Guter Kunde, schlechter Kunde?

(Die Master-Edition)

Als er mir am Ostbahnhof ins Auto gekraxelt ist und angegeben hat, dass er bis ins tiefste Treptow-Köpenick fahren wolle, war das Business as usual. Sogar sehr nett eigentlich, eine Dreißig vor dem Komma war sicher. Mitte fünfzig, vielleicht leicht einen im Tee, aber wayne? Nachtschicht, das Übliche.

Rückblickend bin ich mir sicher, dass er’s nicht böse gemeint hat, aber als er auf halber Strecke angefangen hat zu erzählen, dass er die letzten drei Tage auf der Straße gepennt hätte und erst jetzt einen Platz in dem Obdachlosenheim bekommen hätte, da hat er natürlich dafür gesorgt, dass sich mir die Zehennägel hochgerollt haben. Drei Tage auf der Straße gepennt, aber dann 30€ fürs Taxi?

Wir haben uns aber erst einmal nett unterhalten und obwohl ich mir sicher bin, dass er auf seiner Seite auch einiges beschönigt hat, hat er den Eindruck eines zumindest momentan den Umständen entsprechend sehr korrekten Menschen gemacht. Ja ja, seine Ex hätte jetzt nach der Trennung die Wohnung, aber sie habe die Kinder zugesprochen bekommen und die sollten es ja zuallererst mal gut haben, er käme schon klar. Wie gesagt: Ich fürchte, der Background ist wesentlich weniger nett gewesen, aber ihn nach der letzten kühlen Nacht so ohne Zorn zu sehen – ich geb zu, dass ich das beeindruckend fand.

Und ihm schien’s zu gefallen, dass jemand zuhört und hat mit der Zeit auch ungeniert sein offenes Bier aus der Innentasche seiner Jeansjacke genommen und nach einer höflichen Nachfrage ein paar Schluck genommen. Er sei halt Alki, nicht schön, aber den Kindern ginge es gut und er hätte jetzt ja immerhin mal einen Unterschlupf.

Ich hab mein Geld sprichwörtlich wegflattern sehen, aber da waren wir dann auch schon in Köpenick. 30€, vielleicht noch 5€ bis zum Ziel …

Da irgendwann hat er dann auch gemerkt, dass das vielleicht etwas komisch auf mich wirken könne, hat mir versichert, zu bezahlen und nochmal die Geschichte erläutert, wie er wegen den Klamotten, die er bei einem Kumpel gewaschen hatte, dem S-Bahn-Ausfall und der spät ausgezahlten Amtskohle überhaupt im Taxi gelandet war. Und wie sehr er sich freue, dass ich ihn mitnehme. Ich solle stolz sein darauf, dass ich ’nen ordentlichen Job mache.

Am Ziel dann ein „Keine Sorge, jetz‘ kriechse deine Kohle!“ und beim Bücken nach dem Rucksack ergoß sich das Bier aus der Jackentasche auf seine Hose und natürlich den Sitz.

-.-

Sein Entsetzen war nicht gespielt. Jetzt hatte er’s doch verkackt! Es war ihm sehr unangenehm.

„Meista, mach ick Dir sauber. Haste Lappen, ick mach dit, ehrlich!“

Ich hab abgewunken. Ich hätte ihn das natürlich machen lassen können, aber ich putze das Auto ständig, schon aus Zeitgründen wäre das Unsinn gewesen. Und auch wenn verschüttetes Bier aus einem gepflegten Taxi schnell einen 30 Jahre alten Kneipenbus macht: Dafür haben wir Ledersitze, die nächsten Kunden haben schon nix mehr bemerkt.

Auf der Uhr war die Tour 33,70€ wert, bekommen hab ich seine gesamten letzten 40€. Und ich könnte schwören, dass die wertvoller aussehen als die letzten 6€ Trinkgeld, die mir irgendein Clubgänger vermacht hat. Trotz Bier.

Trinkgeldkleinigkeiten

Trinkgeld war heute mal wieder so mittel. Keinen großen Anteil daran hatte eine einzelne Kundin, die ich aber dennoch erwähnen muss, denn sie hat seit langem mal wieder ein sehr seltsames Trinkgeld gegeben: Die leicht überzogene Kurzstrecke für 5,50€ hat sie mit 5,80€ beglichen.

