, groß und kräftigt, aber am Ende doch sehr nett, fragt mich, ob ich ihn gleich nach Neukölln mitnehmen könne. Er hätte nur eben seinen Chef heimgefahren und bräuchte jetzt selbst ein Taxi. Was halt so passiert.

Unnötig zu erwähnen, dass die Fahrt genauso viel brachte wie die erste und nicht weniger nett war. Manchmal hat man dann halt auch Glück.

Klischeefahrten, linke

Der letzte Samstagabend war spannend in Friedrichshain. Dank der Demo zur Unterstützung der Rigaer 94 war der Stadtteil völlig unberechenbar für Verkehrsteilnehmer. Was allerdings weniger an den Demonstranten lag, sondern mehr an der kreativen Umsetzung der Straßensperrungen seitens der Polizei. Ich bin im Wesentlichen gut durchgekommen an dem Abend, ich hab nur einmal ein paar Inder 500 Meter vor ihrem Hotel versichern müssen, dass ich ohne 10€-Umweg nicht weiterkomme und einmal einen alteingesessenen Kreuzberger mit etwa 400 Meter Umweg anstatt der kürzesten Route abspeisen.

Im Gegenzug hab ich dank meines grotesken Jobs (wo antikapitalistische Demos die Einnahmen steigern) eine kurze Zeit Ersatz für die „Szene-Bahn“ M10 übernehmen können.

Da Demos nun ja irgendwie an der Tagesordnung in Berlin sind, fand ich das noch relativ normal, obwohl ich meine Sympathien für die Rigaer 94 nicht verschweigen will und gestern zudem festgestellt wurde, dass die Anlass gebende Räumung vor kurzem rechtswidrig war.

Aber gut, ich war an dem Abend also viel dort in der Gegend unterwegs. Eine Fahrt mit Demoteilnehmern, Cops oder beteiligten Journalisten hab ich nicht gehabt. Leider. Eine hätte ich haben können: Einen Funkauftrag für eine Großraumfahrt. Ich war zu diesem Zeitpunkt nicht wirklich in der Nähe, aber Großraumfahrten werden bisweilen in ziemlich großem Umkreis ausgeschrieben. Egal. Als Start- und Zielpunkt standen da jedoch tatsächlich „Rigaer Straße“ und „Wedekindstraße“. Ich kann da natürlich nicht sicher sein, aber wieviel wollen wir wetten, dass es von ungefähr der Rigaer 94 (das besetzte Haus) zur Wedekind 10 (Polizeirevier) gegangen ist? 😉

PS: Fahrten in die andere Richtung hab ich vor meinem Job als Taxifahrer auch gelegentlich gemacht. In Erinnerung geblieben ist mir vor allem der entsetzte Kerl, der unweit einer Anti-Nazi-Demo festgesetzt wurde, weil er von seinem eben beendeten Urlaub ein ausgeblasenes Straußenei dabei hatte und ihm das als potenzielle Waffe ausgelegt wurde. Lacht nicht, sowas passiert wirklich!

PPS: Nein, mit „Szene-Bahn“ meine ich nicht die linke Szene!

Wortklaubereien

Ich hatte überraschend einen Winker, der weit in den Westen wollte. Juhu! \o/

Mein gar nicht so uncleverer Weg führte unter anderem über die Tiergartenstraße, die insbesondere dank dem für die Fanmeile gesperrten 17. Juni ganz gut befahren war. Aber das natürlich nur im Nachtschichtsinne. Tatsächlich sind wir da locker mit 50 langgegurkt und im Gegenverkehr lief es ähnlich. Als wir kurz vor der Hofjägerallee waren, hielt es auf der Gegenspur aber ein Porsche-Fahrer nicht mehr aus, überholte den Wagen vor sich und kam uns ein bisschen arg schnell auf unserer Spur entgegen.

Grund zur Sorge hatte ich nicht, denn es war genug Platz zur Seite vorhanden. Ich konnte etwas weiter rechts fahren und der Typ hat sich sowieso nicht drum geschert, den vor sich am Ende noch zu schneiden, um ihm mal zu zeigen, wie gefährlich verkehrsregelkonformes Fahren so ist.

Da ich also nicht hektisch reagiert habe, dachte ich gar nicht, dass mein in sein Smartphone vertiefter und hinten sitzender Kunde das überhaupt mitkriegen würde. Aber Fehlanzeige:

„Ui, das hätte fast gescheppert!“

„Ja, das war schon mutig.“

„Nein, das war strunzdumm!“

Ich möchte mich hiermit für meine unangebrachte Wortwahl entschuldigen. Der Fahrgast hatte natürlich recht. 🙂

Freie Taxiwahl in Kaputt

Ich hab schon oft gesagt, dass ich es gut finde, dass die Kunden sich das Taxi am Stand aussuchen dürfen. Ebenfalls oft gesagt habe ich aber auch, wie sehr ich mich manchmal wundere, wie diese Wahl dann getroffen wird.