Gleich vorweg: Ja, damit fällt man weit (!) mehr auf, als wenn man kein Trinkgeld gibt. 😉

Ansonsten war das für heute Nacht bedeutsam, weil sie damit endgültig dafür gesorgt hat, dass ich Scheine in Münzen wechseln musste, denn nach den 4,20€ Wechselgeld hatte ich wirklich nur noch 80 Cent in der Tasche, sowas passiert wenn’s hochkommt alle drei Jahre mal.

Lustigerweise passt das auch zu einem Artikel, den mir Sören zugeschickt hat, bei dem es um einen Polizeieinsatz wegen ganzen drei Cent (!) Trinkgeld geht. Für Nichtklicker: Der Fahrgast hat drei Cent Trinkgeld gegeben, der Taxifahrer hat es abgelehnt. Der Kunde schmeißt’s ins Auto, der Fahrer aus dem Fenster und daraufhin will der Fahrgast nicht aussteigen.

So weit, so absurd. Aber ich weiß ja von einigen Kommentaren hier, dass manche Kollegen bei solchen Beträgen auch schnell genervt sind und ebenso handeln würden. Im Übrigen hab ich beim Verlauf der obigen Geschichte durchaus die Vermutung, dass das „Trinkgeld“ in diesem Fall wirklich herablassend gemeint war. Aber ich möchte da auch mal ganz ehrlich und nicht böse gemeint genau jene Kollegen fragen: Was bringt’s Euch eigentlich? Also mal abgesehen davon, dass ich persönlich glaube, dass man da auch einigen Kollateralschaden unter einfach nicht nachdenkenden Kunden anrichtet: Was gibt einem das, wenn man dann seinerseits herablassend ist?

Ich meine, Ihr habt recht: Auf den einen Kunden oder diese paar Cent kommt’s natürlich nicht an. Aber ist das nicht eigentlich eine Bestätigung für den Kunden, dass man kleinlich ist oder sich schnell ärgern lässt? Ich hab diese Kunden ja auch, aber ich hatte nach dem oberflächlichen „Schönen Abend noch!“ nie das Gefühl, dass da einer ausgestiegen ist, der glaubte, es mir jetzt aber gezeigt zu haben oder dergleichen. Dazu all der Stress … ich blick’s echt nicht. Deswegen wäre ich echt froh über Erklärungen, die einen Schritt über „Ich lass nicht alles mit mir machen“ rausgehen. 🙂

Schwarztour-Angebot des Monats

„Bringste mich einfach inne Niederbarnim? Gradeaus, dann rechts. Ist nicht weit, aber kannst Die Uhr gerne auslassen, kriegst’n Fünfer.“

„Nee danke, ich brauche heute noch etwas Umsatz auf der Uhr.“

[Lustige Geschichte: Diese eher kryptische Aussage beendet meiner Erfahrung nach die Schwarztourdebatten wesentlich schneller als eine prinzipielle Weigerung oder gar der stichhaltige Hinweis, dass ich nichts davon habe, wenn meine Firma pleite geht.]

Naja, es waren dann anderthalb Minuten Fahrt und der komplette Inhalt des Gesprächs lässt sich wie folgt wiedergeben: Der Fahrgast war zu müde zum laufen und ich hab mich über die Tour gefreut, obwohl sie kurz war. Dann die Bezahlung:

„Na denn: Ein Fünfer, Kurzstrecke halt.“

„Hier. Stimmt so.“

Ein Zehner.

Ich weiß, dass die Leute, die uns die Touren schwarz anbieten, es eigentlich nett uns armen geknechteten Fahrern gegenüber meinen (oder einfach eine Verbilligung, koste es was es wolle, erringen möchten).

Aber die Art von Kunden? I don’t get it!

Nochmal zur gestrigen Tour

Ich hab den Artikel gestern nicht grundlos ein bisschen daneben klingen lassen. Kunden, die in Berlin extra die „Dorfdisco“ aufsuchen, mit Kumpels, die „Türsteher machen“ und dann ernsthaft fragen, ob das dort gut sei. Ich schiebe das gerne ein bisschen weg von mir, weil das nicht wirklich meine Szene ist. Andererseits sind das die Vorzeige-Elektro-Schuppen, die so angesagt sind, auch nicht.