Im aktuellen Fall stand ich auf einer Nachrücke an letzter Stelle. Wie so oft kam dann eine Kundin und fragte, ob sie bis zum ersten Taxi vorlaufen muss. Da sie schon so gequält geguckt hat, habe ich mir den „Nett wäre es natürlich“-Teil gespart und ihr einfach nur gesagt, sie könne sich ein Taxi aussuchen.

Mich wollte sie offenbar nicht, aber ich war dann etwas irritiert, weil sie umgehend nach unserem Dialog am Auto direkt vor mir stoppte. Der Kollege las gerade Zeitung und fuhr die älteste Möhre am Stand. Ist alles kein Thema, aber nach einer wirklich geplanten Wahl sah das alles nicht aus. Aber vielleicht war der Wunsch auch, „so einen richtigen Taxifahrer wie früher“ zu bekommen, wer weiß es schon.

Der Kollege sprang auch sofort auf und hat freundlich das Gepäck verladen, das soll jetzt echt nicht böse klingen. Ich kannte ihn zwar nicht bewusst, aber ich hab ihm die Fahrt schon gegönnt, alles ok.

Warum ich das hier schreibe? Weil ich ab diesem Punkt noch nie eine Taxifahrt so habe starten sehen.

Zunächst rührte sich nix. Das ist normal. Kunden müssen oft erst was erklären, als Taxifahrer muss man vielleicht das Navi programmieren oder nochmal nachfragen, der problemlose Blitzstart 3 Sekunden nach Einstieg ist zweifellos das Ideal, aber im Alltag passiert oft was anderes.

Nach einer halben Minute startete der Kollege den Motor und selbst ich als Fahrer von gerne mal sehr alten Opel hab noch nie ein Auto mit so einer Geräuschkulisse erlebt. Es klang wie eine Kakophonie aus unrund laufendem Motor, fehlendem Auspuff, quietschender Lenkung und einem durchgeknallten Rudel defekter Keilriemen. WTF?

Der Kollege hat den Motor umgehend wieder ausgestellt.

Da hat er mir dann echt leidgetan, denn was ist bitte schlimmer, als sich in Erwartung einer Tour irgendwo anzustellen und bei Fahrtantritt feststellen, dass das Auto kaputt ist?

Ich erwartete nun eigentlich fast schon, dass beide wieder aussteigen. Stattdessen passierte nix. Nach einer weiteren halben Minute, bei der ich mir nicht vorstellen wollte, was die beiden im Auto besprochen haben, wiederholte das Auto das Drama von eben und der Kollege rollte drei Meter aus der Lücke auf die Straße, um dort erneut stehenzubleiben. Oder stoppte gar das Auto selbst?

Nun, in zweiter Reihe, wiederholte sich eine mir selbst endlos erscheinende Pause, ich würde schätzen, dass sie wirklich noch weit über eine Minute dort standen. Ich habe mir mehrfach überlegt, mal an die Scheibe zu klopfen und zu fragen, was los sei. Dann aber gewannen sie doch noch Land und ich muss der Vollständigkeit halber noch anmerken, dass das Auto nach wenigen Metern zumindest die Hälfte der ungewöhnlichen Geräusche ablegte.

Über die Zufriedenheit der Kundin mit ihrer Wahl kann ich leider nur spekulieren.

Knapp vorbei …

Und als ich so gechillt mit dem Mahlsdorfer Rentnerpaar die Frankfurter Allee auf der linken Spur gen Osten gleite, zieht vor mir plötzlich ohne zu blinken einer aus einer stehenden Schlange an einer Linksabbiegerspur nach rechts auf meine.

BÄM!

Beziehungsweise: Nein, zum Glück nicht!

Ich hab trotz nur einer Hand am Steuer  mal eben den Elchtest light absolviert, meine Fahrgäste hätten für Sekundenbruchteile gute Protagonisten für ein Harlem-Shake-Video sein können und dann war alles gut. Denn es fuhr keiner rechts von mir und der rechts hinter mir war glücklicherweise nicht schneller als ich. Weswegen ich die seltsame Vermutung hab, dass es in diesem Fall von Vorteil war, dass ich etwas über den erlaubten 50 km/h gefahren bin.

War trotzdem scheiße knapp und mir ist mal wieder bewusst geworden, wie oft ich die Strecke sonst eher im Brain-Resetting-Modus fahre. Das hätte sich dann auch wieder für ein paar Wochen oder Monate erledigt.

Also Obacht da draußen: Am Ende braucht’s immer einen, der dann doch aufpasst!