Und um ehrlich zu sein: Ich hab in der neuen Kneipe meiner Stuttgarter Stammgastwirte meine Hochzeit gefeiert. Nachdem sie die ehemalige Kneipe zu einem Automatencasino umgewandelt hatten. Einen Blick von oben herab hab ich auf das Stadtteilleben wirklich nicht. Deswegen sei auch nochmal nachgeschoben, dass die Kunden, obwohl drei eher prollige Typen, durchaus einige Sympathien bei mir erwerben konnten. Sie waren furchtbar nett, haben meinen Rat ernsthaft haben wollen und waren reichlich selbstironisch ob ihrer Zielauswahl.

Zu guter Letzt der geschäftliche Teil: Kein Feilschen, kein Du-bist-ja-nur-der-Fahrer-Getue sondern ein angenehmes Gespräch. Und als meinem Beifahrer beim Bezahlvorgang versehentlich das Portemonnaie in der Hand explodiert ist, hat er meinen ersten Suchambitionen eine selbstverständliche Abfuhr erteilt, gemeint, dass es ja nur „ein bisschen Kleingeld“ sei und die 17,50€ trotzdem mit einem Zwanni beglichen.

Es mag nicht die klassische Kundschaft zu so einem Club gewesen sein, aber auch sowas passiert immer noch oft genug, um meine dann doch mal aufkeimenden Vorurteile gelegentlich auf die Probe zu stellen. Danke dafür!

Heimwegfinanzierungen

„Ach, mach doch mal billiger, Du fährst doch eh in die Richtung!“

Das ist, wie ich oft hier bei GNIT erwähnt habe, kein Argument. Obwohl beim Taxifahren vieles Zufall ist, bleibt am Ende dann doch, dass auch unsere Verfügbarkeit vor Ort bereits Teil der Dienstleistung ist. Das ist nicht immer fair, da auch der Winker einmal ums Eck nach dem nächsten Kunden noch den vollen Grundbetrag zahlen muss, aber dafür musste ich meiner letzten Kundin am Sonntag eben nicht auch mal eben hundertdrölfig Euro Anfahrt berechnen, weil mein Kilometerschnitt völlig im Arsch war, als ich sie einlud.

Aber der (abgesehen vom Schnitt sehr gute) Abend war für mich vorbei und mit ihrem Ziel in Marzahn kam sie mir ohne es zu wissen sehr entgegen. Sie wollte auch keinen Sonderpreis, sondern hat nur erwähnt, dass sie nur noch 11,50€ dabei hätte und ich dann eben ggf. stoppen solle. Passiert öfter, und unter diesen Umständen finde ich da meist auch eine versöhnliche Lösung. Hier folgende:

„Ich glaube nicht, dass das komplett reicht, aber warten wir mal ab. Um ehrlich zu sein: Die Richtung passt mir ganz gut.“

Ja, das ist in gewisser Weise das Gegenteil von dem, was ich eingangs erwähnt habe, aber genau da liegt der sehr sehr wichtige Punkt: Natürlich gibt es Momente, in denen man als Taxifahrer mal jenseits von Recht und Gesetz fünfe grade sein lassen kann. Aber wann das passiert, entscheidet der Taxifahrer nach seinen Möglichkeiten und nicht der Kunde! Es mag sein, dass man da ethische Grenzfälle finden kann, aber für uns ist der Deal, dass wir uns (und unter Umständen unseren Chef) um Geld bringen und zusätzlich das Gesetz misachten. So toll Kundschaft an sich ist: Dieses Entgegenkommen ist für uns ausschließlich negativ, denn unsere Alternative ist es, drölfzig bezahlte Kilometer Umweg zur schwerhörigen Uroma zu fahren, die dem Fahrgast das Geld schenkt. Und ja: Nix anderes ist einforderbar, alle Alternativen sind semilegale Geschenke von unserem wohlverdienten Lohn.

Aber wie ich bereits festgestellt habe: Auch das tut mal mehr und mal weniger weh und außerdem ging es mir nie nur um Prinzipienreiterei um der Prinzipienreiterei (die übrigens  ein sehr unbefriedigender Sport ist) wegen.

Also hab ich der Kundin noch vor Ende der Fahrt erklärt, dass ich sie schon heimbringen würde, weil mir der Weg gut passte. Und nur um das mal zu erklären: „Der Weg passt“ ist nicht immer das, was Kunden darunter verstehen. Selbst wenn man z.B. einer Veranstaltung entgegen fährt, kann es für mich blöd sein, nicht bereits die ersten Kunden einzuladen, sondern erst die einen Kilometer weiter. Sicher, oft kann ich das selbst nicht gut genug einschätzen, weil die nächsten ja auch unterschiedliche Touren haben könnten, aber das typische „Na, Du kannst ja froh sein, wieder in die City zu kommen …“ ist leider nicht immer  ein gutes Argument. Vielleicht ist im Außenbezirk auch gerade eine fette Party der Anziehungspunkt, von der fast alle Anwesenden Touren ins Umland zu bieten haben.

Aber wie ich wusste: Bei meiner Kundin war das nicht der Fall. Abgesehen von der geringen Partydichte in Lichtenberg und Marzahn am Montagmorgen war es auch so, dass ich langsam müde war, wirklich Feierabend machen wollte und ihr Ziel wirklich DIREKT auf dem Weg zum Abstellplatz lag. Eben genau die von Kunden sicher gerne herbeifantasierte Situation von „Entweder das oder gar nix“. Selbst wenn unterwegs Winker gewesen wären: Ich hätte sie nicht gewollt, ich hab nach der Tour für die verbleibenden anderthalb Minuten die Fackel ausgemacht. Und das ist auch nach achteinhalb Jahren immer noch ein nur ungefähr einmal jährlich auftretender Zustand.

Der Witz war, dass die 11,50€ am Ende zu 100% exakt bis zum Zielort gereicht haben. Abgesehen davon, dass ich sonst vielleicht noch ein Trinkgeld hätte einstreichen können, hab ich mich nicht einmal irgendwie aus dem Fenster lehnen mü …

„Ach, wenn Sie sowieso abbiegen: Könnten Sie mich dann da am Zebrastreifen rauslassen?“

Na gut, die einhundert Meter …

Ein spätes Foul ihrerseits. Aber dafür war mein Kilometerschnitt trotzdem wieder im Rahmen. 🙂

Ein Fail mehr …

Angefangen hat’s wie so viele Fahrten. Betrunken, kein Geld mehr, nur halt zu Hause. Ob wir nicht einfach …

„Klar, kein Problem …“

Und obwohl es diesmal schief ging: Ich bleibe dabei, dass das kein Problem ist. Ich lasse mir außer in begründeten Ausnahmen (sehr sehr teure Fahrten) auch nicht von Fahrgästen ihr Geld zeigen, obwohl ich es sogar als Vorschuss bereits an mich nehmen dürfte. Und trotzdem geht das in ca. 99,9% aller Fälle mehr oder weniger gut.

Weswegen hätte der Typ um die 50 jetzt meinen Verdacht erregen sollen? Ja, er war betrunken und ja, er hat viel gequatscht. Insbesondere darüber, dass er jetzt ja eigentlich nicht schon den zweiten Tag in Folge trinken gehen wollte. Ganz klar Business as usual.

Dass er dann nach etlichen Minuten wieder aus seinem Haus kam und mir erzählte, dass er sich sicher war, noch 100€ auf dem Tisch liegen gehabt zu haben, er die aber wohl doch gestern schon ausgegeben hätte … nun, das kam entsprechend überraschend. Seine Verwunderung zu diesem Zeitpunkt nahm ich ihm sogar ab, den Zenit des besten Erinnerungsvermögens hatte er sichtlich überschritten.

Zu seinen Gunsten sei erwähnt, dass er von den anfallenden 25€ immerhin auch rund 15 noch hatte und mir hoch und heilig versprach, sich zu melden. Ich könnte jetzt anfügen, dass das 2017 die erste Fehlfahrt gewesen sein müsste und mir der Zehner eigentlich ziemlich am Arsch vorbeigeht. Ehrlich.

Aber nur für den Fall, dass mein werter Fahrgast mich bereits gegoogelt hat:

  1. Namen vergessen, die zufällig komplette Ex-Bundeskanzler beinhalten, fällt selbst mir schwer.
  2. Falls Du* noch nicht tief genug gegoogelt hast: Ich wohne im Haus gegenüber. Wir sehen uns also sicher mal beim Einkaufen …

[Hier bösartiges Grinsen einfügen]

Und nun warten wir mal auf die Fortsetzung. 😉


*Du hast mir erlaubt, dich zu duzen.