PS: Und wie ärgerlich das abseits von Blechschaden und vergeigter Schicht gewesen wäre! Haben meine Chefs doch erst kürzlich eine aktuelle Liste im Hauptquartier aufgehängt, auf der ich soo schlecht nicht dastehe:

Endlich ein Ranking, bei dem ich punkten kann! Quelle: Sash

Endlich ein Ranking, bei dem ich punkten kann! Quelle: Sash

Und bevor irgendjemand auf die Idee kommt: Nein, auch wenn das Ding sicher eine psychologische Wirkung haben soll: Das ist kein Mobbing-Werkzeug und außer mir interessiert’s vermutlich sowieso keinen Kollegen. Alle weiteren Verschwörungstheorien beantworte ich in den Kommentaren. 😉

Volle Lotte in 5 Minuten

Der gemächliche Start in die Woche war gut geplant. Erst einmal zur Waschanlage, die Kiste wieder vorzeigbar machen! Aber – unberechenbar, wie das Geschäft nunmal ist – stand an der letzten Kreuzung vor der Tanke ein Winker. Also „stand“ …
Während ich mir zunächst unsicher war, ob ich es mit einem Betrunkenen oder einem Gehbehinderten zu tun hatte, sorgte er recht schnell dafür, die Lage zu klären:

„Sorry, ick hab ma heute besoffn!“

Er nannte mir brav Straße und Hausnummer, was mir aber erst einmal nichts brachte. Die Straße lag zwar quer vor uns, aber im Unwissen um alle Hausnummern in Berlin musste ich wissen, in welche Richtung es gehen sollte.

„Links rum!“

Na ja, da hatte ich schon schlimmere Besoffene.

Aber eigentlich war der Abend noch jung, der Verkehr noch entsprechend dicht – und ich stand nun auf der Rechtsabbiegerspur und sollte links ab. Über drei Geradeaus-Spuren. Das wäre alles kein Ding gewesen, wären die Leute nicht alle so zappelig in ihren Autos. Ja, das war natürlich superdoof, aber  verdammt nochmal: Ich hab gerade als Taxifahrer für alle sichtbar einen Kunden aufgenommen! Wie viel deutlicher kann man denn im Straßenverkehr sagen: „Ich hab mir die Situation so nicht ausgesucht und ja, es macht leider einen Unterschied, ob ich mal eben 500 Meter  bis zur nächsten Wendestelle fahre!“?

Na ja, ich hatte also ungefähr 3 Minuten nach Schichtbeginn bereits ein veritables Hupkonzert verursacht. Wenn einem sowas nach anderthalb Wochen Krankheit nicht wieder die Freuden der Arbeit näherbringt, was dann?

Anderthalb Minuten später, kurz vor dem letzten Wohnblock:

„Ähm, sollte ich hier dann nicht mal …?“

„Neee, dit is ja allet verkehrt! Die 133! Hab ick doch jesacht!“

„Orrr. Ja, haben Sie. Aber auch, dass sie Bescheid sagen. Sorry, dass ich mich darauf verlassen habe.“

Also doch das Navi. Grmpf! Und natürlich waren wir lange vorbeigefahren. Ich hab mich so langsam ein wenig geärgert, dass ich sein „Is nur kurz ums Eck“ als Kurzstrecke ausgelegt hatte. Ja, die hat auch so noch gereicht. Aber eigentlich war mir das zu stressig um nett zu sein in dem Moment. Aber ich hab nett und  vorwurfslos angemerkt:

„Ich sagte doch schon: Alle Hausnummern kenne ich natürlich auch nicht auswendig.“

„Ja, aber weißte, eigentlich würde ich sagen, dass man das ja dann doch irgendwie schon auch können sollte …“

Was hätte der wohl dazu gesagt, dass ich nicht einmal alle Straßen dieser niedlichen 900km²-Stadt auswendig kenne?

Immerhin hat er am Ende die 5,00 € fast schon entsetzt mit 7,00 € beglichen. Schätze, wir haben uns beide vor allem auf dem falschen Fuß erwischt. 🙂

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Überraschend freundlich

Womit man es im Stadtgebiet recht selten zu tun hat, sind Drängler. Also zumindest, wenn man in den meisten Ecken irgendwo normal nahe der Höchstgeschwindigkeit unterwegs ist. Auf den Hauptstraßen in Berlin wird das Verkehrsgeschehen auch dadurch entschärft, dass einem mehr als eine Spur zur Verfügung steht.

Und dann war da der Audi-Fahrer hinter mir, der mehrmals Lichthupe gab und dicht auffuhr. Während ich das noch halbwegs gelassen genommen hab und mir überlegt hab, wie viel einfacher es wohl für ihn gewesen wäre, wäre er an mir vorbeigefahren … – nein, es war meine Kundin, die irgendwann gereizt rief:

„Was will der Arsch?“

Und da sind wir beim Punkt: Ich hatte mich bereits links eingeordnet, weil wir in ein paar hundert Metern links abbiegen wollten. Dass ich auf einer häufig blitzlichtbelasteten Straße, auf der 50 erlaubt war, nur lächerliche 48-52 km/h gefahren bin, hielt ich indes für kein großes Problem. Immerhin sollte doch gerade den eiligen Leuten bekannt sein, dass man innerorts vollkommen legal rechts überholen darf (im Gegensatz zum Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit übrigens 😉 ).

Der nicht. Der hat gelichthupt, bis es selbst mir zu blöde war und ich kurz rübergezogen bin. Rechtliche Argumente helfen ja ohnehin nicht gegen einen verkürzten Kofferraum.

Und was macht der Typ, nachdem er vorbeigezogen ist? Nicht etwa den Vogel, den Finger oder sonstwas zeigen. Nee, er hat sich mit einem einzelnen Warnblinken höflich bedankt. Ich tippe auf Stimmungsschwankungen. 😉