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

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Noch ein Blog?

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Leute gibt es …

Über Kundschaft freut man sich als Dienstleister. Über nicht so tolle Kundschaft freut man sich auch mal nicht so sonderlich. Und dann gibt’s Leute, bei denen man echt nicht weiterweiß.

Nein, um ehrlich zu sein: Eigentlich war der Kunde ein Arschloch, aber selbst unter der Prämisse kann ja eine Fahrt wenigstens noch ok sein. Man schwankt öfter mal während eines Auftrages hin und her, aber der hatte es (unwissend) zur Kunstform erhoben.

Es fing damit an, dass er mich nur sehr kurz nach dem Losfahren in der Marzahner Wildnis erwischt hat, wo ich noch lange niemanden erwartet hatte. Er winkte mich heran, wartete auch geduldig auf mein durch eine Ampel verzögertes Wenden und nannte mir so ganz grob ein Ziel in immerhin mittlerer Entfernung.

Nun war da die Tatsache, dass er gleich klarmachte, dass er nur einen Zwanni dabei hätte. Das war für die Fahrt ok, aber gleichzeitig sah er halt nicht sehr vertrauenserweckend aus und roch noch während er das sagte erkennbar nach Urin. Eine Fehlfahrt zu Beginn? C’mon, Karma! Dass er dann anfing zu erzählen, er sei ja hier und da mal Polizist gewesen und hätte sich nun nach dieser Gartenparty in Hellersdorf trotzdem so richtig verfahren, klang ernsthaft eins zu eins wie die Kunden, die ich am Ende wegen Demenz an die Blaulichtfraktion weitergeben musste.

Dann aber fragte er mich nach dem Geschäft, erklärte kurz, warum er nur noch einen Zwanni hätte, all das klang plötzlich völlig logisch und wie ein Zufall. Er erzählte dann davon, wie er eigentlich nur so semilegal in seinem Schrebergarten wohnte und bekam so langsam den Anschein von einem lustig-findigen Senioren, der dem nicht so guten Leben ein Schnippchen schlägt.

Danach kam der Teil, wo er ohne mehr als bisher den Stadtteil genannt zu haben, erklärte, dass ich fahren könne wie ich wolle, das alles egal sei und ihn nicht kümmere. Was in Anbetracht der Tatsache, dass ab zwei Kilometern Umweg der Zwanni doch nicht reichen würde, wieder meine ersten Bedenken auf den Plan rief.

Nun aber schwenkte er um und begann nett und interessiert über Kleinigkeiten auf dem Weg zu berichten. Er legte doch noch schnell eine verbindliche Route fest und überraschte mich mit geschichtlichen Details und der Tatsache, dass er die Gegend wohl wirklich gut kennt und hier nicht aufs Geratewohl ins Grüne fährt. Puh!

Und nun, kurz vor dem Ziel, da ich eigentlich zufrieden mit der Tour war, musste er noch anmerken, wie er seinen eigentlich illegalen Wohnsitz vor allem hat, weil er sowas wie eine Bürgerwehr für Arme betreibt, sprich: Rumschnüffelt, ob die Nachbarn irgendwas unerlaubtes machen. Außerdem fühlte er sich bemüßigt, mir zu erklären, dass er (natürlich!) „eigentlich nix gegen ausländische Mitbürger“ habe*, aber „diese Scheiße hier“ (also die örtliche Unterkunft für Geflüchtete) natürlich gar nicht gehe.

Und dann schwenkte er ohne eine Sekunde ruhig zu sein um auf den Hinweis, wie ich am Besten ohne stressiges Wenden wieder aus der Siedlung käme und gab mir den ganzen Zwanni mit dem Hinweis, das stimme so, obwohl das über 30% Trinkgeld bedeutete.

Aufs Taxifahren bezogen war das geradezu eine Achterbahnfahrt: Ist mal ganz lustig, muss aber nicht kurz nach dem Essen sein.

*Liebe Nazis, Rassisten und sonstige Menschenfeinde: Ihr solltet so langsam wissen, dass „Ich hab nix gegen Ausländer, aber …“ ungefähr so intelligent klingt wie „Normalerweise hole ich mir nicht auf dem Dach der Gedächtniskirche zu einem Livestream von RTL einen runter, aber …“.